Frankenstein und das Vermächtnis der Kunst der Alchemie – Teil 2
Der Mondschein lässt Burg Frankenstein in klaren Konturen vor Johanna erscheinen. Etwas aufgeregt und wissbegierig betritt sie das Burgareal und hält nach Felix Ausschau. Seit sie hier oben angekommen ist versucht sie fast angestrengt etwas zu hören. Sie hatte Stille erwartet. Und ja – es ist still, denkt Johanna als sie einen Augenblick inne hält. Aber selbst dieser Gedanke erscheint ihr zu laut in ihrem Kopf. Und da ist einfach noch etwas… ein unklares Gemurmel, wie ein schlecht eingestellter Radiosender… Was ist das nur? „Na, fast kannst du sie hören – oder?“ Felix Stimme erreicht ihre Ohren klar und deutlich, um vor ihr auf einer halbhohen Mauer vor dem geschlossenen Restaurant zu landen.
„Da bist ja. Das ist jetzt wirklich schön dich zu sehen! Ich hatte Angst, dass ich mir dich nur eingebildet habe.“ „Nun ja – nur weil Einbildung heutzutage so einen schlechten Ruf hat ist sie in Wahrheit doch eine ausgezeichnete Technik. Der Widersacher gibt sich sehr viel Mühe, um gute Techniken wirkungslos erscheinen zu lassen und sie dennoch im gleichen Augenblick für sich zu nutzen. Es funktioniert tatsächlich nicht schlecht, wie man an dir sieht.“
Johanna versucht seine Worte zu verstehen.
Felix redet weiter: „Wenn der Zweifel deine Wahrnehmung vernebelt, hast du deine Magie bereits verloren und bist ein gefundenes Fressen für die Kräfte der Isolation.“ Noch bevor Felix diese Erläuterung ausgesprochen hatte, hatten sich die selben Worte in Johannas Mund gelegt. Er hatte ihre eigenen Gedanken laut ausgesprochen.
„Siehst du Johanna, unsere Erinnerungsportale sind weitaus stärker!“ jetzt grinst Felix sie an und Johanna sieht in seinem Grinsen wieder die vielen Gesichter, aber diesmal wird ihr nicht schwindlig und übel, sondern die Konturen der Gesichter erscheinen klarer und sie sieht viel mehr Gesichter als vorher.
Johanna: „Wer sind sie? Die Stimmen und die Gesichter?“ Felix: „Es sind deine Freunde und Mitarbeiter – sie sind deine Familie.“
Johannas Aufmerksamkeit beginnt ihr eigenes Rückenmark entlang zu gleiten. Flüchtig erinnert sie sich an den Blick der Schlange empfindet aber diesmal keinen Schmerz, sondern fühlt sich relativ gelassen.
„Sie freuen sich auf dich. Wir hatten deine Erinnerung eigentlich bereits vor 7 Jahren erwartet. Und wir hatten alle Angst, dass etwas schief gegangen ist und du es nicht schaffst dich zu erinnern. Die Kräfte der Widersacher sind um ein Vielfaches stärker als wir damals voraussehen konnten. Alle freuen sich über dich.“
Felix winkt Johanna mit einem seiner Flügel ihr zu folgen.
„Beginnen wir mit Training. Es dauert zu lange, wenn ich dir alles erzählen muss. Du musst es selber erinnern, sonst hat der Zweifel immer einen Weg deinem Bewusstsein zu folgen.“
Als Felix an einem der Burgtürme ankommt fliegt er vor Johanna die Stufen hinauf. Josef lässt sich mit einem lauten Seufzen vor dem Eingang des Burgturms nieder und scheint Wache zu halten, denkt Johanna, während sie die Stufen des Turms erklimmt. Oben in der Turmspitze blicken ihr nicht nur Felix sondern auch die Augen einer jungen Falkendame in die Augen. Sie scheint zu Lächeln und da ist es wieder… Johanna sackt augenblicklich vor Schwindel und Übelkeit in sich zusammen.
Im wiedererlangten Bewusstsein beobachtet Johanna Felix Augen. Er beginnt Ornamente mit seinem Blick auf die Turm Wand zu projizieren. Sie erkennt einen Kreis, ein Quadrat und zart leuchtende Linien eines menschlichen Körpers. Es erinnert sie an ein bekanntes Bild von Leonardo Da Vinci…
„Komm her Johanna. Keine Angst der Schwindel und die Übelkeit werden bald vergehen. Ich habe dir diese junge Falkendame mitgebracht. Sie wird dein Seelenvogel werden. Ebenso wie der Uhu für mich.“ Johanna blickt ihn zweifelnd an: „Du bist gar keine Eule? Ich dachte du bist eine Eule, die sprechen kann?“
Felix: „Ja und nein. Wie gesagt, du wirst gleich alles besser verstehen, wenn du mit deinem Seelenvogel wieder verbunden bist.“ Johanna: „Was kann dieser Vogel?“
Felix fährt fort: „Nun ja, um in deiner Sprache zu sprechen…
Stell dir vor du bist ein alter langsamer Computer. Ein Computer der ersten Generation. Riesengroß, langsam und verglichen mit dem heutigen Stand der Wissenschaft sehr funktionseingeschränkt. Die Falkendame ist dem gegenüber ein hochpotentes Mobiltelefon. Sie hat mehr Speicherkapazität, eine rasante Schnelligkeit und verfügt über zahlreiche Funktionen der Kommunikation, die sich der alte Computer nicht mal erträumen kann. Wenn ihr miteinander vernetzt seid, teilt ihr wieder alle Informationen und auch der Computer kann auf älteste Dokumente und Fotos zurückgreifen, die in dem Mobiltelefon gespeichert sind. Es ist wie eine software-update.“
Jetzt grinst Johanna. „Das kann ich verstehen. Danke. Aber müssen wir sie nicht vielleicht erst mal um ihr Einverständnis bitten?“
Felix seufzt tief und ersichtlich genervt: „Du hast Recht. Ohne Einverständnis geht es nicht. Ich versichere dir, sie ist freiwillig hier und wir beide warten vor allen auf dein Einverständnis!!! Weißt du wir haben nämlich nicht viel Zeit. Wieso kannst du nicht einfach offenen Herzens und neugierig sein?“
Diese Frage berührt Johannas Innerstes wie ein elektrischer Schlag.
Immer war sie etwas pampig, stellte alles in Frage. Es gab ihr das Gefühl autark und wichtig zu sein. Es zerfiel aber anschließend immer gleich wieder in eine Unzufriedenheit und öde Sinnlosigkeit ihrer Person und der ganzen Welt. Zustimmend nickt Johanna in Felix Richtung ohne seinen scharfen Blick zu erwidern.
„Stell dich hier in das Ornament und halte deine Beine und Arme vorerst dicht an deinem Körper. Genau. Prima so.“ Die Falkendame setzt sich in das kleine geöffnete Fenster genau gegenüber von Johanna.
Suche ihren Blick und lass ihn nicht los. Schlüpfe hinein mit deinem Geist in ihre Augen wie eine Schlange und nimm Platz in ihrem Rückenmark. Ja – gut so. Und nun schließe deine Augen und öffne die Winkel deiner Beine und Arme bis du ein deutliches Einrasten fühlst. Ich helfe dir dabei.“
Johanna fühlt sich wie in einem Fahrstuhl und folgt Felix Anweisungen.
„Fühlst du deine Hände?“ Johanna: „Ja, klar.“ Felix: „Gut dann lass deine Arme an Ort und Stelle, aber greife mit deinen Händen den 8. Hirnnerv des Vogels, als wäre es dein Fahrradlenker.“ Was um alles in der Welt ist der achte Hirnnerv?
Johanna schiebt die in ihr aufsteigende Unsicherheit zurück und schließt ihre Hände. Es fühlt sich an als hätte sie mit nassen Händen in ein Stromkabel gegriffen. Sie hört dennoch Felix Stimme: „Es ist der Hör- und Gleichgewichtsnerv… Ihr werdet eure Gedanken hören können und ihr müsst ein gemeinsames Gleichgewicht finden. Jetzt neige deinen Kopf etwas nach vorn, als würdest du mit deinem Kopf in dem Kopf des Vogels stecken…, wie in einer Maske… Sie fliegt jetzt los, wenn du ihre Stimme wahrnimmst, kannst du deine Augen in ihrem Körper öffnen. Los jetzt! Ich wünsch euch eine gute Reise!“
Eine unendliche Geborgenheit erfüllt Johannas Gefühle und Gedanken.
Getragen und losgelöst zugleich vernimmt sie eine sanfte Stimme in ihrem eigenen Kopf. „Hallo Johanna – schön das du endlich da bist – ich bin Ria.“ „Hallo Ria – ich weiß nicht was ich sagen soll… das ist ein atemberaubendes Gefühl.“ Ria: „Na, dann öffne doch mal deine Augen meine Liebe.“
Unter ihnen schimmerten die Baumkronen im hellen Mondlicht und die Konturen der Burgmauern von Frankenstein. Ria erhöht ihr Flugtempo und schießt wie Pfeil in den Nachthimmel hinein. „Ist das die Milchstraße?“ Ria antwortet nicht. Sie lässt ihre Gedanken still durch beide hindurchgleiten, so dass Johannas Frage sich während ihrer Fragestellung direkt in eine Art Erlebnisbericht umwandelt.
Felix benötigt die Daten unserer gemeinsamen Ausrichtung in Bezug auf die Milchstraße in einem Tempo von 300 kmh. Er wird uns ein Portal zwischen den Burg-Türmen öffnen.
Johanna: „Ich will gar nicht wissen, wie hoch wir gerade sind.“ Ria: „Das ändert sich auch gleich.“ Ria hatte kaum fertig gedacht… da dreht sie ihren kleinen flexiblen Körper um gefühlte 180° und lässt sich zunächst wie ein Stein Richtung Boden fallen, um als gleich das Tempo im Sturzflug auch noch zu beschleunigen.
Johanna erahnt die Burg als winzig kleinen Fleck unter sich und sieht einen immer näherkommenden leuchtenden Kreis. „Das ist unser Portal. Es ist genau zwischen Turmspitzen.“ Im vollen Tempo schlägt Ria einen Winkel von 45° ein und saust mit Johanna mitten durch das Portal.
„Ja mir geht es gut.“ Beantwortet Johanna Rias Frage. „Ich fühle mich wie ausgespuckt.“ Ria kichert und Johanna freut sich über die Leichtigkeit miteinander zu lachen können. „Aber wo sind wir?“ „Wir befinden uns in einer anderen Zeitzone… es muss sich um die Tage der letzten Konferenz handeln kurz bevor ihr die Burg gebaut habt. Schau da vorne sind sie… Sie dürfen uns aber sehen, sonst verlieren wir den Kontakt.
Felix erklärte gerade laut und deutlich:
„Der Meteoriteneinschlag hat eine große verdichtende Wucht. Er hat ein lineares Zeitfenster erschaffen, das die Verbindung des Zyklus zwischen den Seelen massiv stören wird und auch ernsthaft schädigen kann.
Wir können ihn nicht einholen aber das Wissen in der Burg bewahren und kongruent zumindest materialisieren. Das ist unser Plan. Wenn wir in drei Tagen mit dem Bau der Burg beginnen, müssen wir sie etwa 900 Jahre vor der Eröffnung bereits irgendwo materialisiert haben.
In dieser Zeit müssen sich alle Mitarbeiter in einer für sie passenden Form in die Zeitgeschichte einbringen und Untersuchungen vornehmen. Ihr müsst euch symbolisch sichtbar machen. Wir benötigen alle Informationen, um die Burg so sicher wie möglich wieder zu öffnen.
Ein Zwischenruf aus der Menge: „Was wird uns dort begegnen?“
Felix antwortet: „Wir wissen es nicht genau. Aber die hohe Metallkonzentration des Meteoriten wird ihre Spuren hinterlassen. Wichtigste Kommunikations- und Heilungswege werden wohl völlig in Vergessenheit geraten sein oder die Menschen haben sogar Angst davor. Die Kräfte der Isolation werden den Menschen das Vertrauen untereinander verlieren lassen. So dass sie ihre Verzweiflung und Wut gegen Tiere, Kinder, Ihresgleichen und die Natur richten werden. Man kann es sich kaum vorstellen und wir müssen sehr vorsichtig sein. Wir dürfen nicht auffallen und müssen uns ab dem Moment unseres Erscheinens ebenso mit diesen Kräften auseinandersetzen, wenn wir nicht mit unserem Seelentier verbunden sind.“
„Und – gefällt er dir, Johanna?“ „Meinst du den Redner? Ist es…?“ – „Ja, es ist Felix.“ beendet Ria ihren gemeinsamen Gedanken und plusterte amüsiert ihr Federkleid.
Johanna gefiel dieses Gefühl. Es war sehr viel netter, als vor jemandem rot zu werden… Ja, sie hatte es sich eben gefragt: ob der schöne Mann wohl Felix sein könnte, weil seine Stimme ihr so vertraut schien.
„Und schau dort. Das bist du – in Form deines alten Wesens.“
Erschreckt über Rias Direktheit blickt Johanna nun neugierig zu der jungen schönen Frau neben Felix. Es fühlt sich eigenartig an für Johanna… Wer ist sie und wird bin ich? Sie ist ja nicht meine Mutter und ich lebe doch jetzt in einer völlig anderen Zeit… Johannas Gedanken wirbeln wild durcheinander während ihre Knie weich werden…
„Hoppla junge Frau“ protestiert Ria in ihren Gedankenfluss hinein „Wer wird denn gleich vom Ast fallen…? Hör ihr jetzt bitte aufmerksam zu, deswegen wir hier. Wir können später alle deine Fragen klären… O.K.?“ Johanna nickt mit Rias Kopf, die sich sofort schüttelt und anschließend wieder ihr Gefieder plustert.
Magisch gebannt starrt Johanna auf die Frau neben Felix und hört deutlich seine Worte: „ Johanna wird sich mit dem Wissen ins Labor der Burg – in die Manifeste der Materie hineinbegeben. Ich traue ihr das zu, wie keinem anderen von uns und die, die sie kennen werden bestätigen, was ich meine.“
Ein Raunen geht durch Menge.
Die Frau neben Felix schiebt sich in den Vordergrund. Johanna versucht, alles von ihr aufzusaugen, was nur geht. Sie wirkt mutig und freundlich und erhebt die Stimme: „Liebe Freunde, schwere Zeiten stehen uns bevor und wir müssen versuchen das Wissen der universellen Verbundenheit zu bewahren. Burg Frankenstein wird uns das ermöglichen im Jahre 1212. Ihr alle kennt und liebt das Reisen mit euren Seelenwesen.
Ob nun Vögel, Fledermäuse, Wölfe, Pferde oder Hunde und Katzen… Ob nun Büffel, Wildschweine, Elefanten, Giraffen oder Einhörner und Drachen… Ihr alle wisst, wie es sich anfühlt Dimensionen des Lebens miteinander zu teilen. Ihr wisst, wie wichtig euch das ist! Eine Welt ohne auch nur die geringste Ahnung voneinander zu haben – scheint mir die schlimmste Aussicht meiner zukünftigen Lebendigkeit zu sein.
Wie sollten wir leben – ohne miteinander zu leben?
Wer wünscht sich ein Leben, das an allen anderen vorbei geht?“ Die Johannas schütteln sich zeitgleich. „Ich fände es gruselig und nicht wünschenswert. Es wären Narben, die immer sichtbar in uns blieben, weil sie nie wirklich verheilen würden, weil wir einander so lieben und schätzen gelernt haben… oder etwa nicht?! “
Das Raunen in der Menge wird lauter.
„Hallo Ria? Seid Ihr da?“ ertönt eine zarte Stimme in dem gemeinsamen Gedankengang von Ria und Johanna. „Ja, Ruana – wir sind hier! Wir sehen euch und wir hören euch. Felix und Johanna haben es geschafft!!!“
Eine Explosion von intensiven Gefühlen… erfüllt augenblicklich Johannas Rückenmark, als würden tausende von Schmetterlingen in ihr aufsteigen und jeder kleinste Flügelschlag und all ihre Gedanken würden sich mit ihren eigenen verweben…
„Wow! Was ist das denn?“ fragt Johanna, aber ihre Frage verschwimmt mit dem unglaublichen Gefühl eines riesigen Wissenspools.
30.06.2024
Mit einem kleinen Gruß aus der Seelenküche
Kim Fohlenstein
Heilpraktikerin und Lehrerin bei heil+kunst
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Kim Fohlenstein
widmete sich nach dem Studium der Diplom-Pädagogik und Philosophie der Naturheilkunde und eröffnete 2002 als Heilpraktikerin ihre erste Praxis in der sie mit den Schwerpunkten Cranio-Sacrale Osteopathie, Homöopathie und systemischer Aufstellungsarbeit ihre Arbeit begann, die sich heute zur Ahnenmedizin entwickelt hat. 2005 eröffnete sie gemeinsam mit Felicitas Quelle die Heilpraktikerschule heil+kunst in Darmstadt. Dank ihrer unerschütterlichen Wissbegier ist sie während ihrer Arbeit immer Themen auf der Spur geblieben, die sie nicht losließen. So wie das Thema der archaischen Wunden und ihrer Heilweisen oder das Phänomen der Zeit als Schlüssel für eine ganzheitliche Medizin. Dafür hat Kim zwei Kartensets entwickelt, die unter dem Motto „Lernen – berühren – heilen“ erschienen sind und Ahnenmedizin mit Seelenhomöopathie verbinden.
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