
Geborgenheit – Zuflucht im eigenen Inneren finden
Schauen Sie sich in Ihrer direkten Umgebung um. Halten Sie Ausschau nach einem Gegenstand, den Sie in Ihre Hand legen können. Vielleicht ein Teelicht, ein Stein, ein Dekorationsgegenstand, ein Stift oder irgendetwas anderes, das die passende Größe hat, um in Ihrer offenen Handschale Platz zu finden. Legen Sie den Gegenstand in die eine Hand und bedecken Sie ihn mit der anderen.
Ihre Hände bilden jetzt eine Art Kokon, in dem der Gegenstand, den Sie zuvor zur Hand genommen haben, zeitweilig einen Platz erhält. Spüren Sie in Ihre Hände hinein. Fühlen Sie, wie die Wärme beider Handflächen aufeinander zuströmt und dabei den Gegenstand durchzieht, den Sie in Ihrem Handkokon bergen.
Jetzt stellen Sie sich vor, dass Sie selbst anstelle des Gegenstands wären. Zwei große, zärtliche Hände umschlössen Sie liebevoll und durchströmten Sie mit der Wärme, die es an Sie zu verschenken gäbe. Genießen Sie dieses Gefühl eine Weile und lassen Sie zusätzlich vor Ihrem inneren Auge Situationen aus Ihrem bisherigen Leben aufsteigen, in denen Sie sich vollkommen von Liebe und Wärme, von Güte und Fürsorglichkeit getragen, geschützt und gestärkt gefühlt haben.
Was Sie gerade erleben, weist auf ein Urbedürfnis hin,
das in unserem Menschsein angelegt ist.
Es ist unsere Sehnsucht nach Geborgenheit, nach unbedingtem Angenommensein, danach, unter der Obhut von jemandem oder etwas zu stehen, der oder das uns Schutz und Zuflucht gewährt. In einer Welt, in der Beurteilungen, Abwertungen und auch Hetze allgegenwärtig sind, in der kleine Missverständnisse und Unwissenheit aufgebauscht und dafür eingesetzt werden, einander kleinzuhalten, in einer solchen Welt sehnt sich etwas in uns nach Schutz. Wir sehnen uns danach, angenommen und geliebt zu sein, genauso wie wir sind. Wir wünschen uns einen Rückzugsort, an dem wir uns mit allem zeigen dürfen, was zu uns gehört, und an dem wir auftanken können, um wieder gestärkt in den Trubel der Welt zurückgehen und das Spiel des Lebens erfolgreich spielen zu können.
Wo aber finden wir einen solchen Ort?
Wo finden wir eine Zuflucht, die uns Schutz verspricht? Wo dürfen wir einkehren, um uns mit neuer Kraft auftanken zu lassen? Wo gibt es einen solchen Ort, an dem wir willkommen sind mit all dem, was uns auszeichnet, mit dem, was wir als unsere Stärken und Schwächen wahrnehmen?
Die hohe Geschwindigkeit und die Dynamik des Wandels in unserer modernen Welt stellen uns Menschen ja gerade vor die Aufgabe, mit Flüchtigkeit, mit Ungewissheit, mit Komplexität und mit Mehrdeutigkeit umzugehen. Solange wir in genau dieser Welt nach einem Ort suchen, der uns jene so ersehnte Geborgenheit schenkt, werden wir allenfalls zeitweilig fündig.
Gewiss, wir können uns für eine Weile an einen Ort der Stille zurückziehen, weit abgeschieden von dem Trubel, dem wir uns alltäglich ausgesetzt fühlen. Mit einem solchen Rückzug wird sich das tiefe Verlangen nach Geborgenheit vielleicht auch vorübergehend vermindern, jedoch nicht endgültig stillen lassen. Etwas in uns weiß, dass auch dieser Ort der Vergänglichkeit unterliegt. Was also geschähe, wenn dieser Ort uns nicht länger die Zuflucht böte, die wir uns von ihm wünschen?
In dieser Sorge, den Ort der Zuflucht, der Geborgenheit, des Schutzes einmal wieder verlassen zu müssen, liegt ein tiefes inneres Wissen verborgen.
Wir wissen, dass alle Zuflucht in der äußeren Welt
uns eben nur zeitweilig Rückzug und Trost bieten kann. Wirkliche Geborgenheit finden wir nur dann, wenn wir die liebenden, uns schützend umschließenden Hände nicht im Außen, sondern in unserem Innern finden. Wir dürfen in Kontakt kommen mit der unzerstörbaren Essenz dessen, was unser wahres Wesen auszeichnet. Dem, was gemeinhin als „Seele“ bezeichnet wird, können wir uns zuwenden, wenn wir nach innen gehen.
Der Weg zu diesem Ort der Zuflucht im eigenen Inneren, der für die Vergänglichkeit dieser Welt unzugänglich ist, führt über unser Gewahrsein. Wir dürfen gewahr werden, dass es neben unserem „kleinen Selbst“, das sich mutig der Vergänglichkeit des Lebens zu stellen hat und einst auch selbst in ihr Auflösung findet, noch unseren essenziellen Wesenskern gibt, unser „Ich“. Dieses „Ich“ wird alle Flüchtigkeit, alle Ungewissheit, alle Komplexität, alle Mehrdeutigkeit dieser vergänglichen Welt überdauern.
Um wahre Geborgenheit zu finden,
müssen wir deshalb nicht nach Auswegen aus dieser Welt suchen. Wir müssen ihr nicht entsagen und uns hinter Mauern zurückziehen, die uns ein solches Geborgensein zu versprechen versuchen, nach dem wir uns so sehr sehen. Wir dürfen stattdessen lernen, nach innen zu gehen und in Kontakt zu unserem unvergänglichen Wesenskern zu kommen, um den Funken Gottes in uns zu erspüren und uns ihm hinzugeben. So gehen wir ein in die Rückverbindung zur eigenen Herkunft aus dem Namenlosen.
Den Weg dorthin, zur Zuflucht im eigenen Inneren, finden wir nicht über unser Verstandesdenken. Es gibt keine rein logische und allgemeingültige Wegbeschreibung, um dorthin zu gelangen.
Es gibt aber eine Beschreibung des Herzens.
Wir dürfen lernen, unserer eigenen inneren Stimme zu vertrauen, die uns unseren ganz einzigartigen Weg nach innen zeigt. Je mehr wir uns dabei hingeben, spielerisch vorgehen und der Weisung eines Meisters folgen, der uns dazu eingeladen hat, zu werden wie die Kinder (vgl. Die Bibel, Matthäus. 18, 3), desto eher werden wir wahrhaft Geborgenheit als Zuflucht im eigenen Inneren erleben können.
Lassen wir uns dazu noch von einem kleinen Mädchen inspirieren, dem es mit seiner kindlichen Freiheit gelungen ist, den Weg ins eigene Innere zu finden.
Und manches Mal, wenn es eigentlich schon schlafen soll,
nimmt es seine Zuflucht zu diesem Ort:
– … Magda schloss ihre Augen und ihre Stimme wurde weich. „Ich mache die Augen zu und dann gehe ich durch einen langen Tunnel. Am Anfang war mir das ein bisschen unheimlich, weil der Weg so dunkel ist. Dann komme ich zu einer Tür und wenn ich dort hindurchgehe, stehe ich auf einem riesigen Feld. Da ist nichts weiter, als viele bunte Farben. Und es fühlt sich wunderbar an, dort zu sein. Da ist keiner sonst außer mir und trotzdem fühle ich mich dort niemals allein.
Dort kann ich laut reden, singen, tanzen, weinen und schimpfen und ich weiß, dass mir jemand zuhört, obwohl ich keinen sehe. Aber es ist ganz anders, als wenn mir andere Kinder oder Erwachsene zuhören. Es ist mir gar nicht komisch dabei oder so. Und manchmal sehe ich dann doch auf einmal jemanden und mit dem kann ich dann auch zusammen sprechen, lachen, tanzen und singen …“
(Textauszug aus “Wege zum Ich. Klar, selbstbestimmt und kraftvoll leben”, S. 199)
Finden wir – Sie und ich – ebenso wie die kleine Magda
Geborgenheit in unserem eigenen Inneren. Kräftigen wir uns von innen heraus. Kommen und bleiben wir in Kontakt mit dem Teil in uns, der unzerstörbar ist, der nicht der Vergänglichkeit unterliegt und keine Angst kennt. Tun wir das zuerst für uns selbst, und erleben wir dadurch auch, wie mehr Frieden, Freude, Ausgeglichenheit und auch Mut in unser Leben Einzug erhalten. Tun wir es darüber hinaus noch zusätzlich in der Bewusstheit, dass darin nicht nur Chancen für uns allein liegen. Möglicherweise fühlen sich die eine oder der andere dazu inspiriert, ebenfalls mit dem Funken Gottes in sich selbst – mit der eigenen Seele – in Kontakt zu kommen.
So, von innen heraus, vermag jede und jeder
über sich selbst hinauszuweisen.
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Wiebke-Lena Laufer
Fangen wir also bei uns selbst an, hier und jetzt, in unserem eigenen Inneren.
23.10.2020
Dr. Wiebke-Lena Laufer
Trainerin – Rednerin – Autorin
www.wiebkelenalaufer.com
Dr. Wiebke-Lena Laufer
ist promovierte Theologin und Mediatorin mit dem Schwerpunkt Wirtschaft. Als Trainerin und Rednerin gibt sie Menschen Impulse, die noch erfolgreicher darin sein möchten, ihr Leben und Business authentisch und selbstbestimmt zu führen. Ein Grundsatz Ihres Lebens und Ihrer Arbeit lautet:
Erscheine jeden einzelnen Tag auf der Übungsmatte des Lebens …
… und dann tanze mit dem Leben!
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Wege zum Ich
Dr. Wiebke-Lena Laufer:
Wege zum Ich. Klar, selbstbestimmt und kraftvoll leben,
J. Kamphausen, Bielefeld 2019,
S. 169-176
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