Luxusgut Stille
„Ich selbst musste weit gehen, um herauszufinden, dass wir die Stille überall finden können. Man muss nur subtrahieren. Du kannst deinen eigenen Südpol finden.“
Erling Kagge, geb. am 15. Januar 1963 in Oslo, ist ein norwegischer Jurist, Verleger, Kunstsammler und Abenteurer. Vater von drei Töchtern. Zusammen mit seinem Landsmann Børge Ousland nahm er im Jahr 1990 an der ersten nicht unterstützten Expedition zum Nordpol teil. 1992/93 beendete er die erste nicht unterstützte Soloexpedition zum Südpol, den er am 7. Januar 1993 erreichte. Die 1.310 km lange Strecke legte er dabei in nur 51 Tagen zurück. Im Jahr 1994 bestieg er den Mount Everest. Er wurde damit zur ersten Person, die diese drei Extrempunkte der Welt erreicht hat.
Das extrem minimalistisch gestaltete 144 seitige Taschenbuch „STILLE – EIN WEGWEISER“
(Insel-Verlag, 3. Auflage 2019 – 10 €} habe ich seit dem Ersterscheinen vor fünf Jahren immer wieder zur Hand genommen, zumal mir das Heimatland des Autors sehr vertraut ist. Erling Kagge hat sich abenteuerlich mutig der übermächtigen Natur ausgesetzt und anvertraut. Tiefgreifende Erfahrungen, die er in sein sehr aktives Berufsleben integriert hat.
Auf Seite 97 taucht er in die Welt des englischen Dichters, Malers und Mystikers William Blake (1757 – 1827) ein:
„…Das Größte für mich sind die kurzen Augenblicke, in denen ich am Horizont verweile und von meiner Umgebung fasziniert bin oder bloß einen Stein mit grünem Moos betrachte und ich den Blick nicht davon abwenden kann. Die Zeit wird mit einem Mal aufgehoben, und ich bin innerlich gleichzeitig zur Stelle und weit entfernt. Plötzlich erscheint mir ein kurzer Augenblick wie eine Ewigkeit. Es ist, als würden der Moment und die Ewigkeit eins. Manchmal kann ich, wie der Dichter William Blake, die Ewigkeit und einen kurzen Moment nicht voneinander unter-scheiden…”:
TO SEE A WORLD IN A GRAIN OF SAND
AND A HEAVEN IN A WILD FLOWER
HOLD INFINITY IN THE PALM OF YOUR HAND
AND ETERNITY IN AN HOUR
William Blake wusste um die Bedeutung der Wahrnehmung, die vielen Menschen heutzutage zu fehlen scheint. „Wenn die Pforten der Wahrnehmung gereinigt würden, würde alles dem Menschen erscheinen, wie es ist: unendlich.“
Amo Ergo Sum
Because I love
Gedicht von Kathleen Raine
„Weil ich liebe,
verschwendet die Sonne ihr flüssiges Gold,
vergießt sie Gold und Silber über dem Meer.
Weil ich liebe,
dreht sich die Erde um ihre Sternenachse,
tanzt sie ihren ekstatischen Reigen.
Weil ich liebe,
reisen Wolken auf den Winden durch die Himmelsweite,
erstreckt sich das Firmament, weit und schön, tief und blau.
Weil ich liebe,
bläht der Wind die weißen Segel,
weht der Wind über Blumen, süßer sausender Wind.
Weil ich liebe,
wachsen grün die Farne und grün das Gras,
grün die Bäume, durchschienen vom Sonnenlicht.
Weil ich liebe,
steigen Lerchen auf, aus den Feldern,
und trällern alle Vögel in den Büschen.
Weil ich liebe,
vibriert die Sommerluft in schwirrendem Flügelschlag, brennen ungezählte Augen im Licht
Weil ich liebe,
schillern Muscheln am Meeresstrand,
fein und verschlungen geformt wie Gedanken
Weil ich liebe,
erstreckt sich ein unsichtbarer Weg am Himmel,
Vögel folgen ihm, und die Sonne und der Mond,
und alle Sterne ziehen in der Nacht auf ihm entlang.
Weil ich liebe,
Zieht ein Strom immerwährend in die Nacht.
Weil ich liebe,
fließt ein tiefer Fluss durch meine Träume,
schlafen zehntausend Lebewesen in meinen Armen,
endet der Wachschlaf, verebbt das Drängen.“
Am 13. April 1992 besuchte ich in London zusammen mit Bede Griffiths die mystische Dichterin und anerkannt profundeste Blake-Kennerin Kathleen Raine (1908 – 2003).
Sie verehrte ihren Landsmann Bede Griffiths als einen der größten Mystiker in der Geschichte des Christentums. Kathleen Raine’s Buch über William Blake wurde einstimmig als das einzigartigste und tiefgründigste rezensiert.
Der englische Maler, Dichter-Philosoph und Mystiker William Blake (1757 – 1827), ein Zeitgenosse Goethes, Mozarts, Beethoven u.a. war zu Lebzeiten dafür bekannt, dass er schöpferisch mit den Energien des Unbewussten umgehen konnte. Sein mit eigenen Illustrationen versehenes Buch „Die Hochzeit von Himmel und Hölle“ („The Marriage of Heaven and Hell“) ist ein beeindruckendes Dokument eines visionären Geistes. Blake hat viele Szenen aus Dantes „Göttlicher Komödie“ in faszinierende Malereien umgesetzt.
Bede Griffiths war ein intimer Kenner aller Werke von William Blake und betitelte sein erstes Buch „The Golden String“ nach Versen von ihm, die wir auch als Motto in dem Buch von Benediktinermönch David Steindl-Rast „Die Achtsamkeit des Herzens – ein Leben in Kontemplation“ finden.
Diese Worte haben gerade in der augenblicklichen Weltsituation eine besondere Bedeutung.
„Ich gebe Dir das Ende der goldenen Schnur.
Rolle sie zu einem Knäuel auf,
und sie wird Dich durch das himmlische Tor
in der Mauer Jerusalems führen.“
Der russische Arzt und Mystiker Professor Dr. Wladimir Lindenberg (1902-1997) wählte für sein in großen Auflagen verkauftes Buch „Mysterium der Begegnung“ ebenfalls Verse von William Blake:
„Sieh eine Welt in einem Körnchen Sand,
und einen Himmel in der wilden Blume.
Greif das Unendliche mit deiner Hand
und fühle Ewigkeit in einer Stunde.“
Wladimir Lindenberg, der mir sein Buch – er schrieb es im reifen Alter von 80 Jahren — mit einer wunderschönen Widmung schenkte, schreibt in seiner Einführung:
„Eine Begegnung, die in heutiger Zeit nur noch selten und bei wenigen Individuen stattfindet, ist die Begegnung mit dem eigenen Ich. Wegen Zeitmangel, der Lebenshast und anderer dringlicher Geschäfte, findet der Mensch nur selten Gelegenheit, sich selbst näher kennenzulernen. In der Familie, in der Schule, in der Hochschule lernen wir eine Menge von wissenswerten Dingen; wann und wo lernen wir es, kritisch in unser Inneres zu blicken und uns an einem Vorbild zu vergleichen? Ohne Vorbild gibt es keinen Vergleich, gibt es keine Entwicklung, kein inneres Wachstum… Jedes Volk, jede religiöse oder politische Gemeinschaft, jede Zeit hat ihre Vorbilder, ihren Geist – wir sprechen vom Zeitgeist…Der Mensch ist nicht nur ein Seiender, sondern ein Werdender, und das Bild Gottes ist kein immanentes, sondern ein langsam und mühselig sich Entwickelndes. Denn keinem von uns dürfte es einfallen, dass wir Gott gleich seien. Aber in dem Odem, in der lebendigen Seele, die uns eingehaucht wurde, ist ein Korn von Gottes Wesen, das in uns aufgehen, keimen, wachsen, erblühen, Frucht tragen und schließlich Samen bilden soll. Dieser ganze Vorgang, mit seinem Geheimnis des Sprießens und Reifens, in seiner höchsten Vollendung und Entfaltung, wird zum Gleichnis der Schöpferkraft Gottes.“
Mit Wladimir Lindenberg habe ich viele Gespräche über William Blake geführt.
07.07.2022
Roland R. Ropers
Religionsphilosoph, spiritueller Sprachforscher, Buchautor und Publizist
www.KARDIOSOPHIE-NETWORK.de
Über Roland R. Ropers
Roland R. Ropers geb. 1945, Religionsphilosoph, spiritueller Sprachforscher,
Begründer der Etymosophie, Buchautor und Publizist, autorisierter Kontemplationslehrer, weltweite Seminar- und Vortragstätigkeit.
Es ist ein uraltes Geheimnis, dass die stille Einkehr in der Natur zum tiefgreifenden Heil-Sein führt.
>>> zum Autorenprofil
Buch Tipp:
Kardiosophie
Weg-Weiser zur kosmischen Ur-Quelle
von Roland R. Ropers und
Andrea Fessmann, Dorothea J. May, Dr. med. Christiane May-Ropers, Helga Simon-Wagenbach, Prof. Dr. phil. Irmela Neu
Die intellektuelle Kopflastigkeit, die über Jahrhunderte mit dem Begriff des französischen Philosophen René Descartes (1596 – 1650) „Cogito ergo sum“ („Ich denke, also bin ich“) verbunden war, erfordert für den Menschen der Zukunft eine neue Ausrichtung auf die Kraft und Weisheit des Herzens, die mit dem von Roland R. Ropers in die Welt gebrachten Wortes „KARDIOSOPHIE“ verbunden ist. Bereits Antoine de Saint-Exupéry beglückte uns mit seiner Erkenntnis: „Man sieht nur mit dem Herzen gut“. Der Autor und die sechs Co-Autorinnen beleuchten aus ihrem individuellen Erfahrungsreichtum die Vielfalt von Wissen und Weisheit aus dem Großraum des Herzens.
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