Altwerden und Tod ist nichts für Feiglinge
Altwerden und Tod ist nichts für Feiglinge. In dieser Woche soll das Thema Altwerden und Sterben im Fokus stehen. Wenn wir nicht durch einen Unfall oder eine Krankheit in jungen Jahren sterben, gehören Älterwerden und schließlich der Tod zu den unvermeidlichen Schwellenparcours unseres Lebens.
Altwerden ist nichts für Feiglinge sagte Joachim Fuchsberger, und er hat Recht. Im Spätherbst und schließlich im Winter kommt der Moment, wo der Prozess einsetzt, dass Stück für Stück eine Fähigkeit, die wir für selbstverständlich hielten oder auf die wir stolz waren, unser Leben verlässt. Wenn man nicht verzweifeln will und doch bewusst ist, ist es sehr wichtig diesen Prozess mit offenen Augen zu durchschreiten.
Wie sieht der Endpunkt in Deinem Leben aus?
Wir wissen durchaus, was wir machen von euch zumuten, wenn wir Dich bitten, diesbezüglich einen Blick auf Dein Leben zu werfen. So viel ist sicher, die letzte Schwelle, die des Todes, hast Du noch nicht überschritten, sonst würdest Du gerade nicht lesen. Aber ganz sicher hast Du, eine wie auch immer geartete Haltung dem Tod gegenüber.
- Wie kannst Du Dich gedanklich auf das Thema einlassen?
- Hast Du Deinem Leben schon ein Endpunkt in Deiner Fantasie gesetzt?
- Endet Dein Beruf irgendwann?
- Und wie geht dann das Leben weiter?
- Welche Bedeutung hat die Liebe?
- Welche die Macht?
Vielleicht spürst Du einmal hin, wie es Dir geht, wenn Du die Gewissheit an Dich heran lässt, dass auch Dein Leben endet! Vielleicht schreibst Du ein paar Stichworte dazu auf und lässt Dich dann durch die folgenden Sätze und Deine Gedanken inspirieren.
Der Schriftsteller Carlos Castaneda lässt den Zauberer Don Juan erzählen, dass uns der Tod vom Beginn unseres Lebens an immer begleitet, auf unserer linken Schulter sitzend. Er ist der letzte von vier besonderen Feinden – die drei anderen sind Angst, Wissen und Macht. Alle drei kann man besiegen.
Der Tod ist der Feind, mit dem wir ein Leben lang kämpfen müssen, mit der sicheren Gewissheit, ihm irgendwann zu unterliegen. Meistens findet der Tod am Ende eines Prozesses statt, den man als Altwerden bezeichnen kann. Dieses Altwerden ist eine der fundamentalen Lebensschwellen, der das Älterwerden vorausgeht.
Altwerden und Sterben – Das Leben als Abschied auf dem Weg zum Tod.
In unserem Buch Lebensschwellen schildern wir eine ganze Reihe von Menschen, die auf eindrucksvolle Art und Weise bewusst diesen schweren Weg gegangen sind.
Bei Paaren ist es fast immer so, dass mal der eine, mal der andere, oft aber eben auch nur der eine, schneller altert als der andere. Der gesunde Part empört sich oft, wenn der Partner am Beginn seiner Demenz unkonzentriert antwortet und er muss oft schmerzvoll lernen, dass das kein Affront gegen ihn ist.
Er muss verstehen, dass jetzt die Zeit kommt, in der er seinen Partner Stück für Stück verabschieden muss. Manchmal ist es so, dass nach Jahren aufopferungsvoller Pflege der Partner sogar in ein Pflegeheim gegeben werden muss, was bei dem Zurückbleibenden heftige Gefühle von Schuld und Versagen auslösen kann.
Je mehr sich das Leben zurückzieht, desto mehr ändert sich natürlich auch das Selbstbild oder es bleibt wie es war und wird dann lächerlich. Ein häufiges Beispiel ist der ältere Mann, der wie ein Jüngling beispielsweise mit der zwanzigjährigen Kassiererin im Supermarkt flirtet. Oft müssen auch Frauen anhand heftiger Zurückweisung jüngerer Männer lernen, dass die Zeit ihrer Blüte vorüber ist. Gerade der Identitätswandel vom Erwachsenen zum alten Menschen stellt eine besonders wichtige Lebensschwelle dar, die wir in unserem Buch ausführlich behandeln.
Der Endpunkt des Älterwerdens ist immer der Tod.
Neben der Geburt stellt der Tod die zweite Lebensschwelle dar, die ausnahmslos alle Menschen zu 100% bewältigen. Wenn der Tod nicht plötzlich kommt, sondern absehbar wird, zum Beispiel durch eine Krebserkrankung, müssen wir uns wohl oder übel mit ihn auseinandersetzen, uns auf ihn vorbereiten und im besten Fall mit ihm Frieden schließen. Wenn man häufig erlebt hat, wie Menschen sterben, dann weiß man, dass jene am leichtesten gehen, die den Tod nicht verdrängt haben, sondern sich intensiv mit ihm auseinandergesetzt haben.
Zu guter Letzt bitten wir Dich noch, darüber zu meditieren, was Deine Vision von Deinem eigenen Tod ist. Lasse Dir Deine innere Sterbeszene vor Deinem inneren Auge erscheinen. Frage Dich, mit wem von Deinen Hinterbliebenen Du noch etwas zu klären hast. Hast Du Deinem Partner, Deiner Partnerin wirklich Deine Liebe gestanden, vielleicht auch Deiner Kollegin? Wessen Verzeihung würde Dir den Tod erleichtern? Und vielleicht ist diese Versöhnung die letzte und möglicherweise die wesentlichste Schwelle unseres Lebens. Sehr hilfreich ist es auch, das Szenario der eigenen Beerdigung zu durchlaufen.
Hierzu bieten wir im Buch Lebensschwellen eine Reihe sehr tiefer Übungen an. Wir können nur jedem raten, sich mit dem eigenen Tod und jenem der Menschen, die man liebt, mutig und offenen Auges auseinanderzusetzen und wünschen allen Hinterbliebenen, dass die Verstorbenen liebevoll genug waren, eine Patientenverfügung zu hinterlassen und auch ihr Erbe eindeutig zu ordnen.
Es sei noch ein Aspekt des Todes erwähnt, der zurzeit oft übersehen wird:
Jede Schwelle, gerade der Verlust eines lieben Menschen, braucht zur Bewältigung kommunikative Räume. Wir haben schon erwähnt, wie leidvoll es ist, wenn jemand stirbt, ohne dass man sich verabschieden kann. Das trifft auch auf die Phase nach dem Tod zu.Nachdem wir Dich nun auf den verschiedenen Ebenen entlang der relevanten Schwellen von der Zeugung bis zum Tod begleitet haben, dürften die roten Fäden, deren Zusammenspiel Dein Narrativ prägt, sichtbar geworden sein.
21.02.2020
Wolfgang Krahé
Heinz-Jürgen Weigt
Mehr unter: www.bridge-into-life.de
Buchtipp:
Lebensschwellen
Wie Sie Umbrüche in Ihrem Leben erkennen, meistern und daran wachsen
von Wolfgang Krahé und Hans Jürgen Weigt
Dieses Buch möchte Ihnen die Angst nehmen und soll eine lebendige und ermutigende, zuweilen auch humorvolle Hilfestellung bieten, wenn die Wellen des Lebens gerade vielleicht höher schlagen als sonst.
Über die Autoren:
Dipl.-Ing. Heinz-Jürgen Weigt war nach seinem Studium der Ingenieurswissenschaften in verschiedenen Aufgaben im Management tätig. Als Führungskraft war es ihm schon früh ein Anliegen ökonomische und humanitäre Interessen ins Gleichgewicht zu bringen. In seinem heutigen Tätigkeitsbereich bei Bridge into life, als Coach, Trainer und Unternehmensberater ist seine Leitmotivation: Führung ist eine Sonderform von Begegnung.
Dr. med., Dipl.-Psych. Wolfgang Krahé ist Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, sowie Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Gemeinsam mit seiner Frau Katja betreibt er eine psychiatrisch, psychotherapeutische Praxis. Gemeinsam mit Heinz-Jürgen Weigt erarbeitete er die Organisationpsychotherapie, und gemeinsam betreiben sie Bridge into life PartG, ein interdisziplinäres Beratungsunternehmen.
Danke für den Artikel zu dem wichtigen Thema, dass in unserer Gesellschaft zu wenig Beachtung bekommt, obwohl es uns alle betrifft.
Wichtig finde ich den Hinweis, in der Auseinandersetzung mit dem Sterben zu hinterfragen, ob es mit anderen Menschen noch etwas zu klären und zu besprechen gibt.
Obwohl, das sollte man eigentlich schon lange vorher tun.
Und auch sich fragen, gibt es mit einem anderen, alten Menschen (wie vielleicht der Mutter) noch etwas zu sprechen (oder etwas zu fragen).