
Im Zustand der Erkenntnis leben – Bodhisattva, im Urgrund sein
Im Schweigen sitzen befähigt uns, in die Tiefen hineinzuhorchen, die unsere Wesensnatur konstituieren. Diese Praxis bringt jene Gaben an die Oberfläche, die tief in unserem Unterbewusstsein begraben waren. Im Schweigen sitzen ist wie eine Schatzsuche, wo wir für unsere eigenen inneren Horizonte offen werden. Hier entdecken wir, wer wir sind. Der Bodhisattva lebt in ständiger Aufmerksamkeit auf die Hilferufe der Erde, stets bereit, auf sie zu reagieren. Der Bodhisattva lebt völlig spontan, sensibel für die Klänge der Erde; und er antwortet darauf in der natürlichsten Art und Weise.
Es gibt sehr differenzierte und zum Teil auch verwirrende Interpretations-Modelle des Begriffs „Bodhisattva“.
Bodhi (Pali) bzw. Buddha (Sanskrit) bedeutet:
Erwachen, vollkommene Erkenntnis.
Im Alter von 35 Jahren saß Gautama Siddharta (563 – 483 vor Christus) in einer Vollmondnacht in tiefster Versenkung unter einer Pappelfeige, als er „erwachte“. Dieser Baum wird heute deshalb auch als Bodi-Baum, als Baum der Weisheit bezeichnet. Hass, Begierde und Unwissenheit fielen von ihm ab.
Er wurde zum „Buddha“, zum Erwachten. Dies geschah am Ufer des Neranjara-Flusses bei Bodhgaya, 1.150 km süd-östlich von New Delhi.
Ein Bodhisattva ist jemand, der im Zustand der Erkenntnis lebt. In griechisch-lateinischen Begriffen ist dies ein Theoretiker bzw. ein Kontemplativer, einer, der den Wesensgrund geschaut hat. Diese Berührung hat auch eine körperliche Dimension, denn das engl. Wort body (Körper) kommt von altenglisch: bodig (Grund; s.a. deutsch: Boden).
Erwachen zur Wirklichkeit ist sehr wesentlich – Bodenhaftung
Wir erleben in einer augenblicklich sehr krisenhaften Zeit, dass offenbar mehr Menschen als je zuvor an Bodenhaftung (erwachender Erkenntnis) gewinnen. Ein unsichtbares Netzwerk hat sich auf dem Planeten Erde ausgebreitet und bietet den zerstörerischen Kräften geistigen Widerstand. Dies ist tröstlich in der unheilvollen Geschichte von Zerstörung und Wiederaufbau.
Wenn ein Wirtschaftssystem im Wesentlichen auf der Grundlage von Krieg und Krankheit funktioniert (Destruktion und Restitution), ist die göttliche Spezies „Mensch“ (homo sapiens) zur Disposition gestellt. In dieses pathologische Chaos greift Gott niemals ein, weil er sich nicht auf die niedrige Stufe billiger egozentrierter Gebets-Bettelei herabziehen lässt. Das wurde über Jahrhunderte praktiziert und hat – wie uns die Geschichte lehrt – immer wieder zu gewaltigen Katastrophen geführt.
Wir sind an einem Wendepunkt angelangt, wo sämtliche Glaubenssysteme auf den Prüfstand kommen.
Superioritätsansprüche im Hinblick auf die Teilhaftigkeit an der Heilszusage Gottes kann und darf es nicht geben.
Täglich erleben wir an den Fernsehschirmen die gewaltigen Krisenherde auf dem Planeten Erde:
Krieg, Zerstörung, Macht, Hass, Ungerechtigkeit, unsagbares Leid. Der Ruf nach Gottes Gerechtigkeit wird zur Zeit überall vernommen. Die anmaßenden Forderungen des Menschen, er möge helfen und eingreifen, können nicht erfüllt werden. Erneut wird das von Theologen bis heute ungelöste Problem der Theodizee (die Rechtfertigung Gottes angesichts des Leidens der Menschen) diskutiert.
Für die meisten Menschen ist der Widerspruch zwischen dem Glauben an Gott und dem Sinnverlust, der mit dem Leiden verbunden ist, nicht zu verstehen. Wie kann ein allmächtiger und gütiger Gott das Böse in der Welt zulassen, warum müssen wir leiden?
Bereits der griechische Philosoph Epikur (341 – 270 v. Chr.) hat sich verzweifelt mit dem göttlichen Paradoxon beschäftigt. Der deutsche Philosoph und Mathematiker Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 – 1716) versuchte, das Böse, den freien Willen des Menschen und die Rechtfertigung der Schöpfung in Einklang zu bringen. Von ihm stammt der Begriff Theodizee.
Wer auf dem mystisch-spirituellen Pfad Erfahrungen hat, weiß sehr genau, dass Gott weder eingreifen muss, noch eingreifen kann. Seine All-Macht liegt auf einer Ebene, die jenseits unserer Machtvorstellungen liegt. Man kennt das klassische Beispiel aus den Kriegen der Vergangenheit: Waffen wurden sogar von Priestern gesegnet, und man betete für den Sieg über den vermeintlichen Feind. Und die Gegenseite tat das Gleiche. Gebete französischer katholischer Priester gegen die Gebete deutscher Priester u.a.. Welches dieser Gebete sollte Gott erhören? Er kann es nicht. Genau aber das möchten viele Menschen noch heute: sie beanspruchen Gott für sich exklusiv und weisen anderen eine geringfügigere Teilhabe an der göttlichen Wirklichkeit zu.
Wer erwacht ist, am Urgrund angekommen ist, muss nirgendwo mehr hin. Der Kosmos lädt uns ständig zur kostenlosen Heimkehr in unser eigenes inneres Zentrum ein. Die Distanzierung von der Peripherie der Sensationen, wo Kriege geführt werden und Wettbewerbskämpfe stattfinden, ist ein schmerzlicher Prozess.
Anlässlich seines 80. Geburtstags am 7. Oktober 2009 hatte ich den Quantenphysiker und Friedensnobelpreisträger Hans-Peter Dürr (1929 – 2014) als „Bodhisattva der Naturwissenschaften“ gewürdigt.
24.04.2025
Roland R. Ropers
Religionsphilosoph, spiritueller Sprachforscher, Buchautor und Publizist
Über Roland R. Ropers
Roland R. Ropers geb. 1945, Religionsphilosoph, spiritueller Sprachforscher,
Begründer der Etymosophie, Buchautor und Publizist, autorisierter Kontemplationslehrer, weltweite Seminar- und Vortragstätigkeit.
Es ist ein uraltes Geheimnis, dass die stille Einkehr in der Natur zum tiefgreifenden Heil-Sein führt.
Buch Tipp:
Kardiosophie
Weg-Weiser zur kosmischen Ur-Quelle
von Roland R. Ropers und
Andrea Fessmann, Dorothea J. May, Dr. med. Christiane May-Ropers, Helga Simon-Wagenbach, Prof. Dr. phil. Irmela Neu
Die intellektuelle Kopflastigkeit, die über Jahrhunderte mit dem Begriff des französischen Philosophen René Descartes (1596 – 1650) „Cogito ergo sum“ („Ich denke, also bin ich“) verbunden war, erfordert für den Menschen der Zukunft eine neue Ausrichtung auf die Kraft und Weisheit des Herzens, die mit dem von Roland R. Ropers in die Welt gebrachten Wortes „KARDIOSOPHIE“ verbunden ist. Bereits Antoine de Saint-Exupéry beglückte uns mit seiner Erkenntnis: „Man sieht nur mit dem Herzen gut“. Der Autor und die sechs Co-Autorinnen beleuchten aus ihrem individuellen Erfahrungsreichtum die Vielfalt von Wissen und Weisheit aus dem Großraum des Herzens.
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