Im Einklang mit dem zirkadianen Rhythmus leben-
Ayurveda und die Kunst des richtigen Zeitpunkts
Unser Tag hat 24 Stunden. Tagtäglich wiederholt sich der Wechsel von hell und dunkel und bildet so die Zeitstruktur, in der wir leben.
Für die meisten von uns scheint das oftmals zu wenig Zeit zu sein. Zu wenig Zeit, um alle Aufgaben und Anforderungen unterzubringen. Zu wenig Zeit, um dann auch noch genügend zu schlafen, zu entspannen und sich den Raum für spirituelles Wachstum zu schaffen. Zeit ist in unserer heutigen Zeit ein kostbares Gut.
Zu wenig Zeit zu haben macht Stress. Zu wenig Zeit zu haben macht unzufrieden, missmutig und krank. Im Zeitmangel kommen wir nicht bei uns selbst an. Schaffen es nicht, einen Zeit -Raum für uns zu kreieren.
Doch kaum einer kennt den zirkadianen Rhythmus.
Wie sehr wünschen wir uns diesen Raum in dem wir selbst-wirksam und selbstbestimmt unsere Zeit verbringen können? Wie sehr wünschen wir uns, wieder in Einklang zu kommen? Mit uns selbst; mit der Natur und dem Kosmos?
In uns schlummert ein tiefes Wissen darüber, dass wir uns selbst in unserer Ganzheit und Komplexität erst begreifen können, wenn mit der Natur und mit dem Kosmos in Verbindung gehen. Wenn wir im Flow sind, mit unseren Rhythmen, die gekoppelt sind mit den Rhythmen der Natur. Wenn wir im zirkadianen Rhythmus leben.
Das ganze Leben besteht aus Rhythmen. Der zirkadiane Rhythmus ist einer davon.
Ein ständiges auf und ab bestimmt unseren Biorhythmus, die Arbeitsweise unserer Organe und Hormone. Ebenso sind die Natur und der ganze Kosmos wiederkehrenden Rhythmen unterworfen. Auf dieser Basis vollzieht sich alles Leben auf Erden. Wir sind ein Teil des großen Ganzen und damit auch dem kosmischen Gesetz des Rhythmus unterworfen. Fallen wir aus dieser Synchronisation, werden wir krank. Der zirkadiane Rhythmus und seine Einhaltung ist daher auch ein wesentlicher Beitrag zu unserer Gesundheit.
Im Laufe der letzten Jahrhunderte ging das Wissen um diese kosmischen Gesetze immer mehr verloren. Wir haben uns immer mehr von der Natur und dem natürlichen Tag-Nacht Rhythmus entfernt. Damit haben wir uns auch der Natur entfremdet.
Dabei ist es einfach, sich wieder dem zirkadianen Rhythmus anzunähern.
Wie kann uns Ayurveda helfen, wieder ein Teil des kosmischen Wirkens und Werdens zu werden? Damit auch wieder Herr/Herrin über unsere Zeit zu werden?
Ayurveda ist die älteste schriftlich fixierte Weisheit, die es auf Erden gibt. Spirituelle Seher, die Rishis empfingen in ihrer Meditation und durch Beobachtungen der Natur Weisheiten auf der Grundlage „Ayurveda“, die Wissenschaft vom Leben entstand. Ayurveda erinnert uns daran, dass wir ganzheitlichen Wesen sind, die über die Fähigkeit der Selbstheilung verfügen. Wir können durch unsere Lebensweise erreichen, in der Balance, gesund zu bleiben und sind imstande, die eigene Gesundheit wieder zu erlangen.
Sie erkannten durch die rhythmischen Veränderungen während eines Tages, eines Jahres, und den verschiedenen Lebensphasen:
- Veränderung ist die Essenz des Lebens
- Indem man mit diesen Veränderungen durch einen entsprechenden Lebensstil mitschwingt, bleibt man gesund.
- Ein ayurvedischer Lebensstil ist nichts anderes als die Manifestation der kosmischen Prinzipien.
- Es wechseln sich Phasen der Leichtigkeit und Beweglichkeit (Prinzip „Vata“) mit Phasen voller Energie und Hitze („Pitta“) und Phasen der Schwere und Fülle (Prinzip „Kapha“) ab.
Der zirkadiane Rhythmus war und ist wesentlich im Rahmen von Ayurveda.
Wie sieht ein ayurvedischer Lebensstil aus?
Einer der Schlüsselelemente eines ayurvedischen Lebensstils ist die ayurvedische Tagesroutine, „Dinachariya“. „Dina“ heißt Tag und „Acharya“ bedeutet „Vorbild oder Meister“.
Die Forschungen der modernen Wissenschaft geben den weisen Rishis recht.
Das Wissen um der ayurvedischen Rishis um die Tagesroutine ist in den letzten Jahren durch Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung zum zirkadianen Rhythmus bestätigt worden. 2017 wurde für die Forschungen über den zirkadianen Rhythmus der Nobelpreis verliehen. Es wurde erkannt, dass der zirkadiane Rhythmus tief in unserer DNA verankert ist. Fallen wir aus ihm heraus, hat dies Schlafstörungen, bipolare Störungen, Depressionen etc. zur Folge.
Setzen wir und am Abend zu viel Licht aus und gehen zu spät schlafen, bildet unser Körper nicht ausreichend Melatonin. Melatonin reguliert die Expression von 500 Genen im Schlaf. Es wirkt antiinflammatorisch, antioxidativ und wirkt sich positiv auf die Neuroplastizität unseres Gehirns aus.
So wurde erkannt, dass 40 % unserer Genexpression vom zirkadianen Rhythmus reguliert werden. Unsere Hormone, der Stoffwechsel, die Verdauung schwingen im zirkadianen Rhythmus und erfahren dadurch ihre Wirksamkeit. Leben wir gegen diese Rhythmen, stören wir die fein aufeinander abgestimmten Abläufe in unserem Körper. Daraus entsteht Chaos. Nachlassende Leistungsfähigkeit, Erschöpfungszustände und chronische Erkrankungen wie Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen, Autoimmunerkrankungen etc.
Sie entstehen dadurch, dass wir dem Körper nicht genügend Zeit zur Regeneration geben und uns somit der Weisheit der natürlichen zeitlichen Rhythmen widersetzen.
Wie kann ein Leben in Einklang mit dem zirkadianen Rhythmus aussehen?
In der Beantwortung dieser Frage hilft es, sich die Empfehlungen des Ayurveda zu Dinacharya, der ayurvedischen Tagestruktur anzusehen.
Es geht um die Kunst des richtigen Zeitpunkts. Es geht um Struktur, die uns im Alltag nicht einschränkt, sondern die uns einen Rahmen gibt, innerhalb dessen wir uns bestmöglich entwickeln und entfalten können. Einen Rahmen, in dem ein Bewusstsein dafür entstehen kann, dass wir Meister/Meisterin über unsere Zeit sind.
- Dass wir entscheiden können, welche Aufgaben wirklich wesentlich.
- dass wir bewusst erkennen können, wo wir eventuell Zeit verschwenden
- wo wir erkennen, wann Zeit für eine Pause ist, um zu regenerieren.
Laut Ayurveda haben die unterschiedlichen Tageszeiten unterschiedlichen Qualitäten. Hier einige ayurvedische Empfehlungen, um im Einklang mit dem zirkadianen Rhythmus und den kosmischen Rhythmen zu leben.
Den Tag beginnen
Die leichte bewegliche Vata-Energie ist von 2 Uhr früh bis 6 Uhr morgens aktiv. Wenn wir vor 6 Uhr früh aufstehen, kommen wir in den Genuss dieser Leichtigkeit des frühen Morgens. „Brahma-Mahurta“, die heilige Morgenstimmung, wie die Ayurveden diese Zeit nennen, ist die geeignetste Zeit zur Meditation. Zum Kontakt mit dem großen Ganzen. Wir verbinden uns mit unserer eigenen inneren Weisheit und der ganzen Schöpfung. Wir richten uns auf die Aufgaben des Tages aus, die wirklich wesentlich sind.
Nach 6 Uhr wird die Energie dichter. Die Kapha- Zeit beginnt. Wenn wir nach 6 Uhr aufstehen, fällt es uns schwerer in die Gänge zu kommen als vor 6 Uhr. Wir fühlen uns benommen, haben weniger Energie und mehr Verdauungsprobleme.
Die Kapha Zeit von 6 Uhr bis 10 Uhr eignet sich bestens für Sport, Hausarbeit und strukturierende Tätigkeiten.
Wie geht es weiter im Tagesrhythmus?
Von 10 bis 14 Uhr sind wir in der Pitta -Phase. Nun ist die optimale Zeit, um richtig was zu schaffen. Wenn die Sonne am Himmel am höchsten steht, bringt dies unser eigenes Feuer zum Lodern. Auch das Verdauungsfeuer (Agni) ist nun am stärksten. Nahrung wird nun sehr gut aufgenommen und verdaut. Es ist ratsam, jetzt die Hauptmahlzeit einzunehmen.
Ab 14 Uhr kommen wir wieder in den Genuss der Vata– Energie. Bestes Timing für Kreativität und spielerisches Sein. Optimal ist, bis 18 Uhr die Arbeit beendet zu haben und die letzte Mahlzeit gegessen zu haben. Später nimmt die Verdauungskraft unseres Körpers mehr und mehr ab.
Den Tag richtig ausgleiten lassen
Ab 18 Uhr beginnt die Kapha- Abend – Zeit. Eine Zeit der Verbindung und des Beisammenseins mit Familie und Freunden. Eine Zeit für Spaziergänge in der Natur und für entspannende Yogastunden. Der Körper soll sich langsam auf die Nacht vorbereiten, indem er schwer und müde wird. Wenn man es schafft, vor 22 Uhr ins Bett zu gehen, kann unser Körper Tag und Nahrung optimal verdauen. Der Körper kann seine Reinigungsarbeiten verrichten. Wir sind imstande, fest und tief durchzuschlafen. Verpassen wir dieses Zeitfenster, kann es sein, dass uns die Pitta Zeit ab 22 Uhr den „2.ten Wind“ beschert und wir uns plötzlich wieder wach und aktiv fühlen.
Allerdings stören wir dadurch unseren zirkadianen Rhythmus. Melatonin, das für einen tiefen und auf allen Ebenen regenerierenden Schlaf nötig ist, wird nicht mehr in ausreichendem Masse gebildet. Wir „stehlen“ uns die Energie vom nächsten Tag. Wir zerstörten das sensible Gleichgewicht zwischen Nervensystem, Hormonsystem und Verdauungssystem.
Die Ausrichtung auf eine solche Struktur scheint auf den ersten Blick einschränkend und kleinkariert.
Doch der Nutzen eines Lebensstils, ausgerichtet auf ein Leben im Einklang mit dem zirkadianen Rhythmus, spricht für sich:
- wir optimieren die Funktionen unseres Körpers
- die Selbstheilungskräfte des Körpers werden angeregt
- unser Körper bildet Stoffe und Hormone die verjüngend und entfaltend in unserem gesamten Sein seinen Niederschlag finden.
- Wir erfahren Stabilität und fühlen uns geerdet
- Wir haben mehr Energie zur Verfügung
- Die Konzentration verbessert sich
- Wir sind imstande, achtsam mit unserer Zeit umzugehen, Grenzen zu setzen und bilden Resilienz aus wird
- Wir sind imstande einen zeitlichen Raum zu kreieren, indem wir wachsen und gedeihen können.
Wenn wir beginnen, im zirkadianen und im kosmischen Rhythmus schwingend unseren Tag zu strukturieren, wird vieles möglich. Je einfacher und klarer unsere Struktur, umso mehr befähigen wir uns, große und komplexe Dinge zu vollbringen. Wir werden Meisterin / Meister unserer Zeit.
27.07.2022
Ihre Uschi Inkofer
Ayurveda- Ernährungsgscoach, Yogalehrerin und Yogatherapeutin.
Workshops und Online-Kurse, die die Autorin zum Wiederfinden und Verbinden mit den eigenen inneren Rhythmen, der Intuition und der inneren Weisheit anbietet, finden Sie unter
www.uschi-inkofer.com
Uschi Inkofer
Ich bin Dipl. Sozial-Pädagogin, Yogalehrerin, Yogatherapeutin und ayurvedischer Ernährungscoach.
Schon immer fühlte ich mich mit der Natur sehr verbunden und beschäftigte gerne mich mit dem, was hinter den Dingen steckt. Bereits in frühen Jahren lernte ich Yoga kennen. Fasziniert von dieser alten Wissenschaft, absolvierte ich 2002 -2003 eine Yogalehrerausbildung und machte Yoga zu meinem zweiten Standbein. Nachdem ich viele andere Ausbildungen absolvierte, kam ich 2019 zum Ayurveda. Lange erschien mir Ayurveda als ein starres, dogmatisches Regelwerk. Mittlerweile habe ich Ayurveda als einen unglaublich großen Weisheitsschatz kennengelernt, der auch heutzutage absolut alltagstauglich und vielseitig einsetzbar ist. Eine alte Lehre, die uns neue Perspektiven unseres Daseins erschließt. Ayurveda führt In die Tiefe und bringt unser Potential auf allen Ebenen zum Leuchten.
Es mir ein Bedürfnis, dieses Wissen weiterzugeben. Ich begleite und unterstütze Menschen dabei, das eigene Sein und Werden in die Hand zu nehmen und ein Leben aus der authentischen Kraft heraus zu führen. Ein Leben in Gesundheit, in Einklang mit der eigenen Konstitution und der Natur um uns herum.
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