Hoffnung bewahren – Reflexionen zu Hoffnung, Sinn und Orientierung

Brücke im Wald

Hoffnung bewahren – Reflexionen zu Hoffnung, Sinn und Orientierung -Dr. phil. Bernhard A. Grimm

Der Mensch ist ein geschichtlich verfasstes Wesen, und dies heißt: er ist eingespannt zwischen Vergangen.heit, die ihm entzogen ist, und an.kommender Zukunft, in der er seine noch un.fertige und un.abgeschlossene Wesens.gestalt in der Auseinandersetzung mit der ihm vorgegebenen Situations.welt erst schaffen und sich zueignen muss.

In dieser geschichtlichen Prägung lebt der Mensch stets in der bedrängenden Spannung zwischen dem Mensch.sein als Besitz und dem Mensch.sein als Aufgabe, die erfüllt werden muss, aber auch verfehlt werden kann. Hoffnung bewahren ist dafür notwendig.

Jedenfalls heißt, geschichtlich bestimmt zu sein, sich auf dem Wege zu befinden – vom Noch.nicht.erfüllt.sein zur Er.füllung.

Es bedeutet zugleich, auszublicken in die Zukunft, aus der her das Voll.endete oder zu Voll.endende erst noch erwartet wird: In dieser Offenheit auf Zukunft hin ist der Mensch Erwartung und Hoffnung, Erwartender und Hoffender.

Ein geschichtliches Wesen zu sein, bedeutet aber auch, dass sich das Schicksal des Menschen in einem zeit.lichen Nach.einander erfüllt, in eigenen Ent.scheidungen ebenso wie in Wider.fahrnissen von außen. Ein Teil dessen, was den Menschen als konkrete Person ausmacht, steht immer noch aus. Und dieses Aus.ständige seiner Existenz ist das Künftige.

Und so ist denn die Zukunft der Raum, in dem der Mensch – in Gedanken der Gegenwart vorgreifend – lebt und in den hinein, mit Heidegger gesprochen, er sich selbst vorweg ist, während er die Gegenwart als den flüchtigen Moment einer Bewegung erlebt, der eben dadurch, dass er zur Zukunft weiter.leitet, selbst schon Vergangen.heit wird:

Genau hier hat  Hoffnung und Hoffnung bewahren ihren Platz:

„Die einzige Antwort,

die der wirklichen Existenz.situation des Menschen entspricht,

ist:

die Hoffnung“

(Josef Pieper).

1. Der „Mensch unterwegs“ (= homo viator) – Hoffnung als Weg.gefühl

Sehr gerne bezeichne ich den Menschen mit meinem Lieblingsbild als einen „homo viator“ und benenne damit einen meta.physischen Wesenszug des Menschen, nämlich das Unterwegssein =

* stets auf dem Weg zwischen Orten von hier nach dort,

* in der Zeit von gestern zum Heute und Morgen und Übermorgen,

* unterwegs auch zwischen Zuständen, beispielsweise zwischen Anlage und Erfüllung,

* unterwegs zwischen dem „schon-da“ und dem „noch-nicht.

Wenn man diese Grundverfassung des Menschen, den Stand des Auf.dem.Weg.Seins ernst nimmt und eben darin die Existenz.situation des Menschen wider.gespiegelt sieht, dann ist die Hoffnung ein „Weg.gefühl“, das auf Künftiges gerichtet ist und dieses in einer auslangenden seelischen Bewegung herbei.sehnt.

Hoffnung als „Weg.gefühl“ richtet sich auf ein Ziel, das es zu erreichen gilt. Sie enthält also Zuversicht und Gewiss.heit des Gelingens. Sie ist jedoch immer auch gekennzeichnet von der Tatsache, dass die Ankunft des Ersehnten noch aussteht. So ist der einer jeden Hoffnung gemäße Ort immer angesiedelt zwischen dem Schon.da.Sein und dem Noch.nicht.Sein, und das heißt: Das erstrebte Ziel ist schon da, es erfüllt mein Bewusst.sein, es bewegt und ergreift meine Existenz, aber die un.verkürzte Er.füllung ist noch nicht erlangt.

Ø Allerdings muss, was ich erhoffe, mir grundsätzlich möglich und erreich.bar sein.

Was un.möglich geworden ist, erhoffe ich nicht mehr, ich sehe es an mit Verzweiflung oder Resignation. Auch das, was mir rest.los verfüg.bar ist oder mühe.los in Reichweite meiner eigenen Kräfte liegt, erhoffe ich nicht eigentlich, sondern beschließe und ergreife es. Nur was mir nicht oder nicht rest.los verfüg.bar ist und was steil meine Kräfte überragt und was zu erlangen ich doch zuversicht.lich bin (ohne freilich vor Fehlschlägen ganz sicher zu sein), davon sagt, meine ich, unsere Sprache, dass man es erhofft.

Ø Der Hoffende konkretisiert die Zukunft,

und das heißt:

Er erwartet einzelne Dinge, Ereignisse, Begegnungen, beispielsweise Genesung und Heilung. So trägt Hoffen immer etwas von Er.wartung in sich, und doch ist Hoffnung mehr als Er.wartung, denn was mir ohnehin zur Hand ist, was mit Sicherheit gut ausgehen wird, brauche ich nicht mehr zu erhoffen, wohl aber das, was nicht so ohne weiteres zu haben ist und nicht in unserer Macht steht:

„Das Erhoffte ist immer von solcher Art,

dass der Hoffende keine Gewalt darüber hat“ (Josef Pieper),

oder:

„Die einzige Hoffnung ist die,

welche sich auf etwas richtet,

was nicht von uns abhängt“

(Gabriel Marcel).

Jedenfalls dürfen, wenn Gutes, Erwünschtes, Geliebtes erhofft wird und wenn in solcher Hoffnung Verlangen und Sehnsucht mitschwingen, die Schwierigkeiten sich nicht zu hoch auftürmen:

Ø In meinem hoffenden Auslangen nach dem Erstrebten muss dieses auch in irgendeiner Weise erreich.bar sein.

Dunkle Zukunft daher, die keinen Licht.schimmer zeigt, erstickt die Hoffnung und schlägt leicht in Verzweiflung um. Zukunftslos.igkeit lässt sich nicht leben! Erst die Überzeugung, dass die Aufgabe, auch die des individuellen Lebens, zu bewältigen ist, bildet ein hinreichendes Fundament, aus dem Hoffnung entstehen kann.

Daher sage ich,

Sinn schafft Hoffnung,

denn gerade er ist dieses Fundament

– von Stunde zu Stunde, von Situation zu Situation.

Das Wort „Sinn“ kommt vom niederhochdeutschen ‚sinnan‘ und bedeutet ursprünglich „reisen, streben, gehen“, also „einer Richtung nachgehen“ auf einem Weg, der mir ein Wert ist – der Wert ist die Orientierungs.marke und löst gleichsam den Impuls aus, sich auf den Weg zu machen. Das „Weg.gefühl“ Hoffnung ist unsere zuverlässige Begleiterin.

2. Der „Zwang“ zur Wahl, zur Freiheit

Der homo viator, also der „Mensch unterwegs“ als Pilger und Wanderer, als Weg.geher und Weg.gänger – heute in der Form des mobilen Menschen – ist permanent aufs je Neue zu Ent.scheidungen und Ein.stellungen gezwungen, und sei es nur zwischen einem Ja und einem Nein: Wenigstens diese Möglich.keiten bleiben ihm immer in und für jede Situation!

Dieser „Zwang“ zur Wahl zwingt den Menschen zu noch etwas:

Eine Entscheidung kann nämlich nur getroffen werden anhand einer Orientierung, anhand eines Grundes, anhand eines noch so geringen „Mehrs“, eines Plus also auf der einen Waagschale. Und selbst eine willkür.liche Entscheidung hat ihre Orientierung, nämlich die Orientierung an den inneren Impulsen.

Wenn ich den Menschen konzipiere als einen, der auf dem Wege ist, dann muss gesagt werden, dass ein Weg immer ge.richtet ist, also immer ein Ziel hat, es sucht und erreicht (oder auch nicht), es verfehlt, an ihm vorbei oder in die Irre (als neuem „Ziel“?) geht – aber:

Ø der Weg hat immer Richtung!

Jedoch wir geben die Richtung an, das ist das Wesent.liche, und vornehmlich wir selbst bestimmen, wohin der Weg gehen soll mit all seinen Kurven und Widerwärtig.keiten, mit all den zahlreichen Un.wegsam.keiten und gelegentlichen Aussichtslos.igkeiten. So jedenfalls, wenn man Ja sagt zu einem Menschen.bild, das Platz hat für freie Entscheidungs.mächtigkeit und den Menschen nicht durch genetische und psycho.soziale Potentiale weitestgehend geprägt und determiniert sein lässt.

Manch einer mag die Freiheit des Menschen leugnen und sich damit als superintellektuell geben. Das Problem der Freiheit jedoch ist so alt wie die Mensch.heit, und Willens.freiheit ist nun mal in der Psychologie stets ein Stiefkind geblieben und in der Philosophie ein ewiger Streitpunkt, ganz entgegen dem normalen Lebens.gefühl der Frau und des Mannes auf der Straße, die sich spontan und un.reflektiert als frei empfinden (und damit als verantwort.lich!).

Meine Haltung nenne ich unverblümt:

Wer die Willens.freiheit des Menschen leugnet, reiht ihn ein in den Einzugsbereich des nackten Affen und damit in eine Welt des un.gestümen Getrieben.seins, des Geprägt., des Verführt. und des Manipuliert.werdens, bei dem es allenthalben keine geistige Mit.sprache gibt. Dahinter steckt – und das ist eigentlich das so beängstigend Falsche! – die Theorie der permanenten Selbst.entschuldung, denn:

Ø Wenn nicht frei, dann auch nicht verantwortlich:

Es sind doch immer die anderen, die Gene, die Eltern und Lehrer, die Politiker, die Kirche, das Wetter, die Gesellschaft, die Umstände – der Täter ist eigentlich nur das bemitleidens. werte Opfer!

Ich denke in diesem Zusammenhang an Jean-Paul Sartre und an seinen Begriff von Un.freiheit, der sehr denkens.wert ist. Er sagt einmal, der Mensch habe nur die Un.freiheit, nicht frei zu sein:

„Der Mensch ist zwar frei,

nach seinem Verständnis zu wählen,

aber er ist nicht frei, aufzuhören,

frei zu sein.“

Und gerade aus dieser „Verurteilung zur Freiheit“, wie es Sartre formuliert, resultiert für den Menschen eine Orientierungs.notwendigkeit, die Notwendig.keit einer Richtung, in der die Ent.scheidung fällt.

3. Sinn ist dynamisch, situativ und individuell

Sinn ist immer auch Richtung, weil es hier um Werte geht. Sinn gibt einen Weg an. Und wenn Ent.scheidung stets auch Verwirklichung von Werten ist, d.h. Verwirklichung des von mir als zu tun wert.voll Erkanntem, dann ist dies fürwahr „sinnan“ = reisen, d.h. einer Richtung nachgehen auf einem Weg, der mir ein Wert ist. Sonst würde ich ihn gar nicht gehen, sonst könnte ich mich gar nicht ent.scheiden, was letztlich und eigentlich un.möglich ist.

Ø Sinn ist daher nie statisch, er ist nie eine für jedermann und für jede Situation gültige und fest.stehende Realität, sondern Sinn ist immer etwas, das wird.

Er ist dynamisch und an den Augenblick und an die Situation, an das Hier und Heute und Jetzt gebunden, denn gerade im Hier und Heute und Jetzt begegnet mir Leben!

Man versteht jetzt leicht, dass Sinn in diesem Verständnis auch nicht gleichgesetzt werden kann mit zweifels.freier, un.umstößlicher und un.beirrbarer Sicherheit. Wer die sucht, wird alle Sinn.suche bald beiseite legen, aber auch alles andere, manchmal sogar das Leben, das bei statisch.linearem Denken genau das nicht bringt – und schon gar nicht zum gewünschten Zeitpunkt -, was erwartet wird.

Sinn ist ein Tasten nach dem (subjektiv.individuell) Richtigen, wobei uns unser ethisches „Riech.organ“, unser Gewissen, das als eine Art Sinn.organ einem Souffleur gleicht, begleitet und uns eingibt und erspüren lässt, in welche Richtung wir vorzugehen haben, um an die Sinn.möglichkeiten heranzukommen, deren Verwirklichung eine gegebene Situation uns abverlangt.

Weil Sinn Orientierung ist, ist er nun mal stets mit dem Risiko der Un.sicherheit der Ent.scheidung und des Einsatzes verbunden:

Dieses Wagnis und diese Un.sicherheit jedoch entheben den Menschen keineswegs der Notwendig.keit, sich am Sinn zu orientieren, und das heißt: aus der un.endlichen Viel.falt der Möglich.keiten – so z.B. an einem Unfallort anzuhalten und zu helfen oder vorbeizufahren und ein Rendezvous oder einen Geschäftstermin wahrzunehmen – jeweils die mir sinn.vollste zu wählen und – auch zu verantworten.

Das Erkennen von Sinn wird dadurch erschwert, dass er niemals gegenständlich.materiell ist. Er ist keine faktisch.materielle Wirklich.keit, sondern immer eine praktische Möglich.keit, die mich angeht und Appell. und Aufforderungs.charakter hat. Als Möglichkeit ist er (verständlicherweise) von flüchtigem Charakter, immer im Ent.schwinden und doch immer aufs neue da, eigentlich ähnlich der Zeit und dem Bewusstsein.

Ø In jedem Augenblick aber kann es nur eine einzige Möglich.keit geben, die im Hinblick auf ihre potentielle Sinn.haftigkeit gerade für mich das eine darstellt, das Not tut.

Und eben die herauszufinden, macht die Forderung aus, die aus jeder Situation an uns ergeht – im Sinne eines Auf.rufs zur Verantwortlich.keit. Situation ist immer Situation für mich!

Bleiben wir bei unserem Beispiel:

Ich kann heute um 9.30 Uhr an dem Unfall.verletzten vorbeifahren und später, ein andermal helfen (wollen), wo vielleicht meine Hilfe.leistung noch sehr viel dringlicher und effizienter sein mag. Aber diese eine Chance, diese eine Möglichkeit heute um 9.30 Uhr als Sinn.erfüllungs.möglichkeit und als Wert.verwirklichungs.möglichkeit ist, wenn ich weiterfahre, end.gültig vorbei und für immer vertan. Meine Antwort auf das Leben, d.h. meine Antwort auf die Frage, die diese eine Situation zu diesem einen Zeitpunkt an mich gestellt hat, habe ich ein für allemal gegeben – durch das Nichtanhalten und Weiterfahren -; die gleiche Möglich.keit kommt nie wieder zurück!

Wir sind stets in die Verantwortung genommen, für jede Sinn.wahl oder Wert(e).wahl geradezustehen! Das ist fürwahr ein Abenteuer. Aber Sinn ist nun mal jeweils ein Unikat, er ist immer ein anderer, für jeden einzelnen immer ein anderer, und jeder Augenblick, jede Stunde und jeder Tag vermag mit immer neuen Sinn.möglichkeiten aufzuwarten, was heißt, dass auf jeden Menschen immer und stetig neu etwas wartet, ein An.ruf der Situation, eine Aufgabe je besonderer Art.

4. Sinnverlust ist Un-heil

· Sinn.voll leben heißt, innerhalb einer begrenzten Zeit.spanne tätig zu sein und verantwortungs.bewusst zu handeln.

· Sinn findet man nicht im Ausblenden der Gegenwart, weder durch Psycho.archäologie noch durch Mandala.Visionen und Om.Rezitationen, wie wertig dies auch punktuell sein mag.

· Sinn-Erfüllung findet hier und heute statt, und Sinn.Aufschub in einer Stunde bedeutet Sinn.Verlust für diese Stunde, wenn nicht gar Verlust dieser Stunde überhaupt.

· Sinn ist höchst konkret, er ist kein Gefühl, sondern Bewusst.heit, die auf ein Gegen.über, auf einen Gegen.stand gerichtet ist, auf eine Sache, eine Idee, eine Aufgabe, auf andere Menschen, ja selbst auf Gott, wenn Sinnhaftig.keit in einem Lebens.konzept den Gottes.glauben voraussetzt.

Sinn ist so lebens.wichtig wie die Luft,

die man atmet,

und deren man sich meist erst bewusst wird,

wenn einem jemand den Hals zudrückt.

Deshalb spricht der sinn.voll Lebende am allerwenigsten über Sinn, während Sinn für den vom Schicksal Geplagten und für den am Leben Frustrierten sofort zum Problem, oftmals zum Überlebens.problem wird.

Ø Sinn.verlust ist daher auch keine Krank.heit, sondern ein Un.heil, das die Ganz.heit des Menschen betrifft und auch nur in dieser Ganz.heit geheilt werden kann.

Ich wünschte mir sehr, dass es bei niemandem so weit komme, sondern dass er stets die Fähig.keit besitzen oder sich anzueignen imstande sein möge, Sinn.möglichkeiten auf dem Hintergrund der Wirklich.keit aufleuchten zu sehen, wie dies Rainer Maria Rilke in diese Worte kleidet:

„Wenn Dein Alltag Dir arm erscheint,

klage ihn nicht an –

klage Dich an,

weil Du nicht stark genug bist,

seine Reichtümer zu wecken.“

Sinn ist im Leben zu ent.decken und nachgerade zu ent.bergen wie das Gold aus dem Geröll einer Mine. Manchmal mag dies auch bedeuten, hinter sich zu schauen und zurückzublicken, d.h. dank.bar zu sein für das Gewesene und Erlebte und aus der Erfüllt.heit der Vergangen.heit wieder Mut und Kraft für die Zukunft zu gewinnen:

„Leuchtende Tage.

Weine nicht,

dass sie vorüber,

sondern lächle,

dass sie gewesen“

Immanuel Kant.

5. Leben ist Dynamik, aber stets Ver.antwortung

Möglich.keiten sind Wege zu einem Ziel hin, das noch nicht zur Wirklich.keit erhoben ist – der Weg aber ist wirklich.

Und Leben, unser ganz persönlich.individuelles Leben, menschliches Dasein schlechthin verstehe ich als reine Möglichkeit (zu allem hin), was bedeutet:

Ø Leben ist stets und wesent.lich verbunden mit Abertausenden von Ent.scheidungen, um aus Möglich.keiten Wirklichkeiten werden zu lassen.

Das ist Dynamik, aber stets Verantwortung. Und so verstehe ich auch sehr gut Max Scheler, wenn er kurz und bündig sagt:

„Der Mensch ist eine Richtung,

kein Ding.“

So verstanden kann man durchaus den Menschen als Möglich.keit konzipieren, ganz im Sinne des Nietzsche.postulats:

„Werde,

der Du bist“

oder mit Abraham Maslow:

„Was ein Mensch sein kann,

muss er sein.“

Ein solches Menschen.bild lässt grundsätzlich Hoffnung zu, Hoffnung als Ur.gebärde der mensch.lichen Existenz und als Ausdruck der Grund.verfassung des Menschen, die ich vorher mit dem „Stand des Auf.dem.Weg.Seins“ umschrieben habe.

Orientierungslos.igkeit und Hoffnungslos.igkeit hängen innerlich eng zusammen, denn wer ohne Hoffnung ist, dem verblasst jede Orientierung, auch wenn sie noch so gut gemeint ist. Und wer ohne Orientierung ist, dem nützt auch die Hoffnung nichts. Beides gehört zusammen.

Interessant und wichtig ist, was in diesem Zusammenhang nie gesehen wird:

Orientierung hängt sprachlich mit Orient zusammen und verweist also auf jene Himmelsrichtung, die für die Bewohner der Mittelmeerländer für den Sonnenaufgang steht. Die Sonne steht für das Leben, für Wieder.geburt, für Er.neuerung, für Neu.anfang und Lebens.energie, für Ausgang und Ziel des Kosmos.

Orientierung ist also richtungs.bezogene Dynamik schlechthin, aber sie ist nicht die platte Kenntnis des (richtigen) Weges (Norbert Copray). Der sinn.orientierte Mensch begibt sich auf diesen Weg, er hat die Richtung, weil er das Ziel kennt, nämlich die Fülle der noch zu verwirklichenden Werte.

Den Weg jedoch mit all seinen Risiken muss jeder selbst gehen, wie dies sehr schön Ulrich Schaffer „ver.dichtet“:

„Den Weg,

den Du vor Dir hast,

kennt keiner.

Nie ist ihn einer so gegangen,

wie Du ihn gehen wirst.

Es ist Dein Weg.

Un.auswechsel.bar.

Du kannst Dir Rat holen,

aber entscheiden musst Du.“

Hoffnung ist letztlich nicht nur

„der letzte Grund der Seele“

(Friedrich Bollnow)

und in der Sprache Gabriel Marcels

„gar der Stoff,

aus dem unsere Seele gemacht ist“,

sondern sie ist es, die das Leben als Leben, als in die Zukunft gerichtetes Handeln und Streben erst ermöglicht.

Ø Rein alles gibt es auf dem Markt zu kaufen, nur keine Hoffnung und keinen Lebenssinn,

was auch immer der einzelne darunter verstehen mag. Droht das eine wie das andere sich zu minimieren, ist Gefahr im Anzug; und wiewohl ich gerne an das Dichterwort Hölderlins glauben mag:

„Wo aber Gefahr ist,

wächst das Rettende auch“,

so gilt auch die andere Erkenntnis, wonach der, der die Gefahr liebt, darin umkommt.

An jeden ergeht der Wunsch,, dass ihm die Hoffnung nicht „ausgehe“, dass er die Orientierung auf Werte hin nicht verliere und stets imstande sein möge, immer wieder neu Sinn.funken aus der Situations.welt zu schlagen – und mag sie oftmals noch so ruppig, widerborstig und trist sein.

P.S. Mehr und umfassend zu diesem Thema in: Bernhard A. Grimm , „Lust auf Leben – Leben braucht Sinn. Hoffnung statt Nullbock auf Nichts“, Ephatá Verlag, Pfaffenhofen 1999, 384 Seiten, € 20,00 – zu beziehen – signiert bzw. mit Widmung – unter dr.grimm@online.de

22. Februar 2013
(c) Dr. Bernhard A. Grimm
Autor

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188_Grimm Dr. phil. Bernhard A. Grimm

ist Philosoph, Theologe und Althistoriker und beschäftigt sich – nach seiner Tätigkeit in Lehre und Forschung an der Universität München und im Management eines mittelständischen Unternehmens – seit 25 Jahren als selbständiger Dozent in Seminaren, Kolloquien, Vorträgen und Publikationen mit Fragen der Persönlichkeitsbildung, Führungsethik, Sinnfindung, Wertorientierung (Logotheorie) und Spiritualität. Er ist Autor von sieben Sachbüchern (so z.B. „Ethik des Führens“, „Macht und Verantwortung“, „Die Frau – der bessere Mensch“, „Lust auf Leben – Leben braucht Sinn“, „Älter wird man in jedem Alter“).

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