Mysterientradition Thutmosis III bis Echnaton und Gegenwart
Die historisch nachweisbaren Ursprünge der Rosenkreuzer und Mysterientradition verlieren sich in den Nebeln der Geschichte. Alle Quellen verweisen auf ein seit Urzeiten überliefertes Gedankengut, das seit der Renaissance auch als „die ursprüngliche Tradition“ bezeichnet wird.
Der Überlieferung nach geht diese bis auf Atlantis zurück und wurde in den Mysterienschulen des alten Ägypten bewahrt.
Als die Hüter der Weisheit waren diese sowohl Kloster als auch Universität und den höheren Priestern und Mitgliedern der Familie des Pharaos vorbehalten.
Erst im sog. Neuen Reich erfolgte zunächst eine vorsichtige Öffnung der Mysterienschulen durch Thutmosis III und Echnaton war es schließlich, der diese Türen weit aufstieß.
Mysterientradition
Nach der rosenkreuzerischen Überlieferung war es an einem Tag des Thors, einem Donnerstag, kurz nach der Frühjahrs-Tagundnachtgleiche des Jahres 1489 v. Chr. als in den persönlichen Gemächern des Pharao Thutmosis III. eine besondere Zusammenkunft der königlichen Philosophenschule stattgefunden haben soll.
Die Urahnen der Bruderschaft der Rosenkreuzer beschlossen, den zugelassenen Personenkreis ihrer Weisheitsschule auszuweiten, damit außer den ausgewählten Familienmitgliedern des Königs und der Priesterschaft noch weitere Personen von Stand und Bildung zu den Belehrungen Zutritt erhalten konnten.
Nur langsam setzte sich diese Neuerung durch, und erst durch Amenhotep III. wurde der Weg frei zu einer wirklichen Öffnung der Mysterienschule am Hofe des Pharao, die viele Weise und Weisheit suchende Menschen in das Land am Nil brachte.
Amenhotep IV. (Echnaton) hat dann radikal die Tür zu den Mysterien- und Weisheitsschulen geöffnet, damit alle gebildeten Menschen an den notwendigen Belehrungen teilhaben konnten, um an der Veredelung des menschlichen Geistes zum Wohle der Bruderschaft der Menschheit mitzuwirken.
Wiederum an einem Donnerstag des Jahres 1353 v. Chr. beschlossen Echnaton und die Mitglieder der Bruderschaft, die Zahl der Wissenden ständig und ausdauernd zu vermehren, damit das besondere Wissen um das Mysterium des Lebens in die Welt getragen konnte.
Schließlich trat die Religion des einen und einzigen Gottes ihren Siegeszug durch die damals bekannte Welt an.
Die Anbetung und Verherrlichung des einen und einzigen Gottes wurde zur Grundlage der sich aus den Mysterienschulen herausschälenden Gesellschaften, Bruderschaften und Weisheitsschulen, die bald danach überall in der Welt die empfangene Weisheit auf ihre Art unter die Menschen brachten.
Der Grundstein für den späteren Monotheismus der drei großen abrahamitischen Religionen war gelegt. Die Weisheit lebte weiter in den Schülern, die die überlieferten Lehren von ihren Meistern aufgenommen hatten. Die Schüler wiederum sollten sich selbst zu Meistern entwickeln, um so das Wissen vor seinem Untergang zu bewahren und die Kette der filiatischen Überlieferung zu pflegen.
Amenhotep IV | Amenophis IV | Echnaton | Akhanaton | Achenaton und die Mysterientradition
Die Überlieferung berichtet, dass die Königin Teje bereits über dreißig war und noch immer keinen Thronerben hatte.
Dreißig Jahre, zu jener Epoche ein fortgeschrittenes Alter für eine Mutterschaft. Sie schickte ein kraftvolles Gebet zu Aton und bat ihn um die Empfängnis eines Knaben, der zukünftiger König werden sollte.
Ihr Wunsch wurde erhört, und neun Monate später brachte sie den jungen Prinzen Amenhotep zur Welt.
Auf seine Ankunft hatte man sich seit der Empfängnis vorbereitet, und diese Vorbereitung setzte sich während der ganzen Dauer der Schwangerschaft fort.
Während dieser Vorbereitungszeit begab sich die Königin regelmäßig in das kleine Sanktuarium von Aton, das an die königlichen Gemächer angrenzte, um dort zu beten und zu meditieren. Nach der Geburt ging die Vorbereitung des Kindes im Kreise der Bruderschaft weiter, wo es, noch sehr jung, aufgenommen und von den größten Weisen der Epoche in die höchsten Mysterien eingeführt wurde.
Eine durchweg mystische Erziehung muss die Kindheit des jungen Prinzen geprägt haben.
Dies entsprach ganz seinem tiefen Verlangen, und seine große Sensibilität machte aus ihm ein für die Kosmische Kommunion empfängliches Wesen.
Amenhotep IV bestieg unter dem Thronnamen „Nefer-cheperu-Re Wa-en-Re“ den Thron.
Echnatons Geburtsname Amenhotep liegt noch ganz in der Tradition der Epoche und verweist auf Amun als Schutzgott der Dynastie.
Der Thronname seiner Titulatur verweist bereits auf die Vollkommenheit der Manifestationen von Ra als dem Alleinigen.
Erstmals sieht man in diesem Namen den durch die Sonnenscheibe dargestellten Begriff des alleinigen Gottes erscheinen.
Dieser Unterschied zur Auffassung seiner Vorgänger geht einher mit der Entwicklung des ursprünglich kollektiven Bewusstseins des Menschen hin zu einer Individualisierung.
Der Mensch wurde sich seiner Existenz bewusst und das Ich des Menschen erwacht, was sich in der Literatur dieser Epoche offenbart. Indem der einzelne Mensch allerdings zu einer Art moralischen Unabhängigkeit aufstieg, fühlte er sich auch isolierter und verlor seine fundamentalen Orientierungswerte.
So bestand die Gefahr, die vor allem durch Maat ausgedrückte harmonische Verbindung zwischen Mensch und Universum zu verlieren, die bislang als der starke Rückhalt dieser Kultur galt. Bereits großen Persönlichkeiten wie Thutmosis lll wurde diese Entwicklung bewusst und inmitten der Bruderschaft erleuchteter Männer und Frauen wurde versucht, Mensch und Universum wieder miteinander zu versöhnen, um die Herrschaft von Maat im Leben zu bewahren.
Ihre geheime Arbeit hat in diesem Sinn Früchte getragen, und im Augenblick der Geburt von Echnaton erachteten die Weisen, dass dieses Wissen enthüllt und weiter verbreitet werden sollte. Das Hauptwerk dieses Königs in seiner Eigenschaft quasi als Großmeister dieser Bruderschaft bestand ausschließlich darin, diese Offenbarung zu fördern und die Verbreitung der Lehren zu gewährleisten.
Aton ‒ der himmlische Pharao
Der alleinige Gott von Echnaton war der Schöpfer des Universums, der himmlische Pharao, den der König als seine irdische Entsprechung vertrat. Diese Vorstellung, die revolutionär erschien, verwirklichte aber nur den ursprünglichen ägyptischen Mythos, der aus dem Pharao die irdische Inkarnation des göttlichen Prinzips machte, den Gottessohn, den privilegierten Mittler zwischen dem göttlichen Königreich und der irdischen Welt.
Die wirkliche Revolution von Echnaton bestand in der Erhebung der Gottheit aus einer beschränkten irdischen Vorstellung durch materielle Bilder auf eine universale und unbeschränkte Ebene rein spiritueller Natur. Aber eine solche Umwälzung geschieht nicht ohne Widerstand. Dieser kam besonders aus Kreisen der offiziellen Priesterschaft.
Der Pharao wurde sich schnell bewusst, dass die Opposition der Priester des Amun die Entwicklung der Idee von Aton als einzigen und universalen Gott beträchtlich störte. Um den Bruch mit der auf den eigenen Machterhalt bedachten Priesterschaft des Amun klar zu unterstreichen wechselte der Pharao auch seinen Namen.
Er legte den Namen Amenhotep ab und nahm als neuen Namen Echnaton an. Gleichzeitig mit der Änderung seiner Titulatur änderte er auch die Ikonographie von Aton als dem alleinigen und einzigen Gott. Er verließ daher Theben und erbaute eine neue Hauptstadt in einer unberührten Landschaft von Mittelägypten.
Akhet-Aton ‒ Sanktuarium von Aton
Der Name, den er seiner neuen Hauptstadt gab, Akhet-Aton, besteht aus zwei Begriffen. “Akhet” bedeutet wörtlich “physischer Horizont”, aber dieses Wort wurde auch für das Sanktuarium gebraucht, den geistigen Horizont eines Gottes.
In diesem Sinn bezeichnete es die höhere Welt oder die Welt der höheren Regionen.
“Akhet-Aton” kann somit auf zwei Arten übersetzt werden, je nachdem, ob man sich diesem Namen in materialistischer oder spiritueller Absicht nähert. Im ersten Fall bedeutet es einfach die “Stadt des Scheibenhorizonts”, im zweiten das “Sanktuarium von Aton”.
Es leuchtet ein, dass Rosenkreuzer die zweite Übersetzung bevorzugen. Im Geiste seines Gründers war Akhet-Aton die Projektion Gottes auf Erden, das physische Gegenstück der himmlischen Stadt der Welten in höheren Regionen, in der Aton wohnte.
Wenn Echnaton in den Widmungstexten, die er auf den Grenzsäulen eingravieren ließ, klar zum Ausdruck brachte, dass er den Schatten seiner Stadt nicht verlassen werde, heißt das, sein Herz werde die göttliche Welt, mit welcher er in ständiger Verbindung lebte, nicht verlassen.
Damit die irdische Hauptstadt sich würdig erwies, die himmlische Stadt zu repräsentieren, machte Echnaton daraus ein wirkliches Juwel von außerordentlicher Schönheit. Die Anlage der Stadt, deren zentraler Pol der große Tempel von Aton bildete, entsprach einer vollkommenen Ordnung.
Echnaton behielt die Bedeutung von Maat bei, die in zwei der königlichen Namen vorkommt und hob sie sogar hervor. Diese wichtige Tatsache erlaubt, die Motivation für den Namenswechsel besser zu verstehen. Man hat oft gesagt, dass Echnaton die Sonne verehrte und diese als Ersatz für den gesamten traditionellen ägyptischen Pantheon in den Status des alleinigen und universalen Gottes erhoben hätte.
Dies ist eine etwas vereinfachte Sicht, die der tiefen Bedeutung dieses Wechsels, die der König verursachte, keinesfalls Rechnung trägt. Echnaton verehrte Aton sicher nicht als materielle Sonnenscheibe. Er betete die strahlende und unberührbare Energie an, die diese Scheibe verkörperte. Diese Energie war von doppelter Polarität: auf der einen Seite Chu, das Licht und die Wärme, und auf der anderen Seite Maat, das universale Bewusstsein als Attribut der universalen Seele.
Wir finden diese zwei Polaritäten in der rosenkreuzerischen Vorstellung unter dem Namen „Geistenergie“ und „Lebenskraft“.
ln seiner „Großen Hymne“ bezeichnet Echnaton Aton als „Vater-Mutter“ der Menschheit. Mit dieser Allegorie beschrieb er die doppelte, positive und negative Natur des höchsten Gottes, symbolisiert durch die Scheibe Aton.
Zusammen mit seiner Gattin Nofretete verkörperte das königliche Paar das göttliche Sonnnpaar von Ra und Maat, so wie vor ihnen Amenophis III und die Königin Teje. Man versteht jetzt besser, warum der König in seiner Titulatur so sehr auf dem Namen von Maat bestand.
Mysterientradition – Die universale Bruderschaft allen Lebens
Mit dem Erscheinen von Echnaton änderte sich das Verständnis vom Universum. Dieses Verständnis verfeinerte sich und schloss sowohl die bekannten Völker als auch die unbekannten Länder mit ein. Das alte Sonnenprinzip, der Gott Ra, erhielt nun in der Form von Aton den übergeordneten Status des alleinigen und universalen Gottes aller Völker.
Alle Menschen, egal welcher Herkunft, galten nun als Kinder dieses universalen Vaters, und so wurden sie alle zu Brüdern. Aufgrund dieser erstmaligen Idee bezeichneten einige Echnaton als den ersten Humanisten. Tatsächlich taucht hier zum ersten Mal in der Geschichte die klare Formulierung von der “Bruderschaft der Menschen aller Völker” auf.
Aber Echnaton ging noch weiter, indem er alle auf Erden lebenden Tiere und Pflanzen in dieses Gottesvolk mit einbezog, was besonders in von ihm verfassten “Großen Hymne an Aton” zum Ausdruck kommt.
Sie wird als der älteste Text religiöser Literatur betrachtet.
Dieser durch Echnaton vertretene radikale Wandel führte die religiösen Vorstellungen Ägyptens wieder zurück zur Quelle der ursprünglichen Tradition.
Man benötigte keinen komplizierten Kult mehr, um zu den Glückseligkeiten des osirischen Paradieses zu gelangen. Um das spirituelle Königreich von Aton zu erreichen, genügte es, dem vom göttlichen Sohn Echnaton vorgezeichneten Weg zu folgen, dem “schönen Kind von Aton”, wie ihn die Texte jener Epoche nannten.
Diese übliche Übersetzung gibt allerdings nicht die ganze Tiefe dieser Idee wieder. Auf einer tieferen Bedeutungsebene werden bereits die späteren Worte Jesu vorweggenommen und erhellt, wenn er im Johannesevangelium sagt, dass niemand zum Vater komme außer durch ihn. Er sei der Weg, die Wahrheit und das Leben.
So bezeichnet der Ausdruck “schönes Kind von Aton” den, “der verwirklicht ist” oder “den, der Gott in sich verwirklicht hat”.
Tatsächlich bedeutet das Wort “nefer”, das man allgemein mit “schön”, “gut” oder “vollständig” übersetzt, in Wirklichkeit “der, der seine Möglichkeiten verwirklicht hat”.
Zum Beispiel sind die Blume oder deren Frucht der “nefer” des Samens.
In einem Abschnitt der “Großen Hymne an Aton” sagt Echnaton: “Du bist in meinem Herzen, und es gibt niemand anderen, der Dich kennt, ausgenommen Dein Sohn Nefer-cheperu-Re.”
Dieser Satz ist kein Zeichen von Größenwahn dieses Königs, mit dem er vorgibt der Einzige zu sein, der Gott kenne. Vielmehr sehen Rosenkreuzer darin die Darstellung eines tiefen mystischen Prinzips. Sicherlich hatte Echnaton mit diesen Worten die Vorstellung vom “Gott meines Herzens, Gott meines Verstehens” verdeutlicht, die oft in Gesprächen der Rosenkreuzer untereinander und in ihren Ritualen gebraucht wird.
Diese Formel von großer Tiefe bestätigt, dass jeder Mensch Gott auf seine persönliche Weise erfährt und versteht. Diese persönliche Auffassung von Gott macht nur für den jeweiligen Menschen Sinn und entwickelt sich gleichzeitig mit ihm. Es handelt sich also um ein dynamisches Gottesbild, verschieden von der Vorstellung anderer Menschen.
Das Bewusstsein dieser Relativität soll die Toleranz wecken gegenüber den Vorstellungen anderer, die notgedrungen unterschiedlich zu den unseren sind. So besaß das Werk von Echnaton gewaltige Dimensionen, selbst wenn es aus geschichtlicher Sicht kurzlebig erscheint.
Die Ideen, die er entwickelte ‒ vielleicht zu früh ‒ sind nicht verloren. Sie inspirierten die großen westlichen Religionen wie den jüdischen Glauben, das Christentum und den Islam.
Die rosenkreuzerische Überlieferung übermittelt, dass Echnaton im Juli 1350 vor unserer Zeitrechnung ins große Jenseits hinüberging. Eine solche Genauigkeit mag einen schmunzeln lassen.
Man sollte dieses Datum allerdings symbolisch auffassen und dabei bedenken, dass die astrologische Konstellation der Gestirne in genau jenem Augenblick von ganz besonderer Art war. Eine große Anzahl von Planeten befand sich im Sternzeichen der Fische. Kündigte sich mit dieser Tatsache vielleicht auch schon das Erscheinen einer neuen Ära, nämlich der Religion der Nächstenliebe an?
17.07.2018
Dr. rer. nat. Alexander Crocoll
Bild und Text (c) AMORC
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Vita des Autors:
Dr. rer. nat. Alexander Crocoll, geb. 1966. Während seiner wissenschaftlichen Tätigkeit Publikation von Arbeiten zur Genetik molekularer Embryologie. Er beschäftigt sich seit frühester Jugend mit spirituellen Fragen, ist seit drei Jahrzehnten AMORC-Mitglied und arbeitet heute als Sekretär in der deutschen AMORC-Zentrale.
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