Bitterstoffe für Körper, Geist und Seele
Fast möchte man sagen, sie sind „in aller Munde“: die Bitterstoffe. Denn sie sind als Thema aktuell sehr präsent, viele Produkte schwemmen auf den Markt, viel wird über sie geschrieben und geredet – aber eben weil sie nicht mehr in aller Munde sind. Konsequent wurden die Bitterstoffe aus unseren Lebensmitteln rausgezüchtet, aus Rezepten entfernt und aus der Medizin verbannt. Dies hat nicht nur Konsequenzen für unseren Körper, sondern ebenso für den Rest unseres ganzheitlichen Systems: dem Geist und der Seele
Bitter in der heutigen Ernährung
Wenn wir an bittere Nahrungsmittel denken, fällt uns meist die Grapefruit ein, vielleicht noch Bitterschokolade – und dann hört es auch schon auf. Wir sind den bitteren Geschmack in unserer Nahrung nicht mehr gewöhnt, denn sie verschwinden immer mehr aus unseren Lebensmitteln. Die Eltern erinnern sich noch, dass Kohl, Salat und Küchenkräuter früher bitter schmeckten, oftmals wurde eine Prise Zucker dem Kochwasser als Ausgleich zugegeben.
Gehalten hat sich dies bis heute noch beim Spargelkochen, der auch vormals bitter war. Nun wird er von Jahr zu Jahr süßer, ebenso wie Kohlrabi, Brokkoli, Gurkengewächse und Obst, denn auch viele Obstsorten enthalten von Natur aus Bitterstoffe. Gut erhältliche Bitterstoffe, die ich meinen Alltag integrieren kann sind seit jeher Brokkoli, Chicorée, Endivie, Engelwurz, Enzian, Gänseblümchen, Hopfen, Ingwer, Löwenzahn, Pfefferminze, Radiccio und Rauke, Rosenkohl, Rucola, Schafgarbe, Tausendgüldenkraut und Wegwarte/Zichorie, sofern sie nicht aus Überzüchtung stammen.
Bitter ist nicht gleich bitter – die vier Klassen der Bitterstoffe
Es gibt unterschiedliche Abstufungen beim bitteren Geschmack, so dass in der Pflanzenheilkunde in vier Klassen unterteilt wird. Obenan stehen die reinen Bitterstoffdrogen (Amara pura), welche sich durch ihre alleinige Bitterstoffwirkung auszeichnen. Wir kennen diesen Geschmack von Enzian, Artischocke, Tausendgüldenkraut und Löwenzahn als prominente Vertreter, auch wenn die meisten von uns sie nicht mehr im regelmäßigen Speiseplan integrieren. In der zweiten Klasse finden wir die Bitterstoffe, welche zusätzlich zum Bitteraroma noch ätherische Öle enthalten, die ihren Geschmack auszeichnen.
Bekanntester Vertreter ist hier der Wermut: als eines der bittersten Kräuter der Welt hat er doch gleichzeitig einen so verführerischen Beigeschmack, dass er als Absinth (Abkürzung der lateinischen Bezeichnung Artemisia absinthium) zum Modegetränk des 19. Jahrhunderts wurde. Aber auch Hopfen und Bitterorange sind Beispiele für Bitterdrogen mit ätherischem Aroma. Die dritte Klasse beinhaltet Bitterdrogen welche Scharfstoffe enthalten (z. B. Ingwer und Galgant), die letzte Klasse führt Bitterdrogen mit Schleimstoffen, wie Isländisch Moos.
Bitter ist ein Alarmsignal für den Überlebensinstinkt
Warum aber lehnen wir bitter in der Regel ab? Evolutionsbiologisch gesehen ist der Geschmack von Bitter auf der Mundschleimhaut ein Alarmsignal für potentiell giftige Stoffe. Denn im Pflanzenreich finden wir Bitterstoffe (Alkaloide)vor allem in jenen Pflanzen, die absolut giftig für den Menschen sind. Dennoch aßen unsere Vorfahren viel mehr Bitterstoffe als wir heute, da auch die als genießbar geltenden Pflanzen Bitterstoffe enthielten.
Wer nicht züchtet, sondern sich von dem ernährt was Mutter Erde uns schenkt, der isst automatisch leicht bitter, aber eben bewusst bitter. Diese andere Bewusstheit für Nahrung ist uns heute völlig verloren gegangen: zu überprüfen, ob das, was ich da esse, überhaupt genießbar ist. Solange es im Supermarkt angeboten wird, wird es schon gut für mich sein.
Was für ein fataler Irrglaube, der uns vor vollen Töpfen verhungern und krank werden lässt. Ein süßer Geschmack hingegen wird assoziiert mit Geborgenheit, Wärme und Sicherheit, denn die Muttermilch, die uns als erstes auf dieser Welt willkommen heißt, ist süß. Hier geht es nicht ums Überleben, hier können wir uns Fallenlassen. Und so lassen wir uns lieber in die süße Esslust fallen, als uns bewusst mit dem Bitteren auseinander zu setzen.
Die Wirkung von Bitterstoffen auf den Körper
Warum aber sollte ich mich bewusst für den Genuss von Bitterstoffen entscheiden, wenn süß doch so viel lieblichere Assoziationen mit sich bringt? Auf der Körperebene bringen uns die Bitterstoffe einen so vielfältigen Nutzen, dass es töricht wäre sie abzulehnen. Schon allein der bittere Geschmack im Mund lässt das Gehirn sofort die Produktion von Magen- und Gallensaft veranlassen. Hierdurch wird alles, was ich an Nahrung zu mir nehme, besser verdaut. Ich kann langfristig auf eine Vielzahl von Medikamenten, welche die Verdauung unterstützen sollen, verzichten.
Allen voran sind hier die sogenannten „Antacida“ zu nennen, auch als Magensäurehemmer bekannt.
Was die moderne Medizin uns nicht erzählt ist,
dass ein zu wenig an Magensäure die gleichen Symptome macht, wie ein Zuviel an Magensäure: es brennt im Hals. Denn wenn ich zu wenig Verdauungssaft habe, fängt die Nahrung im Magen an Gase zu bilden, diese drücken den Deckel des Mageneinganges auf und Magensäure steigt nach oben in die Speiseröhre.
Warum sollte ein Magen ohne weitere Stimulation zuviel Säure produzieren? Dies findet eigentlich nur bei Menschen statt, die sich gerne und viel aufregen. Eine Vielzahl der chronischen Magenpatienten hingegen hat eine ganz andere Gemütslage und profitiert von Mitteln, welche die Magensäureproduktion auf natürliche Weise anregt anstatt sie zu unterbinden. In der traditionell europäischen Medizin (TEM) gilt der Magen als Dreh- und Angelpunkt im Körper. Geht es ihm schlecht, leidet der gesamte weitere Verdauungsapparat, also auch die Leber und die Bauchspeicheldrüse.
Gönnen wir unserem Magen etwas bitter, hemmt dies hingegen pathogene Organismen wie Helicobakter und verbesserte die Produktion von Gallensaft, welche krankmachende Darmpilze in Schach hält. Bitterstoffe wirken im Darm dazu entblähend, mild abführend, entgiftend und damit insgesamt regulierend auf das Körpergewicht. Sie helfen gegen Süßlust und unterstützen so jede gewichtsreduzierende Diät. Bitterstoffe schließen die Geschmacksknospen und vermeiden dadurch Resthunger nach dem Essen. Sie sorgen außerdem dafür, dass Nährstoffe besser aus der Nahrung resorbiert werden.
Die Wirkung von Bitterstoffen auf den Geist
Wenn wir an dieser Stelle den Geist mit Gedankenkraft, mit Aufmerksamkeit, mit Achtsamkeit und Klarheit gleichsetzen, dann können wir auch hier positive Eigenschaften der Bitterstoffe erkennen. Zunächst mal lohnt es sich auf die Pflanzen und ihre jeweilige Kraft zu schauen, die wir als Bitterstoffe nutzen. Jede einzelne dieser Pflanzen hat ihre ganze eigene Wirkung auf den Geist. Ihnen gemein ist, dass sie den Darm stärken und die nervliche Verbindung zwischen Darm und Gehirn („Darm-Hirn-Achse“), die immer mehr in den Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen rückt.
Wir wissen heute, dass chronische Darmerkrankungen mit Depressionen einhergehen können – und sie anders herum heilen können, wenn eine defekte Darmschleimhaut heilt. Bitterstoffe sind positiv für Stimmung und Antriebskraft, das ist der Volksheilkunde seit jeher bekannt. Ein gesunder Darm bringt Lebensfreude zurück! Bitterstoffe wirken auch auf die Leber, welche ebenfalls in Verbindung mit unserem Kopf steht. So kennen wir in der Naturheilkunde den „Leberkopfschmerz“, ebenso wie wir wissen, dass das sehr bittere Mutterkraut hilft Migräneanfälle deutlich zu reduzieren.
Die Wegwarte unterstützt auf Körperebene nicht nur einen ausgeglichenen Blutzuckerstoffwechsel, was innere Anspannung und Nervosität nimmt, sie ist auch ein ausgesprochen hilfreiches Kraut zur Entgiftung der Leber. Und dies wiederum nimmt den sogenannten „brain fog“ (Gehirnnebel) und unterstützt dabei, das ewige Gedankenkarussell anzuhalten. Wir sind eben ein Körper-Seele-Geist-System. Jede Ebene steht in Kontakt mit der anderen.
Die Wirkung von Bitterstoffen auf die Seele
Wermut als Bitterkraut wurde zuvor schon erwähnt und soll hier in Bezug auf die Seele noch einmal vorgestellt werden. Sowohl die Bitterkeit als auch das Aroma der ätherischen Öle im Wermut sind derart durchdringend, dass die Pflanze zu einem Symbol für die bitteren Aspekte des Lebens geworden ist.
In einer Welt, in der wir dazu angehalten werden im Außen zu leben und Erfüllung im Konsumverhalten zu finden, in der wir dazu erzogen werden niemals durchblicken zu lassen wie es um unser Innerstes steht, verhilft der Wermut wieder zu Erdung, Besinnung und zur Akzeptanz der Schattenseiten in uns und im Außen. Er erzwingt geradezu eine Präsenz zu entwickeln, die uns ermöglicht uns allen Aspekten des Lebens wertfrei zu öffnen.
Eine andere prominente Bitterpflanze, der Enzian, unterstützt nicht nur auf der körperlichen Verdauungsebene Nahrung zu verarbeiten. Er hat zusätzlich die Eigenschaft, Gefühlseindrücke zu verdauen und zu verarbeiten. Der Volksmund kennt das und benennt es mit Sprüchen wie „Das ist mir auf den Magen geschlagen“ oder „Das kriege ich nicht verdaut“. Die Rede ist hier von emotionalen Ereignissen, die ebenso wie Nahrung verarbeitet, aufgespalten, zerlegt und verdaut werden müssen. Und auch der Hopfen ist ein vielgenutzter Bitterstoff mit Seelenpotenzial: er unterstützt dabei Spannungen im Verhältnis von Aktivität und Ruhe zu lösen, damit sich kreatives Potential und Rhythmus wieder einstellen können.
Bitterkräuter für die Hausapotheke – gern auch selbstgemacht
Nun gibt es eine Vielzahl an Anbietern auf dem Markt, welche Bitterstoffe feilbieten. Die Qualität der einzelnen Produkte sei hier nicht das Thema, vielmehr möchte ich erinnern an das, was schon seit Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten funktioniert.
Die Natur schenkt uns ihre Heilkraft, damit wir in Selbstverantwortung damit etwas Gutes für uns selbst tun. Heimische Kräuter wie Enzian, Wermut, Beifuß, Bibernell, Fenchel, Wacholder, Löwenzahn und Schafgarbe können gesammelt, getrocknet und zu Pulver vermahlen werden. Ebenso ist das Ansetzen einer Tinktur bewährt, im klassischen Rezept als alkoholischer Auszug, oder in der alkoholfreien Variante als Ansatz in Glycerin oder Essig. Die Kräuter können frisch mit etwas der jeweiligen Auszugsflüssigkeit zerkleinert (besser noch: angemörsert) angesetzt werden, werden dann aufgegossen bis alle Pflanzenteile bedeckt sind. Sie stehen anschließend 14 Tage bis 6 Wochen an einem leicht warmen Ort und werden regelmäßig geschüttelt und dann abgeseiht. Bei der Dosierung gilt es auf den eigenen Körper zu hören.
Man kann am Morgen und Abend
einen halben TL Kräuterpulver pur auf die Zunge geben und einspeicheln. Oder vor den Mahlzeiten einige Tropfen in einem kleinen Schluck Wasser einnehmen, den man vor dem Schlucken etwas im Mund behält. Die jeweilige Dosierung hängt auch von der eigenen Konstitution ab. Bei Gallen- und Leberleiden sollte ich gegebenenfalls den Arzt mit ins Boot holen und mit kleinen Gaben anfangen und diese langsam steigern. Bekomme ich in dieser Zeit rechtsseitige Nackenschmerzen ist die Dosis zu reduzieren (der Gallenmeridian endet hier).
Wie bei allen naturheilkundlichen Empfehlungen steht die Eigenverantwortung an erster Stelle, denn sie stellt den wichtigsten Schritt auf dem Weg zu Gesundheit und Heilung dar: recherchieren, informieren, mit Hingabe und Verbundenheit ausprobieren und auf den Körper, die Seele und den Geist hören. So komme ich wieder in meine Kraft und Verbindung mit mir selbst.
26.02.2023
Christine Goerlich
www.naturheilpraxis-wegweise.de
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