Kontemplation und Künstliche Intelligenz
Da ich seit vielen Jahren als Lehrer für Kontemplation (nicht für Meditation) tätig bin, habe ich mich dafür interessiert, wie ChatGPT mittels KI den Begriff Kontemplation definiert:
Kontemplation ist ein Begriff, der sich auf eine Form der tiefen, reflektiven Meditation oder des intensiven Nachdenkens bezieht. Es wird oft in religiösen und spirituellen Kontexten verwendet, kann aber auch säkular verstanden werden. Hier sind einige Aspekte, die Kontemplation charakterisieren:
- Tiefes Nachdenken: Kontemplation beinhaltet ein intensives, fokussiertes Nachdenken über ein bestimmtes Thema, eine Idee oder ein Konzept. Es geht darum, sich Zeit zu nehmen, um über die tieferen Bedeutungen und Implikationen nachzudenken.
- Spirituelle Praxis: In vielen religiösen Traditionen ist Kontemplation eine Methode, um eine tiefere Verbindung zu einer höheren Macht oder zu den fundamentalen Wahrheiten des Lebens zu suchen. Beispiele hierfür sind die christliche Mystik, das buddhistische Zazen oder das hinduistische Dhyana.
- Ruhe und Stille: Kontemplation wird oft in einer ruhigen und stillen Umgebung praktiziert, um Ablenkungen zu minimieren und einen Zustand innerer Ruhe zu erreichen. Diese Stille hilft dem Geist, sich zu konzentrieren und tiefer zu gehen.
- Innere Einsicht: Durch Kontemplation können Menschen oft neue Einsichten oder ein tieferes Verständnis für sich selbst, ihre Umgebung oder die Welt als Ganzes gewinnen. Es geht darum, über die oberflächlichen Erscheinungen hinaus zu sehen und tiefere Wahrheiten zu erkennen.
- Unterschied zur Meditation: Während Meditation oft eine Technik zur Beruhigung des Geistes und zur Förderung der Achtsamkeit ist, ist Kontemplation spezifischer auf das Nachdenken und die Reflexion über bestimmte Inhalte ausgerichtet. Die Grenzen sind jedoch fließend, und die Begriffe werden manchmal synonym verwendet.
Insgesamt ist Kontemplation eine wertvolle Praxis, die dazu beitragen kann, inneren Frieden, Klarheit und ein tieferes Verständnis für komplexe Themen zu erreichen.
Kontemplation hat überhaupt nichts mit Nachdenken zu tun.
Ich bin sehr beruhigt, dass auf die KI kein Verlass ist und wir auf tiefgründiges, selbst erarbeitetes Wissen auch weiterhin angewiesen sind.
Das lateinische Wort „contemplatio“ entspricht dem griechischen Wort „theoria“. Es bedeutet: das Schauen und Erkennen der objektlosen Wirklichkeit. Ein langer Übungsweg ist erforderlich. Meditation, Denken und Reflektion haben in der Kontemplation keinen Wirkungsraum.
Jeder Mensch ist ein templum spirituale, ein vom kosmischen Geist erfüllter Tempel.
Der Wohnort Gottes oder auch Brahman, Tao, Nirvana liegt im Innersten jedes Menschen verborgen. Kontemplative Spiritualität zeigt die mannigfaltigen Möglichkeiten auf, wie man sich mit Vertrauen auf den Rückweg in das eigene Zuhause, den Urgrund, die Urquelle, begeben kann, ohne von dogmatischen, konfessionell gebundenen Lehrmeinungen gefesselt zu sein. Es geht um eine geistige Befreiung, bei der Immanenz und Transzendenz Hochzeit feiern.
Die Praxis der Kontemplation entfernt keineswegs von der Welt, im Gegenteil. In der Kontemplation erkennt man, dass das ganze Universum ein einziges Ganzes ist, dass alles vom Gesetz der gegenseitigen Abhängigkeit gelenkt wird und jeder ein Gefühl für das soziale Verflochtensein entwickeln, sein wahres Wesen erken-nen und die Suche nach dem illusorischen Glück aufgeben sollte. Das echte Glück, die wahre Freiheit, liegt im Bewusstsein der Vergänglichkeit, dem Respekt und Verständnis für das Leben und für sich selbst.
Der Mensch muss aus dem Traum erwachen, um im Hier und Jetzt zu leben.
„Wach auf, du Schläfer, und steh auf von den Toten, und Christus wird dein Licht sein.“
(Epheser 5, 14)
Welche Grenzen des Menschseins überschreiten wir im Zeitalter der KI-gesteuerten digitalen Revolution?
Der griechische Philosoph Plutarch (45 – 120 n.Chr.) hatte den Ausspruch des römischen Feldherrn Pompejus (106 – 48 v.Chr) überliefert, den er seinen Matrosen zugerufen haben sollte, die sich weigerten wegen eines Sturms, ihre Schiffe zu besteigen.
„Navigare necesse est. Vivere non est necesse“
(„Zur See fahren ist notwendig, leben nicht!“)
Aus einem Aufruhr der Natur und der Temperamente geboren, bekräftigt die Aussage, dass der Mensch dort, wo er Horizonte überschreitet, auch auf die Grenzlinie von Tod und Leben gerät.
Heute sind die hoch komplexen Navigationssysteme nicht mehr ausschließlich auf die Seefahrt beschränkt. In jedem SMARTPHONE befindet sich heute ein „NAVI“.
Noch ist der Mensch in der Lage die diversen technischen Geräte aktiv zu bedienen, allerdings nimmt der Cyber-Wahnsinn, den ich mit Cyberismus bezeichne, gewaltig zu, wobei die Grenzen von Aktivität und Passivität bald ineinanderfließen werden. Mit den cyber-intelligenten Informationssystemen, wo Wissen kaum noch vermittelt wird, werden wir durch das Leben geführt. Anlehnend an das berühmte Zitat von René Descartes (1596 – 1650) „Cogito ergo sum – Ich denke, also bin ich!“ formuliere ich für den im digitalen Zeitalter lebenden Menschen:
„Navigor ergo sum – Ich werde navigiert, also bin ich!“
Die Hexenküche der digitalen Cyber-World wird täglich bedrohlicher, weil die Unterscheidung zwischen Virtualität und Wirklichkeit immer schwieriger wird. Die Datenmengen („big data“) sind kaum zu bewältigen – vieles wird in einer „Cloud“, wo immer diese sich befinden mag, ausgelagert.
Im World-Wide-Web (WWW) kann jeder in wenigen Sekunden einen Blog einrichten oder eine Profilseite in einem sozialen Netzwerk – vor zehn Jahren herrschte noch das umständliche Basteln an der ganz privaten Homepage vor. Bei FACEBOOK oder TWITTER fließen die Beiträge der Millionen Netzbürger in einen kollektiven Bewusstseinsstrom ein. Dabei kommen auch die Grenzen zwischen privat und öffentlich in Fluss.
Fast täglich wird die Technik schneller, die „Kommunikationsgeräte“ werden vermeintlich immer intelligenter. Sie werden zunehmend mit „fühlenden“ Sensoren und Speicherbausteinen ausgestattet, die unsere Aktivitäten aufzeichnen und digitale Dossiers erstellen – um unser Gedächtnis zu verankern, die Informationsflut zu kanalisieren und uns bei Entscheidungen zu helfen.
Am Morgen des Ostersonntags wird J.W. von Goethes „Faust“ von Engelschören vor dem Selbstmord bewahrt, gerät noch am selbigen Tag in den Bann des Teufels („des Pudels Kern“). Dieser führt ihn – nach dem verunglückten Spektakel in Auerbachs Keller – zum magischen Verjüngungsakt in die Hexenküche, wo er das rätselhafte Hexeneinmaleins vernimmt.
Du musst verstehn!
Aus eins mach Zehn,
Und Zwei lass gehn,
Und Drei mach gleich,
So bist du reich.
Verlier die Vier!
Aus Fünf und Sechs,
So sagt die Hex,
Mach Sieben und Acht,
So ist´s vollbracht;
Und neun ist Eins,
Und Zehn ist keins,
Das ist das Hexen-Einmaleins!
Digitale Geräte reagieren inzwischen auf unsere Stimmen und Gesten und können unsere Handschrift erkennen. Digitale Assistenten werden sich unsere jeweiligen Bedürfnisse anhören und dabei helfen, diese zu erfüllen, etwa bei der Suche nach einer Wohnung in einer neuen Stadt.
Jedes physische Objekt wird demnächst von einer digitalen Wolke, „Cloud“ umgeben sein.
Big Data verändert alles. Spätestens seit den Enthüllungen Edward Snowdens wissen wir: Eine nahezu unkontrollierbare Über-wachungsmaschinerie hat uns im Griff. Gewaltige unstrukturierte Datenmengen, die unser Leben abbilden, werden systematisch aus-gewertet. Alles wird zu digitaler Information.
Die Welt der Algorithmen beherrscht uns längst. Sie verändert unser Leben und unser Denken. Wir werden „algorithmisiert“.
Wohin geht der Mensch?
Die Welt im Umbruch
In Goethes Klassiker der Weltliteratur begegnen wir dem ewig Suchenden. Dieser glaubt, alle Einsichten durch das Studium der Wissenschaften zu gewinnen und scheitert kläglich daran. Da kommt der Teufel ins Spiel und zeigt dem Gelehrten, der sich sein ganzes Leben lang darauf verlassen hat, dass alles Weltliche durch Wissen erklärbar wird, die wahre Welt, wie er sie sieht. Er zeigt ihm die Gefühle von Lust und Macht. Eine Nebenhandlung ist der künstlich geschaffene Mensch, dem es nicht gelingt, ein echter Mensch zu werden.
Der Mensch, wie er sich selbst vorstellt, zu sein, nämlich vollkommen gut und frei von jeglicher Schuld, ist für Goethe kein wahrer Mensch. Vielmehr ist der Mensch schuldbelastet und lasterhaft, aber erst das macht ihn zum wahren Menschen. Wenn der Mensch sich Zeit seines Lebens bemüht, ein gutes Leben zu führen, dann war dieses Leben auch ein gutes und der Mensch darf sich frei fühlen, alles richtig gemacht zu haben. Denn der Teufel, der nach katholischem Glauben alle Attribute des Bösen erfüllt, allgegenwärtig.
Seine göttlichen Eigenschaften kann der Mensch nur in sich selbst finden.
Für Goethe existiert kein Gut und kein Böse getrennt voneinander. Weil die Polarität von Gut und Böse Hand in Hand geht, treffen gleich zu Anfang, im Prolog im Himmel, der Teufel und der Herr aufeinander.
„Du wirst werden wie Gott – du wirst Gut und Böse erkennen.“ schreibt Mephistopheles einem Schüler ins Stammbuch.
Unter der glamourösen Oberfläche einer oft überdrehten und überreizten Alltagsexistenz im Bewusstseins-Gefängnis von „Konsum & Wachstum“ beginnt sich in vielen Bereichen des menschlichen Lebens eine angsterfüllte Haltung auszubreiten.
Der „homo sapiens“, der wissende und weise Mensch steht zur Disposition und mutiert zu einem „homo demens“ anstatt die Transformation zu einem „homo oriens“ ins Auge zu fassen.
Noch bevor es der industriellen Revolution gelang, den überlegenen praktischen Nutzen der Naturwissenschaft unter Beweis zu stellen, hatten diese kulturellen Entwicklungen auf die Vorzüge einer wissenschaftlichen Sicht der Dinge verwiesen. Die wissenschaftliche Revolution war inmitten des Chaos und der ungeheuren Zerstörungen der Religionskriege entstanden, die auf die Reformation folgten und Europa im Namen konkurrierender christlicher Absolutheitsansprüche in eine über ein Jahrhundert dauernde Krise gestürzt hatten. Solche Umstände waren dazu angetan, nicht nur die Glaubwürdigkeit des christlichen Verständnisses in Zweifel zu ziehen, sondern auch seine Fähigkeit, Sicherheit und relativen Frieden zu schaffen – von universeller Nächstenliebe ganz zu schweigen.
Das Selbstbild des modernen Menschen wurde im Verlauf des wissenschaftlichen Fortschritts nicht nur radikal in seine räumlichen und zeitlichen Schranken verwiesen, es erfuhr auch eine qualitative Entwertung seines wesentlichen Charakters. So wurde das menschliche Bewusstsein zu einem bloßen Epiphänomen der Materie, einer Sekretion des Gehirns, einer Funktion in einem biologischen Befehlen Folge leistenden elektro-chemischen Schaltsystem.
Das cartesianische Programm der mechanistischen Analyse ging dazu über, seine ursprüngliche Unterscheidung zwischen „res cogitans“ und „res extensa“, dem denkenden Subjekt und der materiellen Welt, hinfällig werden zu lassen.
Die Erkenntnis leitende Hypothese, dass die Komplexität der Welt und der menschlichen Erfahrung im weiteren Verlauf des Fortschritts eine abschließende Erklärung allein aufgrund natur-wissenschaftlicher Prinzipien finden werde, nahm zunehmend – wenngleich oft unbewusst – den Status eines wohlbegründeten, wissenschaftlichen Prinzips an, obwohl es sich genau genommen nur um eine Hypothese handelte.
Mir ist bewusst geworden, dass das dynamisches Schöpfungsgeschehen, die „creatio continua“, ein Werden ist, welches aus dem ruhenden Urgrund, dem Sein, hervorgeht. Am Meeresgrund selbst findet man keine unruhigen Wellenbewegungen; je mehr man aus der Tiefe schöpfend (Kreation, Schöpfung kommt immer aus dem Urgrund und nicht von anderen Planeten) an die Oberfläche gerät, bekommt der Ozean, das Meer als herausragende Welle Existenz; lat.: exsistere = hervortreten. Diese Existenz ist nur eine Teilwirklichkeit des ganzen Lebens, vom dem der größere Part unsichtbar und verborgen ist. Der Baum wächst von unten nach oben und nicht in umgekehrter Richtung.
Die Wurzeln unserer Existenz sind tief verankert.
Daher kommen ja unsere Ausdrücke:
Die eigentliche Aufgabe der Kontemplation besteht darin, uns dorthin zu führen, wo das Wort spricht und nicht gesprochen wird. Das lat. Wort „contemplatio“ entspricht dem griech. Wort „theoria“ (die Wesensschau ohne Objekt, ohne ein Gegenüber – das reine Schauen in die Wirklichkeit).
Es ist ein Aufsteigen zu dem Shabda-Brahman (Sanskrit: die Welt des Klanges), dem Absoluten Wort. Der innerste Sinn des Klanges ist der eigentliche Shabda, der sich mit erleuchtender Kraft (Sanskrit: Shakti) aus dem Unbewegten, Ewigen erhebt. Wenn sein Gefährt, das gesprochene Wort, in innerlich und äußerlich vollkommener Weise erklingt, versetzt es die innere Kraft in Schwingung, die dann in der Lage ist, Einsicht bis hin zur Erleuchtung zu vermitteln.
08.08.2024
Roland R. Ropers
Religionsphilosoph, spiritueller Sprachforscher, Buchautor und Publizist
Über Roland R. Ropers
Roland R. Ropers geb. 1945, Religionsphilosoph, spiritueller Sprachforscher,
Begründer der Etymosophie, Buchautor und Publizist, autorisierter Kontemplationslehrer, weltweite Seminar- und Vortragstätigkeit.
Es ist ein uraltes Geheimnis, dass die stille Einkehr in der Natur zum tiefgreifenden Heil-Sein führt.
>>> zum Autorenprofil
Buch Tipp:
Kardiosophie
Weg-Weiser zur kosmischen Ur-Quelle
von Roland R. Ropers und
Andrea Fessmann, Dorothea J. May, Dr. med. Christiane May-Ropers, Helga Simon-Wagenbach, Prof. Dr. phil. Irmela Neu
Die intellektuelle Kopflastigkeit, die über Jahrhunderte mit dem Begriff des französischen Philosophen René Descartes (1596 – 1650) „Cogito ergo sum“ („Ich denke, also bin ich“) verbunden war, erfordert für den Menschen der Zukunft eine neue Ausrichtung auf die Kraft und Weisheit des Herzens, die mit dem von Roland R. Ropers in die Welt gebrachten Wortes „KARDIOSOPHIE“ verbunden ist. Bereits Antoine de Saint-Exupéry beglückte uns mit seiner Erkenntnis: „Man sieht nur mit dem Herzen gut“. Der Autor und die sechs Co-Autorinnen beleuchten aus ihrem individuellen Erfahrungsreichtum die Vielfalt von Wissen und Weisheit aus dem Großraum des Herzens.
Der Befreiungsweg in der Gegenwart verleiht uns die Perspektive einer fast vergessenen kosmologischen Weltsicht, die uns Dimensionen der Wirklichkeit offenbart, die unter den erdrücken-den Schichten der Geschichte, der Politik, der Wirtschaft, der Technologie und den unheilvollen pseudo-religiösen Angeboten fast vergraben wurden.
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