Papsttum und die Abkehr von Jesu Lehren – Wenn Macht die Liebe verdrängt
Kaum ein Thema offenbart so deutlich die Spannungsfelder zwischen Religion und Spiritualität wie das Papsttum. Die Geschichte der katholischen Kirche zeigt, wie aus der revolutionären Lehre eines Menschen, der Liebe, Demut und Gleichheit predigte, ein hierarchisches Machtgefüge wurde.
Doch die eigentliche Frage ist: Wie konnte es so weit kommen, dass die Institution, die sich auf Jesus beruft, seine Botschaft verriet – und was bedeutet das für eine zeitgemäße Spiritualität?
Jesus war kein Funktionär, sondern ein Bewusstseinslehrer. Seine Worte richteten sich nicht an Systeme, sondern an Herzen. Als das Christentum zur Staatsreligion wurde, verschob sich der Fokus – vom inneren Erwachen hin zur äußeren Kontrolle. Diese Entwicklung prägt das kollektive Bewusstsein bis heute.
➡ Lies auch: Frauen in der Papst-Kirche
Die Wurzeln der Macht – als Spiritualität politisch wurde
Im 4. Jahrhundert machte Kaiser Konstantin das Christentum zur Staatsreligion. Damit begann eine epochale Transformation:
Die Bewegung der frühen Jesusnachfolger – Menschen, die in Gemeinschaft lebten, Heilung, Güte und Mitgefühl praktizierten – wurde Teil des Machtapparates.
Das Papsttum, das sich auf Petrus als „Felsen“ berief, entwickelte sich bald zur Institution über Leben, Glauben und Moral.
Was einst als Weg nach innen gedacht war, wurde zur Religion nach außen.
Die Folge: Kontrolle ersetzte Erkenntnis, Gehorsam verdrängte Bewusstheit.
➡ Siehe auch: Historische Rolle der Frau in der Kirche
Die dunklen Kapitel – Gewalt im Namen des Glaubens

Mit den Kreuzzügen und der Inquisition erreichte diese Entfremdung ihren tragischen Höhepunkt.
Aus der Botschaft der Feindesliebe wurde ein System der Unterwerfung.
In Jesu Namen wurden Menschen gefoltert, verbrannt, vernichtet – weil sie anders dachten, glaubten oder suchten.
Die Kirche predigte Erlösung, während sie Angst säte.
Das Papsttum segnete Kriege und legitimierte Kolonialherrschaft.
So verwandelte sich das Evangelium der Liebe in ein Instrument der Macht.
Der Mystiker Meister Eckhart schrieb im 14. Jahrhundert warnend:
„Gott ist nicht in der Kirche, wenn du ihn nicht im Herzen trägst.“
Seine Worte kosteten ihn beinahe das Leben – ein Zeichen dafür, wie gefährlich freies Denken in einer Welt der Dogmen war.
➡ Vertiefend: Inquisition – Verrat an der Lehre Jesu
Spirituelle Wahrheit versus institutionelle Religion
Jesus sprach von einer inneren Erfahrung des Göttlichen – einer unmittelbaren, unhierarchischen Verbindung mit der Quelle.
Das Papsttum dagegen definierte sich über Autorität: Nur wer innerhalb der Kirche glaubte, konnte erlöst werden.
Diese Machtstruktur widerspricht dem, was in den Evangelien anklingt.
Jesus sprach vom „Reich Gottes in euch“, nicht von Macht über euch.
Er stellte das Mitgefühl über das Gesetz und die Liebe über die Strafe.
Die Lehre des Herzens wurde zur Lehre der Angst.
Wo Jesus innere Freiheit lehrte, predigten Päpste Gehorsam.
Wo Jesus verzieh, wurden Ketzer verbrannt.
Diese Kluft prägt das Christentum bis heute – und sie erklärt, warum viele spirituelle Menschen den Weg jenseits der Kirche suchen.
➡ Passend dazu: Kirche fürchtet Frauen – Macht, Angst und das verdrängte Weibliche
Reformation und Bruch – der Preis der Wahrheit
Als Martin Luther 1517 seine Thesen anschlug, tat er dies nicht aus Rebellion, sondern aus Gewissensnot.
Der Ablasshandel – die Idee, man könne sich Sünden mit Geld vergeben lassen – war der spirituelle Tiefpunkt des Papsttums.
Doch anstatt sich zu öffnen, reagierte Rom mit Härte.
So begann der jahrhundertelange Bruch zwischen Glaube und Macht – zwischen innerer und äußerer Wahrheit.
Der reformatorische Impuls war ursprünglich kein Angriff auf Jesus, sondern eine Rückkehr zu ihm.
Doch selbst in der Reformation blieb der Geist Jesu oft gefangen in neuen Dogmen.
Macht und Moral – das Erbe bis heute
Das Papsttum überstand Reformation, Aufklärung und Moderne.
Doch der Preis war hoch: der Verlust an Glaubwürdigkeit.
Missbrauchsskandale, Vertuschung und moralische Doppelmoral offenbaren, dass das System der Unfehlbarkeit keine Heilung kennt.
Die eigentliche Krise ist keine theologische, sondern eine des Bewusstseins.
Eine Institution, die sich auf Liebe beruft, kann nur glaubwürdig sein, wenn sie sich der Wahrheit stellt – auch der eigenen Schuld.
Papst Franziskus hat mit seiner Demut und Offenheit einen neuen Ton gesetzt. Doch der Wandel bleibt zäh. Zwischen Symbolik und Struktur liegt eine Welt.
➡ Lies weiter: Spiritualität in der Krise – Warum Mitgefühl politisch ist
Spirituelle Perspektive – jenseits der Institution
Echte Nachfolge Jesu bedeutet, Verantwortung für das eigene Bewusstsein zu übernehmen.
Spirituell Suchende müssen den Mut haben, über religiöse Grenzen hinauszublicken.
Spiritualität beginnt dort, wo Macht endet.
Sie erkennt an, dass das Göttliche nicht durch Titel, Kleidung oder Dogmen vermittelt wird – sondern durch gelebte Liebe, durch Bewusstsein, durch Mitgefühl.
„Das Reich Gottes ist inwendig in euch.“ (Lukas 17,21)
Wer diesen Satz wirklich versteht, braucht keine Vermittlung.
Die Mystiker aller Zeiten – von Franz von Assisi über Hildegard von Bingen, Teresa von Ávila bis hin zu modernen Stimmen wie Richard Rohr oder Anselm Grün – lehren:
Gott ist nicht außerhalb, sondern im Bewusstsein, das liebt, erkennt und heilt.
➡ Siehe dazu auch: Mystik – Erfahrung göttlicher Wirklichkeit
Fazit: Die Rückkehr zum inneren Christus
Das Papsttum mag eine historische Realität sein, aber die Botschaft Jesu ist eine ewige Wirklichkeit.
Sie lebt dort, wo Menschen die Wahrheit nicht fürchten, sondern suchen.
Sie beginnt in der Stille, wo Macht keinen Einfluss hat – in der Begegnung zwischen Herz und Geist.
Echte Nachfolge Jesu heißt, die Institution zu transzendieren und den göttlichen Funken in sich selbst zu erkennen.
Dann wird aus Religion wieder das, was Jesus wollte:
Ein Weg der Liebe, der Demut und der inneren Freiheit.
➡ Ergänzend: System im Umbruch – Warum unsere Gesellschaft neue Werte braucht
FAQ
Was meinte Jesus wirklich mit „Reich Gottes“?
Nicht ein Himmel nach dem Tod, sondern ein erwachtes Bewusstsein im Hier und Jetzt.
Warum ist das Papsttum für viele spirituell Suchende problematisch?
Weil es zwischen Mensch und Gott eine Hierarchie setzt – im Gegensatz zu Jesu Lehre der direkten Verbindung.
Wie kann man Spiritualität heute authentisch leben?
Indem man Mitgefühl, Achtsamkeit und Wahrheit als tägliche Praxis versteht – nicht als Dogma, sondern als Haltung.
Quellen und weiterführende Literatur
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Elaine Pagels: Die verbotenen Evangelien
-
Hans Küng: Die Kirche und ihre Reform
-
Richard Rohr: Was das Herz wissen will
-
Papst Franziskus: Evangelii Gaudium
-
Karen Armstrong: Die Geschichte Gottes
-
Bibelstellen: Lukas 17,21; Matthäus 5–7 (Bergpredigt)
Artikel aktualisiert
22.10.2025
Uwe Taschow
Uwe Taschow
Als Autor denke ich über das Leben nach. Eigene Geschichten sagen mir wer ich bin, aber auch wer ich sein kann. Ich ringe dem Leben Erkenntnisse ab um zu gestalten, Wahrheiten zu erkennen für die es sich lohnt zu schreiben.
Das ist einer der Gründe warum ich als Mitherausgeber des online Magazins Spirit Online arbeite.
“Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.”
Albert Einstein



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