Wahrhaftigkeit oder Authentizität – Begriffe des Zeitgeistes

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Wahrhaftigkeit oder Authentizität caroline-hernandez-5BKUtjC7O6A-unsplashWahrhaftigkeit oder Authentizität – Begriffe des Zeitgeistes

Wahrhaftigkeit oder Authentizität liest man immer öfter. Alles scheint sich nach Echtheit zu sehnen in einer Welt, in der alles online vorgespielt werden kann. Schönheit, Witz, Stärke, Intellekt. Wer bist du und wie viele?

Die Definitionen aus Wikipedia lesen sich wie folgt:

Wahrhaftigkeit ist eine Denkhaltung, die das Streben nach Wahrheit beinhaltet. Wahrhaftigkeit ist keine Eigenschaft von Aussagen, sondern bringt das Verhältnis eines Menschen zur Wahrheit oder Falschheit von Aussagen zum Ausdruck. Die Wahrhaftigkeit kann falsche Aussagen nur durch einen Irrtum hervorbringen. Zur Wahrhaftigkeit gehört die Bereitschaft für wahr Gehaltenes zu überprüfen.

Authentizität bedeutet Echtheit im Sinne von „als Original befunden“. Das Adjektiv zu Authentizität heißt authentisch.

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Die Begriffe sind nicht klar abgrenzbar, vielleicht so viel wie sich authentisch leben bedeutet sich selber verstehen, ernst und wichtig nehmen, gewissermaßen sein eigenes Original leben und so auch sein Strahlen zum Ausdruck bringen. Die Wahrhaftigkeit steht in engem Zusammenhang mit der Ehrlichkeit, Verlässlichkeit und der Glaubwürdigkeit einer Person. Seine Werte wahrhaft leben.

Ich war letztens auf einem Schreibkurs und unser Thema war die Wahrhaftigkeit oder besser, die Wahrhaftigkeit im Schreiben. Und die Aufgabe, wahrhaftig über ein Lebensereignis zu schreiben, dass uns berührt hat oder einen Meilenstein in unserem Leben bedeutet hat, hat mich vor große Herausforderungen gestellt.

Nicht etwa, weil ich nicht genug erlebt hätte oder weil ich nicht die ganze Palette der menschlichen Gefühle liebe und lebe, sondern weil ich mich damit auseinander gesetzt habe, wann man wirklich wahrhaftig ist oder eben wahrhaftig schreibt. Und beides scheint mir ganz nah bei einander.

Mut und Tiefe

Wahrhaftigkeit hat für mich persönlich mit Tiefe zu tun. Mutig in die eigene Tiefe abzutauchen, sich selbst auszuhalten, das Licht und den Schatten. Und wenn du dich kennst, dann auch anderen diesen Raum zu öffnen.

Als Menschen haben wir das Potential zu großem und doch zieht es uns immer wieder zum Kleinen, Bequemen, Widerstandslosen hin. Tiefe ist das Gegenteil von Oberflächlichkeit und hier findet der meiste zwischenmenschliche Austausch statt.

Letztens im Yogastudio fragte mich jemand wie es mir geht, war dann aber eigentlich schon auf dem Sprung und erwartete gar keine Antwort von mir. Aber wozu dann der belanglose Austausch? Lieber unterhalte ich mich nur mit einer Person pro Tag, aber dafür erfahre ich auch etwas und öffne mich dafür, etwas zu lernen, als das ich Small-Talk mache, der mich nur aufhält. Und warum machen wir es überhaupt? Ganz einfach, weil es gesellschaftlich anerkannt ist, während es als unhöflich gewertet wird, wenn man nicht fragt.

Ich sehe das genau anders. Ich empfinde es als unhöflich, jemandem die Lebenszeit zu stehlen, wenn ich nichts zu sagen habe oder eigentlich kein Interesse am Gegenüber habe.

Verletzlichkeit

Wahrhaftigkeit macht uns glaubwürdig und verletzlich. Wir öffnen einen Teil von uns, der andere berührt, vielleicht auch verletzt und im Gegenzug können wir auch verletzt werden. Je nachdem, wie persönlich wir Dinge nehmen oder inwiefern wir die Perspektive verändern können. Der Blick von oben gelingt nicht immer, hilft gleichzeitig aber immer Zusammenhänge anders zu bewerten.

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Und hierbei ist auch gut zu erinnern: 95% der Dinge, die andere zu dir sagen oder dir „antun“ haben nichts mit einem selbst zu tun! Es ist lediglich Ausdruck ihrer eigenen Welt, des Erlebten und der Erfahrungen. Weißt du, was sie an diesem Tag schon erlebt haben? Wessen schlechter Laune sie ausgesetzt waren, welchem Stress im Außen oder welche Anforderungen an ihnen ziehen? Also, lass los, nimm nicht alles persönlich und dich selbst nicht zu wichtig, aber achte gleichzeitig auf dich.

Präsenz

Wahrhaftig sind wir vor allem, wenn wir präsent sein können, mit uns und mit anderen. Präsenz hat etwas mit Energie zu tun und ganz wichtig, damit, sich selber zu kennen und auch zu wissen, was deins ist und was nicht.

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Präsenz bedeutet die Verantwortung für die eigene Energie zu übernehmen, die wir in einen Raum oder eine Situation bringen. Wenn es uns nicht gut geht, ist es unsere Verantwortung das zu ändern, durch gute Musik, ein kleines Gedicht, einen lieben Anruf, einen Spaziergang, einen warmen Kaffee, was auch immer dir hilft. Kümmere dich um dich und lasse die schlechte Laune nicht an anderen aus, in der Erwartung, dass einer fragt wie es dir geht.

Wenn du in die Bewertung rutscht verlierst du den liebevollen Blick von oben, du machst dich kleiner oder größer, nimmst es aber nicht an, wie es ist. Wahrhaftig wäre es in so einem Fall zu schauen, was es mit Dir macht, welches Gefühl oder welche Gedanken es auslöst und dann im nächsten Schritt, woher du das schon in deinem Leben kennst. Also quasi den Ursprung zu finden und es sich an dieser Stelle bewusst zu machen, statt alles ins Außen zu projizieren, denn darin ist der Mensch Weltmeister.

Verbundenheit

Wahrhaftigkeit verbindet uns mit unserer Essenz und etwas Höherem, wie auch immer du das für dich beschreibst; ein Gott, eine Energie, ein Bewusstsein, das Universum. Eine Form der Höheren Ordnung, die wir nicht immer verstehen können, oft nicht sehen, fast nie wahrhaben wollen und die doch da ist.

Wahrhaftig schreiben bedeutet dann für mich so viel wie den Gedanken freien Lauf lassen, sich zu öffnen für kosmisches Bewusstsein und die Essenzen quasi zu channeln und zu übersetzen. Das kennen alle Künstler, egal ob Musiker, Maler, Autoren und sogar Wissenschaftler. Channeln klingt immer so esoterisch, meint aber letztendlich nur, sich leer zu machen, Abstand zu nehmen, von den sich immer wiederholenden Gedanken im Kopf. Zulassen statt bestimmen. Verbundenheit hat damit zu tun, auch mal die Kontrolle abgeben zu können.

Denn mal ehrlich, was ist denn heutzutage schon ganz neu auf dieser Welt? Die meisten Dinge und Ideen wurden schon gedacht, gesagt oder aufgeschrieben. Und trotzdem hat jeder Mensch und jede Zeitqualität ihre Besonderheiten, diesen Ausdruck zu verleihen. Es muss nicht neu sein, damit es Menschen erreicht. Wenn wir aus dieser inneren Anbindung agieren, wirken, präsent sind, dann sind wir wahrhaftig.

Reise nach innen

Wahrhaftigkeit oder Authentizität ist eine Suche nach Wahrheit und Wissen. Wissen, wer du bist, was du kannst und wozu du hergekommen bist. Wahrheit gibt es so nicht, denn für jeden ist etwas anderes wahr, letztendlich dass, woran er glaubt.

Und ein Zitat, das wohl oft fälschlicherweise Albert Einstein zugeschrieben wird, was ich nicht beurteilen kann, aber an dieser Stelle gerne teilen möchte:
“Jeder ist ein Genie! Aber wenn du einen Fisch danach beurteilst, ob er auf einen Baum klettern kann, wird er sein ganzes Leben glauben, dass er dumm ist.”

Für Wahrhaftigkeit können wir nur mal ins Tierreich schauen, denn hier würde kein Elefant so tun als wäre er eine Maus. Jeder folgt seiner Bestimmung und ist damit wahrhaftig, einfach angebunden an etwas Höheres. In der Parabel vom Adler, der als Huhn großgezogen wird, bis er sich in einem Teich gespiegelt selbst wahrnimmt, wird jedoch schon sehr viel klarer, womit wir Menschen es zu tun haben.

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Nach den überlebenswichtigen Kindheitsjahren der Konditionierung und Nachahmung geht es zurück zum Anfang, die eigene Wahrhaftigkeit zu finden, seine eigene Stimme zu kultivieren und sich die Mühe zu machen, die Welt auch mal durch verschiedene Brillen zu sehen. Das ist der Weg der Wahrhaftigkeit. Ist es einfach? Nein. Ist es möglich? Ja. Und aus meiner Sicht sehr nötig in dieser Zeit, in der wir leben.

Wahrheit und Wahrhaftigkeit

Zusammenfassend könnte man sagen, dass die Wahrheit etwas nicht Greifbares ist, während die Wahrhaftigkeit eine Form der Aktivität darstellt, um genau diese Wahrheit zu suchen.

Authentisch oder wahrhaftig werden wir, wenn wir leben, wie Rainer Maria Rilke es so schön formuliert (aus Briefe an einen jungen Dichter):

Und es handelt sich darum, alles zu leben. Leben Sie jetzt die Fragen. Vielleicht leben Sie dann allmählich, ohne es zu merken, eines fernen Tages in die Antwort hinein.

In diesem Sinne, lebe wahrhaftig authentisch.

Sei du selbst. Denn alle anderen sind schon vergeben!Oscar Wilde

24.05.2021
Tanja Sirbu
www.tanjasirbu.com

Bilder-Dank an:
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Alle Beiträge der Autorin auf Spirit Online

tanja-sirbuTanja Sirbu
Der Weg der Sehnsucht nach Mehr fordert sie seit nunmehr 15 Jahren heraus, Neues zu wagen, bequeme Sicherheiten in Frage zu stellen und neugierig zu bleiben für ihren ganz eigenen Flow. Belohnt wurde sie mit Wachstum, Liebe zu sich selbst und Lebendigkeit durch ein fließendes ja zum Leben statt dem häufig gehörten chronischen Nein.
In Ihrer Arbeit als Dozentin, Autorin und Life Coach verbindet sie Disziplinen wie Intellekt, Logik und dem Interesse für Neurobiologie mit der Herzensseite des Fühlens, Spürens, der Spiritualität, Körperbewusstsein (Yoga, Thai Massage) und Energiearbeiten, Theta Healing und Chakren Yoga.
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