Chaosmagie – Der Versuch einer Erklärung
Der folgende Artikel stellt eine Erklärung des relativ neuen Begriffs der „Chaosmagie“ dar – einer Form der magischen Intervention, die gar keine „Form“ ist, sondern die gezielte Abwesenheit einer bestimmten Form.
Unter Chaosmagie versteht man – grob gesagt – eine magische Praxis, die gerade nicht strikt einer Tradition oder Schule folgt, sondern alles miteinander kombiniert, das nötig ist, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.
Das Konzept der Chaosmagie
Aufgetaucht ist dieser Begriff 1978 im Buch „Liber Null“ von Peter Carroll. Dort beschreibt der Autor seine Ideen von Magie, die alle bisherigen Paradigmen zu Magie und anderen mystischen Themen über den Haufen zu werfen scheinen.
So ist das wichtigste Merkmal der Chaosmagie der sog. magische Paradigmenwechsel. Der Magier bleibt gerade nicht bei einer kulturellen Ausprägung, bei einer „Methode“, sondern er wechselt von einer zur anderen, wenn ihm das angebracht erscheint.
Überspitzt formuliert, kann ein Chaosmagier mit einem Runenzauber beginnen, diesen in eine Sigille verwandeln, dabei Elemente aus verschiedenen schamanischen Traditionen einbringen, im Anschluß daran die Erzengel, Jesus, Thor und Odin beschwören, das Vaterunser beten und mit einem Voodoo-Ritual schließen.
Nicht selten scheinen sich die angewandten Praktiken gegenseitig auszuschließen und ein erfahrener Magier wird auch ganz eigene Methoden entwickeln, die bisher in gar keiner Tradition aufgetaucht sind. Er wird das sogar spontan, während seiner Arbeit machen und so mancher Magier arbeitet nicht einmal erkennbar.
Er sitzt möglicherweise nur auf einer Wiese und starrt Löcher in die Luft. Oder er tut scheinbar völlig verrückte Dinge – was in traditionellen spirituellen Kreisen zuweilen als Ketzerei verdammt wird, wenn diese Arbeitsweise denn überhaupt bekannt ist.
Der Zustand des Magiers
Diese verrückten Dinge, die ein Chaosmagier zuweilen tut, haben aber durchaus einen Sinn.
Ein weiteres wichtiges Merkmal der Chaosmagie ist der Zustand, in dem sich der Magier befindet, während er arbeitet. Der ist immens wichtig, denn die maximale Wirksamkeit der Chaosmagie entfaltet sich dann, wenn der Magier sich nicht mehr bewusst daran erinnert, was er erreichen möchte.
Das hört sich auf den ersten Blick sehr seltsam an, wie kann man ein Ziel erreichen, wenn man sich nicht mehr daran erinnert? Aber genau diesen Spagat beherrschen erfahrene Chaosmagier sehr gut und es gibt ein paar Hilfsmittel dafür.
Es gibt grob gesagt, drei Zustände, die zur Anwendung kommen. Je nachdem was der Magier bevorzugt und in welchem er sein Ziel am effizientesten erreichen kann.
Drei Zustände, die zur Anwendung kommen
1. Dämpfungsgnosis (“inhibitory gnosis”)
Hierbei geht es darum, die menschlichen Sinne während der Arbeit maximal zu dämpfen bzw. auszuschalten. Das kann durch Techniken oder Hilfsmittel erreicht werden. Beispielsweise durch Meditationen oder auch das Einnehmen von Drogen.
Oder, wenn es etwas martialischer sein darf, auch das Annähern an einen Todeszustand. Eine bekannte Technik ist beispielsweise mit verbundenen Augen, Ohrenstöpseln, verschlossener Nase und Mund so lange auszuharren, bis der Überlebensinstinkt einsetzt und den Magier panisch nach Luft schnappen lässt.
In diesem Moment ist das Bewusstsein völlig ausgeschaltet, es zählt nur der Überlebensinstinkt und genau in diesem Moment gewinnt der Zauber seine größte Wirksamkeit.
2. Erregungsgnosis (“excitatory gnosis”)
Hier geschieht das genaue Gegenteil vom vorgenannten Zustand. Die Sinne werden nicht ausgeschaltet sondern maximal überreizt. Man erreicht das durch laute Umgebung (Musik, Lärm), ekstatisches Tanzen oder körperliche Überanstrengung. Dabei kommen Methoden zum Einsatz, die man andernorts auch zur Folter einsetzt.
Das Ziel ist es, eine Notfallreaktion des Körpers zu provozieren, in der das Bewusstsein wieder der reinen Instinktsteuerung weicht. In diesem Zustand ist es möglich, sich zu 100% auf sein Ziel zu konzentrieren. Manche Magier beschreiben diesen Zustand, als würden sie von einer fremden Macht gesteuert.
3. Gleichgültige Leere (“indifferent vacuity”)
Dies ist die Methode, bei der der Magier die oben schon angedeuteten Löcher in die Luft starrt oder sich mit ganz alltäglichen Dingen zu beschäftigen scheint.
Der Magier arbeitet quasi gelangweilt, „im Vorbeigehen“, „zwischen Tür und Angel“ – oder eben scheinbar gar nicht, weil er gerade die Sonne auf seiner Wiese genießt. Er erreicht damit, dass er idealerweise schon während seiner magischen Arbeit vergisst, überhaupt magisch gearbeitet zu haben.
Dazu entwickelt jeder Magier seine ganz eigene Technik, die für ihn eben am besten funktioniert.
Das Ziel vergessen und somit größtmögliche Wirksamkeit entfalten
Der Hintergrund dieses Aufwands, die Magie noch während ihrer Anwendung zu vergessen, ist ein ganz Handfester: Dadurch wird erreicht, dass das Ziel der Magie direkt aus dem Unterbewusstsein des Magiers ans Universum übergeben wird.
Das schaltet nämlich ganz automatisch sämtliche Zweifel und das immerwährend Grundrauschen des Verstandes aus und erzeugt damit einen ganz klaren, reinen „Steuerungsbefehl“ ans Universum.
Und das Universum mag klare Anweisungen. Daraus ergeben sich enorme Möglichkeiten, die uns Menschen im bewussten Wachzustand ansonsten verborgen bleiben.
Die Hilfsmittel des Chaosmagiers
Dieser Absatz ist schnell geschrieben, denn ein Chaosmagier benötigt rein gar nichts für seine Arbeit. Vielleicht mit Ausnahme der Hilfsmittel zur Erreichung der Dämpfungs- oder Erregungsgnosis. Und manchmal ein Blatt Papier um irgendwelche Symbole zu zeichnen.
Für großartige Shows mit viel TamTam eignen sich Chaosmagier leider nicht, was sie in der schillernden spirituellen Szene oft etwas langweilig erscheinen lässt. Wobei natürlich nichts dagegen spräche, seine Magie während einer Show zu praktizieren. Die Show muss ja nicht zwingend etwas mit der eigentlichen Magie zu tun haben …
Was macht man mit der Chaosmagie?
Zu was ist das nun zu gebrauchen?
Grundsätzlich gesagt: Zu jeglicher Beeinflussung der Lebensrealität des Anwenders, seines Auftraggebers oder sogar dritter Personen. Magie eben.
1. beim Anwender
Hat der Magier selbst ein Ziel,das er erreichen möchte, kann er seine Magie auf sich selbst anwenden. Etwas provokant gesagt, kann er sich Steinreich machen oder seine Persönlichkeit verändern oder seine Gesundheit beeinflussen.
Grenzen sind der Anwendung nur durch das menschliche Vorstellungsvermögen gesetzt und möglicherweise durch einige Naturgesetze. Wobei letzteres noch zu beweisen wäre.
2. beim Auftraggeber
Ein Chaosmagier kann auch im Auftrag von jemandem handeln und für diesen genau das erreichen, was er für sich selbst erreichen kann.
3. bei dritten Personen
In der Praxis eines Magiers geht es häufig um Streitthemen, die sein Auftraggeber mit dritten Personen hat. Die Bandbreite reicht von geschäftlichen Auseinandersetzungen bis zum Sorgerechtsstreit und dem Kampf mit Ämtern und Behörden.
Hier ist die Grenze zur sog. „schwarzen Magie“ sehr dünn und sehr fließend. Jeder Magier wird seine eigenen ethischen Regeln aufstellen, die ihm einen Rahmen geben, was er tut und was nicht.
Nicht alles, was machbar ist, ist auch vertretbar.
4. Situationen
In manchen Fällen lassen sich auch Situationen beeinflussen, ohne direkt Einfluss auf die beteiligten Menschen zu nehmen. Vorgänge können z.B. beschleunigt oder verzögert werden.
Letzten Endes entsteht jegliche materielle Interaktion, ja jegliche Form von Materie, immer aus geistigen Zusammenhängen heraus.
Materie entsteht aus Energie und Materie folgt der Energie.
Wer das begriffen hat, der bekommt eine Idee davon, was alles möglich ist.
Und diese Idee ist nicht neu.
Seit je her bedienen sich nahezu alle Mächtigen dieser Welt der Magie
Seit je her bedienen sich nahezu alle Mächtigen dieser Welt auch der Magie. Mehr oder weniger offen, mehr oder weniger deutlich sichtbar. Aber sie tun es und das mit großem Erfolg.
Und daran ist nichts auszusetzen, wenn es die Möglichkeit gibt, warum sie also nicht nutzen? Immerhin hat es jeder selbst in der Hand, was er mit seiner Macht anstellt.
Am Ende eine Warnung
Zu guter letzt eine kleine Warnung an alle, die jetzt schon freudestrahlend „dann bin ich ja auch ein Chaosmagier“ gerufen haben. Ja, natürlich, grundsätzlich ist jeder Mensch ein Magier. Wir alle haben die Fähigkeit, unsere Lebensrealität zu beeinflussen. Die Einen tun es bewusster, die Anderen weniger.
Aber das bewusste Praktizieren von Magie, speziell wenn es den eigenen Wirkungskreis überschreitet, ist eine ganz andere Nummer. Denn es funktioniert. Immer. Auch bei blutigen Anfängern. Nur dass diese mit dem Ergebnis schnell überfordert sind. So mancher „Zauberlehrling“ hat sich damit schon in Schwierigkeiten gebracht, der Autor dieses Artikels in seinen Anfängerjahren nicht ausgenommen.
Magie in der Praxis sicher anzuwenden bedeutet, ein umfassendes Verständnis darüber zu haben, was passieren kann und wird. Es bedeutet, Erfahrung im Lenken von Energie zu haben. Es bedeutet, zu wissen, wie man sich vor dem schützt, was möglicherweise an „Rückschlag“ kommt. Es bedeutet, sich klarzumachen, dass Magie auch Leid erzeugen kann und dass dieses Leid möglicherweise nicht mehr so leicht rückgängig zu machen ist.
Zwar kann grundsätzlich jeder Mensch Magie anwenden, so wie auch jeder Mensch ein Flugzeug fliegen kann. Aber nicht jeder Mensch ist dazu geschaffen, es auch zu tun. Man muss sich darüber klar sein, dass es oft kein Zurück gibt und auch keinen Support, den man anrufen kann, wenn man etwas kaputt gemacht hat.
Gerhard Zirkel
Schamane. Coach. Mensch
18.04.2022
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