Kaputte Demokratie – Wie die Verhältnisse in den USA Europa und Deutschland bedrohen

eine Kerze auf kaputtem Asphalt

Kaputte Demokratie – Die USA als Warnbild – was Europa und Deutschland jetzt erkennen müssen

Die Vereinigten Staaten galten lange als Schutzmacht der Demokratie. Nicht, weil sie fehlerfrei waren, sondern weil ihre Institutionen stark genug erschienen, Macht zu begrenzen, Kritik auszuhalten und Konflikte zivil auszutragen. Heute ist dieses Bild beschädigt.

Die Frage ist nicht mehr, ob die Demokratie in den USA unter Druck steht.
Die Frage lautet: Wie tief reicht dieser Schaden – und was bedeutet er für Europa und Deutschland?

Demokratie ohne demokratischen Geist?

Formell sind die USA weiterhin eine Demokratie: Wahlen finden statt, Gerichte urteilen, Medien berichten. Doch Demokratie besteht nicht nur aus Verfahren. Sie lebt von Normen, von Zurückhaltung, von gegenseitiger Anerkennung politischer Gegner.

Genau diese kulturelle Substanz ist in den USA erodiert.

Politikwissenschaftler sprechen seit Jahren von einer „illiberalen Entwicklung“. Das V-Dem-Institut stuft die USA nicht mehr als stabile liberale Demokratie ein. Freedom House verzeichnet kontinuierliche Rückgänge bei politischer Kultur, Minderheitenrechten und institutionellem Vertrauen.

„Demokratien sterben heute nicht durch Militärputsche, sondern durch gewählte Führer, die demokratische Institutionen von innen aushöhlen.“
– Steven Levitsky / Daniel Ziblatt

Donald Trump ist dabei nicht die Ursache, sondern der Katalysator. Er hat Grenzen verschoben, Tabus gebrochen und eine politische Sprache etabliert, in der Loyalität wichtiger ist als Wahrheit.

Staatliche Macht als Drohkulisse: ICE und die Normalisierung von Angst

Kaputte Demokratie - eine Kerze auf kaputtem Asphalt
KI unterstützt generiert

Ein besonders sichtbares Zeichen dieser Entwicklung ist der Umgang mit Migration und innerer Sicherheit. Die Praktiken der US-Einwanderungsbehörde ICE stehen exemplarisch für eine neue Logik staatlicher Machtausübung:

– Razzien ohne Vorwarnung
– Inhaftierungen ohne ausreichende Transparenz
– Trennung von Familien
– Abschreckung als politisches Mittel

Juristisch mag vieles legal sein. Demokratisch ist es hoch problematisch.

Hier zeigt sich ein zentraler Punkt: Demokratie kippt nicht, wenn Gesetze gebrochen werden, sondern wenn Gesetze benutzt werden, um Angst zu erzeugen.

Meinungsfreiheit unter Vorbehalt: Wenn Satire zum Risiko wird

Ein weiteres Warnsignal ist der zunehmende Druck auf kritische Öffentlichkeit. Der Fall der zeitweisen Absetzung von Jimmy Kimmels Late-Night-Show durch ABC – offiziell aus programmlichen Gründen – wurde international als Angriff auf politische Satire wahrgenommen.

Die Reaktion der Öffentlichkeit war eindeutig:
– Proteste
– Kündigungswellen beim Disney-Konzern
– internationale Aufmerksamkeit

Dass Kimmel nach kurzer Zeit zurückkehrte, relativiert den Vorgang nicht. Im Gegenteil: Er zeigt, wie sensibel die Grenze inzwischen geworden ist.

David Letterman nannte Kimmel später den „Anführer des Widerstands“ – und fügte hinzu, Satiriker wie Kimmel, Colbert und Seth Meyers leisteten heute einen entscheidenden Beitrag zur Verteidigung der Demokratie.

„So muss es wohl sein in einer Demokratie, die anscheinend derart kaputt ist.“
– David Letterman

Wenn Entertainer zu demokratischen Schutzfiguren werden müssen, ist das kein Zeichen kultureller Vitalität, sondern politischer Schwäche.

Trump und Europa: Spaltung als Methode

Donald Trump denkt nicht in Kategorien von Partnerschaft oder Werten. Europa ist für ihn kein Verbündeter, sondern ein Machtblock, der entweder folgt oder geschwächt werden muss.

Seine Strategie war stets klar:
– bilaterale Deals statt EU
– Förderung nationalistischer Kräfte
– Misstrauen gegenüber supranationalen Institutionen

Ein geeintes Europa widerspricht autoritären Machtlogiken. Ein gespaltenes Europa ist kontrollierbar.

Trump will Europa nicht im klassischen Sinn „zerstören“. Er will ein Europa, das sich selbst nicht mehr vertraut.

Deutschland und die AfD: Keine Gleichsetzung – aber gefährliche Muster

Die Frage, ob Deutschland „amerikanische Verhältnisse“ drohen, wenn die AfD an die Macht käme, ist emotional aufgeladen – und dennoch legitim.

Ein direkter Vergleich greift zu kurz. Doch bestimmte Strukturmuster ähneln sich:

– pauschale Medienfeindlichkeit
– Infragestellung unabhängiger Institutionen
– Freund-Feind-Rhetorik
– Nationalismus als moralischer Ersatz

Demokratien scheitern nicht daran, dass Parteien gewählt werden.
Sie scheitern daran, wie Macht verstanden wird.

Der entscheidende Prüfstein lautet:

Wird Macht begrenzt – oder personalisiert?

Die spirituelle Tiefenebene: Ego, Angst und Projektion

Hier wird sichtbar, dass es sich nicht nur um eine politische Krise handelt, sondern um eine Bewusstseinskrise.

Ego

Kollektive Ego-Strukturen zeigen sich, wenn Staaten sich wie gekränkte Individuen verhalten: beleidigt, überempfindlich, dominant. Macht ersetzt dann Selbstreflexion.

Angst

Angst ist der effektivste politische Rohstoff. Sie verengt Denken, schwächt Empathie und erzeugt den Wunsch nach Autorität. Wer Angst verwaltet, braucht keine Lösungen – nur Feindbilder.

Projektion

Was nicht integriert wird, wird nach außen verlagert: „die Medien“, „die Eliten“, „die Fremden“. Der äußere Feind ersetzt die innere Auseinandersetzung.

Spirituell gesprochen gilt:

Unbewältigte Angst sucht Führung – nicht Verantwortung.

Fazit: Kaputte Demokratie ist kein Zustand – sondern ein Warnsignal

Die Demokratie in den USA ist nicht tot.
Aber sie ist beschädigt.

Europa ist nicht verloren.
Aber es ist gefährdet, wenn es Haltung durch Taktik ersetzt.

Deutschland steht nicht vor dem Ende.
Aber vor einer Bewährungsprobe seines demokratischen Bewusstseins.

Die entscheidende Frage lautet nicht:

„Wer gewinnt die nächste Wahl?“

Sondern:

„Welche Haltung gewinnt unsere Gesellschaft?“

Demokratie ist kein Besitz.
Sie ist eine tägliche Praxis – politisch, ethisch, geistig.

Wer sie auf Wahlprozesse reduziert, hat sie bereits missverstanden.
Wer sie nur verteidigt, ohne sich selbst zu hinterfragen, verliert sie von innen.

Kaputte Demokratie ist kein Schlagwort.
Es ist ein Zeichen.

Und Zeichen sollte man ernst nehmen –
bevor sie zu Tatsachen werden.

20.12.2025
Uwe Taschow

Alle Beiträge des Autors auf Spirit Online

Über Uwe Taschow – spiritueller Journalist und Autor mit Haltung

Krisen und Menschen Uwe Taschow

Uwe Taschow – Spiritueller Journalist, Autor und Mitherausgeber von Spirit Online Uwe Taschow ist Autor, Journalist und kritischer Gesellschaftsbeobachter. Als Mitherausgeber von Spirit Online steht er für einen Journalismus mit Haltung – jenseits von Phrasen, Komfortzonen und Wohlfühlblasen.
Sein Anliegen: nicht nur erzählen, sondern zum Denken anregen. Seine Texte verbinden spirituelle Tiefe mit intellektueller Schärfe und gesellschaftlicher Relevanz. Uwe glaubt an die Kraft der Worte – an das Schreiben als Akt der Veränderung. Denn: „Unser Leben ist das Produkt unserer Gedanken.“ Seine Essays und Kommentare bohren tiefer, rütteln wach, zeigen, was andere ausklammern.

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