Beginen | Weibliche Mystik mitten im Leben

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AMORC-Beginen-1Beginen – Mystikerinnen des Tuns

Wenn vom Menschen in der Schöpfung gesprochen wird, geht es primär nicht um Mann und Frau, auch wenn es heißt „Gott schuf den Menschen nach seinem Bild, zum Bilde Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.“ Es geht zunächst um den Menschen als Ganzes, um seine Seele oder das, was er mit der großen Seele Gottes gemein hat. Erst danach geht es in die Zweiheit der polaren Welt und es erscheinen Mann und Frau, als männlich und weiblich. Im Ursprung besteht also in der Schöpfung zuerst die Einheit, dann erst die Trennung in die Polarität oder die „gleichberechtigte Gegensätzlichkeit“. So wie der Nordpol nicht wichtiger als der Südpol, der Tag nicht besser als die Nacht und die Erde nicht wichtiger als der Himmel ist…

„Es ist die Geschichte der Gottesliebe, die sich erlaubt in ein Menschenleben einzubrechen, wann immer es ihr gefällt. Und sie ist die Geschichte der Menschen, die auf diese Offenheit Gottes antworten, in dem sie ihr Herz für Gott öffnen“, so schreibt Dorothee Sölle über die Mystik. Wann immer also die Gottesliebe in ein Menschenleben einbricht und der Mensch antwortet, so ist das innere Erleben des Göttlichen geschlechtsneutral, auch wenn der sprachliche Ausdruck von Mann und Frau vielleicht etwas verschieden ausfällt. Das Erleben aber ist seinem Ursprung nach eins, so wie auch das Wesen von Mann und Frau sich im Innersten gleichen. Im mystischen Sinn ist bei göttlichen Offenbarungen, die sich auf Mann und Frau berufen, schon immer das Wesen des Menschen gemeint, und keine Zuweisung von Geschlechterrollen oder derartiger Unsinn. Das Unternehmen, tief innerlich empfundene Offenbarungen der äußeren Welt mitzuteilen, erinnert seit jeher an die sog. „Sprache der Zweige“, die mystische Sprache, die vor dem Problem steht, mit Worten dieser Welt die andere Welt zu beschreiben. Leider ist dieser Sachverhalt durch eine völlig veräußerlichte und rein materialistische Interpretation in Vergessenheit geraten.

Veräußerlichte Religiosität – Männliche Dominanz und das Leid der Frauen

So prägte auch das 380 n. Chr. zur Staatsreligion im Römischen Reich ausgerufene Christentum das Fühlen, Denken und Handeln der Menschen, und weltliche und kirchliche Belange waren aufs Engste miteinander verwoben. Das Frauenbild dieser Zeit baute auf die Tradition der Antike. Für einige einflussreiche Männer wie Aristoteles waren Frauen um 300 vor Christus „verstümmelte Männer ohne Seele“ und wurden als Untergebene angesehen. In der äußeren jüdisch-christlichen Tradition hat die falsche Auslegung der Genesis dieses Bild weitergeführt. Die Frau entstammt der Rippe Adams und sie trägt mit der Verführung zum Genuss der Früchte des verbotenen Baumes gemeinsam mit der Schlange Schuld an der Vertreibung aus dem Paradies. Über eine solche veräußerlichte und männerzentrierte christliche Theologie ist es zu erklären, dass Frauen in der Vergangenheit vor allem unter der Dominanz der Kirche schweres Leid widerfuhr. Klar, dass sie sich scheuten, sich mit ihren inneren Überzeugungen Gehör zu verschaffen; und wenn hatten sie es ungleich schwerer und waren häufig Drohungen und Verfolgungen ausgesetzt. Auch aus der deutschen Mystik sind seit dem Mittelalter überwiegend männliche Namen bekannt geworden, Jakob Böhme, Meister Eckardt, Johannes Tauler und Heinrich Seuse gehören neben vielen anderen dazu. Wenige weibliche Mystikerinnen haben es in das öffentliche Bewusstsein geschafft. Wenn Frauen Aufsehen mit ihren spirituellen Ideen erregten, dann oft diejenigen, die innerhalb christlicher Orden wirkten, wie die Äbtissin Hildegard von Bingen im 12. Jh. oder Theresa von Avila im 16. Jh., die beide durch die Institution Kirche und deren Heiligsprechungen besonders geehrt wurden.

Wir können überzeugt sein, die Genesis ist ein menschen- und damit auch ein frauenfreundliches Menschheitswerk mit tiefem Symbolgehalt, eine kryptische Allegorie im Sinne der Rosenkreuzer. In jeder Zeit gab es Menschen, die das wussten. Es ist die Geschichte des Menschen in der Schöpfung, also des Mannes und der Frau. Es wird dem Menschen Adam, der in der Einheit lebt, eine Gefährtin zugesellt. Er sehnte sich nach ihr und wird durch sie, vom kosmischen Menschen zum Menschen mit Selbstbewusstsein und freiem Willen. So wird er vom Menschen der Einheit, vom Adam Kadmon, zum Adam der Zweiheit, Adam chawa oder Adam und Eva. „Gott schuf den Menschen nach seinem Bild, zum Bilde Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie“.

Beginen – Bewegung einer weiblichen Spiritualität

Weniger bekannt sind die sog. frommen Frauen des Mittelalters, die ab dem 12. Jh. als Beginen bezeichnet werden. Es waren meist adlige, sozial engagierte Frauen, die sich sehr fortschrittlich und unabhängig gegen die vorgegebenen Möglichkeiten Ihrer Zeit entschieden haben und ein spirituelles Leben führten. Sie hatten hohe Ideale, wollten weder verheiratet werden, noch in einem Kloster leben. Daher entwickelten sie eine besondere Lebensform, eine Art emanzipatorische Bewegung und wurden Begründerinnen einer spezifisch weiblichen Spiritualität, die sie unabhängig von den zugelassenen Institutionen lebten. Es ging dabei nicht um Männerfeindlichkeit, sondern den Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben, nach selbst als Wahrheit erkannten Regeln. Die Beginen lebten in der Regel in einer christlich geprägten Gemeinschaft, in sogenannten Beginenhöfen oder -häusern. Sie legten keine Gelübde ab und lebten nicht in Klausur.

In der Aufbruchswelle religiöser Bewegungen des Mittelalters schlossen sich zahlreiche Frauen in Beginengemeinschaften zusammen. Sie lebten entweder alleine oder in kleinen und größeren Konventen von zwei bis zwölf oder 50 Frauen. Dem Haus stand zumeist die Mater vor, die von den Frauen selbst gewählt wurde. Beschlüsse wurden innerhalb der Gruppen bei regelmäßig stattfindenden Versammlungen gemeinsam getroffen. Die Historikerin Julia Heidemann schreibt: „Die Beginen waren keine Klosterfrauen, sie legten keine Gelübde ab, waren auch nicht zeitlebens, sondern nur zeitweilig an ihr Haus gebunden, das sie wieder verlassen konnten, um zu heiraten und in die Außenwelt zurückzutreten.“ Allein in Köln, einem Zentrum der deutschen Beginen, waren es um das Jahr 1400 etwa 1.150 Beginen, die in solchen Gemeinschaften lebten, andere blieben weiterhin in ihren Wohnungen oder bei ihren Familien. Zum Teil haben sich die Konvente dadurch erhalten, dass sie von einer Stiftung oder durch Spenden lebten. Andere finanzierten ihren Lebensunterhalt durch handwerkliche Tätigkeiten. Das führte häufig zu Konflikten mit den handwerklichen Zünften, die in den Frauen eine gefährliche Konkurrenz sahen. Sie arbeiteten u.a. als Hebammen, Lehrerinnen, Seidenweberinnen, Spinnerinnen, Wäscherinnen. Besonders als Tuchmacherinnen und in der Wappenstickerei erwarben sie sich mit der Qualität ihrer Arbeit hohes Ansehen und erzielten beträchtliche finanzielle Erfolge. Die Erlöse flossen in die Gemeinschaft, in die Armenversorgung und Krankenpflege oder wurden in neue Wohn- und Werkstätten investiert. Die vermögenden Konvente verliehen sogar Geld an die Stadträte und sicherten sich damit die Unterstützung der Kommunen. Ein wichtiges Anliegen war den Beginen die Mädchenbildung, wobei sie sich ganz bewusst für die Mädchen aus verarmten Familien einsetzten. Ihnen brachten sie den Umgang mit religiösen Werten nahe und unterstützen sie ganz praktisch in deren Lebensbewältigung und -planung. Ein Leben als Begine ermöglichte Frauen die sozial auferlegten Rollen von Ehe und Mutterschaft zu umgehen. Es war vielleicht die einzige Möglichkeit, ein alternatives Leben in Selbständigkeit, Selbstwirksamkeit und wirtschaftlicher Unabhängigkeit zu führen. Zumindest drei solcherart bedeutende Frauen wollen wir näher betrachten und würdigen.

AMORC-Beginen-MechthildFließendes Licht der Gottheit – Mechthild von Magdeburg

Geboren als Adlige hat sie im 13. Jh. etwa 40 Jahre als Begine in Magdeburg gelebt und gewirkt. Ihre erste Gotteserfahrung hatte sie mit 12 Jahren, mit ungefähr 20 Jahren schloss sie sich der Armutsbewegung an. Bis heute bekannt ist sie durch ihr Buch „Das fließende Licht der Gottheit“, das sie in Niederdeutsch verfasst hat. Das war die Sprache des Volkes und der Armen, was sehr zu ihrer Popularität beigetragen hat. Mechthild von Magdeburg hat ihre Texte an die Brautmystik des alttestamentlichen Hohen Liedes angelehnt und verwendet ihre ganz persönliche Poesie im Stil des höfischen Minnesangs. In vielen Texten wird so die Liebe zu Gott in Bildern der körperlichen Liebe oder Minne dargestellt.

Dann geht die Allerliebste zum Allerschönsten in das verborgene Gemach der unschuldigen Gottheit. Da findet sie das Lager der Liebe und die Stätte der Liebe von Gott nicht nach Menschenart bereitet. […] Herr, nun bin ich eine nackte Seele und du in dir selbst ein Gott in großer Herrlichkeit. Unser beider Gemeinschaft ist das ewige Leben ohne Tod. Darauf tritt da eine selige Stille ein, wie es beide wollen. Er schenkt sich ihr und sie schenkt sich ihm.“

Auch heute noch kann man sich sehr gut vorstellen, welchen Aufruhr die Texte hervorgerufen haben müssen. Hier schrieb eine Frau ohne Ordensweisung als Begine Literatur mit theologischem Inhalt in der Volkssprache statt in Latein und noch dazu in Bildern der sexuellen Liebe. Solche Texte sind es wohl, die die Autorin Ulrike Voigt zu der Spekulation bringen, dass mystische Visionen und Schauen die einzige Möglichkeit für die Frauen des Mittelalters waren, zu theologischen und politischen Themen Stellung zu nehmen, da Ihnen Studium, Priesteramt und Lehrstühle nicht offen standen. Erst durch ihre Texte seien sie ins öffentliche Gespräch gekommen, wurden publiziert und konnten zum Teil erheblichen Einfluss auf Kirche oder Staat ausüben. So gilt Mechthilds Buch als das bedeutendste Beispiel der deutschsprachigen Mystik vor Meister Eckhart. Als Rechtfertigung ihres Tuns schreibt Mechthild von Magdeburg…

„Der Fisch kann im Wasser nicht ertrinken, der Vogel in der Luft nicht abstürzen… Gott hat alle Kreaturen so geschaffen, dass sie gemäß ihrer Natur leben sollen; wie könnte ich dann meiner Natur widerstehen?“

Mechthild greift auch die Kirchenobrigkeit direkt an. „Dieses Buch sende ich nun als Boten allen geistlichen Leuten, die die Säulen der Kirche sind, den Guten wie den Schlechten; denn wenn die Säulen fallen, dann kann das Gebäude nicht überdauern“. Solcherart Kritik und die spirituelle Eigenständigkeit der Beginen hat zu zahlreichen Konflikten mit der kirchlichen Obrigkeit geführt. Für manche Kirchenobere ging die Freiheit dieser Frauengemeinschaften zu weit, was dazu führte, dass sich viele Konvente auflösen oder in der kirchlichen Hierarchie unterstellten Ordensgemeinschaften übergehen mussten. Als die Anfeindungen immer heftiger wurden und Mechthild erkrankte, zog sie sich um 1270 ins Kloster Helfta zurück. Hier schrieb bzw. diktierte sie das letzte Kapitel ihres Buches und erlebte eine unerwartete Altersblüte. Sie schrieb hinter dem Schutz der Klostermauern und entging so vermutlich der Inquisition. Ermutigt und inspiriert durch Mechthilds selbstständige Form der Gottesrede bringen zwei junge, hochgebildete Klosterfrauen, nun allerdings in Latein, ihre eigenen Gottesbegegnungen zur Sprache, Mechthild von Hackeborn und die berühmte Gertrud von Helfta, später „die Große“ genannt. So leben im Kloster Helfta für mehr als zehn Jahre drei hochbegabte Schriftstellerinnen und Mystikerinnen unter einem Dach und begründen den Ruf von Kloster Helfta als weltweit berühmtes Zentrum mittelalterlicher Frauenmystik.

AMORC-Beginen-PoreteSpiegel der armen Seelen – Marguerite Porète

Marguerite Porète ist eine weitere Begine, der wir uns widmen wollen. Über Marguerites Herkunft und ihr Privatleben ist nicht mehr bekannt, als dass sie aus einer Patrizierfamilie stammte und in erster Linie im Nordosten Frankreichs lebte. Sie definierte sich selbst als Begine, war theologisch hochgebildet und kannte offenbar die gesamte Literatur ihrer Zeit. Sie war als Übersetzerin tätig und übersetzte und interpretierte auch die Bibel in ihrer eigenen Weise. Ihre freien als häretisch verurteilen Ansichten musste sie1310 mit dem Leben bezahlen; nach anderthalb jähriger Haft wurde sie in Paris auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Marguerite Porète schrieb den religiösen Text mit Namen “Spiegel der armen Seelen” oder “Spiegel der einfachen Seelen”. Er ähnelt im Stil dem Werk von Mechthild von Magdeburg, verwendet aber die damals beliebte literarische Form eines erdichteten Streitgesprächs ähnlich wie Hildegard von Bingen. Das Buch ist ein auf Sprechrollen verteiltes Lehrbuch der Liebesmystik, das den Weg der Seele über sieben Stufen zur Vollkommenheit beschreibt. Das Werk wurde über 700 Jahre praktisch durchgehend publiziert und in über 20 Sprachen übersetzt und das bereits 200 Jahre vor Erfindung des Buchdrucks. Ihr „Spiegel der einfachen Seelen“ konnte nur deshalb über lange Zeit weiter verbreitet und immer wieder abgeschrieben werden, weil er anonym tradiert und ihr Name als Autorin nicht genannt wurde. Nach Marguerites Vorstellung verschmelzen die menschliche Seele und Gott zu einer Einheit, was von der menschlichen wie von der göttlichen Seite her ersehnt wird.

“Die befreite Seele trachtet nicht nach Gott, weder durch Buße noch durch irgendein Sakrament der Heiligen Kirche, noch durch Gedanken, Worte und Werke…”

Von Marguerite Porète ist belegt, dass sie zu den Vertrauten des Mystikers Eckhart während seiner Zeit in Paris gehörte. Der Forscher Kurt Ruh schreibt 1989, dass Eckhart den Text des „Spiegel der einfachen Seelen“ von Marguerite gekannt hat und er entscheidende Aussagen dieses Buches aufgegriffen und ihnen zum Schutz von Marguerite präzisere, theologisch vertretbarere Formulierungen gegeben hat. Die beiden lebten in der Zeit der Kreuzzüge und der Zerschlagung der Templer; die Zerstörungszüge gegen die Katharer und die Albigenser lagen erst wenige Jahrzehnte zurück und die Religion wurde fast ausschließlich von Mönchsorden getragen und verbreitet. Die Zwangsmissionierung Europas war Ende des 13. Jahrhunderts weitgehend abgeschlossen. In dieser Zeit trat Marguerite öffentlich auf und las aus ihrem Buch vor. Vor 1300 holte sie mehrere Gutachten von Bischöfen und anderen hohen kirchlichen Würdenträgern ein, die bestätigten, dass ihre Aussagen im Sinn der Exegese der Bibel korrekt seien, zum Beispiel dass Gott eine Frau sei bzw. dass die Bibel zumindest so gelesen werden könne. Diese Vorsicht nützte jedoch auf Dauer nichts. Der Papst erließ eine Bannbulle gegen ihr Buch, das als Werk des Teufels öffentlich verbrannt wurde. Sie selbst musste mehrere Verfahren wegen Häresie und Ketzerei erdulden; mehrmals wurde sie vom Inquisitionsgericht zu Kerkerhaft verurteilt und fand schließlich den Tod auf dem Scheiterhaufen. Ausschlaggebend für diese Verurteilung war vermutlich die Hartnäckigkeit, mit der sie ihre Ansichten vertrat, ihre Weigerung, in der Befragung Rede und Antwort zu stehen wie auch die rasche Verbreitung des Buches im Volk. Angeblich soll sie auf dem Weg zum Scheiterhaufen widerrufen haben. Da war es zu spät. Sie wurde bis heute nicht rehabilitiert.

AMORC-Beginen-AntwerpenSchule des Liebens im Inneren der Seele – Hadewijch von Antwerpen

Hadewijch von Antwerpen lebte ebenfalls im 13. Jahrhundert, ging allerdings einen spirituellen Weg, der an östliche Religion erinnert. Es gibt keine Biographie, nur ihre Texte in Form von Briefen, Visionen und Gedichten. Ähnlich wie bei Mechthild von Magdeburg ist der zentrale Begriff in ihrem Werk die Minne, aufgefasst als mystische Liebe zwischen Gott und der Seele. Bei vielen Gelegenheiten setzt sie die Minne mit Gott gleich, gelegentlich spezifischer mit dem Sohn oder dem Heiligen Geist. Minne ist auch die göttliche Kraft, die überall im geschaffenen Universum am Werk ist. Ihre Visionen, Gedichte und spirituellen Briefe beschreiben den Weg des Aufstiegs und der mystischen Einung der Seele mit Gott.

Sie empfiehlt einen inneren Weg, der „dunkel, nicht vorgegeben“, ist. Neben die „Schule des Liebens im Innern der Seele“, stellt sie eine „Schule des Schweigens“. Immer wieder begibt sie sich in die Spannung von Erkenntnis und Nichtwissen und taucht in die Leere ein. „Wenn die Seele allein steht in der uferlosen Ewigkeit, weit geworden, gerettet durch die Einheit, die sie aufnimmt, dann wird ihr etwas Einfaches enthüllt, das Unaussprechliche, das reine und nackte Nichts.“
Über die souveräne Seele schreibt Hadewijch von Antwerpen:

Begreife doch einmal, was die Seele im Innersten ausmacht, was das ist: Seele! Die Seele ist ein Wesen, das von Gott gesehen werden kann und das wiederum selbst Gott sehen kann. Die Seele ist auch ein Wesen, das Gott zu gefallen wünscht und das über sich eine gerechte Herrschaft ausübt, insofern sie nicht durch etwas Fremdes, das unterhalb ihrer Würde liegt, geschwächt wird.

Ein halbes Jahrhundert lang schrieb sie für sich und für ihre Freundinnen und Gleichgesinnten. Auch sie geriet unter den Verdacht der Gotteslästerung und sie zog sich in die Anonymität zurück, was ihr vermutlich das Leben gerettet hat.

Untergang – Ende der Beginengemeinschaften

Während Anfang des 13. Jahrhunderts durch Papst Honorius III. die Beginengemeinschaften zunächst geschützt wurden, durften diese nach dem von Papst Clemens V. einberufenen Konzil von Vienne Anfang des 14. Jahrhunderts keine theologischen Inhalte mehr lehren oder diskutieren. Die Gemeinschaften wurden verboten und ihr Vermögen beschlagnahmt. Die Inquisition schreibt:

“Es ist uns berichtet worden, dass bestimmte Frauen, gemeinhin Beginen genannt, von einer Art Wahnsinn befallen, die Heilige Trinität disputieren und das göttliche Wesen, und Meinungen über Dinge des Glaubens und die Sakramente vertreten. […] Da diese Frauen niemanden irgendeinen Gehorsam versprechen und nicht auf ihren Besitz verzichten oder sich zu einer genehmigten Ordensregel verpflichten, [   ] haben wir beschlossen und mit der Zustimmung des Konzils erklärt, dass ihre Art zu leben für immer verboten ist, und dass sie alle zusammen aus der Kirche Gottes ausgeschlossen sind.“

In der Folge war die Zahl der Konvente und der Beginen erheblich zurückgegangen. Nachdem dann die Inquisition Ruhe gab, meldeten sich die Zünfte als schwere Gegner, da die verbleibenden Beginen mit ihren Gemeinschaften noch immer ein bedeutender wirtschaftlicher Faktor waren, besonders in den Städten. So kam es zu Krisen und die Beginen wurden weiter zurückgedrängt. Nach der Reformation führten deren Folgen im 16. Jh. zur endgültigen Auflösung der Beginenkultur. Die Ansichten Luthers, dass Frauen ausschließlich zu Hausfrauen und Müttern geschaffen seien, griffen immer weiter um sich. Alleinstehende Frauen und solche, die mit anderen in Gemeinschaften lebten, sanken immer mehr im öffentlichen Ansehen. Einige Konvente in Deutschland retteten sich durch Umwandlung in Klöster, wodurch sie sich aber der Kontrolle der Kirche unterstellten und somit auch dem Predigt- und Lehrverbot von Nonnen unterlagen.

Neuanfang – Beginen heute

Im Rahmen der Frauenbewegung kam es zu einigen Gründungen moderner Beginenhöfe, so dass es heute wieder Beginengemeinschaften gibt. Diese knüpfen in gemäßigter Form an das soziale Modell der historischen Beginen an. Betont wird hier insbesondere der Aspekt des selbstbestimmten Zusammenlebens in Frauengemeinschaften. Die Zeiten sind vorbei, in denen klosterähnliche Formen der Gemeinschaft für Frauen notwendig waren. Die Sehnsucht nach einem selbstbestimmten Leben besteht jedoch nach wie vor.

Gemeinsame Ideale – Rosenkreuzer und Beginenmystik

Wenige Berührungspunkte einzelner Beginen zur weltanschaulichen Geistesströmung der Rosenkreuzer sind historisch belegt, wie zum Beispiel die Verbindung zwischen Marguerite de Porète und Meister Eckart. Doch mehr als historische Tatsachen zeigt sich die geistige Nähe beider Strömungen in stilistischen Mitteln des Bilderreichtums und der besonderen mystischen Sprache. Beide Weltanschauungen sind geprägt von einem individuellen, direkten und freien Verhältnis zu Gott und so können uns deren gemeinsame Ideale inspirieren.

  • Sie nehmen Gott unmittelbar und intuitiv in ihrem Inneren wahr.
  • Sie haben ein wohlwollendes, aufbauendes Bild von Gott und dem Menschen.
  • Sie nehmen ihren inneren Auftrag an, obwohl er unbequem ist.
  • Sie teilen ihre Werte mit anderen, ohne ihnen die eigene Lebensweise aufzuzwingen.
  • Sie geben die erlebte göttliche Liebe als Nächstenliebe ohne Vorbehalte und moralische Wertung an Bedürftige weiter.
  • Sie leben in Gottesverehrung im Hier und Jetzt, nicht in der Weltflucht.
  • Sie leben angstfrei nach ihren Idealen, unabhängig von Bedrohungen.

08.11.2022
Bild und Text (c) AMORC
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