Tibetische Medizin, Hintergrund und Geschichte
Tibetische Medizin, auch bekannt als Sowa Rigpa, ist ein jahrhundertealtes traditionelles Heilsystem, das seine Wurzeln in Tibet hat. Sie verbindet die Prinzipien der buddhistischen Philosophie mit der natürlichen Welt, um eine ganzheitliche Herangehensweise an die Gesundheitspflege zu schaffen.
Diese Heilkunst geht davon aus, dass jedes Lebewesen aus den fünf kosmischen Elementen besteht – Erde, Feuer, Wasser, Luft und Raum. Gesundheit wird in diesem System als Ausgewogenheit dieser Elemente im Körper definiert, während Krankheit als Ungleichgewicht oder Störung betrachtet wird.
In der tibetischen Medizin stehen drei “humors” oder “Energien” im Mittelpunkt: Lung (Wind), Tripa (Galle) und Beken (Schleim). Jeder dieser humors ist mit bestimmten Körperfunktionen, Emotionen und Elementen verbunden. Ähnlich wie in der Ayurvedischen Medizin geht man davon aus, dass Krankheiten durch ein Ungleichgewicht der humors entstehen.
Zur Diagnose verwenden tibetische Ärzte eine Kombination aus Beobachtung, Berührung und tiefer Anamnese. Sie betrachten den Zustand der Sinne, die Hautfarbe und die körperliche und geistige Aktivität des Patienten. Insbesondere die Zungen- und Pulsdiagnose spielt eine wichtige Rolle.
Die Behandlungen in der tibetischen Medizin sind vielfältig
und ganz auf den Einzelnen abgestimmt.
Sie reichen von Ernährungsumstellungen, über spezifische Kräutermedizin, bis hin zu Akupunktur und Moxibustion – einem Prozess, bei dem getrocknete Kräuter über bestimmten Punkten auf dem Körper verbrannt werden, um die Heilung zu fördern.
Studien haben gezeigt, dass die tibetische Medizin bei einer Reihe von Gesundheitsproblemen helfen kann, darunter chronische Lebererkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Leukämie. Während sie in der westlichen Welt bisher nicht allgemein anerkannt ist, ist sie eine wichtige Gesundheitsressource in Tibet und anderen Teilen Asiens und gewinnt zunehmend an internationaler Anerkennung.
Es ist wichtig zu beachten, dass die tibetische Medizin, trotz ihres Potenzials, kein Ersatz für die konventionelle medizinische Versorgung ist. Sie sollte als integrative Therapie angesehen und unter der Aufsicht eines qualifizierten Gesundheitsdienstleisters angewandt werden.
Die tibetische Medizin gibt uns eine faszinierende Einsicht in eine andere Weltanschauung, die das Potenzial hat, unser Verständnis von Gesundheit und Krankheit zu erweitern und zu vertiefen.
Unabhängig von den potenziellen medizinischen Vorteilen bietet die tibetische Medizin eine wertvolle Perspektive auf den menschlichen Körper und das Wohlbefinden. In ihrem Kern fördert sie eine tiefgreifende Selbstwahrnehmung und Selbstfürsorge. Sie ermutigt Personen zum bewussten Zuhören des eigenen Körpers und erinnert daran, dass Gesundheit auch geistige und emotionale Aspekte umfasst.
Dieser ganzheitliche Ansatz hat in vielen modernen Gesundheitsparadigmen an Bedeutung gewonnen.
Stille, Reflexion, Konzentration auf die Atmung, Bewegung und Diät sind alle Beispiele für tibetische Praktiken, die sich leicht in den westlichen Alltag integrieren lassen. Diese Disziplinen tragen dazu bei, Stress abzubauen und das Immunsystem zu stärken, indem sie uns ermutigen, uns im Hier und Jetzt zu verankern.
Viele der in der tibetischen Medizin verwendeten Heilkräuter
sind in westlichen Ländern noch weitgehend unbekannt, doch die Wissenschaft beginnt gerade erst, das Potenzial zu erkennen. Einige Studien deuten darauf hin, dass diese Kräuter bei der Kontrolle von Blutdruck, Blutzucker und anderen chronischen Erkrankungen wirksam sein können, aber umfangreichere Forschungen sind notwendig, um diese Behauptungen zu unterstützen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der tibetischen Medizin ist die Betonung von Prävention und Wartung. Plötzliche Krankheitsausbrüche werden eher als späte Symptome einer bereits bestehenden Krankheit gesehen, die durch ein Ungleichgewicht der Lebensstile entsteht. Dementsprechend konzentrieren sich viele tibetische Ärzte darauf, das Wohlbefinden zu erhalten und Krankheiten vorzubeugen, statt sie zu heilen.
Schließlich fordert die tibetische Medizin uns dazu auf, unsere Gesundheit nicht als Selbstverständlichkeit anzusehen, sondern als etwas, das erarbeitet und gepflegt werden muss. Sie mahnt uns, uns Zeit für uns selbst zu nehmen, gut zu essen, gut zu schlafen und ein ausgeglichenes Leben zu führen.
Zusammengefasst kann die tibetische Medizin uns wertvolle Lektionen über Geduld, Achtsamkeit und Respekt für unseren Körper beibringen. Egal, ob Sie eine alternative Art der Heilung suchen oder einfach nur einen gesünderen Lebensstil führen möchten, diese alte Weisheit hat viel zu bieten.
Tibetische Heilkunst und Ernährung
Die Rolle der Ernährung in der tibetischen Medizin ist von grundlegender Bedeutung. Im Gegensatz zu der westlichen Auffassung, die Nahrungsmittel oft nach ihrem Nährstoffgehalt klassifiziert, geht die tibetische Medizin von der Wirkung aus, die bestimmte Nahrungsmittel auf die drei energetischen Prinzipien – Lung (Wind), Tripa (Galle) und Beken (Schleim) – haben.
Jeder Mensch hat eine einzigartige Balance dieser drei Energien, die sein Temperament, seine körperliche Konstitution und seine Anfälligkeit für bestimmte Krankheiten bestimmen. Durch eine bewusste Ernährung, die auf die spezifischen Bedürfnisse der eigenen Energien ausgerichtet ist, können Gesundheit und Wohlbefinden optimiert werden.
Grundsätzlich gilt in der tibetischen Medizin Fleisch als wichtiger Energie- und Wärmelieferant, besonders in den kalten Hochgebirgsregionen Tibets. Jedoch sollte jede Mahlzeit auch eine Vielzahl an Gemüse und Früchten enthalten, um den Körper mit essenziellen Vitaminen und Mineralstoffen zu versorgen.
Ferner wird empfohlen, bestimmte Nahrungsmittel zu bestimmten Jahreszeiten zu essen. Im Winter wird beispielsweise mehr wärmende Nahrung wie Fleisch, Butter und Käse empfohlen, während im Sommer mehr kühlende Nahrung wie Gemüse und Obst vorgezogen wird.
Tibetische Ärzte glauben auch, dass bestimmte Geschmacksrichtungen und Nahrungsmittel die drei Energien positiv beeinflussen können. Süße und saure Lebensmittel etwa können Beken (Schleim) ausgleichen, bittere und scharfe Essenzen dagegen Lung (Wind), während salzige und bittere Speisen Tripa (Galle) in Balance halten.
Die tibetische Ernährungslehre erkennt zudem
die spirituelle Dimension von Nahrung an.
Essen sollte in einer ruhigen und respektvollen Atmosphäre eingenommen werden und der Verbrauch von zu viel Junk-Food oder Alkohol wird als zerstörerisch für die geistige Ruhe angesehen.
Letztendlich betrachtet die tibetische Medizin Ernährung als eine Form von Medizin – ein wesentlicher Bestandteil der täglichen Gesundheitspflege und Krankheitsprävention. In diesem Sinne kann die Kombination aus einer ausgewogenen Ernährung, regelmäßiger Bewegung und geistiger Disziplin zu einer optimalen Gesundheit und einem langlebigen, erfüllten Leben führen.
Ein zentraler Bestandteil der Tibetischen Medizin ist die Verwendung von Kräutern in den Behandlungen. Tibet hat dank seiner geografischen Vielfalt eine große Artenvielfalt an Heilpflanzen und Kräutern zu bieten und viele dieser Ressourcen werden in der Medizin verwendet.
Ein paar Beispiele für Kräuter,
die in der tibetischen Medizin zum Einsatz kommen, sind:
Terminalia chebula (Haritaki): Diese Frucht wird oft als “König der Medizin” bezeichnet und wird zur Behandlung einer Vielzahl von Beschwerden wie Verdauungsstörungen, Herz-Kreislauf-Problemen und Hautkrankheiten eingesetzt. Sie wird auch als Verjüngungsmittel und zur allgemeinen Stärkung des Immunsystems angewandt.
Picrorhiza kurroa (Kutki): Dieses Kraut wird traditionell zur Behandlung von Lebererkrankungen, Gelbsucht und Immunschäden eingesetzt. Es hat auch entzündungshemmende und antioxidative Eigenschaften.
Rhodiola rosea (Goldene Wurzel oder Rosenwurz): Diese blühende Pflanze wächst in den kalten Regionen Tibets und wird zur Verbesserung der Sauerstoffaufnahme, zur Minimierung von Höhenkrankheitssymptomen und zur Unterstützung der mentalen Klarheit und des Gedächtnisses genutzt.
Saussurea lappa (Kostus): Die Wurzel dieses Krautes wird gegen Verdauungsbeschwerden, Atemwegserkrankungen und zur Linderung von Schmerzen verwendet.
Inula racemosa (Pushkarmool): Diese Pflanze wird zur Behandlung von Atemwegserkrankungen, einschließlich Asthma, verwendet. Sie hat auch entzündungshemmende und kardioprotektive Eigenschaften.
Es ist wichtig zu beachten, dass, während viele von diesen Kräutern signifikante gesundheitliche Vorteile haben, sie auch Nebenwirkungen hervorrufen können, besonders wenn sie in großen Mengen oder über einen langen Zeitraum eingenommen werden. Daher sollten sie unter Anleitung eines erfahrenen Therapeuten oder Arztes verwendet werden, der in der tibetischen Medizin ausgebildet ist.
Hinzu kommt, dass in der tibetischen Kräuterheilkunde Kräuter oft in Kombination miteinander und nicht einzeln verwendet werden, da man glaubt, dass sie in einer Mischung effektiver sind. Der genaue Anteil eines jeden Krautes kann je nach der spezifischen Konstitution und den Bedürfnissen des Einzelnen variieren.
Geschichte tibetischer Medizin
Die Geschichte der tibetischen Medizin reicht bis in die Antike zurück. Bereits vor mehr als 2.500 Jahren entwickelten sich im Himalaja-Gebirge erste medizinische Traditionen, welche später von den Tibeterinnen und Tibetern weiterentwickelt wurden.
Im Laufe der Jahrhunderte wurde die tibetische Medizin immer komplexer und umfassender. Dabei spielte auch das Zusammentreffen mit anderen Kulturen eine wichtige Rolle: So flossen etwa Elemente aus dem Ayurveda-System Indiens oder dem chinesischen Daoismus ein.
Ein zentraler Aspekt der tibetischen Heilkunst ist dabei stets geblieben: Die Betonung des Zusammenhangs zwischen körperlichem Wohlbefinden, emotionaler Ausgeglichenheit sowie spiritueller Gesundheit – denn nur so könne man ganzheitliche Genesung erreichen.
Heute erfreut sich die traditionelle tibetische Medizin weltweit großer Beliebtheit – nicht zuletzt wegen ihrer sanften Methoden wie Kräuterheilmitteln, Akupressur oder Yogaübungen zur Stärkung des Immunsystems. Die tibetische Medizin basiert auf der Vorstellung von drei Energien, den sogenannten Doshas: Wind (Lung), Galle (Tripa) und Schleim (Beken). Diese sollen im Körper in einem harmonischen Gleichgewicht stehen. Krankheiten entstehen dann, wenn eines oder mehrere dieser Elemente aus dem Lot geraten.
Um die Balance wiederherzustellen, setzt die tibetische Heilkunst verschiedene Methoden ein. Dazu gehören neben Kräuterheilmitteln auch Ernährungsberatung sowie spezielle Massagen und meditative Übungen wie das Yoga Nidra.
Ein weiteres wichtiges Konzept ist das des „Loong“ – einer Art Energiefluss im Körper ähnlich dem chinesischen Qi. Durch gezielte Atemübungen soll man diesen Fluss regulieren können, um so körperliche Beschwerden zu lindern oder gar zu heilen.
Inzwischen haben sich zahlreiche westliche Schulmedizinerinnen und -mediziner mit der traditionellen tibetischen Medizin auseinandergesetzt – nicht zuletzt wegen ihrer ganzheitlichen Herangehensweise an Gesundheitsprobleme. So wird sie heute oft als Ergänzung zur klassisch-westlichen Behandlung eingesetzt.
Der Mensch als Abbild des Universums innerhalb der tibetischen Medizin
Die tibetische Medizin betrachtet den Menschen als ein Abbild des Universums. Diese faszinierende Sichtweise spiegelt sich in der ganzheitlichen Herangehensweise dieser traditionellen Heilkunst wider.
Gemäß tibetischer Medizin ist das Universum von fünf grundlegenden Elementen geprägt: Erde, Wasser, Feuer, Luft und Raum. Gleichzeitig besteht auch der menschliche Körper aus diesen Elementen. Jedes Element hat eine spezifische Energie oder “Lung” im Tibetischen genannt, die in Harmonie sein muss, um Gesundheit und Wohlbefinden zu gewährleisten.
Der Mensch wird daher als Mikrokosmos angesehen – ein kleines Spiegelbild des Makrokosmos. Ähnlich wie das Universum selbst ist jeder Mensch ein komplexes System mit verschiedenen Energien und Kräften, die miteinander interagieren.
In diesem Zusammenhang spielt die Vorstellung von Yin und Yang eine wichtige Rolle innerhalb der tibetischen Medizin. Yin steht für Ruhe, Dunkelheit und Weiblichkeit; Yang hingegen symbolisiert Aktivität, Helligkeit und Männlichkeit. Das Gleichgewicht zwischen diesen beiden Polaritäten ist entscheidend für unsere körperliche und emotionale Gesundheit.
Ein weiterer Aspekt dieser beeindruckenden Betrachtungsweise liegt in dem Konzept der drei Doshas oder “Nyepa” auf Tibetisch: Wind (rlung), Gallensaft (mkhrispa) und Schleim (badkan). Jeder Mensch hat eine individuelle Zusammensetzung dieser Doshas – sie bestimmen seine physische Veranlagung sowie seine Persönlichkeit und beeinflussen sein Wohlbefinden. Das Ziel der tibetischen Medizin ist es, das Gleichgewicht dieser Doshas zu bewahren oder wiederherzustellen.
Die ganzheitliche Natur der tibetischen Medizin geht über die rein körperlichen Aspekte hinaus. Sie betrachtet auch den Geist als integralen Bestandteil des Heilungsprozesses. In diesem Sinne werden Meditation, Atemübungen und andere geistige Praktiken empfohlen, um eine innere Ausgeglichenheit zu erreichen.
Insgesamt bietet die Sichtweise der tibetischen Medizin auf den Menschen als Abbild des Universums einen faszinierenden Einblick in die Verbindungen zwischen Körper, Geist und Umwelt. Diese Überzeugung betont nicht nur unsere individuelle Verantwortung für unser eigenes Wohlergehen, sondern erinnert uns auch daran, dass wir Teil eines größeren Ganzen sind – einer harmonisch miteinander verbundenen Welt von Energien und Kräften.
20.10.2023
Heike Schonert
HP für Psychotherapie und Dipl.-Ök.
Heike Schonert
Heike Schonert, Heilpraktikerin für Psychotherapie, Diplom- Ökonom. Als Autorin, Journalistin und Gestalterin dieses Magazins gibt sie ihr ganzes Herz und Wissen in diese Aufgabe.
Der große Erfolg des Magazins ist unermüdlicher Antrieb, dazu beizutragen, dieser Erde und all seinen Lebewesen ein lebens- und liebenswertes Umfeld zu bieten, das der Gemeinschaft und der Verbindung aller Lebewesen dient.
Ihr Motto ist: „Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, uns als Ganzheit begreifen und von dem Wunsch erfüllt sind, uns zu heilen und uns zu lieben, wie wir sind, werden wir diese Liebe an andere Menschen weiter geben und mit ihr wachsen.“
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