Meister Eckhart Mystiker und Theologe (ca. 1260 – 1326)

Torbogen

Meister Eckhart Mystiker torbogenMeister Eckhart Mystiker und Theologe (ca. 1260 – 1326)

Die Mystik duldet zwischen der Seele und Gott keine Fremdheit. die Trennung gilt nur als vorübergehend, die Einheit als wesentlich. Die Seele hat ein Verhältnis zu Gott am höchsten in der erkennenden Vernunft und in dem freien Willen. In diesem doppelten Betrachtet die Mystik Gott als immanenten Besitz der Seele.

Die natürliche Endlichkeit der Vernunft und des Willens oder ihre Verkümmerung durch die Macht der Sünde tritt zurück hinter ihrer wesentlichen und unzerstörbaren Göttlichkeit. Darum gilt für Vernunft und Willen nichts unerreichbar. Auch das Höchste nicht. Die Vernunft durchdringt alle Tiefen der Gottheit. Der Wille durchbricht alle Schranken der Natürlichkeit. Der Mensch selbst vermag Gott  zu werden.

Es liegt im Wesen der mystischen Anschauungsweise, das sie von einem gesteigertem Leben des Gefühls und der Phantasie getragen wird. Und dasselbe erzeugt. Den Mystiker begleitet das beständige  Bewusstsein des Göttlichen, welches ihm und allen Dingen innewohnt.

Der Verstand sondert, setzt Unterschiede und vergleicht. Die Mystik aber dringt auf Einheit. Das Unendliche ist ihr  im Endlichen  schon vorhanden. Schon in der Natur, das, was Wesen hat. Man muss nur die Augen haben, um es zu sehen.

Es kann also kein wahres Sein für sich in Anspruch nehmen. Nur das ewig sich gleich Bleibende, das Allgemeine, das Allumfassende ist in Wahrheit. Alles Übrige hat nur ein scheinbares, unwesentliches Sein. Ihm kommt eigentlich nur ein ewigliches Werden zu, was vielmehr ein Vergehen im Unendlichen bedeutet. Wenn die Sinne nur das Endliche wahrnehmen, der Verstand nur an endlichen Beziehungen der Dinge haftet, so ist also in beiden keine Wahrheit.

Eckhart von Hochheim, bekannt als Meister Eckhart (* um 1260; † vor dem 30. April 1328 in Avignon), war ein bedeutender spätmittelalterlicher Theologe und Philosoph. Er ist in wichtiges Verbindungsglied der westlichen Philosophie zu den östlichen Religionen, weil er ein unpersönliches Gottesbild hat und einen meditativen Erleuchtungsweg lehrt.

Meister Eckhart Mystiker. Gott ist in der Stille zu finden, im Sein, in der Gelassenheit und in der inneren Abgeschiedenheit von den weltlichen Mitmenschen. Wer alle weltlichen Anhaftungen loslässt, kann aus der Liebe Gottes heraus leben. Der Mensch soll sich nicht genügen lassen an einem gedachten Gott. (…) Wer Gott im Sein hat, (…) dem leuchtet er in allen Dingen; denn alle Dinge schmecken ihm nach Gott, und Gottes Bild wird ihm aus allen Dingen sichtbar. (…)

Dazu gehört Eifer und Hingabe und ein genaues Achten auf des Menschen Inneres. (…) Er muss eine innere Einsamkeit lernen, wo und bei wem er auch sei. Er muss lernen, die Dinge zu durchbrechen und seinen Gott darin zu ergreifen. (…) Fürwahr, soll er die Kunst beherrschen, so muss er sich viel und oft in dieser Tätigkeit üben.

Die Sünde ist Gott aufs äußerste zuwider und nichts ist Gott so fremd als sie. aber in dem Ganzen des göttlichen Weltplanes nimmt die Sünde doch auch eine positive Stellung ein. Gott bringt seinen Willen vermittels der Sünde und über die Sünde hinweg zur Wirklichkeit. Gott ist mächtiger als die Sünde und auch die Sünde muss seinen Zwecken dienen. der Mensch greift störend ein in die Wirksamkeit Gottes, sofern seine Absicht eine Böse ist. Gleichwohl wäre es nie zu einer wahren Endlichkeit und zur Mannigfaltigkeit der Seelentätigkeiten gekommen ohne die Sünde. Und diese Mannigfaltigkeit soll doch sein, um in der Einheit aufgehoben werden zu können.

Nicht die ursprüngliche Einheit, sondern die aus dem Bruche wiederhergestellte Einheit ist der wahrhafte Zweck der Schöpfung. Die Sünde ist zunächst des Menschen grösste Unseligkeit. Denn sie versperrt die Wege, auf denen das göttliche Licht in die Seele einstrahlen sollte.

Aber andererseits ist die Sünde auch wieder der Durchgangspunkt für des Menschen grösstes Heil.

Uwe Taschow

10. Februar 2013