Warum unser Gehirn Veränderungen schwer akzeptiert

Unser Gehirn wandelt sich

Warum unser Gehirn Veränderungen schwer akzeptiert

„Nichts ist so beständig wie der Wandel.“ – Dieses Zitat von Heraklit (ca. 540–480 v. Chr.) trifft den Kern unseres Daseins. Alles, was lebt und existiert, unterliegt ständiger Veränderung. Und doch zeigt der Mensch ein bemerkenswertes Phänomen: Er scheut Veränderung, obwohl sie ein Grundgesetz des Lebens ist.

Täglich erleben wir Veränderungen, kleine wie große. Dennoch halten wir an Gewohnheiten, Überzeugungen und alten Mustern fest. Wissenschaftliche Studien bestätigen, dass Menschen von Natur aus dazu neigen, Stabilität zu bevorzugen und Veränderungen als Bedrohung wahrzunehmen (Oreg, 2003, Resistance to Change).

Doch warum fällt uns Wandel so schwer? Einen wesentlichen Einfluss darauf hat unser Gehirn – ein faszinierender Organismus im ständigen Zyklus der Entwicklung.

Der Lebenszyklus der Gehirnwellen: Wie unser Bewusstsein wächst

Unser Gehirn ist nicht statisch, sondern durchläuft über die Lebensspanne hinweg verschiedene Zustände, die unser Denken, Fühlen und Wahrnehmen grundlegend beeinflussen.

Die frühen Jahre: Delta- und Theta-Wellen prägen unser Sein

In den ersten 24 Lebensmonaten dominiert der Delta-Zustand (0,5–4 Hz) unser Gehirn. Bruce Lipton beschreibt in Spontane Evolution (2010), dass dieser Zustand tiefen Schlaf und intensive körperliche Regeneration ermöglicht – lebensnotwendig für den Aufbau des Organismus.

Babys befinden sich in einer Phase, die kaum bewusste Erinnerungen ermöglicht. Ihre Welt ist eine symbiotische Verbindung mit der Umwelt, geprägt von unbewusster Aufnahme – ein Stadium, das tiefe Empathie und globale Verbundenheit fördert (Chugani, 1998, Biological basis of emotions).

Ab etwa dem 2. Lebensjahr tritt der Theta-Zustand (4–8 Hz) in den Vordergrund. Kinder leben jetzt in einer Welt voller Fantasie und Vorstellungskraft. Sie nehmen Informationen ungefiltert auf – eine Eigenschaft, die das spätere Weltbild maßgeblich prägt. Hypnoseforschung spricht hier von einem Zustand erhöhter Suggestibilität (Lynn et al., 2015, Hypnosis and Suggestion).

Kindheit: Übergang zu Alpha-Wellen und kritischem Denken

Mit etwa 6 Jahren beginnt der Übergang zum Alpha-Zustand (8–12 Hz). Kinder entwickeln zunehmend analytisches Denken, interpretieren ihre Umwelt und ziehen erste rationale Schlüsse. Gleichzeitig bewahren sie eine natürliche Verbindung zu ihrer inneren Fantasiewelt – ein Zustand, den Erwachsene später oft mühsam durch Meditation wiederherstellen wollen.

In dieser Phase sind Kinder besonders empfänglich für Erfahrungen, die ihre zukünftige emotionale Stabilität formen.

Jugend und Erwachsenenalter: Die Dominanz der Beta-Wellen

Ab etwa dem 12. Lebensjahr setzt sich der Beta-Zustand (13–40 Hz) durch. Beta-Wellen stehen für fokussiertes, bewusstes, kritisches Denken – den „Alltagsmodus“ der Erwachsenen.

Hier zeigt sich die Kehrseite: Während analytisches Denken unsere Gesellschaft trägt, verlieren viele Menschen den Zugang zu Kreativität, Empathie und innerer Stille. Sie leben fast ausschließlich im Beta-Modus – was Stress, Burnout und emotionale Erschöpfung begünstigen kann (Davidson et al., 2000, Alterations in Brain and Immune Function Produced by Mindfulness Meditation).

Spannenderweise deuten Studien darauf hin, dass sehr alte Menschen teilweise wieder eine verstärkte Alpha-Aktivität zeigen (Cahn & Polich, 2006, Meditation states and traits), was eine Rückkehr zu innerer Gelassenheit und tieferem Bewusstsein ermöglichen könnte.

Warum unser Gehirn Veränderung meidet

Unser Gehirn wandelt sich
KI unterstützt generiert

Veränderungen fordern unser Gehirn heraus. Sie verlangen die Aktivierung neuer neuronaler Netzwerke, die Energie kosten und Unsicherheiten erzeugen.

Psychologische Studien (Heath et al., 2008, The Hidden Traps in Decision Making) zeigen, dass Menschen bekannte Muster bevorzugen, selbst wenn diese nachweislich nachteilig sind – ein Phänomen, das als Status-quo-Bias bezeichnet wird.

Der berühmte Satz „Das haben wir schon immer so gemacht“ ist also nicht nur Ausdruck von Starrsinn, sondern eine biologische Überlebensstrategie unseres Gehirns.

Wie wir bewusste Veränderung ermöglichen können

Wer bewusste Veränderungen in seinem Leben anstoßen will, muss die natürliche Trägheit überwinden. Hierfür sind zwei zentrale Schritte nötig:

  1. Entscheidung treffen:
    Eine klare innere Entscheidung ist der erste und wichtigste Schritt. Viele scheitern schon hier, weil sie von Selbstzweifeln, Unsicherheit und dem Wunsch nach vollständiger Sicherheit gelähmt werden.

  2. Entschlossenheit entwickeln:
    Veränderung braucht Konsequenz. Es reicht nicht, sich etwas „vorzunehmen“. Wer echte Veränderungen will, muss bereit sein, Unannehmlichkeiten und Zweifel auszuhalten – und dennoch den Weg weiterzugehen.

„Veränderung wird nicht eintreten, wenn wir auf eine andere Person oder eine andere Zeit warten. Wir selbst sind diejenigen, auf die wir gewartet haben.“
– Barack Obama

Praktische Ansätze: Gehirnwellen bewusst nutzen

Wer Veränderungen nachhaltig verankern will, sollte auch seine Gehirnwellen bewusst ansprechen:

  • Meditation und Achtsamkeit:
    Fördern Alpha- und Theta-Wellen, stärken Kreativität, Empathie und emotionale Resilienz (Tang et al., 2015, The neuroscience of mindfulness meditation).

  • Trance- und Visualisierungstechniken:
    Ermöglichen direkten Zugang zum Unterbewusstsein – ideal, um tief sitzende Glaubenssätze neu zu programmieren.

  • Bewusste Regression in frühere Bewusstseinszustände:
    Etwa durch Traumreisen oder Hypnose, um verborgene emotionale Blockaden aus der Kindheit zu lösen.

Fazit: Veränderung ist unsere Natur – wir müssen sie nur wieder annehmen

Ob wir es wollen oder nicht – das Leben ist ein ständiger Zyklus von Werden und Vergehen. Unser Gehirn begleitet uns auf dieser Reise, von Delta zu Beta, von Unbewusstheit zu bewusster Gestaltungskraft.

Der Schlüssel liegt darin, die Angst vor Veränderung zu erkennen – und bewusst neue Wege zu gehen. Indem wir uns unseren alten Mustern stellen und gezielt unser Bewusstsein erweitern, können wir die natürliche Dynamik des Lebens wieder als Quelle von Kraft, Inspiration und Freiheit erleben.

 

Quellen
  • Oreg, S. (2003). Resistance to Change: Developing an Individual Differences Measure. Journal of Applied Psychology.

  • Chugani, H. (1998). Biological basis of emotions: brain systems and brain development. Pediatrics.

  • Lipton, B. (2010). Spontane Evolution: Unser positiver Einfluss auf die Entwicklung der Welt. Koha Verlag.

  • Lynn, S. J., Kirsch, I., Hallquist, M. N. (2015). Hypnosis and Suggestion. Current Directions in Psychological Science.

  • Davidson, R. J., et al. (2000). Alterations in Brain and Immune Function Produced by Mindfulness Meditation. Psychosomatic Medicine.

  • Cahn, B. R., Polich, J. (2006). Meditation states and traits: EEG, ERP, and neuroimaging studies. Psychological Bulletin.

  • Tang, Y. Y., Hölzel, B. K., Posner, M. I. (2015). The neuroscience of mindfulness meditation. Nature Reviews Neuroscience.

07.05.2021
Uwe Taschow

Alle Beiträge des Autors auf Spirit Online

Uwe Taschow Realitätssinn in Krisenzeiten Uwe Taschow

Als Autor denke ich über das Leben nach. Eigene Geschichten sagen mir wer ich bin, aber auch wer ich sein kann. Ich ringe dem Leben Erkenntnisse ab um zu gestalten, Wahrheiten zu erkennen für die es sich lohnt zu schreiben.
Das ist einer der Gründe warum ich als Mitherausgeber des online Magazins Spirit Online arbeite.

“Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.”
Albert Einstein

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