Täuschungserkennung, Absichten anderer durchschauen

Ich weiß, dass Du lügst

Täuschungserkennung, Absichten anderer durchschauen – “Ich weiß, dass Du lügst!“ Wie Sie die Absichten anderer durchschauen und Lügner entlarven

Was sind Lügen und warum lügen wir?

Unsere gesellschaftlichen Rahmenbedingungen konditionieren Individuen dazu, in bestimmten Situationen bewusst von der Wahrheit abzuweichen, um den sozialen oder rituellen Frieden zu wahren. In diesem Kontext bedienen sich die Menschen daher zuweilen gezielter verbaler und nonverbaler Kommunikationsmittel – beispielsweise spezifischer Mimik oder Falschaussagen –, um gewünschte Emotionen zu provozieren.

Oft manifestiert sich die der Lüge zugrundeliegende Täuschungsabsicht jedoch bereits in Körpersprache, Mimik oder Stimme. Die überzeugendsten Täuschungen basieren auf Halbwahrheiten, die, indem sie mit Bruchstücken der Wahrheit durchsetzt sind, besonders plausibel erscheinen. Wissenschaftlich betrachtet erfüllen Lügen eine persönliche oder gesellschaftliche Schutzfunktion, können aber auch als Mittel zur Vereinfachung zwischenmenschlicher Interaktionen oder zur Erlangung persönlicher Vorteile eingesetzt werden. Statistischen Untersuchungen zufolge äußert ein Erwachsener bis zu drei Lügen pro zehn Minuten Gesprächszeit.

Hinweise auf Lügen

Im Bereich der Täuschungserkennung existiert kein universell gültiges Merkmal, anhand dessen eine Lüge unumstößlich identifiziert werden kann. Eine Lüge muss daher stets als das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels vielfältiger Verhaltensaspekte bewertet werden. Paul Ekman zufolge zählen zu den zentralen Indikatoren von Täuschung unter anderem Erklärungswidersprüche, unlogisches Zögern, abrupte Verhaltensänderungen – wie plötzliche Themenwechsel – sowie behauptete Gedächtnisausfälle und übertriebene Detailerinnerungen.

Empirische Untersuchungen belegen zudem, dass Personen, die wahrheitsgemäße Angaben machen, retrospektiv häufig Schwierigkeiten haben, spezifische Details ihrer Aussagen zu rekonstruieren. Darüber hinaus ist beim Lügen die Koordination paralleler manueller Handlungen, wie etwa das gleichzeitige Lügen und Ausführen komplexer motorischer Aktionen (z. B. das Eingießen von Kaffee etc.)., signifikant anspruchsvoller, wohingegen diese Handlungen beim bloßen „sich erinnern“ deutlich einfacher auszuführen sind.

Stress- und Täuschungsmerkmale

Stressbasierte Verhaltensweisen werden häufig fälschlicherweise als Indikatoren für Täuschung interpretiert, obwohl sie nicht notwendigerweise Lügen belegen. Ein Lügendetektor erfasst beispielsweise lediglich, ob eine verstärkte emotionale Reaktion vorliegt, ohne jedoch den konkreten Auslöser dieser Reaktion zu differenzieren. Da eine erhöhte emotionale Reaktion nicht zwangsläufig mit Schuld assoziiert sein muss, können daraus Fehlinterpretationen und falsche Positivzuordnungen resultieren.

Moderne Lügendetektoren erreichen Genauigkeitsquoten von 60-80 % und sind stark von der Bedienerkompetenz abhängig; ferner können externe Faktoren, wie beispielsweise die Gabe von Valium, die Ergebnisse beeinflussen. Es existiert insofern kein eindeutiger „Pinocchio-Effekt“, da sich Merkmale von Täuschung und stressinduzierten Reaktionen häufig ähneln und somit eine klare Unterscheidung erschweren. In einigen Kulturen wurde ein rohes Ei als Lügendetektor verwendet, wobei dessen Zerbrechen als Hinweis auf Ängstlichkeit oder Schuld gedeutet wurde.

Angst vor Entdeckung

Lügen sind immer dann besonders schwierig zu erkennen, wenn dem Lügner keine signifikanten Konsequenzen drohen. Erst die Furcht, beim Lügen entlarvt zu werden, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich Täuschungsverhalten offenbart. In diesem Zusammenhang kann es strategisch sinnvoll sein, ein Szenario zu schaffen, in dem der des Lügens Verdächtigte eine ausgeprägte Angst vor Entdeckung verspürt. Emotionale Nähe zwischen Gesprächspartnern kann die Erkennbarkeit von Täuschungsmerkmalen allerdings erheblich beeinträchtigen. In einem vertrauten sozialen Kontext gestaltet es sich nämlich in der Regel schwieriger, subtile Hinweise auf Täuschung zu identifizieren, weil Wunschdenken die Wahrnehmung ggf. überlagert (sprichwörtlich „blind vor Liebe sein“).

Bei Kindern zeigt die Forschung zudem, dass zwischen Beliebtheit und der Fähigkeit zu lügen ein signifikanter Zusammenhang besteht: Je beliebter ein Kind ist, desto versierter beherrscht es infolge seiner sozialen Kompetenz die Kunst der Täuschung. Joe Navarro unterscheidet drei zentrale Indikatoren zur Differenzierung von Wahrheit und Lüge: das Erleben von Behagen oder Unbehagen, die Synchronizität der Verhaltensmuster sowie die Intensität von Gesten und Betonungen. Diese Kriterien unterstreichen, dass Täuschung als multifaktorielles Phänomen zu betrachten ist, bei dem isolierte Verhaltensdetails wenig Aussagekraft besitzen, sofern sie nicht im Kontext eines umfassenden Verhaltensclusters interpretiert werden.

Lügen und Emotionen

Lügen beinhalten üblicherweise zwei wesentliche Komponenten: Zum einen die verschleierte Emotion, die die eigentlichen Gefühle verbirgt, und zum anderen die durch die Lüge erzeugte Tarnung – wobei ein aufgesetztes Lächeln die häufigste Maske darstellt. Die beim Lügen ausgelösten Empfindungen sind Angst, Schuld und Vergnügen. Mit Angst ist vor allem die Furcht gemeint, beim Lügen entlarvt zu werden.

Schuld beschreibt das Schuldbewusstsein gegenüber der betrogenen Person oder den eigenen moralischen und ethischen Wertvorstellungen. Vergnügen bezieht sich auf die Lust am Betrug, die in manchen Fällen sogar als befriedigend empfunden wird. Lügen stellt eine emotionale und intellektuelle Anstrengung dar, und der Versuch, Schuldgefühle und Lüge zu kaschieren, führt in aller Regel zu mehr oder weniger subtilen Gefühlsregungen.

Mikroausdrücke und Mikrogesten

Ein zentraler Aspekt der Lügenerkennung ist die Wahrnehmung sogenannter Mikroausdrücke bzw. Mikrogesten. Diese Phänomene stellen sehr kurz andauernde, nonverbale Reaktionen dar, deren Authentizität proportional zu ihrer Ausprägung (Kürze und Reflexhaftigkeit) steigt. Sie treten auf, wenn Menschen versuchen, ihre Emotionen entweder vor sich selbst – durch unbewusste Verdrängung – oder vor anderen – durch gezielte Verschleierung – zu unterdrücken.

Bereits 1966 beschrieben Ernest A. Haggard und Kenneth S. Isaacs in ihrer Studientechnik psychotherapeutischer Interviews erstmals das Phänomen „flüchtiger Gesichtsausdrücke“. Diese erschienen als Folge repressiver Prozesse, ohne in Echtzeit vollständig erkennbar zu sein. Ein Jahr später erweiterten Paul Ekman und Wally Friesen diesen Ansatz, indem sie mithilfe von Zeitlupentechniken Patientenfilme späterer Selbstmörder analysierten. Dabei identifizierten sie Mikroausdrücke, die starke negative Emotionen offenbarten, welche die jeweiligen Patienten zu verbergen suchten.

Da das Gehirn vielfach bestrebt ist, emotionale Zustände zu maskieren, ist es entscheidend, jene subtilen Reaktionen zu registrieren, die das tatsächliche Gefühlsleben einer Person widerspiegeln. Mikroausdrücke dauern in der Regel nur zwischen einer Zwölftel- und einer Fünftelsekunde. Dieses nonverbale „Durchsickern“ wahrer Gefühle manifestiert sich entweder als Resultat bewusster Verschleierung oder unbewusster Verdrängung. Gleichzeitig gilt jedoch, dass das Verschleiern oder Unterdrücken einer Emotion nicht immer zwangsläufig zum Auftreten eines Mikroausdrucks führen muss.

Aufgrund ihrer flüchtigen Natur sind Mikroausdrücke ohne spezielle Schulung jedoch kaum erkennbar. Ihre Interpretation erfordert stets eine Kontextualisierung im Hinblick auf den jeweiligen Kommunikationsaustausch, die Beziehungsgeschichte, mögliche Sprecherwechsel sowie die Kongruenz zwischen verbalen und nonverbalen Signalen. Interessanter Nebenaspekt: Verkäufer, die die Mikroausdrücke ihrer Kunden erkennen und berücksichtigen (z.B. subtile Ausdrücke von Wünschen oder Abneigungen) sind in Verkaufsverhandlungen erfolgreicher und bei den Kunden beliebter.

Während Mikroausdrücke subtile Emotionen widerspiegeln, dominiert im gewöhnlichen Fall der länger andauernde, bewusst gesteuerte und offensichtliche Gesichtsausdruck – der sogenannte Makroausdruck. Mikroausdrücke werden dem umfassenderen Spektrum subtiler Gesichtsausdrücke zugeordnet, welches sich in drei Kategorien gliedern lässt:

  1. Schwach ausgeprägte Ausdrücke: Diese treten einsetzend auf, werden nur gering intensiv empfunden und können unterdrückt oder bewusst verschleiert werden.
  2. Partielle Gesichtsausdrücke: Auch hier ist die Ausprägung schwach, wobei ebenfalls eine Unterdrückung bzw. Verschleierung vorliegt.
  3. Mikroausdrücke: Diese ergeben sich entweder durch ein vorsätzliches Unterdrücken oder als unbewusster Ausdruck emotionaler Zustände.

Lügen und Sprache

Lügen werden tendenziell eher leise als laut vorgetragen (d.h., sich „klein“ machen, unauffällig sein wollen, etwas verbergen wollen). Auch mechanische Wiederholungen von Aussagen oder Gesten können als Anzeichen für Unwahrheiten gedeutet werden. Unnatürliches Zögern und unverhältnismäßig häufige Wortwiederholungen weisen nämlich auf eine Verarbeitungshürde hin, da in einer natürlichen Kommunikation Wort und Bewegung synchron ablaufen.

Zudem lassen sich Lügen in der umgekehrten Chronologie kaum rekonstruieren (Unfähigkeit, die Lüge rückwärts zu erzählen), während sich Wahrheiten (d.h., sich erinnern) deutlich leichter rückwärts rekonstruieren lassen.

Lüge oder Last?

Die Körpersprache signalisiert nicht zwangsläufig, dass jemand lügt, sondern vielmehr, ob ein bestimmter Gesprächsinhalt einen Einfluss auf die betreffende Person ausübt oder eine emotionale Belastung für sie bedeutet. Der nächste Schritt besteht darin, die Gründe für diese Reaktionen zu ermitteln. Häufig ist es weniger die Lüge an sich, als vielmehr die anschließende Beruhigungs- oder Kompensationsgeste, wie etwa das Erstarren von Arm- oder Handbewegungen, die im jeweiligen Kontext sehr aufschlussreich sein kann.

Das limbische System bereichert unsere Aussagen durch Gesten und Betonungen, mit denen bestimmte Aspekte hervorgehoben werden. Ehrliche Aussagen sind daher oft von energischen, spontanen Hand- oder Fußbewegungen begleitet. Das Ausbleiben solcher Gesten und Betonungen – etwa in Stimmlage, Tonhöhe, Tonfall oder durch Wiederholungen – kann daher ein Hinweis auf eine mögliche Täuschung sein, da das kognitive Gehirn des Lügners vornehmlich mit seinen Zweifeln beschäftigt ist und infolgedessen die gestische Darstellung vernachlässigt wird. Dadurch kommt es zum Widerspruch zwischen dem Neocortex (Denken) und dem limbischen System (Emotion), wobei kognitive Prozesse und Emotionen wechselseitig ineinandergreifen. Gesten und Kopfbewegungen sollten daher idealerweise simultan mit dem Gesagten erfolgen, da man in diesem Fall davon ausgehen kann, dass die nonverbale Kommunikation der Wahrheit entspricht.

Eine verzögerte Geste oder Bewegung hingegen deutet tendenziell auf Unwahrheit hin, da sie als Konstrukt dienen könnte, um das Gesagte zu unterstreichen und den Gesprächspartner zu beeinflussen. Generell gilt, dass Personen, die lügen, den Körperkontakt eher meiden, während dieser umgekehrt oft Ausdruck der Betonung von Aussagen oder Wahrheiten ist. Täuschungsabsichten verbergen sich darüber hinaus häufig hinter scheinbar nachdenklichen Posen, etwa wenn jemand das Kinn mit dem Finger stützt.

Das „Nasereiben“ – Schwellkörper in der Nase – und der Griff in den Nacken, stellen typisch männliche Kompensationsgesten bei einer Lüge dar. Darüber hinaus gibt es ebenfalls berufstypische Gesten. So ist z.B. belegt, dass Kriminelle verdeckte Beamte häufig anhand typischer Gesten (beispielsweise Hände in den Hüften) als Beamte identifizieren können.

Lügenerkennung in den Kriminalwissenschaften

Die Mehrheit der Menschen gibt nur ungern persönliche Informationen preis, neigt aber dazu, Behauptungen zu widersprechen. Vor diesem Hintergrund erscheint es zielführend, den Aufbau eines Verhörs nicht in Form herkömmlicher Fragestellungen, sondern als Abfolge von Behauptungen zu konstruieren. Indem der Verhörstil auf assertionsbasierte Aussagen statt auf Fragen setzt, wird der Widerspruch befragter Personen provoziert.

Eine überraschende Ansprache beziehungsweise ein unerwartetes Verhör können dabei als taktisches Mittel genutzt werden, um potenzielle Blockaden und Diskrepanzen zu identifizieren. Eine unerwartete Ansprache kann insofern gezielt eingesetzt werden, um emotionale oder kognitive Blockaden aufzubrechen und verborgene Reaktionen sichtbar zu machen.

Einsatz von Videoanalysen

Empfohlen wird, Zeugenaussagen und die Aussagen von Verdächtigen videografisch – jedoch mit stummgeschalteter Tonspur – abzuspielen. Der Grundgedanke besteht darin, Diskrepanzen zwischen Mimik, Körpersprache und verbalen Äußerungen aufzudecken. Diese Methode erleichtert es, nonverbale Reaktionen unabhängig von der verbalen Aussage zu evaluieren.

Bereits zu Beginn einer Befragung ist es von zentraler Bedeutung, das Verhalten der Hände, Beine und anderer Körperpartien des Befragten eingehend zu beobachten. Untersucht werden sollten etwa wechselnde Gesten, Verringerungen oder plötzliche Änderungen der Körperbewegungen sowie kontextabhängiges Zittern (welche Reaktion bei welcher Frage?).

Hat der Befragte zusätzlich Gegenstände wie Zigarette, Bleistift oder Papier in der Hand, ist darauf zu achten, ob sich ein kontextbedingtes Zittern auf diese Objekte überträgt. Es gilt, den Moment zu bestimmen, in dem sich das Verhalten ändert – dies kann Rückschlüsse auf den emotionalen und kognitiven Zustand des Befragten zulassen (kontextualisierte Beobachtung).

Indikatoren für Nervosität

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Zu den klassischen Auslösern von Unbehagen und Nervosität bei Befragungen zählen:

  1. Abneigung gegen den Gesprächspartner
  2. Abneigung gegenüber dem Ort oder Umfeld des Verhörs
  3. Allgemeine Befragungsnervosität
  4. Schuldgefühle oder schlechtes Gewissen
  5. Zurückhalten von Informationen
  6. Täuschung bzw. Lüge

Räumliche und situative Aspekte eines Verhörs

Eine uneingeschränkte Beobachtung des Befragten ist essenziell. Folgende Maßnahmen werden daher empfohlen:

Gestaltungsfreiheit im Verhörraum: Räume sollten so gestaltet werden, dass keine Möbel oder Gegenstände (z. B. Tische) die Sicht behindern. Künstliche Hindernisse, die vom Befragten eingesetzt werden (z. B. Kissen oder Gläser), sind ebenfalls zu dokumentieren.

Flexible Verhörposition: Die Kommunikationsposition sollte so gewählt werden, dass ein freier Blick auf sämtliche Bewegungen möglich ist. Ein Wechsel von sitzender zu stehender Position kann hierbei als gezielte Verhörtechnik zur Erfassung nonverbaler Reaktionen dienen.

Atmosphärische Dimension: Eine Wohlfühlatmosphäre zu Beginn des Verhörs ist von zentraler Bedeutung, um eine Normalbasis des Verhaltens festzulegen. Abweichungen vom Ausgangsverhalten können erst dann ausgewertet werden, wenn zunächst eine gewisse Entspannung erreicht wurde. Erzeugte Nähe kann zudem als Mittel dienen, um zu beobachten, wann sich der Befragte dieser Nähe entzieht.

Analyse spezifischer nonverbaler Reaktionen

Neben dem allgemeinen Verhalten sollten auch folgende Beobachtungen erfolgen: Pupillenreaktionen: Veränderungen der Pupillengröße (Weiten oder Verengen) können bei der Darbietung von Namen oder spezifischen Informationen wichtige Hinweise liefern.

Blickbewegungen: Häufige laterale Augenbewegungen (z. B. ein schnelles Springen nach links oder rechts) deuten auf einen potenziellen Fluchtgedanken hin. Veränderung der Stimme: Ein leiser werdender Tonfall oder nachlassende Intensität kann ein Indiz dafür sein, dass der Befragte zunehmend Zweifel an der Glaubwürdigkeit seiner eigenen Aussagen entwickelt. Dabei ist zu beachten, dass intensiv argwöhnische Verhörhaltungen kontraproduktiv wirken können. Es gilt, durch reformulierende Fragen und allgemeine Nachfragen zusätzliche Informationen zu generieren, ohne den Gesprächspartner in eine defensive Haltung zu drängen, denn Verdächtige, die Schuldgefühle empfinden und Reue zeigen, sind in der Regel eher bereit, ein begangenes Verbrechen einzugestehen.

Emotionale Komponenten und Stressmanagement

Angstsituationen und Stressauslöser: Die Angst erhöhende Bedingungen – etwa die Anwesenheit bestimmter Personen, ungewohnte Räumlichkeiten oder methodisch überzogene Befragungen – können dazu führen, dass die Angst das Gesamtbild dominiert und sinnvolle Aussagen verhindert.

In solchen Fällen ist es notwendig, das Verhörarrangement zu modifizieren und stressinduzierende Faktoren auszutauschen. Gezielt provokative Maßnahmen, die ggf. zu beruhigenden Gesten des Befragten führen, können als Korrektiv anfänglicher Stressimpulse des limbischen Systems betrachtet werden. Bei erhöhter Spannung fokussieren sich Beruhigungsgesten häufig auf individuell präferierte Körperbereiche, was wiederum Rückschlüsse auf den Kontext und emotionalen Zustand zulässt.

Verhörtechniken

Pathologische Lügner testen häufig die Grenzen eines Verhörs, indem sie mit Bruchstücken der Wahrheit spielen, um auszutesten, wie weit sie gehen können. Ein länger angelegter „Schwindel“ – bei dem der Verhörende über einen ausgedehnten Zeitraum ein falsches Narrativ aufbaut – kann dazu führen, dass der Befragte in einen gewünschten emotionalen oder kognitiven Zustand versetzt wird, der dann für die Entlarvung genutzt werden kann.

Bei Befragungen innerhalb homogener Gruppen (z. B. Arbeitskollegen, Sportvereine etc.) sollte die Befragung ggf. durch ein angesehenes Mitglied der Gruppe, zumindest aber in dessen Beisein, erfolgen. Dies verhindert, dass ein externer Verhörexperte automatisch eine defensive Haltung und ein Zusammenrücken der Gruppe auslöst.

Die zehn Prinzipien eines erfolgreichen Verhörs

  1. Freie Sicht (keine Tische etc.)
  2. Berücksichtigung der Anfangsnervosität (Anfangsnervosität ist kein Indiz)
  3. Beruhigung zulassen (um Abweichungen sichtbar zu machen)
  4. Normalverhalten nach der Anfangsnervosität bestimmen (Grundlage für weiteres Verhalten)
  5. Zunahme von Beruhigungsgesten (Gesten müssen den Auslösern und Inhalten zugeordnet werden)
  6. Frage stellen/Pause machen (je präziser die Frage, desto wahrscheinlicher die nonverbale Reaktion.  Die Pause dient der Beobachtung. Stakkatoverhöre lösen Stress aus, der oft fehlgedeutet wird.)
  7. Konzentration des Befragten hochhalten (gezieltes Fragen engt Ausweichmöglichkeiten ein)
  8. Verifizierung von Fakten (nicht die Menge einer Antwort zählt, sondern die Klarheit der ausgesagten Fakten
  9. Beruhigungsgesten, Stress- und Distanzverhalten erkennen (z. B. Fuß zurückziehen, wegrücken, weglehnen etc.)
  10. Stresssymptome eingrenzen (Stresssymptome und anschließende Beruhigungsgesten sind ein Hinweis auf Themenstellungen, die unserer Aufmerksamkeit bedürfen. Gezielte Fragen sollten Reaktionen hervorrufen.)

23.04.2025
Claus Eckermann
Sprachwissenschaftler und HypnosystemCoach®

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KurzvitaClaus Eckermann
HSC Claus Eckermann FRSA
Claus Eckermann ist ein deutscher Sprachwissenschaftler und HypnosystemCoach®, der u.a. am Departements Sprach- und Literaturwissenschaften der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel und der Theodor-Heuss-Akademie der Friedrich-Naumann-Stiftung unterrichtet hat.
Er ist spezialisiert auf die Analyse von Sprache, Körpersprache, nonverbaler Kommunikation und Emotionen. Indexierte Publikationen in den Katalogen der Universitäten Princeton, Stanford, Harvard und Berkeley.

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