(Heil-)Werden wie die Kinder?

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(Heil-)Werden wie die Kinder?
Eine Entdeckungsreise zu unserem wahren Selbst.

Die Reise zur Ganzheit zu beschreiben gleicht dem Versuch, die Schönheit eines Sonnenuntergangs, die Tiefe einer herzlichen Begegnung oder die Atmosphäre eines nebligen Frühlingsmorgens in Worte zu fassen. Wir wissen genau, was wir gerade erleben, aber die Sprache reicht nicht aus, um eine solche Erfahrung für jemanden anderen vollumfänglich verständlich zu machen. Es geht schlicht und ergreifend darum, den unsichtbaren inneren Erfahrungsraum mit unserem Erleben in der äußeren Welt in Einklang zu bringen.

Das, was wir innerlich erleben, fühlen und wahrnehmen, entzieht sich letzten Endes der Beschreibbarkeit – und ist gleichzeitig das Tor zu jener Ganz-Werdung, die wir so allumfassend nach Außen, in die sichtbare Welt, verlagert haben. Dies wird augenscheinlich bei übersteigerten Formen von Sozial- oder Globalaktivismus, welche mehr Spaltung denn Einheit erzeugen. Hierbei sind – auch wenn wir uns für eine vermeintlich gute Sache einsetzen – zumeist unerlöste Bedürfnisse und Schattenanteile aktiv, die diesen inneren Mangel dann nach Außen projizieren.

Wenn es uns gelingt, Innen und Außen wieder zunehmend als Ausdruck der einen schöpferischen Quelle zu erkennen und uns damit zu versöhnen, wenn Form und Formlosigkeit, Leere und Fülle wieder gleichzeitig in uns existieren dürfen, dann beginnt ein Prozess der Wieder-Erinnerung an unser wahres überpersönliches Selbst. Dort finden wir den Anker und Ursprung tiefstmöglicher Selbst-Erkenntnis, wo ein urteilsfreies und hingebungsvolles Sein auch unter schwierigsten Umständen möglich wird. Dies bedeutet aber auch das wir uns von der letzten Projektion auf ein göttliches Wesen irgendwo da draußen im Universum verabschieden, und diesen unsterblichen Wesenskern in uns selbst wieder zum Leben erwecken und als Basis für unser bewusstes und aktives Handeln in der Welt nutzen.

Die Welt selbst mit all ihren Polaritäten, Meinungen, Ländern, Religionen, Konflikten etc. ist dann in diesen Heilwerdungsprozess miteingeschlossen, bei zunehmender Wertschätzung für all ihre Unterschiedlichkeiten. Denn, was wäre das für eine Welt, in der alle gleich denken, die gleiche Sprache sprechen und dieselbe Geschichte und Kultur für sich beanspruchen? Es wäre eine farblose, unendlich langweilige Welt, wo keine Begegnung und keine Entwicklung, kein Sinn und keine Lebendigkeit möglich sind.

Die Verschiedenheit und die dazugehörige Fähigkeit zur Unterscheidung hilft uns in die Fülle und in den Facettenreichtum des Lebens einzutauchen. Die wirkliche Selbst-Erkenntnis, die wir, wie zu Beginn angedeutet, nur innerlich erfahren können, bietet uns den Horizont über die vergänglichen Erscheinungen von Raum und Zeit hinauszureifen. Dieser zeitlose Gewahrseins-Aspekt in uns, reicht über die reine physische Welt hinaus und wird oft auch als mystische Hochzeit beschrieben, weil sich damit Form und Leere, Fülle und Nichts, in uns vereinen und zu innerem Frieden finden. Ohne diese Zusammenführung und Ganz-Werdung im Bewußtein bleibt in uns eine Unversöhntheit mit dem Leben zurück, weil wir unser wahres Selbst noch nicht erfahren haben, und dieser innere Unfrieden dann in die Welt oder auf Andere ausgelagert wird.

Die Falle des Äußeren Wandels

Es ist unbestreitbar wichtig, dass wir uns für eine nachhaltigere Welt einsetzen. Doch, solange dieser Wandel nur auf äußeren Veränderungen basiert, besteht die Gefahr, dass er oberflächlich bleibt und an unserer Essenz vorbeigeht. Wo finden wir den Kern in uns, der jenseits von Ängsten, Vorurteilen und begrenzenden Überzeugungen existiert? Diesen Ort der inneren Ruhe, Wahrhaftigkeit und reinen Präsenz finden wir nicht im Außen.

Aber wie sehr sind wir darauf trainiert, die äußeren Umstände für unsere Befindlichkeiten verantwortlich zu machen. Und wie sehr wurde es uns abtrainiert diesen inneren Raum des einfachen Da-Seins und der Leere wahrzunehmen und daraus unsere Kraft und Regeneration zu schöpfen.

(Heil-)Werden wie die Kinder

Die Krankheit der äußeren Welt besteht darin, dass wir uns rein auf den objektiven, sichtbaren, und linear-messbaren Aspekt des Mensch-Seins festgelegt haben. So gehen wir systembedingt dann auch mit unseren Kindern um. Wir lehren ihnen starre Inhalte und versuchen, nur die Objekte im Außen zu verstehen und den Kindern einzutrichtern. Das innere Wesen des Kindes jedoch spielt in der Regel(schule) keine Rolle bzw. wenn, dann nur dort, wo zwischenmenschliche Interaktion möglich wird. Der Raum dafür ist jedoch denkbar gering.

Es gibt nämlich so gut wie keinen Raum, der die Wesenhaftigkeit des menschlichen Seins an sich zum Gegenstand hätte, sein Spürbewusstsein, seine Beobachtungsgabe, seine Entfaltungs- und Reifungsmöglichkeiten.

Von Kindern könnten wir lernen, was es an der Basis heißt, ganz Mensch zu sein. Durch ihre natürliche Verbindung zu ihrer Intuition, leben sie in einer natürlichen Präsenz und Gegenwärtigkeit, die zugleich ihr innerer Kompass ist. Dieses sich im Hier und Jetzt voll und ganz wahrnehmen können ist das Tor und der Schlüssel zur inneren Heil-Werdung. Und hier finden wir die Schnittstelle und die Verbindung zu unserem tiefsten Wesenskern. Wir brauchen dafür das Kind-Sein nicht idealisieren, denn jeder Mensch kommt mit genügend seelischem Gepäck, der ganzen Ahnengeschichte, vorgeburtlichen Einflüssen etc. auf die Welt. Aber dennoch ist da diese Unvoreingenommenheit und das pure Leuchten in ihren Augen, das uns so fasziniert und an etwas Geheimnisvolles erinnert.

Trennung von der Ganzheit entsteht dort, wo wir von uns selbst und unserer Eigenwahrnehmung immer mehr entfremdet werden und wo wir aus diesem Schmerz heraus beginnen unserem eigenen Rhythmus und unserem Stimmigkeitsgefühl zu misstrauen. Dadurch werden wir abhängig von der Zustimmung anderer und beginnen die Ziele von Anderen, über die eigenen zu stellen. Die Angst vor Ablehnung ist eine der weit verbreitetsten und hat hier ihre Wurzeln. Die eigentliche Angst bezieht sich aber darauf, dass wir intuitiv wissen, dass wir nicht ganz authentisch leben, das wir oft was anderes tun und sagen, als wir denken oder fühlen. Wir erkennen, dass wir uns von unserer Essen entfernt haben.

Die Lebenskräfte: (Heil-)Werden wie die Kinder? kind natur lupe

Dieses Authentisch-Sein wäre aber entscheidend für die Ausrichtung unserer Lebenskräfte: Wenn ich gegen mein eigenes Wesen handle oder gelernt habe, dagegen zu handeln, dann richten sich meine Lebenskräfte irgendwann gegen mich selbst und eine Auto-Immunerkrankung könnte die Folge sein.

Wenn wir das Leben als einen selbstbefreienden Prozess verstehen, wo es vor allem darum geht, die eigene Wesenhaftigkeit zur Entfaltung zu bringen (also die Einzigartigkeit jedes Menschen!), dann zeigen uns Krankheiten und Symptome oft sehr genau an, wo wir von unserem natürlichen Sein abgekommen sind, und wo wir aus einem falschen Selbstbild heraus leben. Wie handle ich, wenn ich ganz authentisch, also ganz ehrlich zu mir selbst bin? Allein diese an sich selbst gestellte Frage, wirft oft schon eine Unmenge an Ängsten, Zweifeln und scheinbar unüberbrückbaren Widerständen auf.

Aus Sicht der Heil-Werdung, führt aber kein Weg daran vorbei, dass wir zuerst auch wieder an uns selbst denken. Denn wie sollen wir einen sinnvollen Beitrag in der Welt leisten, wenn wir nicht voll in unserer Kraft, Freude und Präsenz sind. Auch hier finden wir die Brücke zu den Kindern – die im Grunde keinen Sinn darin sehen, etwas zu tun was ihnen keine Freude macht. Die natürliche Begeisterung für eine Sache ist vielleicht der größte und gesündeste Lern- und Erfahrungsantrieb den es überhaupt gibt.

Es braucht Mut, unsere kindlichen Qualitäten wieder aufzudecken und ihnen zu vertrauen. Im kindlichen Sein erleben wir Unvoreingenommenheit, Erneuerung und die allgegenwärtige Verfügbarkeit von grenzenlosem Potential. Als erwachsene Menschen kann uns diese Unvoreingenommenheit helfen, aus diesem Potential bewusst zu wählen und uns auf etwas bestimmtes auszurichten, ein Ziel oder eine Vision zu verfolgen. Wenn wir unsere kindlichen Facetten und Anteile wieder einladen, willkommen heißen und in unsere Lebenspraxis integrieren, entfaltet sich ein heilsamer Prozess, der nicht nur individuelles, sondern auch kollektives Wachstum fördert. Im einfachen und intuitiven Seins, leben wir in gewisser Weise unreflektiert, weil wir uns selbst nicht mehr in Frage stellen) und ganz im Moment und in der Selbstverbindung aufgehen. Den Verstand können wir dann als Werkzeug gezielt nutzen, unseren Visionen zu folgen und der inneren Ausrichtung treu zu bleiben.

Denn der vergessene Teil in dir, der mehr und mehr an die Oberfläche kommen möchte, ist jener Teil, der schon als Kind in dir angelegt war, es ist jener Teil in dir, der unveränderbar wach ist, aber bei so vielen Menschen wie schlafend vor sich hindämmert. Diesen unerschütterlichen Kern als dein wahres Selbst zu erkennen, ihm zu vertrauen und zu folgen, bedeutet ein bewusstes sich Ablösen von jenen gesellschaftlichen Normen, Unterdrückungen und Begrenzungen, die ihn verschüttet und vernebelt haben. Es geht um das Vertrauen, das wir hinter den Rollen und Fassaden des Egos noch viel mehr sind – das wir nur an Oberflächlichkeit verlieren können, aber umso mehr an Tiefe dazugewinnen. Diesen Wesenskern freizuschaufeln, ist mit innerem und äußeren Widerstand, mit Mut und dem Anerkennen der eigenen Lebenskraft verbunden. Es ist wie eine Pflanze, die ihren Weg durch die Erdoberfläche bahnt, um zu erblühen – geführt und gezogen von jener unsichtbaren, unbenennbaren, universellen Lebenskraft. Dieses Erblühen bringt die Schönheit deines wahren Selbst zum Ausdruck oder wie es im Sanskrit heißt SAT-CHIT-ANANDA*.

*SAT-CHIT-ANANDA (Sanskrit: saccidānanda m.) sind die Eigenschaften und zugleich die Grundaspekte des absoluten und höchsten Selbst in der Vedanta Philosophie: wahres Sein (Sat), Bewusstsein/Erkenntnis (Chit) und Glückseligkeit (Ananda). Die Wahrheit die hervortritt wenn das Selbst sich selbst erkennt. Quelle Yoga Wiki

24.03.2024
© Ramon Pachernegg und Diana von WEGE ZUM SELBST.

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Ramon und Diana von WEGE ZUM SELBST ramon pachernegg diana

Ramon ist Vater einer Tochter, Gründer von WEGE ZUM SELBST, Filmemacher und leitet Retreats für Ganzheitliche Bewusstseinsentwicklung. Diana ist Cranial Fluid Dynamics Praktikerin, Lerntrainerin und Trainerin für Sinnes- und Wahrnehmungsschulung und Mama von 3 Kindern.
Gemeinsam leiten Ramon & Diana das Natur- und Lebenskräfte Retreat im Garten der Seele (Ö) von 04.08. bis 08.08.2024. Infos und Anmeldung unter wegezumselbst.at/lebenskraft.

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