Beziehungen am Wendepunkt – Wie kommen wir uns nur wieder näher?

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beziehung-wendepunkt-paar-loveWie kommen wir uns nur wieder näher? Beziehungen am Wendepunkt

„Als wir uns vor 10 Jahren auf dem Abiball unserer Kinder gegenüberstanden hat es eingeschlagen wie der Blitz. Wir waren trotz der anfänglichen Schwierigkeiten unzertrennlich, konnten über alles reden, waren uns so nah und dachten diese Beziehung hält für immer.
Doch irgendwann hat sich das Blatt gewendet.
Aber was mache ich denn jetzt nur?“ Beziehungen am Wendepunkt…

Ich vermisse seine Nähe

Am Anfang hängt der Himmel voller Geigen und wir wünschen uns jedes Mal jetzt den richtigen Menschen an der Seite zu haben. Wer kennt das nicht?

Besonders wenn es wie in diesem Fall anfängliche Hürden zu überwinden gab. Petra und Bernd haben beide ihre vorherigen Partner verloren. Petras Mann starb nach langer Krankheit und Bernds Frau kam bei einem Autounfall ums Leben.
Der Verlust eines Partners wird immer als traumatisches Erlebnis verstanden und ganz individuell verarbeitet.

Elisabeth Kübler-Ross, eine der bekanntesten Sterbeforscherinnen, spricht von fünf Phasen für den Prozess des Sterbens und der Trauer: Leugnen, Wut, Feilschen und Verhandeln, Depression und Annahme. Andere Autoren beziehen noch die Phasen der Desorganisation, Schuldgefühle und der Angst mit ein.
Die jeweiligen Zeiten, die so eine Phase braucht, sind völlig unterschiedlich und können auch immer noch hin und her springen, bis es zur Annahme und einer endgültigen Verarbeitung kommt.
Manch Trauernden gelingt die Verarbeitung nicht und sie bleiben in einer Phase stecken. Daraus kann sich dann die sogenannte posttraumatische Belastungsstörung entwickeln.

Doch Petra und Bernd hatten ihre Trauer beide ganz gut bewältigt, zumindest dachten sie das und genossen die Nähe des anderen sehr. Solange hatten sie es vermisst sich anzukuscheln und wieder gemeinsam aufzuwachen.

Die Kinder und auch der Rest der Familien hielten es für zu früh und kamen mit der neuen Beziehung der Eltern nicht gut zurecht. Sie empfanden es als Verrat an ihrem verlorenen Elternteil und die Großeltern als beliebigen Austausch ihres eigenen Kindes. Sie konnten einfach nicht verstehen, dass Petra und Bernd in der Lage waren für einen anderen Menschen schon wieder Liebesgefühle zu spüren. So als ob sie damit den verstorbeben Partner einfach vergessen würden.

Doch die beiden gaben nicht auf, setzten sich mit den Sorgen und Ängsten der anderen auseinander und nach und nach fanden alle einen Weg zu einander.

In der Rückschau betrachtet war genau dies der Wendepunkt, an dem Bernd anfing sich zurück zu ziehen. Langsam, jeden Tag ein Stückchen mehr.

Beziehungen am Wendepunkt – Nichts in der Beziehung war mehr wie vorher

Petra dachte sich anfänglich nichts dabei, tat es als eine Phase ab. Sie suchte das Gespräch, doch von Bernd kamen anfänglich nur Ausflüchte und letztlich Schweigen.
Ihre Bitten wechselten irgendwann in Vorwürfe und Unverständnis füreinander.
Petra wollte reden und verstehen was in Bernd vorging.
Der wiederum wollte seine Ruhe und nichts erklären müssen.

Beim einschlafen drehten sie sich jetzt den Rücken zu. Früher umschlang eine Hand die andere und sie ließen sich vom Duft des anderen ins Träumeland tragen.
Irgendwann schlief Bernd nur noch auf dem Sofa und Petra weinte sich alleine in den Schlaf.

Dabei hätten sie doch jetzt so glücklich sein können. Was war denn nur geschehen?

Aus der Praxis weiß ich, dass genau solche Wendepunkte Anzeichen dafür sind, dass die Vergangenheit wieder in den Vordergrund gerutscht und die Nähe aus dem Gleichgewicht geraten ist.

Beziehungen am Wendepunkt – Warum gerade jetzt? Weil jetzt Zeit dafür ist.

Vorher war es wichtig die Trauer zu bewältigen, durchzuhalten, weiterzumachen. Die Familie und sich selbst am Laufen zu erhalten.
Dann kam die neue Verliebtheit dazu und es wurde sich neu gefunden.
Die Krise innerhalb der Familien schweißte zusammen und auch diese wollte bewältigt werden.

Und irgendwann lief es. Nahm alles seinen gewohnten Gang und es wäre an der Zeit alles in Ruhe genießen zu können. Doch genau dann ploppen die alten Themen auf, als hätten sie die ganze Zeit nur darauf gewartet endlich ihren Platz zu erobern.

Das können Themen sein wie z.B. versteckte Schuldgefühle, Verlassensangst, Bindungsangst, Trauer oder Wut. Menschen reagieren sehr unterschiedlich darauf. Manche mit Rückzug, andere mit Kontrolle oder Überbehütung und die wenigsten können ihre Gefühle ihren Partnern gegenüber kommunizieren.
Besonders Menschen mit vergangenen traumatischen Erlebnissen, wozu der Tod eines Partners ja dazu gehört, können damit konfrontiert werden.

Oft verstehen sich die Betroffenen gar nicht selbst, hoffen es geht von alleine wieder vorbei und warten auf ein Wunder.
Doch genau dieses Verhalten lässt den Partner, für den gerade die ganze Beziehung Kopf steht, alleine im Regen stehen.

Im schlimmsten Fall wird aus der einstigen Nähe und Wärme eine frostige Eiszeit.

Es ist alles meine Schuld

Bernd sah eines Morgens in den Spiegel und erkannte sich nicht mehr. Im Hintergrund tauchte das Bild seiner verstorbenen Frau auf die sich am letzten Morgen vor dem Unfall zärtlich an ihn schmiegte. Doch er hatte die Umarmung abgewehrt, weil er eh schon spät dran war.

„Hätte ich sie doch nur noch mal richtig umarmt. Wie konnte ich nur so egoistisch sein? Hätte ich sie länger umarmt, wäre sie vielleicht später losgefahren und das andere Auto hätte sie nicht erfasst. Wäre ich nur eher ins Bett gegangen wäre ich morgens fitter aus dem Bett gekommen. Immer war mir irgendwas wichtiger…“
Die Gedanken brechen über Bernd zusammen. So lange hatte er sich gegen sie gewehrt, sie so tapfer unterdrückt.

Die Schuldgefühle zogen sich in seinem Bauch wie ein dicker schwarzer Klumpen zusammen und er spürte nichts mehr. Petra verdient was anderes und wenn sie das wüsste, würde sie sofort das Weite suchen.

Er sieht in ihre Augen und verliert sich in ihren Tränen. Er hört ihre Worte wie durch Watte und alles was er erwidern möchte bleibt im Halse stecken.

Petra spürt all das, sieht seinen Kampf und sein Leiden, doch kann einfach nicht zu ihm durchdringen.

Beziehungen am Wendepunkt – Wie kommen wir uns jetzt wieder näher?

Ok, das ist Stand der Dinge. Doch wie kommen Petra und Bernd da jetzt wieder raus?
Richtig gut wäre natürlich beide gingen zusammen ins Coaching. Dort könnten sie gemeinsam aufräumen und wieder zueinander finden.
Doch auch wenn nur Petra ginge, könnte sich alles wieder zum Guten verändern.

4 Schritte für mehr Nähe

Es sind nicht immer riesige Schritte notwendig, um eine Wendung in die Beziehung zu bringen.
Wichtig ist, dass sie aus dem Herzen und dem Wunsch nach Veränderung entspringen. Dann ist fast alles möglich.

1. Schritt: Sorge für FREIRÄUME

Das hört sich im Moment vielleicht paradox an da sich Bernd eh schon zurück zieht und Petra sich ja mehr Nähe wünscht.
Doch ich spreche von Freiräumen für Bernd, wo er nichts tun muss. Sich nicht auf andere beziehen, sich nicht einlassen, sich nicht erklären muss. Raum, wo er einfach nur er selbst sein kann.
Viele kennen vielleicht den Spruch: „Männer gehen in die Höhle und kommen erst wieder raus wenn sie eine Lösung haben“
Der passt hier vielleicht sogar auch ganz gut.

Das innere System braucht gerade wenn sich alles aufzubäumen scheint kleine Oasen des Friedens und des inneren Rückzugs. Unser neuronales Netzwerk will sich dann neu sortieren und die Anspannung in unserem Körper reduzieren. Solange es von außen Erwartungen gibt, laufen das übliche Funktion und Sortierungsprogramm ab, was zu deutlich mehr Stress im Körper führt. Der sammelt sich an und sucht sich irgendwann einen Weg um sich zu entladen.

Und wen trifft es am ehesten? Natürlich die Menschen, die am nahsten dran sind.
Petra darf verstehen, dass sein Verhalten gerade vermutlich nichts mit ihr zu tun hat. Denn es gibt kein offensichtliches äußeres Problem, was darauf hinweist. Dafür war die Beziehung vorher zu gut.

Bernd muss mal durchatmen können. Sich wieder spüren und neu definieren. Erst wenn er spürt, dass gerade keiner was von ihm will und er sich diesen Freiraum nehmen darf, wird sich in ihm was bewegen können.

Und wenn er sicher sein kann, dass der Rückzug ok ist, wird er freiwillig die Nähe danach wieder suchen.

2. Schritt: Mehr Verbundenheit fühlen als denken

Es macht oft keinen Sinn sich den Kopf um ungelegte Eier zu zerbrechen.

Es ist immer empfehlenswert das offene Gespräch zu suchen.
Auch wenn der andere gerade keine Worte dafür hat (er grundsätzlich früher aber seine Gefühle äußern konnte). Dann gilt es zu verstehen, dass es keine böse Absicht ist, sondern er gerade einfach nicht kann.

Und wenn reden nicht möglich ist hilft fühlen immer weiter. Petra sollte sich immer wieder auf einer Gefühlsebene mit Bernd verbinden, sich an die guten Zeiten erinnern. Ihn ansehen und spüren dass er da ist. Bei ihr ist. Auch wenn er vielleicht emotional und körperlich im Moment nicht erreichbar für sie ist. Er ist da. Und er wird diese tiefe Verbundenheit spüren. Sie wird ihm Kraft und Orientierung geben.

Vertrauen statt zu zweifeln ist hier die Devise.

Falls Petra an sich und ihrem eigenen Selbstwert zweifelt, wäre das ganz alleine ihr Thema und dürfte ebenfalls betrachtet und geheilt werden.

3. Schritt: Gemeinsame Freude sorgt für mehr Nähe

Freude, Lachen, Spaß, Leichtigkeit und Humor sind immer die beste Medizin.
Es ist so hilfreich, wenn sie einfach aus der Situation heraus entsteht, ohne einen tiefen Grund. Einfach so, weil das Leben trotzdem bunt und schön ist.

Es reicht wenn einer gerade struggelt. Es bringt überhaupt nichts, wenn der andere sich mit runterziehen lässt. Den anderen mit Fingerspitzengefühl ins Leben einzuladen ist nicht mangelnde Empathie sondern eine Brücke. Zurück zu sich. Zu ihr. Zurück ins Hier und Jetzt.

4. Schritt: Die Macht der inneren Bilder

Petra darf Spaß haben und Bernd immer mal wieder an vergangene schöne Momente erinnern. Ohne Druck. Ohne eine bestimmte Erwartung.
Innere Bilder sind einfach so mächtig und sorgen dafür, dass unser Gehirn direkt Glücksbotenstoffe freisetzt und wir uns besser fühlen.

Wenn diese Bilder und Geschichten auch noch an Momente der Verbundenheit erinnern, wird direkt Oxytocin (ein Bindungshormon) mit ausgeschüttet. Ein echter Turbo für mehr Nähe. Dann noch eine sanfte unaufdringliche Streicheleinheit und es können echte Wunder entstehen.

Bei all diesen Schritten ist wichtig, dass sie aus der Ruhe, der inneren Mitte entspringen und dem anderen wirklich die Zeit geben, die gebraucht wird. Die Grundhaltung darf offen, zugewandt, freundlich und liebevoll sein.

Sollten sich im Laufe der nächsten Monate überhaupt keine Veränderungen zeigen und sich kein gutes Gespräch ergeben dann wäre es an der Zeit über weitere Schritte nachzudenken. Aber erst mal lohnt es sich diese 4 Schritte zu versuchen um wieder in die Nähe zu kommen.

Im schlimmsten Fall rutscht Bernd in eine Depression und findet alleine aus der Schuldspirale nicht hinaus. Die würde sich aber auch noch an anderen Symptomen bemerkbar machen und hätte nicht nur Einfluss auf die Beziehung, sondern auf sein ganzes Leben.

In über 20 Jahren meiner Tätigkeit habe ich oft erlebt wie sich Paare auseinander gelebt haben, weil sie den Wendepunkt ignoriert und verpasst haben. Doch so muss es nicht sein. Besser ist es sich rechtzeitig kurz Hilfe zu holen, als sich hinterher bitter trennen zu müssen, weil nichts mehr geht.

Solange die Liebe noch da ist, ist alles möglich und Nähe immer wieder herstellbar.

29.01.2021logo-Andrea-Holthaus
Andrea Holthaus
Botschafterin für die Liebe, Gründerin der LiveCoaching Plattform „VOLLTREFFER HERZ“, Autorin und Entertainerin
www.Volltreffer-Herz.de

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