Claudio Mazzucco über Ökologie

all frau gesicht

Claudio Mazzucco Claudio Mazzucco über Ökologie

Claudio Mazzucco wurde 1960 in Italien geboren, wuchs in Brasilien auf und lebte dort über 20 Jahre. Bereits im Alter von 17 Jahren wurde er Mitglied bei AMORC, ist seit 2008 Großmeister der italienischsprachigen Jurisdiktion und wurde 2019 auf dem Weltkonvent in Rom als Imperator eingesetzt, d.h. als weltweiter Leiter von AMORC.

Imperator Claudio Mazzucco │ Über Ökologie

AMORC Claudio Mazzucco

Einige Augenblicke bevor ich anfing, diese Botschaft zu schreiben, schaute ich durch das Fenster meines Büros in der Großloge hier in Ornano Grande und sah den Garten, der gerade von einem unserer ehrenamtlich tätigen Brüder angelegt wurde. Eine simple Bemerkung von mir hinsichtlich der Zweckmäßigkeit eines kleinen Gemüsegartens genügte dem Bruder und einer ebenfalls häufig anwesenden Schwester, um den Boden entsprechend vorzubereiten, kleine Pflanzen zu besorgen und diese ordentlich in die schmalen Furchen zu setzen.

Worüber ich nun sprechen und gemeinsam mit Ihnen nachdenken möchte, ist sicherlich nicht der Gemüseanbau in der Großloge, sondern wie die Natur dem Menschen ihre innere Ordnung offenbaren kann – eine Ordnung, von der wir selbst ein Teil sind, und die wir als Rosenkreuzer den Kosmos nennen – und wie die Vernachlässigung und Missachtung dieser Ordnung unter anderem die Umweltprobleme hervorgebracht hat, die wir gegenwärtig erleben. Es ist interessant festzustellen, dass das Wort ‚Kosmos‘ ursprünglich aus dem Griechischen stammt und ‚Ordnung‘ bedeutet, allerdings eine Art von Ordnung, die eine Form von Schönheit in sich trägt.

Während ich von oben nach draußen schaute (mein Büro befindet sich im 2. Stock), konnte ich klar erkennen, wie die Vitale Lebenskraft den Planeten durchtränkt und das Leben nährt. Die Pflanzen, die ich jetzt im Garten sehe, sind das Ergebnis von Prozessen, die grundlegend mit der Photosynthese verbunden sind. Es ist eine wunderbare von der Natur geschaffene Art, die von der Sonne auf unseren Planeten ausgestrahlte positive Energie in der Pflanzenwelt einzufangen und zu verwenden. Aber wenn wir mit einer Lupe auf dieses kleine Stück Land schauen würden, auf dem jetzt die verschiedenen Gemüsesorten wachsen, könnten wir unendlich viele andere Lebewesen sehen, vor allem Bakterien, aber auch Insekten und Würmer verschiedenster Art – ein lebendiges Netzwerk mit eigenen Lebensprozessen, verbunden zu einem harmonischen Ganzen.

Und wenn ich meinen Blick über unseren Garten hinaus hin zu den Hügeln weite, so ist die Wahrnehmung klar:

Dieses Leben ist über die gesamte Oberfläche unseres Planeten ausgebreitet und macht diesen schließlich einem Lebewesen ähnlich –

zu einem lebendigen Planeten oder Gaia, wie es der englischen Chemiker James Lovelock in Bezug auf den Mythos von Gaia definierte. Und als ein Lebewesen hat unser Planet sein homöostatisches Gleichgewicht gefunden, durch eine Unermesslichkeit von Prozessen, die alle miteinander verbunden sind.

Nur als Beispiel dafür, wie der Planet über unzählige Prozesse verfügt, die die Aufrechterhaltung eines Gleichgewichts garantieren, wie etwa der Sauerstoffanteil in der Atmosphäre oder die Durchschnittstemperatur, denke man an diesen Zyklus, den ich jetzt erläutern möchte: Kieselsäurehaltiges Gestein wie Granit und Basalt wird von Pilzen, Bakterien und Flechten zersetzt, wodurch Kalzium und Silizium freigesetzt werden, aus denen dieses Gestein besteht. Mit dem in der Luft enthaltenen Kohlendioxid (CO2) werden Karbonate gebildet, die den Hauptbestandteil der Struktur von Mikroalgen und Muscheln bilden.

Wenn diese Algen und Muscheln absterben, sinken sie auf den Meeresgrund und bilden dicke Schichten von Karbonaten. Die tektonischen Platten drücken diese Karbonate dann in die Tiefen der Erde, wo die Temperatur sehr hoch ist. Schließlich zersetzen sich die Karbonate bei dieser intensiven Temperatur, und so entsteht erneut das ursprüngliche Kohlendioxid, das von den Vulkanen ausgestoßen wird. Nachdem es wieder in die Atmosphäre zurückgekehrt ist, der es entstammt, beginnt der gesamte Kreislauf erneut.

Nun, wir, die wir all dieses Leben beobachten und die Prozesse, die den Boden, die Luft und das Wasser des Planeten durchdringen – wir selbst sind das Ergebnis dieses Geschehens. Die Atome, aus denen wir bestehen, entstanden im ersten Augenblick nach dem Urknall (was Tausenden und Abertausenden von Jahren seit dem Beginn des Universums entspricht). Und nach einer langen Reise von Milliarden von Jahren haben diese Atome unseren Planeten gebildet (vor etwa 4,5 Milliarden Jahren), dann erschienen nach unendlichen, wissenschaftlich noch nicht vollständig geklärten Ereignissen die ersten Lebensformen (vor etwa 3,7 – 3,8 Milliarden Jahren). Schließlich tauchten vor etwa 700 Millionen Jahren mehrzellige Organismen auf, und auch die Geschichte des Auftretens unserer eigenen Spezies auf dem Planeten ist noch nicht zu Ende geschrieben.

Nach wie vor fördern paläontologische und archäologische Forschungen Skelette der Vorfahren der menschlichen Spezies zu Tage, aber gegenwärtig lässt sich sagen, dass vor etwa 3,2 Millionen Jahren ein weiblicher Hominide aufrecht ging, der unter dem Namen Lucy bekannt ist. Schließlich erschienen vor etwa 200.000 Jahren die heutigen Menschen.

Was das Erscheinen des Lebens auf dem Planeten betrifft, wird die Diskussion noch immer sehr hitzig geführt.

Es gibt Biologen und Chemiker, die behaupten, Leben sei das Ergebnis zufälliger Ereignisse – eine These, die durch das berühmte Buch „Zufall und Notwendigkeit“ des französischen Biologen Jacques Monod aus den 1960er Jahren gestützt wird. Andere Wissenschaftler hingegen haben völlig andere Vorstellungen. Der britische Mathematiker, Physiker und Astronom Fred Hoyle (1915-2001) verwendete eine brillante und provokative Analogie, um zu erklären, dass die bloße Wahrscheinlichkeit eines zufälligen Zusammentreffens von Molekülen nicht ausreicht, um Leben zu erklären. Er sagt, eine solche zufällige Begegnung käme einem Hurrikan gleich, der auf eine ausgediente Eisendeponie trifft und dadurch eine voll funktionsfähige Boeing 747 hervorbrächte.

Wir werden aus denselben Atomen gebildet, die beim Urknall geboren wurden, und aus anderen, die später als Ergebnis von Kernreaktionen in den verschiedenen Sternen des Universums entstanden sind. Diese Atome werden durch Ernährung und Atmung wieder in unseren Körper integriert, weil „wir die ganze Zeit über Atome verlieren“. Wir sind eine Durchgangsstation für Atome, die zu Kometen, Sternen oder Nebeln gehörten, und die jetzt – wer weiß – Pflanzen bilden, wie die, die ich gerade betrachte, und meinen eigenen Körper mit seinem Gehirn, das nach draußen blickt.

Atome, die Atome betrachten!

In den Zellen meines Gehirns, die ich gerade benutze, um diese Botschaft zu schreiben, befinden sich Atome, die einst der Erde gehört haben, einem Bakterium, einem Insekt oder sogar einem Tier und dem Wasser, das aus dem Meer verdunstet und Tausende von Kilometern in den Wolken gereist ist, um dann in Form von Regen zu erscheinen, in einem lebendigen Kreislauf, der alle Lebewesen mit dem Planeten verbindet. Der Schriftsteller Primo Levi schrieb einen schönen Text über die Geschichte des Periodensystems der Elemente und des Kohlenstoffatoms, eines der Atome, die die Grundlage des Lebens bilden, wobei er den Werdegang dieses Atoms in einer fast poetischen Weise dargestellt hat.

Die Beobachtung dieses lebenswichtigen Prozesses lässt uns erkennen, wie wir der Teil des Planeten sind, der denkt, fühlt, Vorstellungen entwickelt und träumt. Wir sind der Planet, und dies ist eine unbestreitbare Wahrheit, auch wenn wir die meiste Zeit den Eindruck haben, dass wir etwas von ihm Verschiedenes und Getrenntes seien. Tatsächlich betrachten wir uns mit einer gewissen Anmaßung auch als den übrigen Lebewesen überlegen, während unser Leben in Wirklichkeit eng mit dem aller anderen Arten dieses Planeten und mit dem Planeten selbst verbunden ist. Irgendwie hat uns die Erde auf die gleiche Weise erzeugt, wie unsere Mutter uns hervorgebracht hat. Dies hat dazu geführt, dass viele Zivilisationen den Planeten als Mutter Erde bezeichnen.

Der ökologische Diskurs von heute ist von großer Bedeutung, praktisch ein Notfall,

auch wenn wir wissen, dass es ohne eine entsprechende Bewusstseinserweiterung kein wahres ökologisches Denken geben kann. Mit anderen Worten, es ist eine Sache, ökologische Auseinandersetzungen von einem philosophischen und wissenschaftlichen Standpunkt aus zu führen, und doch ist es etwas gänzlich anderes, nach dem zu leben und zu fühlen, was man zu wissen vorgibt. Und dies ist vielleicht die Tragödie der menschlichen Erfahrung auf diesem Planeten.

Viele verstehen jetzt rein rational die Verbindung mit unserem Planeten und dem darin begründeten Leben; aber von hier aus bis zur Entwicklung einer neuen Ethik besteht ein Abgrund, der nur durch Erfahrungen spiritueller Natur überwunden werden kann. Wenn ich das Wort ‘spirituell‘ verwende, so meine ich eine ganzheitliche, vollständige, prägende und transformierende Erfahrung – eine Erfahrung von einer solchen Tragweite, dass der Mensch, der eine solche einmal erlebt hat, nicht mehr der gleiche ist und dies in seiner Art zu leben zum Ausdruck kommt.

Dieser Mensch wird die gleichen Dinge tun wie vorher auch, jedoch nicht mehr auf die gleiche Art und Weise.

Es handelt sich bei dieser Erfahrung nicht unbedingt um eine von religiöser Natur im üblichen Sinne des Wortes, da die spirituelle Erfahrung der religiösen vorausgeht. Eine solche kann sicherlich vermittels der Religion geschehen ‒ und doch ist es nicht das Vorrecht irgendeiner Religion, diese hervorzurufen. Eine tiefe Versenkung in ein künstlerisches Werk oder die Vertiefung in ein wissenschaftliches Problem kann gleichermaßen die Voraussetzungen für ein solches Erleben schaffen.

Empfinden wir es nicht als außergewöhnlich erstaunlich und Verwunderung hervorrufend, dass diese einzigartige Ansammlung von Atomen in der Lage ist, zu denken, zu studieren, zu experimentieren und Emotionen zu erleben, und dass wir das irgendwie selber sind. Und dennoch: kann ein Atom oder eine Gruppe von Atomen jemals Gedanken hervorbringen oder erscheint es für diesen Zeck erforderlich, ein anderes immaterielles Element anzunehmen? Hermann Joseph Müller, Träger des Nobelpreises für Medizin, schrieb:

“Zu sagen, dass der Mensch aus bestimmten Elementen besteht, ist nur für diejenigen eine befriedigende Beschreibung, die die Absicht haben, ihn als Düngemittel zu verwenden.“

Und welche andere menschliche Erfahrung könnte jemals die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die wir bislang über diesen ganzen Prozess erlangt haben, mit seiner tiefsten und transzendentesten Bedeutung verbinden, wenn nicht die mystische Erfahrung? Eine Erfahrung, die ihrer Natur nach ein Gefühl der Ganzheit erzeugt, der Zugehörigkeit zu einer überwältigenden Realität, die über diejenigen hinausgeht, die sie erfahren, der sie sich aber gleichzeitig zugehörig fühlen? Diese wird von Romain Rolland, Nobelpreis-Träger für Literatur, ‘Ozeanisches Gefühl‘ genannt, vom kanadischen Psychiater Richard Bucke ‘Kosmisches Bewusstsein‘, vom Philosophen Lao Tse ‘Tao‘ und vom Physiker Heisenberg ‘Ordnung der Natur‘.

Wir Rosenkreuzer verfügen mit unserem Erbe über die Verpflichtung und die Werkzeuge, um Bedingungen zu schaffen, damit der Mensch Augenblicke der Harmonie erfahren kann ‒ jene Momente, die es ihm ermöglichen, diese mystische Erfahrung in unterschiedlichen Intensitäten zu erleben. Unsere Lehren zielen darauf ab, das Bewusstsein des Menschen zu erweitern, indem seine Vision in Richtung größerer Dimensionen der Realität erweitert wird. Sie sollen uns nicht darauf vorbereiten, gute Reden zu halten; die Zeit der Reden ist jetzt vorbei. Darüber hinaus handelt es sich bei diesen Lehren weder um eine Art Freizeitbeschäftigung noch um ein System zur Erlangung besonderer Fähigkeiten oder gar Befugnisse.

Es geht bei unseren Lehren nicht um irgendwelche Aktivitäten, die man im stillen Kämmerlein ausübt und die im Alltag dann keine Rolle mehr spielen. Es geht vielmehr um eine ganz andere Art, das Leben durch verschiedene Erfahrungen zu begreifen und so eine neue Haltung gegenüber den unser Leben bestimmenden Ereignissen zu entwickeln.

Lassen Sie mich im Zusammenhang mit diesen Überlegungen an einen wichtigen Aspekt der mystischen oder spirituellen Erfahrung erinnern, der sich auf den moralischen Sinn bezieht.

Das Wort ‘Moral‘ sollte hier nicht als eine Art Regelwerk verstanden werden, das einem vielleicht von einer religiösen Kultur oder durch gesellschaftliche Konventionen auferlegt wird. Regeln, die die Realität nicht berücksichtigen und von denen, die sie vorschlagen, oft selbst nicht respektiert werden, entsprechen eher dem, was wir ‘Moralismus‘ nennen.

Der moralische Sinn muss hier verstanden werden als das Hören auf die Stimme des Gewissens, die sich in der inneren Stille manifestiert; diese lässt uns immer wieder erkennen, was zu tun richtig ist, d.h. das richtige Handeln, so dass unsere Existenz uns und dem Leben aller Wesen zugute kommt, die die Umwelt mit uns teilen. Lassen Sie mich den italienischen Philosophen Vito Mancuso zitieren:

„Es fühlt sich an wie ein undeutlicher, aber dennoch wirklicher Aufruf, und man ist fasziniert davon. Und wenn wir zu diesem geheimnisvollen Ruf ‘ja‘ sagen, so neigen wir in seine Richtung; und diese süße Spannung in uns wird Ethik genannt.“

Der Mangel an diesem ‘Horchen‘ führt zur Tragödie unserer Erfahrungen als Menschen auf diesem Planeten. Diese besondere Taubheit ist viel mehr als ein bloßer Hörverlust; sie entspricht mehr einer allgemeinen Dürre unserer Wahrnehmung, die heutzutage durch so heftige und aggressive Impulse derart stimuliert wird, dass wir dazu neigen, für jene sachte Stimme nicht mehr empfänglich zu sein, die doch in jedem von uns spricht, sofern die Bedingungen günstig sind. Der moralische Sinn ist jene innere Stimme, die uns Verhaltensregeln auferlegt, die wir niemals überschreiten würden, selbst wenn wir allein wären und niemand uns sehen könnte. Es ist ein Sinn, der dem Leben des Einzelnen insofern eine verfeinerte Qualität verleiht, als er ihn von abscheulichen, vulgären, unehrlichen, selbstsüchtigen Verhaltensweisen befreit und gleichzeitig zur Wahrnehmung der Harmonie der Natur und Empathie gegenüber allen Lebewesen erhebt; er lädt uns ein, mit Wohlwollen und Gerechtigkeit zu handeln, was die Grundlage wahren umweltbewussten Denkens ist.

An dieser Stelle mögen wir uns fragen, ob der moralische Sinn entwickelt werden kann oder ob er dem Menschen angeboren ist.

Dies ist eine wichtige Frage, die viele Philosophen durch die Geschichte des menschlichen Denkens hindurch begleitet hat und heute auch Gegenstand des Studiums der Neurowissenschaften ist – dies deshalb, weil wir aufgrund einfacher Beobachtung schließen können, dass es Menschen gibt, denen der moralische Sinn völlig zu fehlen scheint, wohingegen andere sehr hohe und verfeinerte Grade aufweisen.

Aus rosenkreuzerischer Sicht entspricht diese Bedeutung genau dem, was wir ‘spirituelle Entwicklung‘ nennen. Tatsächlich ist dies eine Verfassung, die nicht durch das Vorhandensein außergewöhnlicher Kräfte (obwohl es sie geben mag) bei Individuen gekennzeichnet ist, sondern durch die Fähigkeit zu tiefgründigem Urteilsvermögen, einem verfeinerten moralischen Sinn und einem hohen Maß an Einfühlungsvermögen. Dabei handelt es sich um eine Befindlichkeit, die nach und nach erreicht werden kann, die aber oft zerbrechlich erscheint und unter dem Einfluss des Egos verloren zu gehen droht. Tatsächlich ist deren Ausbleiben leicht zu erkennen, denn trotz des möglichen wirtschaftlichen Erfolgs eines Einzelnen wird sein Versagen als Mensch stets deutlich hervortreten.

Dem rosenkreuzerischen Denken entsprechend, erscheint diese Entwicklungsmöglichkeit als einer der potentiellen Wege des Menschen; hierauf haben wir ein unerschütterliches Vertrauen und lenken unsere Energien entsprechend, um die Entstehung von Bedingungen zu begünstigen, die es jedem Menschen ermöglichen, diese Stimme in seinem Innern selbst zu erfahren, und sei es auch nur für wenige Augenblicke.

„Bei dem, was wir unter Zivilisation verstehen, geht es nicht nur um eine bloße Verbesserung der Umweltbedingungen, denen der Mensch unterworfen ist, oder um einen leichteren Zugang zu materiellen Ressourcen. Es dreht sich stets auch um die Vervollkommnung seiner selbst, d.h. um die Vervollkommnung des Individuums.”
Ralph Maxwell Lewis

Um ‒ wenn wir über spirituelles oder mystisches Erleben sprechen ‒ nicht auf einer rein theoretischen Ebene zu verharren,

lade ich Sie dazu ein, sich an eine Erfahrung zu erinnern, die Sie höchstwahrscheinlich selbst schon erlebt haben. Bereits als Kind werden Sie vermutlich die Erfahrung gemacht haben, sich von den Wellen des Meeres an den Strand tragen zu lassen ‒ vielleicht ein bisschen so wie ein Surfer, der sich ohne Armaturenbrett vom Wellengang mitreißen lässt ‒ womöglich auch nur, um sich von den Wellen umspülen zu lassen, bevor diese brechen.

In genau diesen Momenten, in denen wir mitgerissen werden, erleben wir ein unbeschreibliches Vergnügen. Es gibt keinen Unterschied mehr zwischen uns und dem Meer, und während wir hinweg gezogen werden, verspüren wir nur den Wunsch und das tiefe Verlangen, dass diese Erfahrung niemals enden und dass uns diese Welle so weit wie möglich mitziehen wird. Das Wasser berührt unseren ganzen Körper mit einem Gurgeln, das uns streichelt, und wir haben das Gefühl, das Meer zu sein, weil wir die Wahrnehmung der Begrenzungen unseres Körpers verlieren.

Wir sind das Meer, wir verschmelzen mit ihm, aber wir sind auch der blaue Himmel über uns und der Sand unter uns. Es ist eine Mischung von Eindrücken, die eine Wahrnehmung der Einheit erzeugt, die geprägt ist von Glücksgefühlen und dem Wunsch, dass diese Erfahrung niemals enden und so lange wie möglich anhalten möge. Nun, vielleicht ist dies eine Erfahrung, die in ihrer kindlichen Einfachheit andeuten kann, was von den Mystikern aller Zeiten beschrieben wird, und die die initiatorische Erfahrung par excellence ausmacht, unser spirituelles Schicksal, nämlich die Einheit zu erfahren. Und so wie die am Strand ankommende Welle schließlich verschwindet und wieder zum Meer wird, werden auch wir vielleicht in dieser Erfahrung der Vereinigung mit dem Ganzen fühlen, dass wir bereits seit jeher dem Kosmos angehören und so unsere eigene zeitlose Ewigkeit wiederentdecken.

“Das Meer zu erfahren, ist zu umfassend, zu mystisch, um auf eine intersubjektive Beziehung reduziert zu werden […]. Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen intersubjektiven Beziehungen, die stets in einem kulturellen Raum stattfinden, und dem, was man fühlt, wenn man allein am Meer unter einem Sternenhimmel ist, bewegt vom Glanz und der Unermesslichkeit des Kosmos und eins mit dem Gefühl, ganz in diese unendliche Weite einzutauchen, ohne etwas anderes tun zu können, als daran teilzuhaben, und ohne Worte zu finden, um dieses Empfinden zu beschreiben. Am Meer bin ich nicht länger ich selbst, ich bin der Kosmos.“
(H. Laborit, Biologe)

07.07.2022
Bild und Text (c) AMORC
www.amorc.de
www.amorc-verlag.de
www.facebook.com/AMORC.de

Alle Beiträge von AMORC auf Spirit Online

AMORC Schnupperkurs»KOSTENLOSE E-MAIL-KURSE ZUM KENNENLERNEN DER WELT DER ROSENKREUZER«

Alle drei Kurse sind kostenlos und unverbindlich.
Die Lektionen der Kurse werden nach erfolgter Anmeldung per E-Mail versendet, so dass Sie sich zu Hause in Ruhe mit den Inhalten auseinandersetzen können.


 


ZUM AKTUELLEN MAGAZIN MIT TIEFGREIFENDEN BEITRÄGENAMORC Magazin 12 2021

 

 

Für Artikel innerhalb dieses Dienstes ist der jeweilige Autor verantwortlich. Diese Artikel stellen die Meinung dieses Autors dar und spiegeln nicht grundsätzlich die Meinung des Seitenbetreibers dar. Bei einer Verletzung von fremden Urheberrecht oder sonstiger Rechte durch den Seitenbetreiber oder eines Autors, ist auf die Verletzung per eMail hinzuweisen. Bei Bestehen einer Verletzung wird diese umgehend beseitigt.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*