Erfolg verstehen – Warum uns Kapitalismus und Selbstoptimierung innerlich aushöhlen

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Erfolg verstehen – Warum uns Kapitalismus und Selbstoptimierung innerlich aushöhlen

Dieser Essay zeigt, warum das heutige Erfolgsverständnis weniger mit Erfüllung als mit ökonomischer Verwertungslogik zu tun hat. Erfolg wird als Leistung, Produktivität und Selbstoptimierung verkauft – und dabei seiner menschlichen und spirituellen Dimension beraubt. Wer Erfolg verstehen will, muss diese Logik durchschauen.

Erfolg ist im Kapitalismus kein Maß für inneres Gelingen, sondern für Verwertbarkeit. Was wir Erfolg nennen, ist oft nur Anpassung an ein System, das den Menschen permanent überfordert – und Selbstoptimierung als Tugend verkauft.

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Erfolg ist kein neutrales Ideal – er ist ein ökonomisches Narrativ

Wir reden über Erfolg, als hätte er etwas mit persönlicher Erfüllung zu tun. In Wahrheit ist unser modernes Erfolgsverständnis tief im Kapitalismus verankert. Erfolg bedeutet heute: produktiv sein, sichtbar sein, verwertbar sein. Wer still wird, zweifelt oder innehält, gilt schnell als leistungsschwach.

Erfolg ist kein innerer Maßstab mehr, sondern ein Abgleich mit Marktlogiken.
Du bist erfolgreich, wenn du funktionierst.
Du bist wertvoll, wenn du lieferst.
Du bist anerkannt, wenn du wächst.

Das Problem: Der Mensch wächst nicht linear.
Das Leben folgt keinem Businessplan.

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Selbstoptimierung: Die freundlichste Form der Selbstentfremdung

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Die moderne Gesellschaft zwingt kaum noch von außen. Sie funktioniert subtiler. Sie flüstert: Du könntest noch besser sein.
Mehr Fokus. Mehr Disziplin. Mehr Effizienz. Mehr Erfolg.

Selbstoptimierung klingt freiwillig – ist aber häufig internalisierter Leistungsdruck. Der Mensch wird zum Projekt, zum Start-up seiner selbst. Ruhe wird verdächtig. Krise wird pathologisiert. Scheitern gilt als persönliches Versagen.

Das Narrativ lautet:

Wenn du nicht erfolgreich bist, hast du dich nicht genug angestrengt.

Das ist nicht motivierend – es ist entwürdigend.

Erfolg als Anpassungsprüfung

Viele sogenannte Erfolgsgeschichten erzählen in Wirklichkeit nur eines: Anpassung. Anpassung an Tempo, Erwartungen, Normen, Bewertungsmaßstäbe. Wer dieses Spiel nicht mitspielt, fällt durchs Raster – unabhängig von Tiefe, Charakter oder Bewusstsein.

Erfolg ist damit zur Konformitätsprüfung geworden.
Nicht: Wer bist du?
Sondern: Wie gut passt du ins System?

Das erklärt, warum so viele äußerlich Erfolgreiche innerlich orientierungslos sind. Sie haben funktioniert – aber sich selbst dabei verloren.

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Die spirituelle Leerstelle im Erfolgsdiskurs

Spiritualität stellt eine Frage, die das System nicht beantworten kann:

Wozu?

Wozu dieser Erfolg?
Wozu dieses Tempo?
Wozu dieses permanente Mehr?

Ein Leben kann perfekt optimiert sein – und innerlich verhungert.
Erfolg ohne Sinn ist keine Leistung, sondern Verschwendung von Lebensenergie.

Spirituell betrachtet ist Erfolg nicht das Ergebnis von Kontrolle, sondern von Kohärenz: dem Einklang von Denken, Fühlen und Handeln. Wo dieser Einklang fehlt, wird Erfolg hohl – egal, wie spektakulär er aussieht.

Persönliche Stimme: Warum ich diesem Erfolgsbegriff nicht mehr folge

Ich traue dem gängigen Erfolgsbegriff nicht mehr. Nicht aus Verweigerung, sondern aus Beobachtung. Zu viele Menschen verlieren sich an Ziele, die ihnen nie wirklich gehörten. Zu viele funktionieren – und nennen es Leben.

Mich interessiert ein anderer Maßstab:
Kann ein Mensch bei sich bleiben?
Kann er Nein sagen?
Kann er langsamer werden, ohne Angst zu bekommen?
Kann er scheitern, ohne sich selbst zu verachten?

Das sind keine Schwächen. Das sind Zeichen innerer Reife.

Ein radikal anderes Verständnis von Erfolg

Erfolg ist nicht, ständig mehr zu erreichen.
Erfolg ist, sich selbst nicht zu verraten.

Erfolg ist, wenn Entscheidungen nicht aus Angst entstehen.
Erfolg ist, wenn Arbeit nicht gegen das Leben arbeitet.
Erfolg ist, wenn ein Mensch nicht perfekt ist – aber präsent.

Das lässt sich nicht skalieren. Nicht messen. Nicht vermarkten.
Und genau deshalb ist es so wertvoll.

Warum dieses Erfolgsverständnis politisch ist

Ein Mensch, der innerlich bei sich ist, lässt sich schwer instrumentalisieren. Er braucht weniger Ersatzbefriedigung, weniger Statussymbole, weniger Ideologien. Deshalb ist innere Klarheit kein Privatthema – sie ist eine stille Form des Widerstands.

Ein System, das von Unruhe lebt, fördert keinen inneren Frieden.
Ein Markt, der Wachstum braucht, duldet kein Genug.

Schluss: Erfolg neu denken heißt, Mensch neu denken

Vielleicht ist das die eigentliche Provokation:
Erfolg nicht länger als Ziel zu betrachten, sondern als Nebeneffekt eines stimmigen Lebens. Nicht als Beweis, sondern als Folge von Wahrhaftigkeit.

Der Kapitalismus braucht erfolgreiche Menschen.
Das Leben braucht wache.

Und vielleicht beginnt wahrer Erfolg genau dort,
wo ein Mensch den Mut hat, nicht mehr alles mitzumachen.

07.11.2025

Uwe Taschow

Alle Beiträge des Autors auf Spirit Online

Uwe Taschow Was bedeutet uns Erfolg Uwe Taschow

Als Autor denke ich über das Leben nach. Eigene Geschichten sagen mir wer ich bin, aber auch wer ich sein kann. Ich ringe dem Leben Erkenntnisse ab um zu gestalten, Wahrheiten zu erkennen für die es sich lohnt zu schreiben.
Das ist einer der Gründe warum ich als Mitherausgeber des online Magazins Spirit Online arbeite.

“Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.”
Albert Einstein

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