Demenz aus Sicht einer Psychologin

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Demenz aus der Sicht einer Psychologin mann uhr baum treeDemenz aus Sicht einer Psychologin 


Demenz ist eine Krankheit, die nicht nur den unmittelbar Betroffenen fordert, sondern auch sein persönliches Umfeld. Die Familie, Freunde, Berufskollegen. Zuerst schleichend. Dann deutlich fühlbar und merkbar. Alzheimer wird immer wieder in Gesprächen belustigend für Vergesslichkeit verwendet. Die Demenzerkrankung ist eine lebensbeeinflussende Krankheit, insbesondere, wenn eine direkte Betroffenheit vorliegt. Das Erinnerungsvermögen verändert sich. Das Verhalten im Kleinsten verändert sich. Der geliebte, so vertraute Mensch wird ein „Anderer“.

In zwei Teilen berichtet Johanna Constantini aus ihrer Sicht als Psychologin, wie Sie mit dem betroffenen Menschen umgeht. Sie berichtet im zweiten Teil als Tochter eines Betroffenen. Die Beiträge klären auf. Sie erzählen aus dem Alltag und helfen Ihnen, die noch immer vorhandene Scheu vor dieser Erkrankung zu überwinden. Sie geben Hoffnung, für einen selbst und für den Betroffenen.

Hier im 1. Teil geht Johanna Constantini folgenden Fragen nach:

  • Was bedeutet die Krankheit Demenz?
  • Welche Abstufungen gibt ist?
  • Wie kann man diese Abstufungen kontrollieren?

Im 2. Teil, der am 17.03.2021 erscheint ( finden Sie ab 17.03.2021 »Hier«), geht sie auf die persönliche Komponente ein. Sie berichtet aus ihrer Sicht als Tochter eines Betroffenen. Der persönliche Doppelbeitrag ist aufklärend, berührend und mutmachend.

Demenz – aus der Sicht einer Psychologin.

„1, 2,…“, Kaum bis drei gezählt gibt es erneut einen Menschen auf unserem Planeten, der die Diagnose einer Demenzerkrankung erhalten hat. Er ist mit einer Erkrankung konfrontiert, die immer mehr Menschen betrifft. So auch meinen Papa, der lange Zeit seines Lebens im österreichischen Fußball stand und so mancher Mannschaft dabei Kopf und Kragen gerettet hatte. Als ambitionierter Spieler und als leidenschaftlicher Trainer. Körperlich und geistig fit, stets gut gelaunt und voller Energie, so ist er bekannt.

Durch die Diagnose einer Demenz vom Alzheimer Typ, die meinem Papa im Jahr 2019 attestiert worden war, beschäftige ich mich nun nicht mehr nur in meiner Rolle als Klinische Psychologin mit der Erkrankung Demenz. Als Tochter weiß ich umso mehr um jene Herausforderungen, die eine solche Krankheit birgt. Jedoch weiß ich vor allem auch um die Chancen, um die gemeinsamen Momente, die sie zumindest uns als Familie leben und mehr denn je schätzen lässt.

Demenz weltweit – die Zahlen sprechen Bände

Mein Papa ist einer von weltweit circa 115 Millionen Demenzpatienten. (Kasper et. al, 2015) Dabei liegt die Dunkelziffer in vielen Ländern ungleich höher, schließlich spricht man schon in unseren Breitengraden gerne nur mit vorgehaltener Hand von jener Erkrankung, deren größter Risikofaktor immer noch das Alter ist.

De mens – ein Überbegriff

Eine Demenz, was aus dem Lateinischen kommt und so viel wie “ohne Geist; Verstand” bedeutet, möchte sich schließlich kaum jemand gerne zugestehen. So auch mein Papa, dessen Erkrankung wie bei so vielen erst Jahre nach Aufkommen der ersten Symptome diagnostiziert worden war.
Bei einer Demenz handelt es sich jedenfalls nicht um eine Erkrankung. Vielmehr fungiert Demenz als Überbegriff, der eine Kategorie „organischer, psychischer Erkrankungen“ beschreibt. (ICD-10, 2021)
Darunter fallen sowohl primäre, als auch sekundäre Formen der Demenz.

Das Gehirn als Ausgangspunkt – primäre Demenzen

Primäre Demenzen resultieren aus direkten Veränderungen des Gehirns. Diese können unter anderem aus der Ablagerung sogenannter Plaques (Anm.: Eiweißablagerungen, wie bei der Alzheimer-Demenz), oder auch durch andere Eiweißkörperchen wie beispielsweise “Lewy-Bodies” bei der Lewy-Body-Demenz resultieren. Auch die frontotemporalen Demenzen zählen zu jenen primären Demenzformen. Die Signalübertragung zwischen Nervenzellen wird durch zunehmende Veränderungen im Gehirn gestört, bis ganze Nervenzellen absterben können.

Die Alzheimer Erkrankung ist die am häufigsten diagnostizierte Form der primären Demenzen.

Der Einfluss von außen – sekundäre Demenzen

Sekundäre Demenzen resultieren nicht vorrangig aus einer im Gehirn stattfindenden Veränderung, als vielmehr durch Einflüsse von außen. Dabei können sowohl Medikamente, als auch übermäßiger Alkoholkonsum und Drogen ernstzunehmende Risikofaktoren bilden.
Der Unterschied zwischen den primären und sekundären Demenzformen jedenfalls liegt nicht nur in den Ursachen, sondern auch in den Heilungschancen.

Bei sekundären Erkrankungen besteht die Chance auf Heilung und Besserung, während es sich bei den primären Formen um degenerative Erkrankungen handelt.

Risikofaktor Stress – lass nach!

Auch Stress – und damit ist negativer Stress gemeint – sollte bei einer Aufzählung der Risikofaktoren für eine Demenzerkrankung nicht außer Acht gelassen werden. Schließlich bedingt Stress, vor allem die häufig aus chronischem Stress resultierende Depression die Entwicklung einer Demenz erwiesenermaßen. Sie erhöht die Wahrscheinlichkeit ihrer Entstehung sogar um bis zu 50 Prozent! (Leyhe & Lang, 2013)

Dass mein Papa als Fußballtrainer einem stressigen Job nachgegangen ist, muss ich wohl an dieser Stelle nicht erwähnen. Dass er sich jedoch vielmehr nach Beendigung seiner aktiven Karriere in einer depressiven Phase wiedergefunden hat, ist in Bezug auf seine heutige Erkankung möglicherweise entscheidender. Fakt ist, dass übermäßiger Stress sowohl depressive Verstimmungen, als auch eine spätere Entwicklung einer Demenz fördert.

Fakt ist auch, dass wir alle aktiv gegen Stress angehen können.

Indem wir unser Tempo reduzieren, uns die Frage nach dem eigenen Ausgleich zu Beruf oder Familienleben stellen und uns ganz grundlegend nicht ständig selbst versuchen zu überholen.

Verdachtsdiagnosen und Pseudodemenzen

Nicht von ungefähr kommt der Begriff der „Pseudodemenz“. Dieser zeigt, wie nah die Diagnose einer Demenz an jener einer Depression liegt und umgekehrt. Pseudodemenzen fassen Symptome zusammen, die sich sowohl bei einer Depression, als auch bei einer beginnenden Demenz zeigen können. Und daher ist es – und das kann ich sowohl als Psychologin, als auch als Tochter bestätigen – nicht immer einfach, die ersten Symptome richtig einzuordnen. Die Betroffenen gar dazu zu bringen, sich professionelle Hilfe für jene korrekte Einordnung zu holen. Kein Wunder, oder? Wer will schon eine Entscheidung abgenommen bekommen, bei der es sich entweder um eine Depression oder aber um eine Demenz zu handeln droht?

Und dennoch – und auch das in beiden meiner Rollen gesprochen – sind jene frühen Diagnosen wichtig! Nämlich, weil es sowohl bei dem Krankheitsbild der Depression, als auch bei einer Demenz allerhand Hilfe gibt.

Diagnose einholen und Symptome kontrollieren

Während bei Depressionen und sekundären Demenzen die Chance auf Heilung besteht, so lassen sich Symptome primärer Demenzen schließlich und – entgegen vieler – Behauptungen sehr gut eindämmen. Meist beziehen sich jene Symptome – bei allen drei Krankheitsbildern – auf die Psyche. Antriebslosigkeit, kognitive Einbußen wie eine verringerte Merkfähig- und Orientierungslosigkeit werden oftmals zuerst bemerkt. Sowohl therapeutische, wie auch medikamentöse Behandlungsansätze sind vielversprechend und können noch viele Jahre für eine hohe Lebensqualität der Betroffenen – und damit auch der Angehörigen – sorgen.

Mein Hinweis als Klinische Psychologin: Auch wenn es schwierig sein mag, holen Sie zeitgerecht Diagnosen ein und lassen Sie Symptome kontrollieren. Wenn eine Unterscheidung zwischen den Krankheitsbildern frühzeitig gelingt, besteht die Möglichkeit, adäquat zu behandeln. Die frühzeitige Behandlung hat maßgeblichen Einfluss auf den Krankheitsverlauf.


Buchtipp:cover-Abseits-johanna-consantini

AbseitsAus der Sicht einer Tochter
von Johanna Constantini

Johanna Constantini, Tochter des ehemaligen Fußballnationaltrainers Didi Constantini, schreibt offen über das „Demenz-Drama“ ihres Vater.
Sie tritt ein für mehr Einsicht, Toleranz und Empathie angesichts einer grassierenden Krankheit, die unsere Effizienz-Gesellschaft nur zu gerne tabuisiert.

Zum Buch

 


Verwendete Quellen:

International Classification of Diseases (ICD), Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization (WHO), 2021

Leyhe, T. & Lang, U. (2013). Demenz und Depression – eine schwierige, aber wichtige Differenzialdiagnose. Psychiatrie und Neurologie. 3/2013

11.03.2021Constantini-Logo-v_180x70
Johanna Constantini, MSc.
Psychologie Constantini 
©Fotocredit Bernhard Hörtnagel
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Zur Autorin:Portrait-Johanna-Constantini

Selbstständige Psychologin in eigener Praxis für Klinische-, Sport- und Arbeitspsychologie in Innsbruck, Tirol. Konzentriert sich in ihrer Arbeit auf die psychologischen Auswirkungen des digitalen Wandels, vor allem in Hinblick auf psychische Erkrankungen, sowie auf Resilienz und individuelle Strategien zum Erhalt der psychischen Widerstandsfähigkeit. Methoden im persönlichen und gesellschaftlichen Umgang mit Demenzerkrankungen widmet sie sich zudem in ihrem Buch Abseits, das im Oktober 2020 im Seifertverlag erschienen ist.

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