OZEANOSOPHIE – im Meer unendlicher Weisheit
Der Ozean, das horizontlose, weite, unbegrenzte Meer vermittelt dem Betrachter das Gefühl von glückseliger Freiheit. Meer unendlicher Weisheit – Der tiefste Meeresgrund ist von allen vorübergehenden oberflächlichen Wellenbewegungen unberührt. Dort kommen allen Emotionen zum Stillstand. Am Urgrund, an der religiösen Urheimat sind alle Lebewesen unterschiedslos gleich. Dort herrscht glückseliger Frieden.
Der Begriff „Ozeanosophie“ wurde von mir erstmals im Jahr 2013 „entdeckt“.
Okeanos (griechisch: Ὠκεανός, latinisiert Oceanus) ist für den griechischen Dichter Homer sowohl der Ursprung der Welt als auch das große Meer, das die Erde umfließt. 71% der Erde wird vom Wasser bedeckt. Der Mensch selbst besteht auch aus über 70% aus Wasser – das wird so häufig vergessen. Wir gehen unserem wahren Wesen nur zu selten auf den Grund. Wir müssen unsere Sichtweise erweitern, damit wir uns nicht in der Begrenzung (Horizont – von griechisch.: ὁρίζειν = begrenzen) den Zugang zu unserer Urquelle versperren.
Der große deutsche Komponist Ludwig van Beethoven,
dessen 250. Geburtstag im Jahr 2020 auf der ganzen Welt gefeiert wird, hat dieses Mysterium wunderbar in Worte gefasst:
„Wenn ich am Abend den Himmel staunend betrachte und das Heer der ewig in seinen Grenzen sich schwingenden Lichtkörper, Sonnen oder Erde genannt, dann schwingt sich mein Geist über diese so vielen Millionen zur Urquelle hin, aus welcher alles Erschaffene strömt und aus welcher ewig neue Schöpfungen entströmen werden.“
Der erst im 16. Jahrhundert geprägte mongolische Begriff „ta la’i“ bezeichnet etwas Riesiges, Universelles; daraus ist das Wort „Dalai“ entstanden – der Dalai Lama wird auch als Lehrer (Lama) ozeanischer Weisheit bezeichnet. Im Gegensatz zu den Mongolen, von denen die wenigsten jemals einen Ozean gesehen haben konnten, war den Hindus das weite Meer sehr wohl bekannt, das sie im Sanskrit „Sagara“ nennen.
Wenn wir Dingen auf den Grund gehen, tritt Wesentliches ans Licht.
Ein großartiges Beispiel ist der Künstler, der Skulpturen macht. Seine Arbeit, die von enormer intuitiver Kraft geprägt sein muss, liegt in der Reduktion, niemals in der Addition. Er bringt keine Farben auf eine Leinwand, auch keine Worte oder Noten zu Papier. Vor ihm steht ein unbehauener Steinklotz. Und durch achtsames Meißeln, wobei immer mehr vom Äußeren abfällt, erscheint plötzlich das innerste Wesen, das sichtbare Gestalt bekommt. Im Verborgenen war es immer vorhanden. Auch der normale Mensch kann durch das Loslassen blockierender Schichten im Unterbewusstsein zum Wesentlichen vordringen und seine Urquelle fließen lassen.
Im 32. Kapitel des „Tao Te King“ von Lao Tse lesen wir:
„Der Weg ist ewig namenlos.
Obwohl sein Wesen einfach wie ein unbehauener Holzklotz ist,
wagt niemand in der Welt, über ihn zu herrschen.
Wenn es Königen und Fürsten dieser Welt gelingt,
die ursprüngliche Einfachheit des unbehauenen
Holzklotzes zu bewahren,
werden die zehntausend Dinge von selbst gehorchen.
Himmel und Erde werden sich vereinigen,
ein ganz weicher Regen wird niedergehen,
und die Menschen brauchen keine Anweisungen mehr.
Alles ist von sich aus in Ordnung.
Erst wenn er behauen wird,
tauchen die Namen auf.
Sobald es Namen gibt,
sollte man erkennen,
dass es an der Zeit ist, innezuhalten.
Wer weiß, wann er innehalten muss,
kann Gefahr vermeiden.
Der Weg ist wie ein Fluss.
Er fließt zurück in die Heimat,
er fließt zurück in den Ozean.“
08.10.2020
Roland R. Ropers
Über Roland R. Ropers
Roland R. Ropers geb. 1945, Religionsphilosoph, spiritueller Sprachforscher,
Begründer der Etymosophie, Buchautor und Publizist, autorisierter Kontemplationslehrer, weltweite Seminar- und Vortragstätigkeit.
Es ist ein uraltes Geheimnis, dass die stille Einkehr in der Natur zum tiefgreifenden Heil-Sein führt.
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