Die Evolution von Angst und Sorge
Was ist Angst und warum gibt es sie?
Angst gehört zu den intensiv erforschten Emotionen, da sie als Warnsignal vor potenziellen Gefahren essenziell für das Überleben ist. Sie ermöglicht die Bewertung von Situationen, um Bedrohungen frühzeitig zu erkennen und ihnen auszuweichen, bevor sie eintreten. Diese Fähigkeit ist das Ergebnis eines evolutionären Prozesses, der sowohl individuelle Erfahrungen als auch das kollektive Wissen unserer Vorfahren einschließt.
Die Alarmdatenbank des Menschen ist aus seiner biologischen Natur (natürliche Selektion) und seiner individuellen Erfahrung zusammengesetzt. Die Alarmdatenbank ist ein offenes System und wird fortwährend mit neuen Informationen versorgt. Das menschliche Gehirn ist nämlich darauf spezialisiert, sich potenzielle Risiken dauerhaft einzuprägen, um die Überlebenswahrscheinlichkeit zu erhöhen. Als Reaktion auf potenzielle Gefahren wird Angst durch typische Verhaltensmuster wie Erstarren, Flucht oder Kampf ausgedrückt, die darauf abzielen, die Überlebenschancen zu erhöhen.
Diese Mechanismen beruhen auf der menschlichen Wahrnehmung, die Eindrücke und Signale verarbeitet, um fundierte Schlüsse zu ziehen. Das Vertrauen in die eigene Wahrnehmung basiert auf erworbenen Erfahrungen und Vorwissen, die bei der Entscheidungsfindung in kritischen Situationen hilfreich sind. Dabei spielt die erste Einschätzung einer Lage eine zentrale Rolle, da sie zwischen gefährlich und ungefährlich sowie zwischen Freund und Feind differenziert.
Zentren und Kategorien der Angst
Im menschlichen Gehirn sind zwei spezifische Zentren für Angst verantwortlich: unmittelbare und mittelbare Angst. Die unmittelbare Angst, auch „Furcht“ genannt, ist eine direkte Reaktion auf konkrete Gefahren wie körperliche Bedrohungen. Sie löst oft starke körperliche Reaktionen aus, die in bestimmten Fällen leistungssteigernd wirken können. Mittelbare Angst hingegen beschäftigt sich intellektuell mit hypothetischen oder indirekten Gefahren, etwa durch Berichte über Verbrechen oder globale Risiken.
Angsterfahrungen können anhand von drei zentralen Kriterien kategorisiert werden:
- der Intensität, also dem zu erwartenden Schadensausmaß;
- dem Zeitpunkt der Bedrohung, ob sie unmittelbar oder in der Zukunft liegt; und
- der Abwendungswahrscheinlichkeit, also der Möglichkeit, die Gefahr abzuwenden.
Darüber hinaus sind soziokulturelle Erfahrungen in universelle Themen eingebettet, die individuelle Angstreaktionen beeinflussen. Angst steht oft in enger Verbindung mit anderen negativen Emotionen wie Zorn, die ebenfalls auf spezifische Gefahren oder soziale Spannungen zurückzuführen sind. Angst ist ein unverzichtbares Werkzeug, das Menschen befähigt, potenzielle Bedrohungen rechtzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren.
Angstauslöser
Charakteristische Angstauslöser umfassen drohende physische und psychische Schäden, die entweder auf angeborene Grundthemen oder individuelle Erfahrungen zurückzuführen sind. Ein weiteres emotionales Grundthema der Angst ist der drohende Verlust. Potenzieller physischer Schmerz und Bedrohungen sind dabei als evolutionäre „Urthemen“ zu verstehen, die nicht notwendig eine vorherige Erfahrung benötigen, um Angst auszulösen. Erlernte Ängste hingegen entstehen durch persönliche Erlebnisse und zeigen sich häufig in individuellen Reaktionen, die nicht unbedingt von der Allgemeinheit geteilt werden müssen. Die Grundvoraussetzung für Angst ist das Bewusstsein, sich in einer Gefahrensituation zu befinden.
Evolutionär bedingt verspüren Menschen häufiger Urängste vor Reptilien oder Spinnen, da moderne Bedrohungen wie Schusswaffen oder Steckdosen noch nicht lange genug existieren, um in den menschlichen Genpool aufgenommen zu werden. Diese Anpassungen, die durch lange Zeiträume geprägt sind, zeigen, wie sich die menschliche Konstitution auf spezifische Gefahren eingestellt hat. Die Angst vor Schlangen und Spinnen resultiert vermutlich aus gemeinsamen Erfahrungen unserer Vorfahren und wurde evolutionär verankert, wobei Darwin die Idee diskutierte, ob solche Themen ggf. auch ohne vorherige Erfahrungen als Auslöser wirken können.
Untersuchungen zeigen, dass angeborene Ängste evolutionär tief im Erbgut verankert sind. Beispielsweise entwickeln Ratten im Labor, die noch nie Kontakt mit Katzen hatten, dennoch Angstreaktionen beim Anblick einer Katze. Solche grundlegenden emotionalen Themen können zwar abgeschwächt werden, bleiben jedoch als evolutionäre Mechanismen bestehen.
Extremangst und sozialer Ausschluss
Angst lässt sich in zwei Hauptkategorien einteilen: die Angst vor körperlichem oder psychischem Verfall und die Angst vor sozialem Ausschluss. Historisch betrachtet stellte sozialer Ausschluss eine existenzielle Bedrohung dar, da das Überleben stark von sozialer Integration und Kooperation abhängig ist. Der Verlust sozialer Einbindung kann sowohl physische als auch psychische Reaktionen auslösen, die das Nervensystem wie bei einer tödlichen Bedrohung aktivieren.
Ein typisches Beispiel für die soziale Komponente der Angst ist Mobbing, das Betroffene häufig in Extremsituationen versetzt. Extremangst, die intensivste Form der Angst, entsteht, wenn Betroffene keine Lösung für ihre Situation sehen und ein Gefühl der Ausweglosigkeit empfinden.
Angst kann zudem mit Scham verbunden sein, insbesondere bei der Angst vor Versagen, bei der die Furcht vor Entdeckung durch gesellschaftliche Bewertungen und moralische Vorstellungen verstärkt wird. Ebenso zählt der drohende Verlust zu den zentralen Grundthemen der Angst. Angst ist eng mit anderen emotionalen Zuständen wie Schuld und Erleichterung verknüpft. Schuld kann beispielsweise aus der Angst vor Entdeckung beim Lügen oder aus moralischen und persönlichen Bewertungsmaßstäben resultieren. Erleichterung hingegen wird oft als Folgeemotion der Angst empfunden.
In sozialen Kontexten spielt Angst eine bedeutende Rolle. Beispiele hierfür sind Mobbing, extreme Schüchternheit oder soziale Versagensängste, unter denen etwa 15 % der Bevölkerung leiden. Die Bewertung von Scheitern ist stark von kulturellen und gesellschaftlichen Werten abhängig und oft mit Angst, Scham und Schuldgefühlen verbunden. Destruktives Scheitern führt häufig zu negativen Reflexionen, während konstruktives Scheitern als Quelle von Erkenntnis und Neuanfang angesehen werden kann.
Variationen und Kopplungen der Angst
Häufig wird Angst mit physischer Gewalt assoziiert, die als evolutionäres Urthema gilt. In Bedrohungssituationen treten Angst und Zorn oft gemeinsam auf: Während Angst die Bedrohung reflektiert, richtet sich Zorn aktiv gegen den Angreifer. Zorn kann dabei eine angstmindernde Funktion erfüllen, indem er passive Reaktionen überwindet. Angst lässt sich darüber hinaus mit Gewaltverzicht sowie Gewalterfahrungen verknüpfen.
Hass besitzt in bestimmten Fällen angstüberwindende Eigenschaften. Sorge, verstanden als moderates Maß von Angst, zeigt ähnliche Assoziationen wie Angst, ist jedoch weniger intensiv. Studien belegen, dass Menschen einen erheblichen Teil ihrer Wachzeit mit Sorgen verbringen, wobei die Nähe zum Anlass – räumlich und zeitlich – eine entscheidende Rolle spielt.
Während Angst die Emotion in ihrer Gesamtheit beschreibt, bezieht sich Furcht auf eine konkrete Bedrohung. Besorgnis, ein Zustand von Unruhe oder Beunruhigung ohne klaren Grund, ist an einen begrenzten Kenntnisstand geknüpft und wird oft als Vorstufe einer intensiveren Angst verstanden. Angst übt sowohl individuelle als auch soziale und kulturelle Einflüsse aus. Sie steht in engem Zusammenhang mit anderen Emotionen und ist in ihrer Vielfalt ein zentraler Bestandteil menschlicher Erfahrung.
Die Verbindung von Angst mit psychischen Störungen
Die Verbindung von Angst mit psychischen Störungen ist ebenfalls bedeutsam, darunter das Burnout-Syndrom, Depressionen, Dysmorphophobie, Cotard-Syndrom, Impostor-Syndrom und Hypochondrie. Verlustängste manifestieren sich beispielsweise als Eifersucht gegenüber einer Bezugsperson oder als Bindungsangst, die oft auf psychische Unreife, unrealistische Partnerschaftserwartungen oder mangelndes Pflichtbewusstsein zurückzuführen ist. Zudem werden häusliche Gewalt und die damit verbundenen Ängste häufig durch Scham und archaische Rollenbilder geprägt.
Ein Beispiel für neurologische Veränderungen durch Angst ist das Klüver-Bucy-Syndrom, das nach Schädigungen des Schläfenlappens einschließlich der Amygdala auftreten kann. Dieses Syndrom zeigt sich in verändertem Sozialverhalten, gesteigerter Risikobereitschaft und der Entwicklung von Zwängen. Ursachen können Hirnverletzungen, Tumore oder Infektionskrankheiten sein. Die langfristigen Folgen von Angst werden insbesondere bei früh traumatisierten oder emotional vernachlässigten Kindern deutlich.
Eine erhöhte Cortisolausschüttung beeinträchtigt ihre psychische und physische Gesundheit, was zu Angststörungen, Depressionen und Bindungsunfähigkeit führen kann. Die Bindungsfähigkeit ist jedoch evolutionär essenziell für das Überleben des Menschen. Die Bindungstheorie von John Bowlby und Mary Ainsworth verdeutlicht den Zusammenhang zwischen frühen emotionalen Verlusterfahrungen und späterem Verhalten. Studien zeigen, dass Kinder mit intensiver Zuwendung breitere kommunikative Fertigkeiten entwickeln und im Erwachsenenalter weniger ängstlich und psychisch stabiler sind.
Physiologische Auswirkungen der Angst
Angst kann eine Vielzahl chronischer Symptome hervorrufen, darunter Schlafstörungen, Muskelverspannungen und Traumata. Sie aktiviert dieselben Hirnareale, die auch für die Verarbeitung körperlicher Schmerzen zuständig sind. Studien belegen, dass sozialer Ausschluss oder die Angst davor die gleichen neurologischen Strukturen ansprechen wie physische Schmerzen. Emotionales Weinen, ein evolutionäres Kommunikationsinstrument, dient hierbei als Ventil zur Verarbeitung von Angst, Verzweiflung und Überforderung.
Lange Zeit galt die Amygdala als Hauptsitz der Angst, da phobische oder ängstliche Menschen dort eine Hyperaktivität zeigen, etwa beim Anblick angsterfüllter Gesichter. Neuere Forschungen aus dem Jahr 2013 zeigen jedoch, dass auch kognitive Gehirnstrukturen an der Erfahrung unmittelbarer Angst beteiligt sind.
Angst geht mit typischen physiologischen Reaktionen einher, wie Herzklopfen, Luftnot, Muskelanspannung, vermehrter Transpiration und verstärkter Durchblutung der Beinmuskulatur – ein evolutionär entstandener Vorteil zur Fluchtvorbereitung. Gleichzeitig wird den Händen Blut entzogen, wodurch sie kälter werden. Ein flaues Gefühl im Magen ist auf die Reaktion des limbischen Systems zurückzuführen, das das Blut aus dem Verdauungstrakt in die Fluchtmuskeln umlenkt.
In akuten Gefahrensituationen treten typische Verhaltensweisen wie Flucht, Erstarren, erhöhte Wachsamkeit, geringere Schmerzempfindlichkeit und die Aktivierung bestimmter Hirnregionen auf. Angst ist dabei oft mit Emotionen wie Zorn oder Wut gekoppelt, die die Herzfrequenz steigern und den Körper auf Kampf- oder Fluchtreaktionen vorbereiten. Bemerkenswert ist, dass Angst rationalem Denken häufig überlegen bleibt. Selbst wenn der Verstand eine Angst als unbegründet einstuft, kann sie bestehen bleiben, da Urängste das bewusste Wissen überwiegen.
Je enger ein Auslöser mit einem evolutionären Urthema verwandt ist, desto schwieriger fällt es, rationale Kontrolle über die Angst zu erlangen. Stress und Angst wirken sich zudem negativ auf die Entscheidungsfähigkeit aus. Chronischer Stress mindert die geistige Klarheit, führt zu irrationalen Entscheidungen und verringert die Flexibilität. Besonders belastend ist die Notwendigkeit, unter vielen Optionen ohne ausreichende Entscheidungshilfen eine Wahl zu treffen. Prüfungsangst zeigt dies deutlich: Emotionen hindern hierbei den Zugriff auf gespeichertes Wissen.
Angst und Gesundheit
Angst hat weitreichende Auswirkungen auf körperliche Gesundheit, psychisches Wohlbefinden und soziale Beziehungen. Auch das Immunsystem wird durch Angst beeinflusst, was die Anfälligkeit für Krankheiten erhöht. Traumatische Erlebnisse oder Isolation z.B. können die Mortalität signifikant steigern.
Ruhige Musik und religiöse oder spirituelle Erfahrungen hingegen können Angst und Stress deutlich reduzieren. In städtischen Lebensräumen besteht ein um 21% höheres Risiko für Angststörungen als in ländlichen Gebieten. Die Lebensbedingungen in Städten tragen zu diesem Phänomen bei.
Die Geographie der Angst
Die Geographie der Angst, wie von Borwin Bandelow beschrieben, zeigt ein deutliches Nord-Süd-Gefälle, das auf evolutionäre Anpassungen zurückgeführt werden kann. Während der Völkerwanderungen waren Menschen, die in nördliche Regionen vorstießen, gezwungen, besondere Vorsicht walten zu lassen. Sie mussten sich auf das Winterhalbjahr vorbereiten, in dem keine Nahrungsmittel wachsen, was die Notwendigkeit zur Vorratsbildung und zum vorausschauenden Denken mit sich brachte. Unbekümmerte Menschen überlebten diese Herausforderungen seltener, da sie oft verhungerten oder erfroren. Dies führte dazu, dass in unwirtlichen Regionen vor allem die Ängstlicheren überlebten, wodurch sich die Fähigkeit zur Sorge und Planung stärker entwickelte.
Im Gegensatz dazu zeigen sich Menschen in angenehmeren Weltgegenden, insbesondere in der Nähe des Äquators, tendenziell unbekümmerter, obwohl ihr Leben objektiv betrachtet oft gefährlicher ist. Dieses Nord-Süd-Gefälle spiegelt sich auch in den Sicherheitswarnungen wider, die in nördlichen Ländern häufig intensiver und drastischer formuliert werden als in südlichen Regionen.
Unser Umgang mit der Angst
Der Umgang mit Angst zeigt sich häufig durch Ungeduld oder Respektlosigkeit gegenüber Menschen, deren Ängste scheinbar unbegründet wirken. Stattdessen wären jedoch Akzeptanz und ein Perspektivwechsel erforderlich, da auch erlernte Ängste echte Ängste sind und betroffene Personen Unterstützung brauchen, um damit umgehen zu können. Angst führt oft zu einer Kategorisierung, die komplexe Situationen vereinfacht und dadurch begreifbarer macht.
Die Einteilung in Kategorien wie „Freund“ und „Feind“ erleichtert die Verarbeitung von Bedrohungen und hilft, sich in angstauslösenden Umständen zu orientieren. Von Außenstehenden wird Angst häufig als unangemessen wahrgenommen. Unangemessene Reaktionen lassen sich dabei in drei Kategorien unterscheiden:
- Erstens eine falsche Intensität, wie Panik statt einer angemessenen Sorge.
- Zweitens ein unangemessener Ausdruck, der sich beispielsweise in Sturheit zeigt.
- Drittens das falsche Gefühl, bei dem die Angst nicht passend zur Situation erlebt wird.
Ein bewusster Umgang mit diesen Facetten könnte dazu beitragen, die Wahrnehmung und Unterstützung für Menschen mit Ängsten zu verbessern. Ein respektvoller und empathischer Umgang ist essenziell, um Betroffenen die Möglichkeit zur Bewältigung ihrer Ängste zu geben.
Terrorismus
Terrorismus verfolgt das Ziel, sowohl physiologischen als auch psychologischen Terror auszuüben. Dennoch belegen Statistiken, dass die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Terroranschlags zu werden, relativ gering ist. Eine Studie aus den USA zeigte, dass nach den Anschlägen auf das World Trade Center viele Menschen aus Angst vor Terrorismus Flugreisen mieden und stattdessen häufiger mit dem Auto unterwegs waren. Dies führte zu einem Anstieg der Verkehrstoten um 1500 Personen, was verdeutlicht, dass übermäßige Vorsicht nicht zwangsläufig das Risiko senkt. Menschen passen sich jedoch relativ schnell an bedrohliche Situationen an und gewöhnen sich an den Alltag unter terroristischen Gefahren.
Beobachtungen von Borwin Bandelow zeigen, dass die Aufmerksamkeit für Bedrohungen etwa vier Wochen nach einem Anschlag oder einer Warnung wieder nachlässt – selbst bei objektiv gestiegener Gefährdungslage. Dieser Mechanismus entspricht einem natürlichen Schutzsystem des Menschen.
Extremsituationen wie Geiselnahmen führen oft zu Schock, Überforderung und Existenzängsten. Diese intensiven Gefühle können Wahrnehmungsverzerrungen hervorrufen, bei denen Geiseln ihren Entführern Vertrauen schenken, während die Polizei als anonym und unberechenbar wahrgenommen wird. Solche Verhaltensweisen zeigen die komplexen psychologischen Auswirkungen von Bedrohungsszenarien und die tiefgreifenden Mechanismen menschlicher Anpassung.
Körpersprache und Signale der Angst
Körpersprache und Mimik bieten zentrale Hinweise für das Erleben und die Kommunikation von Angst. Die Körpersprache und die Signale der Angst haben sich im Laufe der Evolution als Kommunikationsmittel entwickelt, um Gefahrensituationen an andere zu vermitteln und Fluchtbereitschaft sichtbar zu machen. Studien zu Massenpaniken und -unglücken verdeutlichen, wie individuelle Ängste das Verhalten der umgebenden Menschen beeinflussen können.
Typische Reaktionen auf Angst umfassen Verstecken und Flucht, die oft mit physischem oder psychischem Rückzug einhergehen. Erstarren oder „sich tot stellen“ sind typische Mechanismen des Versteckens, während Zorn als dritte Reaktion auftreten kann, wenn eine Bedrohung aktiv bekämpft wird.
In Bedrohungssituationen kann Angst Wut hervorrufen oder unterdrücken. Wut, die als verwandelte Angst auftreten kann, ist bei Frauen sehr häufig mit Angst gekoppelt, was sich im Gesichtsausdruck und in der Stimme nachweisen lässt. Die Hauptsignale für Angst sind mimische Veränderungen wie angespannt verzogene Lippen, hoch- und zusammengezogene Augenbrauen sowie Veränderungen der Augenlider, etwa hochgezogene Oberlider und angespannte Unterlider. Diese Merkmale helfen, Angst von Überraschung zu unterscheiden, die oft verwechselt werden.
Auch paralinguistische und körperliche Signale können Angst ausdrücken. Dazu zählen hastige oder sehr langsame und leise Sprache, das Platzieren von Gegenständen als räumliche Barriere zwischen sich und anderen oder physische Reaktionen wie beschleunigte Atmung, kurzes, heftiges Luftholen und das Zurückziehen der Arme. Angst bewirkt zudem Veränderungen im vegetativen Nervensystem, wie die Erweiterung der Pupillen, was auch bei Wut und sexueller Erregung auftritt.
Kombinationen von Angst und Zorn zeigen sich oft in einem „stechenden“ Blick, gekennzeichnet durch gesenkte, zur Nasenwurzel hin zusammengezogene Augenbrauen und hochgezogene Oberlider. Geweitete Nasenflügel können ebenfalls Angst signalisieren. Lächeln hingegen wird häufig als Tarnung eingesetzt, um Angst zu verschleiern, während Trauer, die mit Angst gekoppelt ist, durch hilfesuchende Blicke erkennbar wird.
Angst und Überraschung werden, sowohl von zivilisierten als auch von Urvölkern, oft verwechselt, da beide Zustände den Körper in Alarmbereitschaft versetzen. Der Unterschied liegt jedoch in der Dauer der Erkenntnis: Überraschung ist kurzfristig, während Angst langanhaltend wirkt. Diese beiden Emotionen lassen sich mimisch vor allem durch die Augenlider, Augenbrauen, den Unterkiefer und die Lippen unterscheiden. Überraschung zeigt sich durch nicht angespannte Unterlider und nicht zusammengezogene Augenbrauen, während bei Angst die Lippen horizontal verzerrt sind, im Gegensatz zum herabfallenden Unterkiefer bei Überraschung.
09.04.2025
Claus Eckermann
www.claus-eckermann.de
Sprachwissenschaftler und HypnosystemCoach®
Kurzvita
HSC Claus Eckermann FRSA
Claus Eckermann ist ein deutscher Sprachwissenschaftler und HypnosystemCoach®, der u.a. am Departements Sprach- und Literaturwissenschaften der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel und der Theodor-Heuss-Akademie der Friedrich-Naumann-Stiftung unterrichtet hat.
Er ist spezialisiert auf die Analyse von Sprache, Körpersprache, nonverbaler Kommunikation und Emotionen. Indexierte Publikationen in den Katalogen der Universitäten Princeton, Stanford, Harvard und Berkeley.
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