Rätsel des Bewusstseins – Warum dein Denken nicht im Gehirn wohnt

ein Mann im Nebel in Kontemplation

Das Rätsel des Bewusstseins – Warum dein Denken nicht im Gehirn wohnt

„Was, wenn nicht unser Gehirn denkt – sondern unser Denken das Gehirn braucht?“ – frei nach David Chalmers

Bewusstsein – das ist nicht nur ein Thema, es ist der blinde Fleck moderner Wissenschaft, die Achillesferse der Aufklärung, das ungelöste Rätsel jeder Philosophie. Wir leben in einer Zeit, die alles erklären will – aber nicht weiß, was sie da überhaupt erklären möchte. Bewusstsein wird behandelt wie ein Nebenprodukt neuronaler Prozesse – doch dieser Ansatz ist nicht nur begrenzt. Er ist grundfalsch.

Die falsche Frage: Wie entsteht Bewusstsein?

Die Neurowissenschaft sucht das Bewusstsein in Synapsen, neuronalen Netzen, Aktionspotenzialen. Sie scannt Hirne und beobachtet, welche Regionen wann feuern. Das kann faszinierend sein. Doch die Frage selbst ist irreführend: Wie entsteht Bewusstsein? – Diese Formulierung geht davon aus, dass Bewusstsein ein Produkt sei. Ein Etwas, das durch ein anderes Etwas erzeugt wird. Doch was, wenn das nicht stimmt?

Was, wenn Bewusstsein nicht entsteht, sondern immer da ist – und wir uns nur darauf einstellen oder davon abkoppeln können? Diese These ist älter als jede moderne Theorie: Sie stammt aus den Upanishaden, aus dem Taoismus, aus mystischen Schulen quer durch alle Kulturen. Und sie bekommt heute Unterstützung aus der Quantenphysik, aus Erfahrungsberichten, aus der offenen Logik der Phänomenologie.

„Bewusstsein ist keine Eigenschaft, die sich aus Materie ergibt – vielleicht ist Materie eine Erscheinungsform des Bewusstseins.“ – Max Tegmark

Der große Irrtum der Kognition

Die moderne Welt verwechselt Intelligenz mit Bewusstsein. Weil Maschinen rechnen und kombinieren können, glauben viele, dass Denken gleich Bewusstsein sei. Doch das eine kann ohne das andere existieren. Der Taschenrechner denkt nicht. Ein Kind im Spüren aber ist bewusst, ohne algorithmisch zu denken.

Bewusstsein ist nicht linear. Es ist auch nicht rein individuell. Es ist Beziehung. Resonanz. Ein Sich-in-der-Welt-Erleben. Die Frage müsste also lauten: Wie verstellen uns unsere Denkmuster den Zugang zu dieser Erfahrung?

Viele unserer mentalen Konstrukte sind Filter. Sie sortieren, kategorisieren, bewerten – doch sie lassen kaum Raum für das, was einfach ist. Je mehr wir analysieren, desto weniger erfahren wir. Je mehr wir wissen wollen, desto weniger verstehen wir. Das ist kein Plädoyer gegen Wissen, sondern ein Hinweis: Nur wenn das Wissen im Bewusstsein wurzelt, wird es zur Weisheit.

Bewusstsein als Substrat, nicht als Output

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KI unterstützt generiert

Was wäre, wenn Bewusstsein nicht am Ende einer Ursache-Wirkungskette steht, sondern der Anfang von allem ist? Dann wäre das Gehirn ein Übersetzer, ein Verstärker – aber nicht der Urheber. Ein Radio erzeugt keine Musik. Es empfängt sie. Vielleicht sind wir genau das: lebende Empfangsgeräte eines transpersonalen Bewusstseinsfeldes.

Die Folgen wären radikal:

  • Wir müssten das Subjekt neu denken.
  • Verantwortung würde tiefer reichen, weil jeder Gedanke bereits Wirkung hat.
  • Spiritualität wäre keine Nische mehr, sondern Grundlage von Bildung, Ethik, Gesellschaft.

Die Annahme, dass Bewusstsein nicht lokal erzeugt wird, sondern non-lokal existiert, öffnet Türen für interdisziplinäres Denken: Was bedeutet das für unser Verständnis von Identität? Von Tod? Von Zeit? Bewusstsein könnte ein Feld sein – wir sind Knotenpunkte darin. Erleben als Interferenzmuster, nicht als isoliertes Ich.

„Das Feld ist der wahre Agent der Realität.“ – Albert Einstein

Warum Spiritualität oft versagt

Statt das Bewusstsein als unmittelbare Erfahrung des Seins zu lehren, flüchten sich viele spirituelle Lehren in Konzepte: Reinkarnation, Karma, Seelenverträge. Das mag tröstlich sein. Aber es ist nicht transformativ. Echte Bewusstseinsarbeit beginnt im Jetzt. Nicht im Vorleben. Nicht im nächsten Leben.

Spirituelle Rhetorik neigt dazu, Bewusstsein zu romantisieren. Doch wahres Bewusstsein ist oft unbequem. Es konfrontiert uns mit unseren Schatten, unserer Ohnmacht, unserer Verantwortung. Wer sich wirklich einlässt, wird nicht erleuchtet – sondern durchgeschüttelt. Und genau darin liegt das Potenzial.

Der Ruf zur inneren Revolution

Diese Zeit verlangt nicht nach neuen Technologien. Sie verlangt nach einem neuen Zugang zum Menschsein. Wir brauchen keine Superintelligenzen. Wir brauchen wache Menschen. Nicht mehr Wissen. Sondern mehr Weisheit. Nicht mehr Kontrolle. Sondern mehr Gewahrsein.

Denn solange wir das Bewusstsein als ein Rätsel betrachten, das “gelöst” werden muss, statt als Quelle, die gelebt werden will, bleiben wir in einer Sackgasse.

Bewusstsein ist das Gegenteil von Ablenkung. Es ist der Zustand, in dem nichts mehr zwischen uns und dem Moment steht. Kein Konzept, kein Bildschirm, kein Selbstbild. Nur Gegenwart. Und in dieser Gegenwart liegt alles, was wir suchen: Klarheit, Verbindung, Echtheit.

Bewusstsein und Gesellschaft – eine politische Dimension

Wenn Bewusstsein die Grundlage unseres Seins ist, dann ist die Gestaltung unserer Gesellschaft ein direktes Abbild unseres kollektiven Bewusstseinszustandes. Eine Kultur der Spaltung, der Angst, der Beschleunigung zeigt nicht nur ein äußeres Problem – sondern ein inneres.

Ein wirklich bewusster Mensch kann nicht über Leichen gehen. Er kann nicht dauerhaft im Zynismus verweilen. Er kann nicht Gleichgültigkeit heiligen. Deshalb ist Bewusstseinsarbeit nie privat. Sie ist immer auch politisch – im besten Sinn: eine Entscheidung für Mitgefühl, Wahrhaftigkeit und Klarheit.

„Der Grad an Bewusstsein eines Einzelnen zeigt sich in seinem Umgang mit der Gemeinschaft.“ – Jean Gebser

Schlussgedanke

Wir sind keine Gehirne, die sich selbst beobachten. Wir sind Beobachtung selbst. Und vielleicht beginnt die wirkliche Evolution erst, wenn wir aufhören zu fragen, was das Bewusstsein ist – und anfangen, aus ihm heraus zu leben.


Quellen & Impulse:

  • David Chalmers: „Facing up to the Problem of Consciousness“ (1995)
  • Max Tegmark: „Consciousness as a State of Matter“ (2014)
  • Jean Gebser: „Ursprung und Gegenwart“ (1949)
  • Albert Einstein: Briefe zur Quantenfeldtheorie
  • Upanishaden: Altindische Texte zur Einheit von Atman und Brahman

11. Juni 2025

Uwe Taschow

Alle Beiträge des Autors auf Spirit Online

Uwe Taschow Krisen und Menschen Uwe Taschow

Als Autor denke ich über das Leben nach. Eigene Geschichten sagen mir wer ich bin, aber auch wer ich sein kann. Ich ringe dem Leben Erkenntnisse ab um zu gestalten, Wahrheiten zu erkennen für die es sich lohnt zu schreiben.
Das ist einer der Gründe warum ich als Mitherausgeber des online Magazins Spirit Online arbeite.

“Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.”
Albert Einstein

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