Rückführungen und Gegenwartskonflikte
Ich sitze Ellen Esser, der dynamischen, Mitte siebzigjährigen Berliner Autorin in ihrem Wohnzimmer gegenüber und blicke mich um. Ellen Esser und ich sind vor ein paar Tagen in einem Lokal neben dem Dharma Buchladen in der Akazienstraße ins Gespräch gekommen. Sie hat gerade ihren ersten Roman DAS ZEITLABYRINTH veröffentlicht, in dem es um Hypnose und Rückführungen geht. Das Thema hat mich neugierig gemacht und wir haben uns daher für ein Interview verabredet. An den Wänden hängen großflächige Bilder aus verschiedenen Materialien, die mich sehr ansprechen, überhaupt gefällt mir ihre Wohnung.
Nachdem wir uns um ihren Tisch mit den goldenen Stühlen gesetzt haben und ein frischer Ingwertee vor mir steht, beginnen wir mit dem Interview.
Was mich zunächst beschäftigt ist die Frage:
Ellen, wie bis du zum Schreiben gekommen? Denn soviel ich weiß, warst du früher Schauspielerin.
Ja, das stimmt, ich habe sehr lange als Schauspielerin gearbeitet, u.a. bei dem provokanten und herausfordernden Regisseur Peter Zadek. Das war eine große Bereicherung, war toll. Aber was mich gestört hat war, dass man als Schauspielerin nicht Mittelpunkt des eigenen künstlerischen Schaffens steht. Als Schauspieler arbeitet man in einem Team, man ist sozusagen ein Rädchen im Getriebe. Inhaltlich hat die Arbeit mit den Vorlieben und Interessen des Regisseurs zu tun. Ich wollte unbedingt mehr. Ich bin Schütze, da geht es immer um Inhalte! Daher habe ich angefangen Stücke zu schreiben. Sie behandelten typische Frauenthemen, das gab es so nicht am Theater. Diese Stücke habe ich selbst in der Berliner Off-Theaterszene auf die Bühne gebracht, denn diese Themen haben es damals nicht aus die großen Bühnen geschafft. Ich dachte immer, man müsste ein ganz anderes Theater machen. Deshalb habe ich mir meinen eigenen kleinen Veranstaltungsort den coolturladen im Tacheles geschaffen, wo ich gemeinsam mit einem Pool an Regisseuren szenische Lesungen von Stücken durchgeführt habe. Dadurch lernte ich eine große Bandbreite an modernen Stücken kennen und stellte fest, dass das Medium Theater es mir einfach nicht ermöglicht, das zu sagen, was mir wichtig ist. Mit meinem ersten Roman habe ich für mich die Fesseln des Theaters gesprengt und fühle mich wie befreit.
Dein Roman handelt von Rückführungstherapie. Wie bist du darauf gekommen, eine Rückführungstherapie ins Zentrum deines Romans zu stellen?
Ich war schon immer von der Möglichkeit fasziniert, „andere“ Erfahrungen zu machen. Und Rückführungen haben mich besonders angesprochen. Während der Recherche für den Roman habe ich tatsächlich auch viel erlebt.
Zum Bespiel war ich bei einem Rückführungstherapeuten, der mich einen anonymisierten Tonbandmitschnitt hat anhören lassen. Der Klient hat in dem Moment, in dem er in einem vergangenen Leben war, tiefstes Fränkisch gesprochen hat. Vorher hat er Berlinert und Fränkisch konnte er im realen Leben gar nicht. Auch das Austreten aus dem vorigen Leben und das Eintreten in das Jetzige, konnte man akustisch miterleben. Es hat mich nachhaltig beeindruckt.
Arbeitet die Rückführungstherapie mit Hypnose? Hat dich Hypnose besonders interessiert?
Ich finde es äußerst spannend, sich in eine Welt zu begeben, die an tiefere Schichten rührt. Ich glaube, das Schreiben macht genau das, man rührt als Autor an tiefere unbewusste Schichten bei sich selbst und hofft, die auch beim Leser zu erreichen. Beim Schreiben muss noch handwerkliches Können dazu kommen, um das was die tieferen Schichten respektive das Unterbewusstsein bewegt, zu vermitteln. Bei der Hypnose kann man aber auch Experte werden. Mir fällt der Zugang zu meinen inneren Bildern inzwischen sehr leicht.
Wie schätzt du die Wirkung dieser Art von therapeutischen Verfahren im Vergleich zu anderen Therapieformen ein, die sich mit dem reinen Bewusstsein beschäftigen (z.B. Gesprächstherapie)?
Ich glaube, dass die therapeutischen Verfahren, wie Familienaufstellung, Japanisches Heilströmen, Kathatymes Bilderleben oder Rückführungstherapie schneller und genauer an die Themen herankommen, die wichtig sind und dadurch auch echte Lösungen möglich sind. Bei der Gesprächstherapie habe ich persönlich das nicht erlebt.
Hast du selber auch Rückführungen erlebt?
Ja, ich habe bei der Recherche ja sehr viel gelesen und das Buch Maskenball der Seele von Matthias Wendel hat mich ganz besonders angesprochen. Die heftigen Erlebnisse seiner Klienten die dort vorgestellt wurden, haben mich neugierig auf ihn gemacht. Deshalb bin ich nach München gefahren und habe drei Mal eine Woche mit täglichen Sitzungen bei ihm gebucht.
Hattest du Angst zu Beginn vor dieser Form von Therapie, weil sie ja einen Kontrollverlust bedeutet?
Ja, ich war sowieso sehr aufgeregt. Ich hatte damals nicht viel Geld und habe das für mich sehr teure Seminar gebucht, bin nach München gefahren, habe meine Kinder in Berlin allein gelassen und mir in München ein Zimmer genommen. Das allein war schon aufregend für mich. Dann bin ich in die Praxis gekommen. Sein Setting war sehr speziell, der Raum schwarz, er weiß gekleidet, es wirkte wie eine Höhle. Ich lag also in diesem schwarz angestrichenen Raum und war mit dem weiß gekleideten Therapeuten alleine.
Wie lief so eine Sitzung ab?
Das Wichtigste war das holotrope Atmen, mit dem man sich in einen anderen Zustand versetzt hat. Alles wird dann plastisch, man hat das Gefühl wirklich alles zu erleben. Der Therapeut fragt einen, was man sieht, wo man ist, was einem passiert. Ja und die Geschichten bei meiner Rückführungstherapie, waren immer heftiger als im wirklichen Leben: Wenn man arm war, dann richtig, wenn man verfolgt wurde, dann bis zum Tod.
Und glaubst du jetzt an vergangene Leben?
Matthias Wendel sagt, dass es auch vom Sternzeichen abhängt, von der dominanten Energie, was man da erlebt und wie man es interpretiert. Ich als Feuerzeichen denke anders über diese Erfahrungen, als zum Bespiel ein Wasserzeichen. Die „Leben“ „Phantasiereisen“ wie immer man das bezeichnen möchte, waren sehr intensiv und ich habe sie nicht vergessen. Ich würde sagen, es war die Bebilderung meiner Gegenwartskonflikte auf drastische Art.
Kannst du ein Beispiel dafür nennen?
Ich habe zum Bespiel in einem „vergangenen Leben“ einen Ehemann gehabt, dem ich zweimal durchgebrannt bin und als ich alt wurde, bin ich ins Kloster gegangen. Im jetzigen Leben lebe ich auch keine normale Zweierbeziehung, wie viele andere Menschen. Ich konnte sehen, wie dieses Ich das gemacht hat und mich darin wiedererkennen. Das Leben damals war abenteuerlich, nicht bequem und nicht „ordentlich“.
Hat sich die Therapie ausgewirkt?
Ohja! Während der Therapie habe ich einen Mann im Café auf dem Marienplatz kennen gelernt. Er meinte, ich solle lieber erst einmal sein Buch lesen, bevor ich mich näher auf ihn einlassen würde. Ich bin dann sofort in die Buchhandlung gegangen, habe sein Buch gekauft und habe 30 Seiten gelesen, die zwar sehr krass waren, aber mich nicht davon abhielten, mich erneut mit ihm zu treffen. Das habe ich gemacht und da er mich sehr fasziniert hat, bin mit ihm nach Hause gegangen. Später habe ich weitergelesen und da stand in dem Buch, er war ein mehrfacher Mörder!! Ich habe es so interpretiert, dass meine Energie so hoch war und laut Resonanzgesetz so jemand wie er dazu gepasst haben muss. Das holotrope Atmen hat mich für die Dauer der ganzen Zeit irgendwie high gemacht hat. Ich nehme keine Drogen, trinke nicht und reagiere auch bei Medizin sehr stark, daher vielleicht war auch der erhöhte Sauerstoff, den man da zu sich nimmt, eine Droge.
Das ist in der Tat eine ungewöhnliche Geschichte! Hast du noch weitere Erfahrungen mit anderen Therapeuten machen können?
Für die Recherche meines Romans bin ich noch zu der Rückführungstherapeutin Bettina Romani in Berlin gegangen, die mir viel über den Wechsel zwischen Täter und Opfer in den vergangenen Leben beigebracht hat und den Verlauf der Therapie. Das Beste aber war, dass ich an den Rückführungen in meinem Roman, die ich schon vorher geschrieben hatte, nichts ändern musste, weil ich so genau recherchiert hatte.
Was meinst du mit Tätern und Opfern?
Na, nehmen wir an, ich bin in meinem jetzigen Leben eine Frau, die schlecht behandelt wird, dann war ich in einem anderen Leben ein Mensch, der andere Menschen schlecht behandelt hat.
Aha, also rächen sich schlechte Verhaltensweisen im nächsten Leben! Wie verläuft denn klassischerweise eine Rückführungstherapie?
Bei einer Rückführungstherapie verändert man die Perspektive von Opfer und Täter.
Und man kommt immer mehr auf den Punkt, immer mehr auf das grundlegende Thema, um das es einen geht.
Erzähl uns doch bitte kurz, von was dein Roman DAS ZEITLABYRINTH handelt?
Mein Roman handelt von einer Frau, die ein Start-up Unternehmen gegründet hat, auch um dem Bild der schönen, erfolgreichen Tochter, das ihr Vater von ihr hat, zu entsprechen. Als Folge der hohen Arbeitsbelastung erkrankt sie schwer an Migräne und geht zu einem Hypnosetherapeuten, um zu lernen, sich mehr zu entspannen. In den Sitzungen kommt überraschend ein labyrinthisches Geflecht früher, dramatischer Erlebnisse aus anderen Jahrhunderten an die Oberfläche. Die Parallelen zu ihrem jetzigen Leben werden immer klarer und dann kommt sie einem Familiengeheimnis auf die Spur. Im Laufe der Spurensuchen verändert sich ihr Leben.
Klingt sehr spannend! Wen möchtest du mit dieser Geschichte ansprechen?
Ich dachte, dass sich Frauen mehr angesprochen fühlen würden, aber jetzt habe ich einen Mitarbeiter, der mir hilft, Leseorte zu finden, und damit er weiß, was er da bewirbt hat er das Buch gelesen. Er findet es ganz toll – hat er gesagt!
Hat der Inhalt des Buches auch etwas mit deinem Leben zu tun oder ist er rein fiktiv?
Beides, die Geschichte ist rein fiktiv und dennoch hat sie mit meinem Leben zu tun.
Tja, das ist glaube ich immer das Geheimnis von Schriftstellerinnen.
Vielen Dank! Ich wünsche dir viel Erfolg mit deinem Roman und bleib weiterhin dem Leben so offen und neugierig zugewandt!
Das Taschenbuch kostet 16.99€, das Ebook als Aktion derzeit 8. 99€.
Es ist direkt über ellenesser.com
bestellbar oder über die gängigen Bezugsorte.
Das Interview führte Ulrike Winkelmann
Diplom- und Theaterpädagogin (BuT), Autorin
www.diewinkelmannsche.de
www.vergnueglich-lernen.de
28.01.2018
Das Buch anschauen
Hinterlasse jetzt einen Kommentar