Trauma erklärt – Bin ich traumatisiert?
Vielleicht kennen Sie das: Sie sind schon lange auf der Suche nach dem richtigen Heiler, der richtigen Therapiemethode, Sie arbeiten seit Jahren an sich, lesen, besuchen Workshops und Seminare und doch ändert sich nur sehr wenig in Ihrem Leben – Themen, Symptome und Muster bleiben.
So bemerken Sie vielleicht immer noch, wie Sie sich immer wieder anstrengen müssen, wie Beziehungen, Job oder Leben als solches nicht gelingen. Aber vielleicht leiden Sie auch „nur“ unter Schlafstörungen, Erschöpfung, sind immer unruhig, können sich nicht gut konzentrieren oder leiden unter körperlichen Beschwerden, die Ihnen kein Arzt erklären kann. Dann sollten Sie an eines denken: die Ursache für all das könnte ein Trauma sein!
Wie komme ich darauf?
Nun Trauma kann sich in vielen Dingen zeigen, wie oben benannt. Leide ich an einer Traumatisierung, dann sollte ich vor allem Traumatherapie machen und hier vor allem körperorientierte Traumatherapie, wie Somatic Experiencing, nur dann kann ich oben beschriebene Muster und Symptome heilen. Das heißt, warum Sie nicht weiterkommen, und das nach Jahren der Therapie, hat häufig mit der falschen Methode zu tun, denn Trauma kann nur mit Traumatherapie geheilt werden!
Was ist überhaupt ein Trauma?
Aber eins nach dem Anderen. Sie fragen sich sicherlich, was ist überhaupt ein Trauma? Das Wort Trauma kommt aus dem Griechischen und wird mit Wunde übersetzt. Das bedeutet also, dass wir uns, wenn wir von einem Trauma sprechen eine Wunde zugezogen haben. Wunden können größer und kleiner sein, sie können schmerzen, vernarben und heilen. Sie können nur den kleinen Finger betreffen oder den gesamten Körper. Dementsprechend kann uns diese Wunde ein wenig einschränken oder nur ab und an schmerzen oder unseren Körper ganz und gar bewegungsunfähig machen. So ist es auch bei einem psychischen Trauma.
Eine psychische Wunde, ein Trauma, kann durch ein einmaliges Ereignis verursacht worden sein, man spricht hier von einem Mono- oder auch Schocktrauma. Oder durch mehrere und länger andauernde Ereignisse. Diese nennt man komplexe Traumatisierungen. Zu ihnen zählt auch das Entwicklungstrauma.
Wenn Sie sich nun fragen, was das mit Ihnen zu tun hat und ob Sie traumatisiert sind, dann schauen Sie sich doch einmal Ihre Biographie an und vergleichen Sie diese mit den nachfolgend benannten möglichen Auslösern für eine Traumatisierung.
Wichtig: nicht jeder der benannten Auslöser, wie Unfälle oder ein chirurgischer Eingriff muss traumatisierend sein, denn unser Nervensystem ist prinzipiell so aufgestellt, dass es mit hohem Stress umgehen und diesen auch verarbeiten kann!
Prüfen Sie einmal selber nach: wenn ein einschneidendes Ereignis, wie nachfolgend benannt, keinen Stress mehr bei Ihnen auslöst, wenn Sie daran denken, dann haben Sie es höchstwahrscheinlich verarbeitet (Ausnahme, Sie haben es abgespalten).
Monotrauma
Ein Mono- oder Schocktrauma wird durch ein einmaliges, unerwartetes und kurz andauerndes traumatisches Ereignis verursacht.
Mögliche Auslöser sind:
- ein Unfall
- ein chirurgischer Eingriff
- eine Nahtoderfahrung
- ein schwerer Sturz
- eine medizinische Behandlung
- Naturkatastrophen, wie Erdbeben und Tsunami
- eine einzige Gewalterfahrung, z.B. ein Überfall oder eine Vergewaltigung
- Wohnungseinbruch
- Terroranschlag
Ein Monotrauma ist also ein einzelnes Trauma, das häufig in wenigen Stunden Traumatherapie verarbeitet werden kann.
Komplexe Traumatisierung
Bei komplexen Traumatisierungen handelt es sich um eine Reihe von traumatischen Erfahrungen. Sie sind häufig lang andauernd oder wiederholen sich.
Diese Art der Traumatisierung ist also immer das Ergebnis mehrerer Traumata.
Beispiel:
Eine meiner Klientinnen wurde in ein Elternhaus geboren, in dem beide Elternteile nicht wirklich präsent waren. Die Mutter war depressiv. Sie hatte Schwierigkeiten, mit ihrer Tochter in Kontakt zu treten, und zog sich oft in sich zurück. Dann war sie wieder lieb und bekuschelte sie. Das Kind wusste also nie, woran es war.
Der Vater war meist in der Firma. In den seltenen Momenten, in denen er zu Hause war, trank er zu viel und wurde gegenüber seiner Ehefrau und dem Kind aggressiv. Als das Kind drei Jahre alt war, folgte ein mehrere Jahre andauernder sexueller Missbrauch durch einen Verwandten. Mit zehn Jahren hatte das Kind einen Skiunfall, musste notoperiert werden und verblieb, wie in den 1980-er Jahren noch üblich, zwei Wochen ohne Kontakt zu den Eltern im Krankenhaus.
Komplexe Traumatisierungen als Lebensthema
Komplexe Traumatisierungen sind demnach, wie dieses Beispiel zeigt, häufig als Lebensthema zu betrachten, mit dem der Betroffene arbeiten muss. Das heißt, er kann ein gutes, gesundes und erfolgreiches Leben führen, und doch wird er unter Umständen über mehrere Jahre an seinen Traumatisierungen arbeiten müssen.
So kann es nach einer intensiven Traumatherapiephase erst einmal eine Therapiepause geben, und doch wird der Betroffene im Laufe seines Lebens vielleicht immer mal wieder Sitzungen machen müssen. Ich vergleiche das gerne mit Menschen mit Diabetes. Auch diese haben sich die Erkrankung nicht ausgesucht, sondern müssen mit ihr zurechtkommen und sich häufig ein Leben lang spritzen. So ist es mit einer komplexen Traumatisierung.
Man kann als komplex traumatisierter Mensch also ein gutes Leben haben, und doch wird man immer wieder an sich arbeiten müssen. Vielleicht hat man damit zu tun, dass man nur wenig fühlt, abgestumpft ist und mühsam lernen muss, mehr zu fühlen. Vielleicht ist man aber auch empfindsamer und zarter als ein Mensch ohne Traumatisierung. Diese Empfindsamkeit und Zartheit kann trotz Traumatherapie ein Leben lang bestehen bleiben.
Entwicklungstrauma
Zu den komplexen Traumatisierungen gehört auch das sogenannte Entwicklungstrauma, auch Bindungstrauma genannt. Ein Entwicklungstrauma entsteht durch frühe Verletzungen in der Kindheit. Es kann verschiedene Gesichter und Ursachen haben, von denen ich im Folgenden einige typische nenne:
- Brutkastenkinder – in den 70-er und 80-er Jahren lagen Frühchen oft mehrere Wochen im Brutkasten, wurden medizinisch versorgt und sonst geradezu liegengelassen – eine Erfahrung von existentiellem Alleinsein und Angst, welche sie lebenslang prägen sollte und große Auswirkung auf die eigene Bindungsfähigkeit in Partnerschaften hat.
- Mangel an Liebe und Fürsorge
- Fehlen von Bezugspersonen: z.B. die Kinderkrippe in der DDR, kleine Kinder nachts allein lassen, um auszugehen, lange Krankenhausaufenthalte ohne Kontakt
- Sexueller Missbrauch/Gewalterfahrungen
Nun haben Sie einen ersten, kurzen Überblick, welche Kategorien von Trauma es gibt. Wenn Sie mehr wissen wollen – nämlich was macht Trauma mit Ihrem Nervensystem und wie kommen Sie da wieder raus, was ist die Lösung und was hilft? Dann lesen Sie mein neues Buch: „Wenn die Seele nicht heilen will – wie alte Verletzungen zu (Re)Traumatisierung führen können und wie man Sie überwindet“. Hier finden Sie alles nötige Wissen oder nehmen Sie sehr gerne an einem meiner Workshops teil!
28.05.2020
Christine Seidel
www.traumatherapiepraxis-berlin.de
Über die Autorin:
Christine Seidel arbeitet als Traumatherapeutin in Berlin-Schöneberg. Sie ist Heilpraktikerin (Psychotherapie), Dipl. Sozialpädagogin und Autorin. Darüber hinaus bietet sie im deutschsprachigen Raum auch Sitzungen am Telefon und über Skype an und leitet Traumafachseminare. Sie ist in diversen Verfahren ausgebildet, u.a. in „Somatic Experiencing“, EMDR, TRIMB, Traumafachberatung- und pädagogik und Traumasensitiven Yoga und ergänzt ihre profunden traumatherapeutischen Methoden mit energetischer Arbeit.
Info und Kontakt:
Tel: +49 30 589 18 719
Email: traumatherapiepraxis.berlin@gmail.com
Website: www.traumatherapiepraxis-berlin.de
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Mein neues Buch:
“Wenn die Seele nicht heilen will – wie alte Verletzungen zu (Re)traumatisierung führen können und wie man sie überwindet” jetzt im Handel:
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