Wissenschaft und Nahtoderfahrungen: Aktuelle Forschung und Erkenntnisse

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Wissenschaft und Nahtod  mann gesicht himmel nahtod skyWissenschaft und Nahtoderfahrungen: Aktuelle Forschung und Erkenntnisse – Nahtod eine Wissenschaft des Rätselhaften

Leseprobe aus dem Buch Nahtod. Grenzerfahrungen zwischen den Welten
von Dr. Bruce Greyson

Inhaltsverzeichnis

Ich hatte es noch nie mit jemandem zu tun gehabt, der nur ein halbes Gesicht besaß. Sechs Monate nach Abschluss meiner Facharztausbildung zum Psychiater wurde Henry in mein Krankenhaus eingeliefert. Wenn ich ihn in seinem Krankenhausbett liegen sah, fiel es mir anfangs schwer, nicht auf seine rechte Gesichtshälfte zu starren, wo ein Kiefer und eine Wange hätten sein sollen. Die plastischen Chirurgen hatten bemerkenswerte Arbeit geleistet, indem sie Körpergewebe aus seinem Bauch zusammensetzten, um die Wunden in seinem Gesicht zu schließen, aber trotzdem fiel es mir schwer, gelassen zu bleiben, wenn ich ihn anschaute. Er sprach langsam und undeutlich und bewegte dabei nur die linke Seite seines Mundes. Aber so unangenehm mir das alles auch war, er wirkte überhaupt nicht verlegen und machte auch nicht den Eindruck, dass er ungern mit mir sprach. Vielmehr wirkte er ganz ruhig und gelassen, als er mir erzählte, was passiert war, nachdem er sich selbst erschossen hatte.

Henry, damals um die vierzig, war das jüngste Kind einer armen Bauernfamilie gewesen. Seine älteren Geschwister waren alle von der Familienfarm weggezogen, nachdem sie geheiratet hatten, aber Henry zog nie von zu Hause weg, obwohl auch er heiratete. Als er dreiundzwanzig war, erlitt sein Vater einen Herzinfarkt, während er und Henry sich auf der Jagd befanden. Henry schaffte es, seinen Vater zurück auf die Farm zu tragen, aber nur um ihn dort in seinen Armen sterben zu sehen. Anschließend übernahm seine Mutter die Verantwortung für die Verwaltung der Farm. Ein paar Jahre später verließ Henrys Frau ihn und die Farm und nahm ihre Kinder mit, um bei ihren Eltern in der Stadt zu leben.

Zehn Monate bevor er sich erschoss, bekam Henrys Mutter eine Lungenentzündung.

Er fuhr sie ins Krankenhaus, und sie wurde stationär aufgenommen. Sie bat ihn, bei ihr zu bleiben, aber er fuhr in dieser Nacht nach Hause, um sich um die Hühner zu kümmern. Als er am nächsten Morgen wiederkam, war sie nicht mehr bei Bewusstsein. Sie starb wenige Stunden später.

Henry war am Boden zerstört und begann stark zu trinken. Er wurde von Schuldgefühlen geplagt, weil er seine Mutter allein im Krankenhaus zurückgelassen hatte. Und nachts träumte er, dass sie noch am Leben war. Er brachte es nicht über sich, ihre persönlichen Dinge zu berühren, und ließ das Haus genau so, wie sie es verlassen hatte. Wenn er trank, wurde er noch verzweifelter und murmelte immer wieder vor sich hin: »Dies ist einfach nicht mehr mein Zuhause.« Nach mehreren Monaten der Depression und nachdem er einen ganzen Morgen lang getrunken hatte, ging er schließlich zu dem Friedhof, auf dem seine Eltern begraben waren, und nahm sein Jagdgewehr mit.

Nachdem er ein paar Stunden am Grab gesessen und sich Gespräche mit seinen Eltern vorgestellt hatte, beschloss er, es sei an der Zeit, sich ihnen anzuschließen. Er legte sich auf das Grab und platzierte seinen Kopf dort, wo er die Brust seiner Mutter vermutete. Dann klemmte er sich das Kleinkaliber-Jagdgewehr zwischen die Beine, richtete den Lauf auf sein Kinn und drückte mit dem Daumen auf den Abzug. Die Kugel schoss durch die rechte Seite seines Gesichts und hinterließ eine Splitterspur in seiner Wange und Schläfe, aber glücklicherweise verfehlte die Kugel sein Gehirn.
Ich versuchte, meine Stimme ruhig zu halten und möglichst nicht auf seine vernähte Wange zu starren, als ich ihn
interviewte. »Das klingt ziemlich schmerzhaft«, begann ich. »Ich kann mir nur vorstellen, was Ihnen durch den Kopf gegangen sein muss. Wie war das für Sie?«
Die linke Seite von Henrys Gesicht verzog sich zu einem halben Lächeln. »Kaum hatte ich den Abzug gedrückt«, sagte er, »verschwand alles um mich herum: die sanften Hügel, die Berge dahinter, alles verschwand.«

Er sah zu mir auf, und ich nickte und fragte: »Und was dann?«

»Ich fand mich auf einer üppigen Wiese mit Wildblumen wieder. Dort begrüßten mich meine Mama und mein Papa mit offenen Armen. Ich hörte, wie Mama zu Papa sagte: ›Hier kommt Henry.‹ Sie wirkte so glücklich, mich zu sehen. Aber dann sah sie mich direkt an, und ihr Gesichtsausdruck veränderte sich. Sie schüttelte den Kopf und sagte: ›O Henry, jetzt schau, was du getan hast!‹«

Henry machte eine Pause, schaute auf seine Hände und schluckte. Ich wartete einen Moment und sagte dann: »Das muss schwer für Sie gewesen sein. Wie hat sich das angefühlt?« Er zuckte nur die Achseln und schüttelte den Kopf, dann holte er tief Luft. »Das war’s«, sagte er. »Dann war ich wieder auf dem Friedhof, und sie waren weg. Ich spürte die warme Blutlache unter meinem Kopf und dachte, ich sollte besser Hilfe bekommen. Ich wollte mich zu meinem Transporter schleppen, aber bevor ich dort ankam, sah mich ein Totengräber und kam zu mir gerannt. Er wickelte mir ein Stück Stoff um den Kopf und fuhr mich ins Krankenhaus.« Er zuckte erneut die Achseln. »Und hier bin ich.«

»Das ist eine große Erfahrung«, sagte ich. »Hatten Sie Ihre Eltern nach ihrem Tod schon einmal gesehen?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Aber es fühlte sich gut an, sie dort zusammen zu sehen.«
»Es hört sich so an, als hätten Sie zumindest kurz nach dem Schuss einen kurzen Blackout gehabt. Denken Sie, die Begegnung mit Ihren Eltern könnte ein Traum gewesen sein?«
Henry schürzte die Lippen und schüttelte den Kopf. »Das war kein Traum«, sagte er. »Mama und Papa zu treffen war genau so real, wie Ihnen hier zu begegnen.«

An den Punkt musste ich innehalten und versuchen, mir einen Reim auf das zu machen, was er sagte.

Henry leuchtete dies alles absolut ein. Er sah seine Eltern, weil sie ihn im Himmel willkommen hießen. Aber aus meiner wissenschaftlichen Weltsicht konnte so etwas nicht real sein. Ich ging die Möglichkeiten in meinem Kopf durch. War Henry psychotisch? War er so betrunken gewesen, dass er halluzinierte? Hatte er so lange auf dem Grab seiner Eltern gesessen, dass er im Alkoholentzug war und ins Delirium tremens geriet? War diese Vision seiner Eltern nur ein Teil seines Trauerprozesses?

Ich konnte keinen Beweis dafür liefern, dass Henry verrückt war. Zu diesem Zeitpunkt – ein paar Tage nach seiner Einlieferung ins Krankenhaus – sprach er ganz ruhig, und sein Verhalten hatte nichts Seltsames an sich. Seit er im Krankenhaus lag, waren bei ihm keine körperlichen Anzeichen für Alkoholentzug zu beobachten. Und zu meiner Überraschung schien er überhaupt nicht traurig zu sein.

»Als Sie den Abzug drückten, was haben Sie sich davon erhofft?«, fragte ich Henry.
»Ich wollte einfach nicht mehr leben«, sagte er, ohne zu zögern. »Es war mir egal, was passierte. Ich hatte einfach genug und konnte ohne Mama nicht weitermachen.«
»Und jetzt? Wie denken Sie jetzt darüber, dass Sie alles beenden wollten?«
»Jetzt denke ich überhaupt nicht mehr an all das«, sagte er.
»Meine Mutter fehlt mir immer noch, aber jetzt bin ich froh, dass ich weiß, wo sie ist.«

In meiner kurzen Zeit als Psychiater in der Ausbildung hatte ich noch nie jemanden gesehen, der einen Suizidversuch überlebt hatte und anschließend so zuversichtlich war wie Henry. Er sagte, er schäme sich für diesen Versuch, sei aber dankbar für seine Vision. Und er wollte unbedingt mit anderen Patienten sprechen, um ihnen zu versichern, wie wertvoll und heilig das Leben ist. Was auch immer dazu geführt hatte, dass er seine Eltern sah, diese Vision half ihm eindeutig, mit seiner Trauer fertigzuwerden.

Dies war, noch einige Jahre bevor der Begriff neardeath experience in die englische Sprache eingeführt wurde, und der einzige Bezugsrahmen, den ich hatte, um Henrys Erfahrung zu verstehen, war der einer Halluzination, einer imaginären Wiedervereinigung mit seinen verstorbenen Eltern. Ich betrachtete sein Erlebnis als einen psychologischen Abwehrmechanismus und nichts weiter.

Das Ganze geschah, nur ein paar Monate nachdem Holly mir erzählt hatte, dass sie den Fleck auf meiner Krawatte sehen konnte, und ich versuchte immer noch, diesen Vorfall zu verstehen.

Aber Henrys Erfahrung fühlte sich für mich ganz anders an als die von Holly. Sie behauptete, Dinge gesehen und gehört zu haben, die weit weg von ihrem bewusstlosen Körper geschahen, aber immer noch in der normalen physischen Welt. Sie sprach nicht davon, Geister gesehen oder gehört zu haben.

Henry hingegen behauptete, die Geister seiner verstorbenen Eltern gesehen und gehört zu haben. Doch der größte Unterschied war, dass ich Henrys Vision von einem objektiv wissenschaftlichen Standpunkt aus betrachten konnte. Holly hingegen hatte mich persönlich in ihre Vision gezogen und aus dem Gleichgewicht gebracht, wann immer ich versuchte, darüber nachzudenken, und vergeblich nach Erklärungen suchte.

Ich konnte Henrys Vision als psychologischen Abwehrmechanismus bezeichnen. Aber wie hätte ich ihn davon überzeugen sollen, dass sein Erlebnis nicht real war? Ich wusste, wenn ich ihm sagte, dass er sich das Ganze nur einbilde, würde ich jede Beziehung, die mich als sein Arzt mit ihm verband, aufs Spiel setzen. Ich sah auch, wie hilfreich diese Vision für ihn war und wie wichtig es war, seine Suizidgedanken zu zerstreuen. Ich betrachtete seine Vision als eine Halluzination, die sein Unterbewusstsein hervorgerufen hatte, um mit dem Tod seiner Mutter fertigzuwerden. Ich war der Ansicht, dass ich Henry als sein Arzt am meisten helfen konnte, indem ich den Wert seiner Vision stärkte, statt anzuzweifeln, was ihm einen Grund zum Leben gab.

Meine Botschaft an ihn war geradlinig: »Es hört sich an, als hätten Sie eine sehr kraftvolle Erfahrung gemacht, die Ihrem Leben einen neuen Sinn gab. Schauen wir uns an, was dies für Sie bedeutet und wohin Sie von hier aus gehen.« Ich hatte die Absicht, zusammen mit Henry die symbolische Bedeutung seiner Vision als ein Weg zu erforschen, um sich psychologisch wieder mit seiner verstorbenen Mutter zu vereinen, aber für ihn war der Besuch bei seinen Eltern etwas Konkretes und kein Symbol für irgendetwas. Mir kam damals überhaupt nicht in den Sinn, dass er diesen Besuch einfach deshalb als real betrachtete, weil er real Nichts aus meiner Vorgeschichte oder meiner Ausbildung bis zu diesem Zeitpunkt legte nahe, dass Henry seine Eltern wirklich hatte sehen können. Ich war von einem Chemiker erzogen worden, dessen Wahrnehmung der Wirklichkeit vom Periodensystem der Elemente definiert wurde.

Mein Vater war tagsüber Chemiker und abends … nun, da war er auch Chemiker.

Im Keller eines jeden Hauses, in dem wir während meiner Kindheit wohnten, richtete er sich ein Chemielabor ein. An zweiter Stelle, gleich nach seiner Leidenschaft für die Wissenschaft, stand seine Freude, sie mit anderen zu teilen. Noch während ich in Huntington, New York, die Grundschule besuchte, brachte er mir bei, wie man einen Bunsenbrenner, eine Balkenwaage, eine Zentrifuge, einen Magnetmischer, einen Messzylinder sowie Erlenmeyer- und Rundkolben richtig bedient.

Viele der Experimente meines Vaters betrafen Teflon in der Anfangszeit, nachdem es zufällig von einem Wissenschaftler bei DuPont entdeckt worden war. Mein Vater arbeitete bei einem kleinen Chemieunternehmen, das Dinge aus Teflon herstellte, etwa Kabelisolierungen und Raketentreibstoffzellen. Der Hauptvorteil von Teflon gegenüber anderen Beschichtungen bestand darin, dass seine Oberfläche so glatt war, dass fast nichts daran haften blieb. Einige Kreationen meines Vaters waren durchaus nützlich. Er besprühte die Töpfe, Pfannen und Spatel meiner Mutter mit verschiedenen Formen von Teflon, Jahre bevor mit Teflon beschichtetes Kochgeschirr im Handel erhältlich wurde.

Allerdings fanden wir von Zeit zu Zeit auch etwas davon in unserem Essen. Andere Erfindungen von ihm waren weniger erfolgreich. Er stattete unsere Schuhe mit Teflon-Einlagen aus, um zu verhindern, dass wir darin Blasen bekamen. Sie waren aber so glatt, dass mein Fuß bei jedem Schritt im Schuh abrutschte. Zu gehen wurde schwierig, und zu laufen war geradezu gefährlich. Ob seine Experimente erfolgreich waren oder nicht, war für meinen Vater weniger wichtig als die Aufregung bei ihrer Durchführung, die Ungewissheit, ob sie sich bezahlt machen würden oder nicht.

Ein Schauer der Vorfreude lief mir über den Rücken, als ich mich mit dem Gesicht nach oben auf den Opferstein legte.

Sonnenlicht drang durch die hoch aufragenden Kiefern und fiel auf die Berglorbeer- und Rhododendronbüsche, Vögel zwitscherten in der Morgenluft. Auf der Oberfläche der großen Granitplatte befand sich eine etwa anderthalb Zentimeter tiefe Rille, die meinen Körper vollständig umgab, und direkt unter meinen Füßen eine kurze Rinne, die zwischen die kreisförmige Rille und die Kante der Platte geschlagen worden war. Die gesamte Platte, die mehr als eine Tonne gewogen haben muss, lag ein paar Zentimeter über dem Boden auf vier Steinblöcken. Mein Vater, ein kleiner, breitschultriger Mann mit einem Glitzern in den Augen, umrundete mit einem Maßband in der Hand und einer Pfeife im Mund die Platte, machte sich Notizen und zeichnete Diagramme in sein Notizbuch.

Etwa ein Dutzend steinerne Kammern, Wände und Abflüsse umgaben die Granitplatte und bildeten zusammen mit ihr und den aufrecht stehenden Steinen, die zu bestimmten Jahreszeiten in einer geraden Linie mit der Sonne zu stehen schienen, ein Mysterium. In der Tat hatte der Bauer, dem das Land in Salem, New Hampshire, Mitte des 20. Jahrhunderts gehörte, ihm den Namen »Mystery Hill« gegeben. Andere, die diese Stätte erforscht hatten, spekulierten, sie sei vielleicht von Wikingersiedlern um das Jahr 1000, also Hunderte von Jahren bevor Kolumbus nach Amerika kam, angelegt worden oder um 700 vor Christus von Kelten von den Britischen Inseln oder in Tausenden von Jahren von verschiedenen Abenaki- und Pennacook- Indianerstämmen.

Was immer ihr Ursprung auch gewesen sein mag, auf dieser kalten Platte zu liegen ließ mich erschaudern.

Ich stellte mir vor, dass sich mein Blut in der Rille um meinen Körper sammelte, um über die Rinne unter meinen Füßen in einen Auffangbehälter geleitet zu werden. Es war gruselig, aber auch aufregend. Da war ich, ein zehnjähriger Junge, der seinem Vater half, ein wissenschaftliches Rätsel zu lösen. Ich konnte nicht sagen, ob mein Zittern eher eine Reaktion auf die Kälte der Steinplatte im frischen Neu-England-Herbst oder auf den Nervenkitzel der Entdeckung war.

Für meinen Vater war es offensichtlich Letzteres, und ich hatte bereits etwas von seiner Begeisterung mitbekommen, als ich am March of Science teilnahm, um die Grenzen des Unbekannten zurückzudrängen. Schon mit zehn Jahren war ich von der Wissenschaft begeistert, von der Beantwortung von Fragen durch Sammeln und Analysieren von Daten statt durch rein intellektuelle Spekulationen oder dadurch, dass Gerüchte und Volksmärchen für bare Münze genommen werden.

Die Wahrheit über Mystery Hill ist bis heute unklar, wahrscheinlich weil mehrere Gruppen von Menschen die Ruinen im Laufe der Jahrhunderte verändert und Beweise für ihre Herkunft vernichtet oder verfälscht haben. Der »Opferstein« könnte einfach die untere Hälfte einer Apfelweinpresse aus dem 19. Jahrhundert sein, mit der Rinne am Rand, um den Saft der zerkleinerten Äpfeln zu sammeln, oder eine Steinpresse, um Lauge aus Holzasche für die Seifenherstellung zu gewinnen. Mein Vater und ich fanden nichts, was irgendwelche Behauptungen über Mystery Hill hätte stützen können, aber ich vergaß nie, wie spannend die systematische Suche nach der Wahrheit sein kann

Mein Vater blieb immer Skeptiker und zweifelte ständig an seiner Interpretation der Dinge.

Am liebsten erforschte er, was er nicht verstand oder was nicht seinen Erwartungen entsprach. Und er gab nicht nur seine Leidenschaft für die Wissenschaft an mich weiter, sondern auch sein Bewusstsein für die grundsätzlich vorläufige Natur aller akademischer Erkenntnis. Wissenschaft ist von Natur aus immer etwas Unfertiges, work in progress.
Für wie fundiert wir unsere Weltanschauung auch halten, wir müssen bereit sein, sie zu überdenken, wenn neue Beweise Zweifel aufkommen lassen. Eine Frucht dieser aufgeschlossenen Haltung ist die Wertschätzung für Phänomene, die wir nicht erklären können. Wenn wir Dinge erforschen, die zu unseren Vorstellungen passen, können wir ihre Feinheiten besser verstehen. Die Erforschung von Dingen, die nicht unseren Vorstellungen passen, führt jedoch häufig zu einem echten Durchbruch in der Wissenschaft.

Obwohl mir mein Vater Mut machte, Zusammenhänge zu erforschen, die ich nicht erklären konnte, sprach er nie von der Psyche oder abstrakten Angelegenheiten wie Gedanken und Gefühlen – geschweige denn von noch abstrakteren Konzepten wie Gott, göttlichem Geist oder Seele. Ich war ziemlich erfüllt von meiner akademische Erziehung und meinen Plänen für eine wissenschaftliche Karriere und folgte dem Beispiel meines Vaters, indem ich empirische Beweise zu meinem Maßstab für die Wahrheitsfindung machte.

Im Grundstudium an der Cornell University studierte ich Experimentalpsychologie und wandte wissenschaftliche Methoden an, um zu untersuchen, wie sich Goldfische in einem Labyrinth zurechtfinden lernen, wie Ratten lernten, zu bestimmten Zeiten einen Knopf zu drücken, um Futter zu bekommen, und zu anderen nicht, und wie junge Rhesusaffen lernten, Nahrung unter einer Art von Objekt zu finden, aber nicht unter einer anderen. Doch so fasziniert ich auch war von der Intelligenz der Tiere, mein Wunsch, mit Menschen zu arbeiten, führte mich vom College auf die Medizinische Hochschule. Dort gab es viele Themen, die mir Freude bereiteten, von der Entbindung von Babys bis zu Hausbesuchen bei älteren Patienten. Aber je mehr ich über Geisteskrankheiten erfuhr, desto mehr wurde mir klar, wie wenig wir das Gehirn verstanden, und der Reiz der unbeantworteten Fragen zog mich schließlich in Richtung Psychiatrie.

Während meines dritten Studienjahres an der Medizinischen Hochschule besuchte ich meine Eltern und überraschte meinen Vater mit der Mitteilung, dass ich daran denke, Psychiater zu werden.

Ich sagte ihm, ich sei fasziniert von den Auswirkungen unserer unbewussten Gedanken und Gefühle auf unser Verhalten. Mein Vater saß mit gekreuzten Beinen in seinem Sessel und zog langsam eine Maiskolbenpfeife und einen Tabaksbeutel aus der Jackentasche. Akribisch füllte er den Pfeifenkopf und drückte den Tabak hinunter, fügte dann noch etwas hinzu und drückte wieder. Dann zündete er ein Streichholz an, schwenkte es vorsichtig über dem Pfeifenkopf und zog am Mundstück. Schließlich schaute er auf und fragte zu meiner Überraschung: »Wie kommst du darauf, dass wir unbewusste Gedanken und Gefühle haben?«

Ich war schockiert über diese unverblümte Kampfansage. Aber mein Vater sagte nicht, dass das Unbewusste nicht existiert. Er bat nur um Beweise – wie es jeder skeptische Wissenschaftler tun sollte. Trotzdem hat mich seine Frage überrascht. Der Einfluss unseres Unbewussten – was wir denken und fühlen, ohne uns dessen bewusst zu sein – ist seit mindestens hundert Jahren das tägliche Brot der Psychiatrie.

Sigmund Freud hat die Psyche mit einem Eisberg verglichen.

Gedanken und Gefühle, die uns bewusst sind, sind wie die Spitze dieses Eisbergs, die über dem Meeresspiegel sichtbar ist. Beispielsweise sind Sie sich bewusst, dass Sie Durst haben, und entscheiden sich bewusst dafür, etwas zu trinken. Aber neun Zehntel des Eisbergs – das, was unter der Meeresoberfläche liegt und nicht zu sehen ist – sind das Unbewusste, die Gedanken und Gefühle, die uns zwar nicht bewusst sind, unser Verhalten aber trotzdem beeinflussen.

Beispielsweise würden die meisten Lehrer den attraktivsten Schülerinnen nicht wissentlich bessere Noten geben. Es gibt jedoch zahlreiche Belege dafür, dass sie attraktiveren Schülerinnen tatsächlich bessere Noten geben, ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein. Dass unsere unbewussten Gedanken und Gefühle unser Verhalten beeinflussen, war eine der vielen Vorstellungen, die ich im guten Glauben akzeptierte – im Glauben an meine Professoren und die Lehrbücher –, ohne sie je hinterfragt zu haben.

Ich war zwar überrascht, dass mein Vater die Rolle der unbewussten Gedanken und Gefühle infrage stellte, sah aber ein, dass er nicht ganz unrecht hatte. Ich sollte mir die Beweise für das Unbewusste genau anschauen, bevor ich sie akzeptierte. Dies warf jedoch die Frage auf, welche Beweise es für etwas gibt, was man weder sehen noch messen kann, wie Gedanken und Gefühle. Was das Verstehen des physischen Teils unserer Welt angeht, haben Wissenschaftler große Fortschritte gemacht, aber wir machen eben auch Erfahrungen mit nicht physischen Phänomenen wie Gedanken und Gefühlen. Diese nicht physischen Gegebenheiten sind genauso ein Teil unserer Welt wie physische Objekte, etwa Stühle und Felsen. Wissenschaftler können sie genauso beobachten und Daten über sie sammeln wie über Materiell-Gegenständliches.

Tatsächlich gibt es eine lange Tradition von Wissenschaftlern, die Phänomene untersuchen, die nicht direkt beobachtet werden können, von Emotionen bis zu subatomaren Partikeln.

Wir können Emotionen wie Liebe, Wut oder Angst nicht direkt beobachten. Aber wir können sie indirekt erforschen, indem wir untersuchen, wie sie unsere Worte, unser Verhalten und unsere körperlichen Reaktionen beeinflussen. Wenn wir beispielsweise Wut verspüren – eine nicht physische Emotion –, sprechen wir möglicherweise lauter und abrupter, vielleicht runzeln wir die Stirn, vielleicht steigt unser Blutdruck, und vielleicht hauen wir mit irgendetwas auf Tische und Theken. Und aus diesen beobachtbaren Auswirkungen können andere schließen, dass wir wütend sind.

Auch Physiker können einige subatomare Teilchen, die zu klein und zu kurzlebig sind, um sie einzufangen, nicht direkt beobachten. Doch der Physiker Donald Glaser erhielt 1960 den Physik-Nobelpreis dafür, dass er sie indirekt erforschte. Er zeigte, dass man, indem man winzige, kurzlebige Teilchen durch eine Blasenkammer – ein Gefäß, das mit einer Flüssigkeit wie flüssigem Wasserstoff gefüllt ist – schießt, die Spur der Blasen untersuchen kann, die diese Teilchen in der Flüssigkeit hinterlassen. Und aus diesen Spuren können wir viel über die Teilchen selbst lernen.

Es war genau diese wissenschaftliche Tradition der Suche nach Beweisen, die mir die Grenzen jener Weltanschauung aufzeigten, die mir beigebracht worden war. Es gab viele Zusammenhänge, die mit physikalischen Teilchen und Kräften nicht vollständig erklärt werden konnten, aber sie passierten trotzdem. Es schien nicht wissenschaftlich, manche Themen zu scheuen, nur weil sie schwer zu erklären waren.

Die Phänomene, die nicht zu meiner Weltanschauung passten, wollte ich verstehen und nicht abschreiben.

Indem man Gegebenheiten, die schwer zu messen sind, respektiert, statt sie als unwirklich abzutun, lehnt man die Wissenschaft nicht ab, sondern nimmt sie erst wirklich an.

Als Psychiater in der Ausbildung behandelte ich einige hospitalisierte Patienten, die glaubten, die Gedanken anderer Menschen lesen zu können. Wie die meisten Psychiater nahm ich an, dass diese Vorstellungen auf Wunschdenken und der Verwechslung von Fantasie und Wirklichkeit beruhten. Aber hatten wir Beweise dafür? Woher wussten wir, dass die Überzeugung dieser Patienten, Gedanken lesen zu können, ein Symptom für ihre Geisteskrankheit war und eben nicht real? Natürlich konnte ich ihre Behauptungen als Wissenschaftler nicht einfach als real akzeptieren, ohne sie zu überprüfen. Aber ich konnte sie auch nicht kategorisch als Wahnvorstellungen abtun, ohne sie untersucht zu haben.

Meiner Ansicht nach würde sowohl die Bestätigung ihrer Überzeugungen als auch deren Ablehnung ohne Beweise diesen Patienten einen schlechten Dienst erweisen und wissenschaftliche Prinzipien verletzen. Also entwarf ich zusammen mit meinen Mitstudenten ein kontrolliertes Experiment und führte es durch, um zu testen, ob diese Patienten wirklich Gedanken lesen konnten.

Ich machte mir ein wenig Sorgen über die Risiken einer solchen Studie. Als Wissenschaftler wollte ich in Erfahrung bringen, ob diese Patienten Beweise für ihre Behauptungen liefern konnten oder nicht. Aber ein Teil meiner Arbeit als Psychiater bestand darin, Wahnpatienten dazu zu bringen, ihre falschen Überzeugungen aufzugeben und realistischer zu denken. Wenn der Glaube meiner Patienten an das Gedankenlesen unrealistisch wäre, würde dann die Tatsache, dass ich sie ernst nehme, ihre falschen Vorstellungen nicht noch verstärken?

Ich fragte mich, ob der eventuelle Nutzen dieser Forschung durch die möglichen Risiken für die Patienten reduziert werden würde. Daher besprach ich meine beabsichtigte Studie mit dem medizinischen und pflegerischen Personal in der Psychiatrie. Ich gab zu, dass ich gewisse Hemmungen hatte, diese Art von Studie durchzuführen, und sprach auch über meine Befürchtung, die Wahnvorstellungen dieser Patienten vielleicht noch zu verfestigen, wenn ich ihre ungewöhnlichen Überzeugungen ernsthaft untersuchte.

Zu meiner Überraschung fanden der Stationsleiter und seine Mitarbeiter die Studie faszinierend und waren der Ansicht, dass sie in der sicheren Umgebung des Krankenhauses in der Lage sein würden, mit einer Verschlechterung der Symptome umzugehen, falls sich bei den Patienten tatsächlich eine solche Entwicklung zeigen würde.

Mit dem Segen des Personals machte ich weiter.

Zwei meiner Ausbildungskollegen aus der Psychiatrie meldeten sich freiwillig als »Sender« für das Experiment, also als die Menschen, deren Gedanken die Patienten zu lesen versuchen würden.

Die Patienten saßen nacheinander allein in einem Liegestuhl in meinem Sprechzimmer und entspannten sich ein paar Minuten. Wenn sie sich bereit fühlten, sprachen sie in ein Aufnahmegerät und beschrieben alle Bilder oder Eindrücke, die ihnen in den Sinn kamen. Währenddessen konzentrierte sich der »Sender« in einem anderen Büro am Ende des Flurs auf ein zufällig ausgewähltes Bild in einer Zeitschrift, eine beruhigende, eine beängstigende, eine aggressive, eine lustige oder eine erotische Szene. Fünf Minuten später betrat ich mein Sprechzimmer und reichte dem jeweiligen Patienten einen Umschlag mit fünf Bildern aus Zeitschriften. Die Patienten bewerteten dann die fünf Bilder dahin gehend, wie genau jedes mit ihren Eindrücken übereinstimmte. Als sie fertig waren, erzählte ich ihnen, auf welches Bild sich der »Sender« konzentriert hatte, und wir sprachen ein paar Minuten über die Sitzung.

Die Studie verlief genau so, wie meine Kollegen und ich es erwartet hatten. Kein Patient lieferte irgendwelche Beweise dafür, dass er die Gedanken des Senders gelesen hatte. Es gab keinen Hinweis darauf, dass ihr Glaube, sie könnten Gedanken lesen, eine Basis in der Realität hatte. Aber die Studie ergab noch etwas anderes, womit ich nicht gerechnet hatte. Als sie zu Ende war, fragte ich jeden einzelnen Patienten, wie er oder sie sich dabei gefühlt hatte.

Zu meiner Überraschung waren alle froh, teilgenommen zu haben, und – was noch wichtiger ist – sie alle hatten mehr Vertrauen in das Krankenhauspersonal, weil wir ihre Gedanken und Gefühle ernst genug genommen hatten, um sie zu erforschen. Ein Patient fügte noch hinzu, dass ihn seine Unfähigkeit, die Gedanken des Senders im Rahmen dieser Studie zu lesen, dazu veranlasse, an seinen anderen irrationalen Ideen zu zweifeln, und dass die Studie ihm geholfen habe, Fantasie von Realität zu trennen. Sein Therapeut erzählte mir unabhängig davon, dass sich der Zustand des Patienten im Verlauf dieses Experiments deutlich verbesserte. Keiner der Patienten berichtete über eine Verschlechterung seiner Krankheit infolge des Experiments.

Während ich dieses Experiment durchführte, kehrte die Aufregung zurück, die ich auf dem »Opferstein« in Mystery Hill empfunden hatte.

Ich sammelte Daten, um eine Idee zu untersuchen, mit der sich die meisten meiner Kollegen überhaupt nicht befasst hätten. Eine Idee, die sich durch meine Forschung möglicherweise als falsch erweisen würde, die aber dennoch das Potenzial hatte, unser Denken über psychische Erkrankungen zu verändern. Die Tatsache, dass die Patienten keine Gedanken lesen konnten, bestätigte, was wir erwartet hatten, aber das war nicht, was mich begeisterte, sondern vielmehr die Tatsache, dass wir mit wissenschaftlichen Methoden eine provokante Idee untersuchten.

Der Prozess war mir wichtiger als sein Ergebnis. Mein Bericht über dieses Experiment wurde später in einer medizinischen Fachzeitschrift veröffentlicht und gewann in jenem Jahr den nationalen William-C.- Menninger-Preis für den besten Forschungsbericht eines Assistenzarztes der Neurologie, Psychiatrie oder Neurochirurgie.

Erst ein paar Jahre später lernte ich Raymond Moody kennen und hörte zum ersten Mal etwas über Nahtoderfahrungen.

Raymond startete seine Ausbildung als psychiatrischer Assistenzarzt an der University of Virginia in dem Jahr, in dem ich dort als Neuzugang an der psychiatrischen Fakultät zu unterrichten begann. Seine erste klinische Station war die Notaufnahme, wo ich alle Assistenzärzte beaufsichtigte. Ich wusste, dass Raymond vor seinem Medizinstudium Philosophie unterrichtet und bereits als Medizinstudent ein Buch geschrieben hatte, aber ich wusste nicht, worum es in diesem Buch ging.

Eines Tages, als in der Notaufnahme gerade nicht viel los war, sprachen wir über seinen Hintergrund, und er erzählte mir von seinem Buch Leben nach dem Tod, in dem er den Begriff »Nahtoderfahrung« verwendete, um die ungewöhnlichen Erfahrungen zu bezeichnen, die einige Menschen gemacht hatten, als sie offenbar auf der Schwelle zum Tod standen. Während er sprach, dämmerte mir allmählich, dass das, was er in seinem Buch beschrieb, etwas mit dem zu tun hatte, was Jahre zuvor passiert war – sowohl mit Henry, der glaubte, seine verstorbenen Eltern getroffen zu haben, als auch mit Holly, die gesehen und gehört hatte, wie ich mit ihrer Mitbewohnerin sprach, als ihr Körper bewusstlos in einem anderen Raum lag.

Sowohl Holly als auch Henry hatten zumindest einige der Merkmale beschrieben, die Raymond bei Nahtoderfahrungen ausgemacht hatte.

Ich werde nie erfahren, ob bei ihnen noch mehr solche Kennzeichen aufgetreten sind, weil ich zu diesem Zeitpunkt noch nichts darüber wusste und demnach auch nicht nachfragen konnte. Aber es war eine Offenbarung zu erfahren, dass andere Ärzte von diesen Erfahrungen gehört und ihnen sogar einen Namen gegeben hatten! Es fühlte sich an, als öffnete sich eine Tür.

Ich war an die University of Virginia gekommen, weil mir deren Division of Perceptual Studies (Abteilung für Wahrnemungsstudien) ein Begriff war, eine Forschungseinheit, die von Ian Stevenson, dem ehemaligen Chefarzt der Psychiatrie, gegründet worden war. Jahrzehntelang hatte Ian die gleichen ungeklärten Erfahrungen, die Raymond in seinem Buch beschreibt, gesammelt und untersucht. Natürlich hatte er sie nicht als Nahtoderfahrungen bezeichnet, denn dieser Begriff wurde von Raymond eingeführt. Er hatte sie vielmehr in verschiedene Kategorien wie »außerkörperliche Erfahrungen«, »Sterbebettvisionen« und »Erscheinungen« eingeordnet.

Ich machte Raymond und Ian miteinander bekannt, und wir drei diskutierten, wie wir diese Erfahrungen mit wissenschaftlichen Methoden erforschen konnten. Raymond bekam jede Woche eine riesige Menge Post, und als ich diese Briefe las, stellte ich fest, dass sie alle das gleiche Thema hatten. Fast alle Briefschreiber waren überwältigt von der Erkenntnis, nicht allein zu sein, und dankten Raymond dafür, ihnen gezeigt zu haben, dass sie nicht verrückt waren.

Nachdem Raymonds Buch von einem großen New Yorker Verlag neu aufgelegt worden war, erhielt es schnell viel Aufmerksamkeit.

In den folgenden Jahren schrieben einige Ärzte, Krankenpfleger, Sozialarbeiter und Forscher an Raymond, weil sie an der Erforschung dieses Phänomens interessiert waren. Raymond lud sie alle zu einem Treffen an die University of Virginia ein, und später gründeten vier aus dieser Gruppe – der Psychologe Kenneth Ring, der Kardiologe Michael Sabom, der Soziologe John Audette und ich – die International Association for Near-Death Studies (IANDS) zur Förderung der Erforschung von Nahtoderfahrungen.

Mit Menschen zu sprechen, die eine Nahtoderfahrung durchlebt hatten, die Auswirkungen dieser Ereignisse auf ihr Leben zu sehen und anderen Forschern zu begegnen, die NTEs ebenso faszinierend fanden wie ich, fesselte mich. Nahtoderfahrungen schienen einerseits die natürliche Schnittstelle unerklärlicher Erlebnisse zu sein, die nach Erklärung verlangten, und andererseits enge Berührungen mit dem Tod, also das, was bei meiner Arbeit in der Notaufnahme im Mittelpunkt stand. NTEs brachten die Medizin, die Psyche und die Begeisterung über wissenschaftliche Entdeckungen, die ich seit meiner Kindheit in mir trug, zusammen – eine Konvergenz von Faktoren, mit der die Weichen für den weiteren Verlauf meiner Karriere gestellt waren.

Diese Reise, auf der ich Nahtoderfahrungen auf den Grund gehen wollte, führte mich von Krankenhaus zu Krankenhaus, von Universität zu Universität und von Bundesstaat zu Bundesstaat.

Im Laufe der Jahre habe ich Forschungen mit hospitalisierten Patienten durchgeführt, die dem Tod durch Herzstillstand, Krankheit, einen Unfall, einen Suizidversuch, im Gefecht und aufgrund von Komplikationen während einer Operation oder einer Geburt sehr nah gekommen waren. Bei fast der Hälfte dieser Patienten hatte der Herzschlag oder die Atmung ausgesetzt, sie hatten keinen Blutdruck mehr oder waren für tot erklärt worden. Zusammen mit verschiedenen Kollegen veröffentlichte ich im Laufe der Jahre mehr als hundert Artikel in medizinischen Fachzeitschriften, in denen wir unsere Forschungsergebnisse darlegten.

Abgesehen von meiner Untersuchung hospitalisierter Patienten erfasste ich auch eine Stichprobe von mehr als tausend Nahtoderfahrenen, die mich kontaktiert und mir von ihren NTEs berichtet hatten. Die von ihnen beschriebenen Erfahrungen waren die gleichen wie die der hospitalisierten Patienten. Ich sammelte diese Geschichten in der Hoffnung, Muster darin zu finden, wenn ich erst genug davon zusammen haben würde. Und diese Muster führten mich schließlich zu einem besseren Verständnis dessen, was hinter diesen Erfahrungen steckt.


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Nahtod. Grenzerfahrungen zwischen den Welten
Bahnbrechende Erkenntnisse eines Arztes über das Leben nach dem Tod. Die Erforschung des Jenseits
von Dr. Bruce Greyson

Der Psychiater und Neurowissenschaftler Dr. Bruce Greyson, der »Vater der Nahtodforschung«, untersucht dieses erstaunliche Phänomen seit über 40 Jahren. Hier präsentiert er die faszinierendsten und berührendsten Nahtoderlebnisse seiner Patienten und zeigt, welche tiefgreifenden Auswirkungen solche Erfahrungen auf das spätere Leben haben. Denn der Blick hinter den Vorhang, auf die »andere Seite«, verändert die Sicht der Betroffenen auf alle Aspekte der menschlichen Existenz für immer …

Zum Buch


31.10.2021
Dr. Bruce Greyson


Bruce Greyson

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Foto von Bruce Greyson ©Jen Fariello

Dr. Bruce Greyson, geboren 1946, forscht seit über 40 Jahren zum Thema Nahtoderfahrung und gilt als einer der weltweit führenden Wissenschaftler auf diesem Gebiet.

Der emeritierte Professor für Psychiatrie und Neuro- und Verhaltenswissenschaften an der University of Virginia School of Medicine,
hat u.a. mit den berühmten Nahtodforschern Raymond Moody und Kenneth Ring zusammengearbeitet
und ist Gründungsmitglied der International Association for Near-Death Studies (IANDS).

Weitere Informationen unter:
www.brucegreyson.com

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