Trauer, Traurigkeit und Depression

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Trauer, Traurigkeit und Depression – Emotionale Reaktionen und Ausdrucksformen der Trauer

Trauer ist eine komplexe emotionale Reaktion auf signifikante Verluste, verstärkt durch physiologische Reaktionen des Körpers. Abschiede, die eine endgültige oder langanhaltende Trennung implizieren, können intensive Trauer hervorrufen. Diese tritt häufig als Reaktion auf den Tod eines nahestehenden Menschen, den Verlust eines bedeutsamen Lebensabschnitts oder gravierende Lebensveränderungen auf.

Physiologische Manifestationen der Trauer umfassen Weinen, Erschöpfung und Schlafstörungen, begleitet von emotionalen Zuständen wie Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Studien belegen, dass Trauer mit erhöhter physiologischer Erregung korreliert, die den Organismus dazu veranlasst, auf Verlustsituationen zu reagieren.

Es kann durch spezifische mimische Ausdrucksformen identifiziert werden, darunter gesenkte Blicke und „nach unten gerichtete“ Lippen. Aufkommende Trauer lässt sich in Kopf, Nacken, Gesicht, Kehle, Rücken, Schultern, Armen, Magen, Beinen und Augen fühlen und kann an die Grenze von Schmerz gehen.

Trauer kann auch in Form von Erinnerungen z.B. an den Verstorbenen auftreten und ist stark durch die individuelle Auseinandersetzung mit dem Verlust geprägt. Das stärkste Trauergefühl wird durch die Kombination von Trauer (Resignation/Hoffnungslosigkeit) und Verzweiflung (Auflehnung) ausgelöst.

Verlustformen, die Trauer auslösen können, sind z.B. Zurückweisung durch Freunde oder Geliebte, Verlust von Selbstachtung, Verlust an Achtung durch andere, mangelndes Lob, Verlust der Gesundheit, Verlust von Fähigkeiten, Verlust geliebter Gegenstände und Verlust geliebter Menschen. Elementare Verluste führen häufig zu einer langen, traurigen und freudlosen Hintergrundstimmung, die erst zum Ende der Trauerarbeit nach und nach abklingt. Trauer und Verzweiflung lösen gemeinhin Hilfsbereitschaft aus.

Intensive Trauer ist häufig gepaart mit Momenten des Zorns. Freude und Leichtigkeit treten in Phasen intensiver Trauer in der Regel nur in Momenten der Erinnerung oder persönlicher Begegnung auf. Diese Freude ist aber immer nur situativ, jedoch nie eine Allgemeinstimmung.

Traurigkeit und ihre Anzeichen

Traurigkeit ist im Unterschied zur Trauer eine alltägliche Emotion, die durch weniger gravierende Ereignisse ausgelöst wird. Diese Ereignisse umfassen alltägliche Rückschläge, Enttäuschungen oder verpasste Gelegenheiten. Traurigkeit ist temporär und weniger intensiv als Trauer.

Traurigkeit zeigt sich durch leicht abwärts gerichtete Lippen, gesenkte Blicke oder eine mimische Kombination aus Trauer und Überraschung. Die mimischen Ausdrucksformen von Trauer und Traurigkeit sind universell und kulturübergreifend verständlich. Eine Unterscheidung von leichter Traurigkeit und unterdrückter, schwerer Traurigkeit lässt sich oft nicht allein durch den mimischen Ausdruck, sondern durch den Zeitpunkt des Auftretens herstellen.

Zu Beginn eines Gesprächs handelt es sich in der Regel um antizipierte Traurigkeit aus der Vergangenheit. Eine im Verlauf des Gesprächs auftretende Traurigkeit hingegen lässt sich vermutlich auf einen Auslöser im Gespräch zurückführen. Die Reaktionen auf Traurigkeit variieren zwischen Individuen und Kulturen.

Enttäuschung und Bedauern sind häufig mit Traurigkeit verbunden und an spezifische Erwartungshaltungen gekoppelt. Traurigkeit kann ebenfalls durch Verlusterfahrungen, Zurückweisungen oder das Fehlen von Anerkennung ausgelöst werden. Typische Trauerwörter sind z.B. Bestürzung, Enttäuschung, Niedergeschlagenheit, Bedrückung, Depression, Entmutigung, Verzweiflung, Leid, Hilflosigkeit, Elend und Besorgnis.

Traurigkeit wird häufig mit Müdigkeit verwechselt. In beiden Fällen hängen die Oberlider herunter. Allerdings zeigt sich bei Müdigkeit zusätzlich ein häufig unfokussierter Blick, Gähnen oder Kopfzittern. Traurigkeit kann sich auch als Niedergeschlagenheit oder “deprimiert sein” zeigen.

Wechselwirkungen und Unterschiede

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Trauer und Traurigkeit weisen signifikante Unterschiede in Ursachen, Intensitäten und Verläufen auf. Trauer wird durch tiefgreifende Verluste ausgelöst und ist oft langfristig, wohingegen Traurigkeit durch alltägliche Rückschläge hervorgerufen wird und in der Regel temporär ist. Trauer geht häufig mit intensiver physiologischer und emotionaler Belastung einher, während Traurigkeit weniger intensiv und kürzer andauernd ist. Intensive Trauer ist häufig mit Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit verbunden.

Verzweiflung ist hierbei der aktive Umgang mit der Ursache der Emotion, während Trauer passiver und häufig zielloser ist. Trauer und Verzweiflung sind länger anhaltende Emotionen und wechseln sich in ihren Phasen ab (z.B. von resignierter Trauer zu hadernder Verzweiflung). Angst kann ein verwandtes Gefühl von Trauer sein. Es sind emotionale Zustände, die evolutionär betrachtet oft altruistische Reaktionen auslösen.

Trauer, die mit Angst gekoppelt ist, zeigt häufig einen nach außen gerichteten, hilfesuchenden Blick. Das Zeigen von Trauer signalisiert anderen, auf Leid mit Trost und Unterstützung zu reagieren. Diese Reaktionen variieren in Abhängigkeit von Geschlecht, Kulturkreis und individuellem Temperament. Trauer und Verzweiflung signalisieren als Emotionsausdruck den Appell, auf Leid mit Trost und Hilfe zu reagieren.

Die Traurigkeit einer Person animiert in der Regel andere Menschen zu Trost und Hilfe. Typische mimische Anzeichen von Trauer und Verzweiflung sind Aufwärtsneigung der Augenbraueninnenseiten, vertikale Falte zwischen den Brauen, Dreiecksbildung der Oberlider, horizontal verzerrte Lippen, hochgezogene Oberlippe, zitternde Unterlippe, hochgezogene Wangen, nach unten gezogene Mundwinkel und Runzeln zwischen Kinnspitze und Unterlippe. Eine Unterdrückung bzw. Kontrolle mimischer Trauer zeigt sich durch zusammengepresste Lippen. Die Kontrolle von Trauer führt häufig zu übertrieben nach unten gezogenen Mundwinkeln.

Beim Höhepunkt eines Weinkrampfes kann es zu nach unten gezogenen Augenbrauen und leicht nach oben gerichteten Mundwinkeln kommen (Illusion des Lächelns). Verantwortlich hierfür sind die nach oben gezogenen Wangenmuskeln. Das Hufeisenmuster der Stirnpartie entsteht nur, wenn ein Mensch traurig ist. Dieses Muster kann bei anatomischer Besonderheit durchaus isoliert auftreten (partieller Ausdruck).

Der universale Gesichtsausdruck hierfür ist das sogenannte Urschmerzgesicht.

Weinen als evolutionäres Ventil und Kommunikationsmittel

Emotionales Weinen hat eine evolutionäre Bedeutung: Es dient als Ventil für den Umgang mit Gefühlen und als Mittel zur Kommunikation mit anderen. Bereits Babys und Kleinkinder weinen in den ersten beiden Lebensjahren täglich zwischen 30 und 120 Minuten und kommunizieren so mit ihrer Umwelt, beispielsweise als Bitte um Unterstützung.

Ab dem zweiten Lebensjahr ist das Weinen jedoch nicht mehr ausschließlich an unmittelbare Bedürfnisse gekoppelt, sondern kann von den Kindern instrumentalisiert werden. Ab dem 13. Lebensjahr zeigen sich geschlechtsspezifische Unterschiede im Weinen. Untersuchungen zufolge weinen Frauen häufig aufgrund unterdrückter Aggressionen, Männer hingegen aufgrund von Verlusten oder starker Empathie. Allgemein sind Verluste und Abschiede universelle Auslöser von Tränen.

Frauen weinen etwa 30 bis 64 Mal pro Jahr, Männer hingegen nur 6 bis 17 Mal. Die Weindauer beträgt bei Frauen durchschnittlich etwa sechs Minuten, bei Männern zwischen zwei und vier Minuten. Dies könnte auf eine Hemmung durch Testosteron sowie auf Erziehung und kulturelle oder gesellschaftliche Konventionen zurückzuführen sein.

Kulturelle Unterschiede beim Weinen führen zu einer Unterscheidung zwischen öffentlichen und privaten Anlässen. In nördlichen oder westlichen Kulturen gilt Weinen eher als Privatangelegenheit, während es in südlichen Kulturen häufig öffentlich stattfindet. Bei einigen Eingeborenenstämmen war das Weinen beispielsweise ein Begrüßungsritual nach langer Abwesenheit.

Geschichtlich betrachtet galt das Weinen als Ausdruck tiefer Gefühle entweder als wahrhaftig und echt (z.B. in der Antike oder während der Phase des Sturm und Drang) oder als Zeichen von Kontrollverlust und Schwäche (z.B. bei der Idealisierung der Männlichkeit oder der Vernunft). Tränen der Trauer und Verzweiflung galten bei Männern noch bis in die 1970er Jahre als allgemeines Zeichen von Schwäche. Emotionales Weinen ist oft mit intensiven Emotionen wie Trauer, Hilflosigkeit, Verzweiflung, Enttäuschung, Überforderung, Angst, Schmerz, Wut, aber auch mit Freude (Freudentränen), Erleichterung und Mitleid verbunden.

Depression

Normale und adaptive Reaktionen auf Verluste wie Trauer und Traurigkeit müssen von pathologischen Depressionszuständen unterschieden werden, die klinische Intervention erfordern. Emotionale Störungen entstehen, wenn lebensübliche Emotionen dysfunktional werden. Depressionen und ihre Manifestation in den frühen Lebensjahrzehnten sind zu 50-80 % genetisch determiniert. Wesentliche Einflussfaktoren sind jedoch auch soziale Unterstützung, Persönlichkeitsstruktur und allgemeiner Gesundheitszustand.

Junge Menschen mit Angsterkrankungen, wie Panikattacken, haben ein erhöhtes Risiko, später an Depressionen zu erkranken. Scham und Schuld sind häufig mit geringem Selbstwertgefühl assoziiert, was die Anfälligkeit für Depressionen erhöht. Auch schlechter Schlaf gilt als Indikator für Depressionen.

Untersuchungen haben darüber hinaus gezeigt, dass eine überdurchschnittliche Korrelation zwischen Langeweile und Depression bei Menschen mit Schädel-Hirn-Trauma besteht. Dies ist auf ihre beeinträchtigte Fähigkeit zur Selbstregulierung und Verarbeitung von Reizen zurückzuführen.

Krankschreibungen aufgrund psychischer Probleme, darunter Depressionen, Anpassungsstörungen und Burn-Out, haben sich in Deutschland seit 1997 mehr als verdreifacht. Dieser Anstieg kann auf offeneren Umgang der Gesellschaft mit psychischen Erkrankungen, erhöhten Berufs- und Alltagsstress sowie verbesserte Früherkennung zurückgeführt werden. Besonders im öffentlichen Dienst und Gesundheitswesen sind Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen überproportional häufig. Frauen sind häufiger krankgeschrieben als Männer.

Über 20 % der Frauen mit niedrigem Einkommen leiden unter postpartaler Depression, die oft mit emotionaler Labilität, Gefühllosigkeit oder übermäßiger Angst um das Kind einhergeht. Sozial isolierte, alleinerziehende Mütter ohne ausreichende Unterstützung sind hierfür besonders anfällig. Auch Mobbing hat schädliche Auswirkungen, die zu Depressionen führen können.

Klinische Depressionen zeigen keinen spezifischen Gesichtsausdruck, unterscheiden sich jedoch in der Wiederholung und Intensität der Emotionen bei längeren Beobachtungszeiträumen. Depressionen mit dominierender Traurigkeit werden als retardierte Depression bezeichnet, während solche mit dominierender Verzweiflung agitierte Depression genannt werden.

Bipolare Depressionen, früher als manisch-depressive Störungen bekannt, wechseln zwischen depressiven und manischen Phasen. Manische Menschen zeigen gelegentlich Variationen des sozialen Lächelns. Ein falsches oder soziales Lächeln erkennt man daran, dass sich die Mundwinkel (häufig wie ein Strich) zur Seite bewegen und sich die Augenpartie kaum bewegt. Das Phänomen des sozialen Lächelns ist bereits bei Kleinkindern nachweisbar.

24.01.2025
Claus Eckermann
Sprachwissenschaftler und HypnosystemCoach®

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KurzvitaClaus Eckermann
HSC Claus Eckermann FRSA
Claus Eckermann ist ein deutscher Sprachwissenschaftler und HypnosystemCoach®, der u.a. am Departements Sprach- und Literaturwissenschaften der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel und der Theodor-Heuss-Akademie der Friedrich-Naumann-Stiftung unterrichtet hat.
Er ist spezialisiert auf die Analyse von Sprache, Körpersprache, nonverbaler Kommunikation und Emotionen. Indexierte Publikationen in den Katalogen der Universitäten Princeton, Stanford, Harvard und Berkeley.

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