Vom Schein zum Sein – Die Welt ist nicht wie sie zu sein scheint
Die Welt ist nicht wie sie zu sein scheint. Vom Schein zum Sein. Dass uns die physischen Sinne lediglich einen Ausschnitt der Wirklichkeit präsentieren, der nicht annähernd an die Totalität des großen Ganzen heranzureichen vermag, sollte mittlerweile weitgehend bekannt sein.
Die formlose Form – Vom Schein zum Sein
Wenn wir wissenschaftlichen Fakten eine hohe Aussagekraft und Verlässlichkeit zuschreiben, dann sollten wir diese betrachten: Materie besteht zu 99,9 % aus leerem Raum! Wenn man das Ausmaß des Raumes zwischen den Atomen mit der Größe eines Atoms in Relation setzt, dann liegt das Größenverhältnis ungefähr bei 99,999999 (Leere) zu 0,000001 (Form) – das gilt ebenso für den Raum innerhalb eines Atoms, wenn man ihn mit der Abmessung des Atomkerns vergleicht. Wir begutachten hier keine esoterische Hypothese, sondern eine belastbare Erkenntnis der Physik. Die Essenz der Form ist also das Formlose. Die Buddhisten wissen das schon seit über 2.500 Jahren. Ihre historischen Schriften bringen es auf den Punkt: „Form ist Leere.“
Wenn wir so tief wie möglich in die Materie vordringen, um ihre Essenz zu erfassen, finden wir nie etwas Solides und Greifbares, das sich lokalisieren ließe. Ist es angesichts dieser Tatsachen nicht vollkommen offensichtlich, dass materialistische Wertvorstellungen zum Scheitern verurteilt sind? Denn nichts hat wirkliche Substanz.
Streng betrachtet hat sogar nichts wirkliche Existenz, denn das Wort „existieren“ bedeutet so viel wie „hervorstehen“ oder „herausragen“, verweist also auf Materie, die sich wiederum als illusionär entlarvt, wenn wir tiefer blicken.
Warum alles und nichts gleichbedeutend sind
Auch das Wort „Nichts“ geht mit Assoziationen einher, aus denen fehlerhafte Schlussfolgerungen resultieren. Wahrscheinlich ist kein anderes Wort der menschlichen Sprache derart schwerwiegend missverstanden worden. Ist Ihnen aufgefallen, dass sich das englische Wort für „Nichts“ – Nothing – aus zwei Begriffen zusammensetzt? No thing! Übersetzt: Kein Ding, kein Objekt. Das Wort „Nichts“ verneint also lediglich die Materie! „Du bist nichts!“ klingt furchtbar lebensverneinend und abschreckend, nicht wahr? Das liegt allein an den tief verankerten Assoziationen, die auf einem ursprünglichen Irrtum beruhen. Es bedeutet aber doch letztlich nichts anderes als: „Du bist kein Ding, keine Materie, du bist undefinierbar.“ Das gilt auch für die furchteinflößende Aussage: „Du bist niemand!“ Auch hier ist es hilfreich, in die englische Sprache überzuwechseln, die Anatomie des Wortes und die Übersetzung zu betrachten: Nobody – No body – kein Körper! „Du bist niemand!“ ist keine Beleidigung, sondern die befreiende Feststellung: „Du bist kein Körper!“ Selbstverständlich möchte das Ego lieber jemand sein, „some body“, ein bestimmter Körper, ein separates Individuum, das von den sogenannten „anderen“ getrennt ist und somit die Chance erhält, eine Hierarchie zu kreieren und sich ihnen überzuordnen.
Wie oben ausgeführt erweist sich Materie unter genauer Betrachtung als immateriell, d. h. jedes Objekt ist letztendlich ein Ausdruck des vermeintlichen Nichts – „everything (every thing) is nothing (no thing)“: Jedes „Ding“ ist nicht wirklich ein Ding im konventionellen Sinne. Oder um eine besonders kompromisslose Übersetzung zu wählen: Alles ist nichts.
Die Begriffe „Nichts“ und „Niemand“ entfernen alle Einschränkungen und legen schließlich das frei, was wahrlich unermesslich und seiner Natur nach zutiefst friedvoll ist: Das formlose Gewahrsein, unser wahres Selbst.
Keine Widersprüche – nur verschiedene Perspektiven
Alle Formen kommen und gehen. Aber dabei handelt es sich nur um die Oberfläche des Lebens, nicht um das wirkliche Leben, das in der unergründlichen Tiefe liegt. Vom Schein zum Sein.
Das einzig Beständige ist die Unbeständigkeit – so lautet sinngemäß eine Schlussfolgerung des legendären Wissenschaftlers Charles Darwin. Auch das ist richtig, ebenso wie die Aussage: Veränderung ist eine Illusion. Man muss hier zwischen der relativen und absoluten Betrachtungsebene differenzieren, um zu registrieren, dass es sich nicht um einen Widerspruch handelt. Als Analogie möge eine unermessliche Leinwand dienen, auf der zahlreiche verschiedene Bilder erscheinen. Darwin bezog sich auf die Bilder auf der Leinwand, die selbstverständlich vergehen und durch nachfolgende Erscheinungen ersetzt werden. Die andere Betrachtungsweise, die von vielen spirituellen Lehrern bevorzugt wird, bezieht sich allerdings auf die Leinwand, welche sich niemals verändert, weil sie völlig eigenschaftslos und somit das Absolute ist, welches dem Relativen vorausgeht. Die Bilder repräsentieren die Formen und die Leinwand das Formlose, das allem zugrunde liegt. Das Bild ist eine vorübergehende Ausdrucksform dessen, was wir sind. Die Leinwand ist das, was wir essentiell sind.
Nichts verschwindet je – Vom Schein zum Sein
Wenn auf der Wasseroberfläche eines Ozeans eine Welle entsteht und schließlich wieder verschwindet, bleibt ihre Essenz während dieses gesamten Prozesses und darüber hinaus erhalten – das Wasser löst sich bekanntlich nicht auf, wenn es die Wellenform verliert.
Wenn ein physischer Körper stirbt und verwest, bis nur noch Staub übrig bleibt, ist die Energie, die ihn einst ausgemacht hat, nicht verschwunden. Sie hat nur einen anderen Zustand angenommen. Jeder Zustand geht vorüber und wird von einem nachfolgenden abgelöst, aber das Sein, welches alle Zustände annimmt, ist ein anfangsloses Kontinuum und als solches ewig.
Worte sind niemals wahr – aber sie können auf das Wahre hinweisen
Weil Siddhartha Gautama (Buddha) und Jesus von Nazareth die Menschheit in verschiedenen Zeitepochen bereicherten und in unterschiedlichen Kulturen lebten, bedienten sie sich der jeweiligen Sprache, um ihre Mitmenschen an ihren tiefen Erkenntnissen teilhaben zu lassen. So kam es zu den Differenzen innerhalb des Mediums der Sprache. Buddha nannte es „Leerheit“, Jesus sprach vom „Himmelreich“. Doch der Begriff „Himmel“ ist in diesem Zusammenhang eigentlich kein direkter Verweis auf die Erdatmosphäre, sondern sollte bestenfalls als Analogie für die unermessliche Weite des Formlosen verstanden werden. Buddhas „Leere“ und Jesu „Himmel“ sind zwei verschiedene Worte für dieselbe Wirklichkeit! Diese beiden Weisheitslehrer wollten uns jeweils auf die eine formlose Quelle hinweisen, die auf tiefster Ebene der Betrachtung mit unserem eigenen Bewusstsein identisch ist („Der Vater und ich sind eins“ / „Atman ist Brahman“ etc.). Aufgrund dessen haben indische Lehrer wie Ramana Maharshi es bevorzugt „das Selbst“ genannt. Weil wir uns aber häufig ausschließlich auf die Unterschiede in der Wortwahl fokussieren und vergessen, dass alle Worte nur Wegweiser sind, erkennen wir nicht die Gemeinsamkeiten aller Religionen und diskutieren leidenschaftlich darüber, welche die „ultimative“ Lehre ist, obwohl uns alle Lehren gemeinsam auf das eigentliche Ultimative, das jenseits der Sprache liegt, hinzuweisen versuchen – als würde man eine Ortschaft übersehen, weil man vor dem Ortsschild stehen bleibt.
„Der Finger, der zum Mond zeigt, ist nicht der Mond!“ Das sollten wir niemals vergessen!
Außerdem lässt sich ein gewisser Missbrauch der Religionen nicht leugnen, der den Zugang zu diesen erheblich erschwert. Insbesondere die Lehre Jesu unterlag unzähligen Übersetzungsfehlern, Fehlinterpretationen, Hinzufügungen und gezielten Verfälschungen. Was in den heutigen Kirchen in der Regel dargeboten wird, hat mit seiner ursprünglichen Lehre höchstwahrscheinlich wenig bis gar nichts mehr zu tun.
Und am Ende steht die Liebe – Vom Schein zum Sein
Die traditionelle Interpretation von Himmel und Hölle unterliegt einem verheerenden Missverständnis. Der Himmel und die Hölle sind keine Orte, sondern Bewusstseinszustände. Es handelt sich um natürliche Folgewirkungen des eigenen Denkens, Sprechens und Handelns. Somit erschafft sich jeder seinen eigenen Himmel und seine eigene Hölle – und zwar auch schon hier auf der physischen Ebene. Die Hölle als jenseitiger Ort der Strafe ist eine menschliche Erfindung. Strafen kommen nur unter uns auf der Erde vor, denn sie entspringen den Grenzen des menschlichen Verstandes, der nichts anderes kennt als Polarität und Dualität.
Während der darauf konditionierte Verstand die Richtlinie des „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ mit geschickten Argumenten als einzig umsetzbare „Philosophie“ zu rechtfertigen versucht, fordert uns die Liebe sanft dazu auf, die andere Wange hinzuhalten, um den Kreislauf der Gewalt im Keim zu ersticken. Der Hass fordert Bestrafung und Vergeltung, wahre Liebe hingegen verzeiht ausnahms- und bedingungslos.
Die Liebe ist die einzige praktisch anwendbare Religion. Sie ist der natürliche Zustand des Bewusstseins, wenn es sich selbst in allen „anderen“ erkennt – die Erkenntnis der Einheit in einer Welt der scheinbaren Vielfalt. Vom Schein zum Sein!
Simon Bartholomé
28.02.2018
Simon Bartholomé,
verspürte schließlich das intensive Bedürfnis, die Tiefe des Lebens zu erforschen und gab sich diesem Impuls vollständig hin – was sich als die beste Entscheidung erwies, die er jemals getroffen habt.
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