Wenn man in China und Taiwan Laternen in den Himmel steigen lässt, fliegen Wünsche und Träume mit.
Zum ersten Vollmond des Neujahrs sah man im alten China die Himmelsgeister durch die Lüfte fliegen. Deshalb wies man ihnen mit Fackeln den Weg zu den Tempeln – später dann mit Laternen. Das Laternenfest ist seitdem ein wunderschöne Tradition in China und Taiwan und wird 2022 am 15. Februar gefeiert. Es ist spektakulärer Abschluss des Neujahrfests, das, beginnend am 1. Februar, 15 Tage lang gefeiert wird – und markiert auch den Neuanfang in der Natur.
Das chinesische Neujahr ist so klassischerweise die Zeit für einen umfassenden “Frühjahrsputz” auf allen Ebenen: Nicht nur Wohnung und Haus werden gründlich saubergemacht, um ein “schlechtes Schicksal” hinaus zu fegen – es wird auch großer Wert darauf gelegt, jetzt noch Schulden zurückzuzahlen. Der Besuch der prachtvoll geschmückten Tempel und das Verteilen von roten Umschläge mit kleinen Geldgeschenken an die Verwandtschaft soll der ganzen Familie Glück bringen. Danach hält das festliche Treiben noch fünfzehn Tage an, bis es schließlich fließend ins Laternenfestival übergeht, das seinen Höhepunkt und Abschluss darstellt. In dieser Zeit kommt die Familie zusammen.
Wenn auch die einzelnen Bräuche des Festes je nach Region variieren können, so sind doch allen die Laternen gemeinsam:
Sie sind an jedem Gebäude, ob Tempel oder Haus, befestigt; Kinder tragen sie durch die Straßen, und an einigen Orten lässt man sie in den Himmel aufsteigen. Allen gemeinsam sind ebenfalls die zahllosen Feuerwerke, die über den Städten tanzen, das Rätselraten auf den Straßen, das gemeinsame Essen von Tangyuan, die Löwen- und Drachentänze sowie Musik und Straßenakrobatik.
In der chinesischen Kultur dienen Laternen nicht nur der Beleuchtung und Dekoration, sondern wurden auch als Mittel der Kommunikation eingesetzt: Eine rote Laterne am Tor bedeutete eine Geburt oder Hochzeit, eine weiße einen Trauerfall in der Familie. Die Laternen des Festivals sind teilweise riesengroß und reichen über mehrere Häuseretagen. Sie werden jedes Jahr mit größter Sorgfalt neu angefertigt. In den traditionellen Formen stellen sie oft die Tiere des chinesischen Horoskops dar. Die meisten sind rot oder mit Motiven wie Früchten, Blüten und Tieren bemalt – es sind aber auch Szenen aus klassischen Romanen und Legenden oder Vertreter der neuzeitigen Popkultur mit vertreten. Die Materialen sind nach alten Brauch lackiertes Holz und Papier oder Pergament, Perlmutt und Horn – und die Erzeugnisse beeindrucken durch Schönheit und Vielfalt.
Das Anzünden einer Laterne stellt eine symbolische Handlung dar, die für das “Gebären” und die Erhellung der Zukunft steht.
Man tauscht damit das alte Selbst gegen ein Neues aus. Zudem wird es verbunden mit Gebeten für das Wohlergehen der Familie. Wenn eine Frau schwanger werden will, geht sie jetzt unter einer hängenden Laterne hindurch und bittet um ein Kind. Das Laternenfest gilt übrigens auch als ein guter Tag für Brautschau und Ehestiftung.
Das Rätselraten, das seit Jahrhunderten betrieben wird, ist eine der beliebtesten Aktivitäten auf dem Fest. Besitzer einer Laterne schreiben ein Rätsel auf sie oder auf ein Stück Papier, das an ihr befestigt wird. Da kann es leicht passieren, dass sich um eine Laterne mit einem besonders kniffligen Rätsel eine regelrechte Menschentraube ansammelt. Wer die Lösung errät, erhält eine kleine Belohnung dafür.
Die von Trommelschlägen begleitenden Löwen- und Drachentänze stellen ein weiteres Spektakel des Festes dar.
Das vierfüßige Fabelwesen des Löwen, in dem zwei Tänzer stecken, symbolisiert Stärke und Mut. Mit den Tänzen, die noch aus der Zeit der drei Königreiche überliefert sind (220 – 280), vertreiben die Löwen böse Geister und Dämonen und beschützen so Mensch und Vieh. Ein chinesischer Löwe würde nie einem Menschen gefährlich werden; er bildet vielmehr die Brücke zwischen Mensch und Himmel und bringt Glück und Wohlstand.
Die Drachen, ebenfalls Fabelwesen, sind oft viele Meter lang. Sie werden von mehreren Tänzern an hohen Stangen durch die Luft getragen, so dass es tatsächlich scheint, als würden sie fliegen. Auch er steht für Freude und ein günstiges Geschick.
Das Essen von Tangyuan ist beim Laternenfest unverzichtbar. Die kleinen Klöße aus Reismehl sind in verschiedenen Varianten gefüllt: brauner Zucker, Sesam, Nüsse, Rosenblüten, süße Pasten aus roten Bohnen oder Jujube, einer Dattelart. Sie werden gekocht, gebraten oder gedämpft und in fermentierter Reissuppe serviert. Da ihre runde Form Ganzheit und Zusammenhang symbolisiert, bringt ihr Genuss an diesem Festtag die besten Wünsche für die Familie und deren Zukunft zum Ausdruck.
Die Ursprünge des Laternenfests reichen bis in die bedeutende Han-Dynastie zurück (206 v. Chr. – 220 n. Chr.)
und erlebte seine Blütezeit zur Tang-Dynastie (618-907) als extravagantes Spektakel, das Pracht und Reichtum zur Schau stellte.
Eine Geschichte über seinen Ursprung lautet, dass der Kaiser davon hörte, dass die Mönche am fünfzehnten Tag des ersten Mondmonats Laternen in die Tempel hängten, um Buddha zu huldigen, was ihm gefiel. So befahl er, dass an diesem Tage in allen Tempeln, Häusern und Palästen Laternen entzündet werden sollten. Eine andere erzählt, dass damals die Leute auf dem Land mit Fackeln Tiere und Insekten von ihren Felder gescheut haben, um für eine gute Ernte zu sorgen – und dass das Laternenfest von diesen Fackelumzügen abstamme.
Doch die schönste Legende besagt, dass vor Unzeiten ein heiliger Vogel vom Himmel fiel, wo er von einem Jäger unwissentlich getötet wurde. Daraufhin befahl der erzürnte Himmelskaiser, am fünfzehnten Tag des ersten Monats alles auf Erden zu verbrennen. Doch seine mitfühlende Tochter warnte die Menschen. Ein alter Mann kam auf die Idee, dass jede Familie zu dieser Zeit Laternen entzünden und Feuerwerke veranstalten sollte, um so den Kaiser zu täuschen. Als nun der Himmelskaiser am fünfzehnten Tag auf die Erde sah und überall rotes Feuer erblickte, glaubte er die Menschen für ihren Frevel bestraft.
Einen unvergesslichen, magischen Anblick bieten die Kongming-Laternen, auch Himmelslaternen genannt, wenn sie zu Aberhunderten in den nächtlichen Himmel steigen.
Dabei handelt es sich um kleine Heißluftballons aus geölten Papier, die auf einem Gerüst aus Bambus angebracht sind. In der unterer Öffnung sitzt ein kleines Feuer und sorgt durch Erhitzung der Luft im Laterneninneren für den nötigen Auftrieb. Angeblich wurden diese Miniatur-Heißluftballons schon im dritten Jahrhundert v. Chr. als Signale eingesetzt.
Die offizielle Geschichtsschreibung platziert ihre Erfindung allerdings fünf Jahrhunderte später und schreibt sie dem Kriegsherrn Zhuge Liang zu, dessen Ehrentitel Kongming lautete. Von ihm wird berichtet, er habe eine Himmelslaterne steigen lassen, um Hilfe zu rufen, wenn sein Lager von feindlichen Gruppen umgeben war. Dieser militärische Ursprung ist längst vergessen. Heute schreibt man die innigsten Wünsche auf seine Laterne, die sie dann in den Himmel trägt: Gesundheit, Geld, Eheglück, ein Baby. Aus Gründen des Brand- und Umweltschutzes ist dieser Brauch nur noch in wenigen Regionen gestattet, etwa im Nordosten Taiwans.
Wenn die Chinesen Laternen schon lieben – dann sind die Taiwanesen regelrecht verrückt danach.
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Wenn die guten Wünsche dort von Feuerwerkskörpern und Himmelslaternen in die Höhe getragen werden, können auch wir die Zeit für einen zweiten Neuanfang und die Kraft des Lichts für uns nutzen. Besinne dich darauf, dass die dunkle Jahreszeit dem Licht weicht – und dass jedes Entzünden einer Kerze einen Neuanfang darstellt. Und denke auch daran, dass jederzeit die beste Zeit ist, die eigenen Wünsche in den Himmel zu schicken.
08.02.2022
Martina Pahr
Autorin, Bloggerin und PR – Expertin
Martina Pahr
ist Autorin, Bloggerin und PR – Expertin, hat vor einigen Jahren den Sprung ins kalte Wasser gewagt und sich selbständig gemacht. Seither tut sie, wovon sie immer geträumt hat, und lebt vom Schreiben.
Beruflich wie auch privat setzt sie sich mit den spirituellen Aspekten des Lebens und den vielen Erscheinungsformen der New-Age-Bewegung auseinander – und nicht immer ist ihr gesunder Menschenverstand überzeugt von dem, was er vorgesetzt bekommt. Sie glaubt ungebrochen an das (viel zu oft ignorierte) Göttliche im Menschen: Eigenverantwortlichkeit und Eigenmächtigkeit, Selbstwert und Selbstheilungskräfte.
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