Einheit mit dem Göttlichen nach Patanjali – Nirvikalpa Samadhi
Es wird viel darüber geschrieben und gesagt, wie wichtig es sei, in Gott zu leben. Die Gegenwart Gottes zu fühlen, Gottes Wille zu tun und so weiter. Nur: Jede Religion und auch jeder Mensch versteht oft etwas Anderes darunter. Einheit mit dem Göttlichen fällt auch darunter.
Im Yogasystem von Patanjali ist die meditative Einheit mit dem Göttlichen klar definiert: Sie ist der Nirvikalpa Samadhi. Hier ein Auszug aus einem Satsang von Swami Vishnudevananda Giri zu diesem Thema:
„Wenn Körper und Verstand in tiefer Meditation nicht mehr empfunden werden, ist dies Nirvikalpa Samadhi. Im Samadhi werden sie völlig untätig, stehen still und sind blockiert. Der subtilste Teil unseres Bewusstseins kann die höchste Quelle wahrnehmen und sich damit vereinen. Dann entsteht eine Anziehung. Der subtile Teil des Geistes, Buddhi, orientiert sich nicht mehr am Körper, an Gefühlen oder am Verstand.
Auch nicht an materiellen Objekten, astralen Formen, Vorstellungen, Schablonen, Konzepten oder Emotionen. Nichts hält mehr diese subtile Bewusstheit fest, wenn man sich gut darauf vorbereitet hat. Wenn man Viveka (unterscheidende Weisheit) und Vayragya (Entsagung) hat, wenn man verschiedene Praktiken gut geübt hat, wenn einen nichts mehr im mentalen Bewusstsein hält, dann war die Vorbereitung gut. Dann setzt sich ein Yogi zum Meditieren hin und sofort ist die Essenz des intuitiven Bewusstseins da.
Der Geist ist wie die glatte Oberfläche eines Sees oder wie eine Flamme in einem windstillen Raum. In einer stillen Nacht brennt eine Flamme gerade und bewegt sich nicht. Wenn das so ist, bedeutet dies, dass man sich gut gereinigt und alles richtig gemacht hat. Und der eigene subtile innere Kern beginnt, sich von der göttlichen Quelle anziehen zu lassen.“
Einheit mit dem Göttlichen – Die Begegnung des subtilen individuellen Bewusstseins mit dem Absoluten
„Für ein solches Bewusstsein stellt die göttliche Quelle eine starke Gravitationskraft dar. Und so zieht sie den individuellen Geist für eine Zeit zu sich hin. „Hinziehen“ ist nur eine Art, darüber zu sprechen. Der Verstand steht still, die Wahrnehmungsorgane sind wie ausgeschalt. Alle energetischen Ströme im Körper sind in ihrem Zentralkanal, der Atem ist kaum wahrnehmbar. Die Gedanken bewegen sich nicht und man befindet sich in einem Zustand stummer Begeisterung.
Man ist in diese Begeisterung eingetaucht, aber sie ist stumm. Man kann weder denken, noch sprechen. Man kann nur in dieser Einheit sein. Hier gibt es völlige Selbsthingabe. Wenn einen nichts mehr hält, dann ist Samadhi möglich. Ramalinga Swami, ein indischer Heiliger, sagte einmal, dass er aus diesem Zustand in einen neuen Körper zurückgekehrt wäre. Hier geht es jedoch nicht um die Verwandlung des Körpers und seiner Elemente. Wenn man aus dem Samadhi zurückkommt, kehrt man mindestens mit einem neuen Verstand zurück. Man weiß, wer man tatsächlich ist, alle Illusionen und Anhaftungen verlassen einen.
Und man versteht, dass dieser Körper Gott gehört und nie einem selbst gehört hat. Und man selbst gehört auch Gott, die eigene Person ist illusorisch. Sie gibt es an sich nicht wirklich und sie gehört dem Höchsten. Wenn man in den Körper zurückkehrt, weiß man: Ich gehöre mir nicht, ich gehöre dem Absoluten, und meine Aufgabe ist es, in Gott zu sein und seinen Willen zu erfüllen.“
Den Willen Gottes kann man so verstehen,
dass jede Handlung nicht mehr aus dem Willes des Egos entsteht. Sondern aus der subtilen lichten Bewusstheit, aus der Leerheit und Glückseligkeit und von Liebe und Mitgefühl für alle Wesen geprägt ist. Man empfindet sich nicht mehr als einen Handelnden, eine Person, sondern handelt spontan und inspiriert aus der höchsten Quelle. Man handelt aus der Klarheit und Leerheit des Bewusstseins heraus, nicht gemäß dem konzeptuellen Verstand oder aufgrund von Schablonen und Konzepten. Trotzdem benutzt man den Verstand. Man handelt aus Hingabe an das Absolute in allen Wesen. Man empfindet das Leben als ein Spiel von Klarheit, Glückseligkeit und Leerheit.
„Deswegen sind Heilige, die aus einem tiefen Samadhi zurückkommen, keine Personen mehr, keine Menschen, sie sind illusorische Körper Gottes. Sie sind Gott mit Körper. Wenn das Absolute zum Bespiel keinen Körper und keinen Verstand als Instrument hätte, könnten wir nicht mit Ihm in Kontakt treten. Wir sind Menschen, wir brauchen eine Person für einen Kontakt, ein Instrument, Sprache, Verstand, Logik, Denken und Fühlen, Wahrnehmungsorgane. Ohne alle diese Instrumente kann man nicht in Kontakt mit der göttlichen Quelle kommen, außer man ist ein Meister der Meditation.“
Meister als Brücke zur göttlichen Quelle
„Um solche Kontakte herzustellen, schickt das Absolute diejenigen, die den Samadhi erreicht haben. Es ist nicht so, dass die daran gedacht und beabsichtigt haben, zu Ihnen zu kommen und zu sagen: Ich bin ein Meister, ich werde Sie belehren. Nein, so ist es nicht. Diese Menschen gibt es nicht mehr. Es scheint nur so, als würden sie existieren. Nur in unserer Vorstellung wirken sie wie Menschen, aber im Inneren dieser Meister sieht es anders aus: Sie sind eins mit dem Absoluten, sie denken sich nicht von Gott getrennt. Und sie sind wie Illusionskörper dieser einen Realität.
Diese eine höchste Quelle besitzt ihre Körper, ihre Personen, ihren Verstand. Und schickt sie aus Barmherzigkeit zu den Menschen, damit sie in ihren Sprachen sprechen und durch Körper und Wahrnehmungsorgane Hilfe beim Begreifen dieser Realität leisten. Sonst ist dies sehr schwierig, weil die Ebenen der Realität zu unterschiedlich sind.
Auf diese Art spricht Gott durch alle Meister, Heiligen und realisierten Lehrer zu den Menschen. Die Anugraha, die göttliche Energie der Barmherzigkeit, spricht zu den Menschen, die eine karmische Verbindung zu einem bestimmten Meister haben.“
Die Natur des eigenen Geistes
Nirvikalpa Samadhi legt die Natur des Geistes offen. Darin gibt es keine Stützen in Form von Gedanken, Vorstellungen, Emotionen und Gefühlen mehr. Man nimmt die Realität wahr, so wie sie ist: Sat (Sein), Cit (Bewusstsein), Ananda (Glückseligkeit).
Wenn das Verstehen des eigenen Selbst im Nirvikalpa Samadhi entstanden ist und man weiter und intensiv praktiziert, geht das Gefühl der Einheit mit dem Absoluten aus der Meditation auch in den Alltag hinein. Das nennt man Sahaj Samadhi. Man nimmt das Licht sowohl innen als auch außen wahr, in sich, in allen Lebewesen und auch um die materiellen Objekte herum. Man nimmt das innerste Wesen der lebendigen Wirklichkeit wahr, die subtilste Schwingung und versteht, dass alles andere nur Spiele des Absoluten in der relativen Realität sind, Wellen in einem ewig stillen Ozean.
Mehr über den Weg, den Meister und über die Lehre erfahren Sie unter https://de.advayta.org
Und in den Büchern von Swami Vishnudevananda Giri:
„Spirituelle Alchemie – der Weg der inneren Askese“
„Laya Yoga – das Leuchten der kostbaren Geheimnisse“
„Kodex eines Meisters. Der Weg der Vollkommenheit“
„ICH BIN. Spirituelle Alchemie des inneren Universums“
29.04.2023
Ramanatha Giri
www.de.advayta.org
Ramanatha Giri ist Yogi, Philosoph, Lektor, seit 20 Jahren Mönch in der Advaita-Tradition der Siddhas in der Linie des Meisters Swami Vishnudevananda Giri und ist in der Ukraine geboren.
Seit 2010 führt er Seminare und Retreats im Jnana-, Raja- und Kundaliniyoga sowie Pranavidya in Westeuropa, den USA und der Ukraine durch und bietet persönliche spirituelle Beratungen an.
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