Wie geht es den Bienen? Kann man von einem „Bienensterben“ sprechen?
Überlegungen und Erfahrungen zum vieldiskutierten Thema Bienensterben und seinen möglichen Ursachen. In vielen Medien ist das Thema Honigbienen und ihre Bedrohung präsent. Es vergeht fast kein Tag an dem nicht im Fernsehen oder Rundfunk über dieses Thema berichtet wird. Diese Berichte sind oft sehr plakativ und immer wieder wird dabei der Terminus „Bienensterben“ benutzt. Das ist eine sehr starke , ja dramatische Ausdrucksweise und würde bedeuten, dass in vielen Regionen unserer Erde die Honigbienen nicht mehr überleben können und dort massenhaft sterben.
Nach meinen eigenen Erfahrungen und Beobachtungen ist die Zahl der jährlichen Verluste in den einzelnen Ländern in den letzten Jahren gestiegen. 2012 gab es zum Beispiel in Deutschland bis zum Frühjahr Verluste in Höhe von 30% des Völkerbestandes. Als normal sind etwa 10% anzusehen. Im Jahr davor lagen die Verlustquoten auch bei etwa 30%. Wie es im Frühjahr 2013 aussehen wird, kann man noch nicht vorhersagen. Ich würde daher noch nicht so weit gehen, von einem Bienensterben zu sprechen.
Es wird jedoch für den Imker immer schwieriger , seine Bienenvölker gut durch den Winter und zunehmend durch den Sommer zu bringen. Es herrscht allgemeine Überstimmung, dass es den Honigbienen nicht gut geht und die Lage der Imkerei in vielen Ländern prekär ist. Aber man kann im Moment noch nicht sagen, wohin die weitere Entwicklung gehen wird. Es ist durchaus möglich, dass es wirklich zu einem Sterben der Bienen kommt. Die Lage kann sich aber auch wieder bessern. Gerade weil die Situation noch unentschieden ist, und die Situation der Bienen in Naturkreislauf sehr komplex ist, ist es notwendig differenziert hinzuschauen , um zu verstehen, was im Zusammenhang Bienen, Landwirtschaft, Imkerei wirklich abläuft, und welche Massnahmen tatsächlich eine positive Veränderung der jetzigen Situation herbeiführen könnten.
2. Einstein und die Bienen
In Zusammenhang mit der bedrohlichen Lage der Honigbienen wurde in den Medien immer wieder Albert Einstein zitiert, der gesagt haben soll: Stirbt die Biene, so stirbt 4 Jahre später auch der Mensch. Allerdings ist es nicht gelungen, dieses Zitat von Einstein zu verifizieren. Wer ein wenig von Naturzusammenhängen versteht, sieht schnell, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass nach dem Verschwinden der Bienen nicht innerhalb von nur 4 Jahren stattfinden das Aussterben der Spezies Mensch wird.
Ich finde die Aussage Einsteins allerdings aus einem anderen Grunde bemerkenswert. Es gibt auf unserer Erde nicht viele Spezies, die in nahezu allen Klimabereichen leben können. Aber die Honigbiene und der Mensch haben es geschafft, sowohl in der Wüste, den Tropen, und den gemäßigten Regionen bis in die Kälteregionen Sibiriens zu überleben.
Den Honigbienen gelang dies dank ihrer Vitalität und ihrer enormen Anpassungsfähigkeit, sowie der spezifischen Organisation des sozialen Lebens in einem Bienenvolk. Der Mensch hat dies vor allem durch seine soziale Organisation und die Entwicklung verschiedenster Kulturtechniken erreicht. Wenn nun in der heutigen Zeit eine dieser beiden in der Evolution so erfolgreichen Spezies, nämlich die Bienen, in Bedrängnis gerät, so sollte dies für uns Menschen ein Warnsignal sein.
3. In welchen Regionen der Erde ist das Überleben der Bienen bedroht?
Wenn man die Lage der Imkerei weltweit betrachtet, so tut sich ein differenziertes Bild auf. Es gibt Regionen, in denen die Imkerei blüht und gedeiht. Dies ist z.B. in Südamerika , aber auch in Afrika der Fall. Und dann gibt es wieder Regionen, wo die Gesundheit der Bienenvölker und damit auch der Imkerei instabil ist. Dies ist vorwiegend in Europa , den USA, aber auch im arabischen Raum der Fall.
Schauen wir zunächst nach Südamerika und suchen nach den Ursachen für die Prosperität der Imkerei dort. Einen wesentlichen Anteil an dem Wohlergehen von Bienen und Imkern dort hat die Ausbreitung der sogenannten „ Killerbienen“ . Sie sicher alle haben schon von dieser Biene gehört, die sehr aggressiv sein soll, und oftmals Menschen und Tiere angreift. Entstanden ist diese Biene aus einer Kreuzung der afrikanischen Honigbiene, die nach Südamerika exportiert wurde mit den von den spanischen Siedlern früher dorthin verbrachten europäischen Honigbiene in den 60iger Jahren des letzten Jahrhunderts. Zunächst war diese Biene nur gefürchtet, tatsächlich aber hat sich diese Kreuzung verschiedener Bienenrassen als Glücksfall entpuppt. Diese afrikanisierte Biene ist sehr nervös, manchmal sehr aggressiv, sodass sie im dichtbesiedelten Europa kaum gehalten werden könnte. Sie ist aber auch sehr vital. Und ihre Pflege und Betreuung stellte die Imker zunächst vor große Herausforderungen. Aber letztlich lernten die Imker dies und pflegen nun eine sehr extensive Imkerei, bei der die Imker die Bienen weitgehend in Ruhe lassen und die Bienen ihr Leben weitgehend selbst gestalten. Diese Bienen sind auch varroatolerant, sodass diese Milbe keine große Bedrohung für die Bienen darstellt.
Aufgrund der Nervosität dieser Biene beschränkt sich der Imker darauf, den Bienen eine Behausung zur Verfügung zu stellen, und Honig zu ernten. Natürlich spielt auch der Blütenreichtum und die große Biodiversität in Südamerika eine Rolle für das Wohlergehen der Bienenvölker. Die Landwirtschaft wird zumeist kleinräumig betrieben.
Die Vegetation in Afrika ist nicht ganz so üppig, wie in Südamerika, aber die Imkerei
ist noch sehr traditionell organisiert und die afrikanischen Bienen sind oftmals recht aggressiv, sodass auch hier nur extensiv geimkert wird: Mit Naturwabenbau und Vermehrung über den Schwarmtrieb.
Gefährdet ist dagegen das Überleben der Bienen in Nordamerika und Europa. Also in den Gebieten, in denen moderne intensivste Landwirtschaft mit der Ausübung der modernen, intensiven Imkerei zusammenfallen.
4. Einflüsse der modernen Landwirtschaft auf die Imkerei
Wie die moderne Intensivlandwirtschaft unsere Landschaft verändert, brauche ich hier nicht mehr im Einzelnen darzulegen. Ein Blick nach draußen genügt und erklärt eigentlich alles. Ich will hier nur kurz die Schlagworte: Einsatz von Insektiziden und Herbiziden, Monokulturen und Silagewirtschaft erwähnen. Dies hat dazu geführt, dass Blumen und Blüten in Feld und Flur keinen Platz mehr haben. Die Nutzpflanzen dominieren und selbst das letzte Eckchen Land wird noch“ unter den Pfluggenommen“, wie man so schön sagt. Dies hat fatale Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der blütenbesuchenden Insekten. Begonnen hat diese Entwicklung schon vor etlichen Jahrzehnten mit dem Einsatz von Herbiziden auf den Feldern. Wir haben uns ja mittlerweile daran gewöhnt, und nehmen es als Normalzustand hin, dass auf den Feldern nichts mehr blüht und nur noch Platz für die jeweilige Hauptfrucht ist. Solange es noch blühende Wiesen und Brachflächen ab , konnten die Bienen dies gut kompensieren. Seit etwa 15 Jahren jedoch hat sich die Bewirtschaftung der Wiesen verändert und die Nutzungsintensität insgesamt hat enorm zugenommen. Auch die Fütterung der Tiere hat sich verändert. Kühe bekommen heute nur noch wenig Heu, und faktisch gar keine Frischfutter mehr. Vielmehr werden sie das ganze Jahr über mit Silagefutter ernährt. Um dieses zu gewinnen, wird sehr viel Mais angebaut, und das Gras der Wiesen wird mehrmals im Jahr ( 5-6 mal) siliert. Was bedeutet das? Jeweils vor der Blüte, wenn das Gras am eiweißreichsten ist, werden die Wiesen gemäht. Das Gras kommt in die Silos und wird durch eine Art Gärung, wie das Sauerkraut haltbar gemacht . Diese Art der Fütterung hat für die Bauern viele Vorteile. Sie müssen nicht mehr früh und abend Frischfutter holen, das Wetterrisiko ist minimiert, weil Silagegras nur 1 Tag antrocknen muss, und dann ins Silo eingebracht wird. Durch den Eiweißreichtun steigt die Milchleistung. Infolge der Entwicklung der Agrartechnik ist in den letzten Jahren die Schlagkraft der Landwirte enorm gestiegen. Die Wiesen einer Gemarkung können heute innerhalb eines einzigen Tages abgemäht werden. Dies passiert dann 5-6 Mal im Jahr. Man kann sich gut vorstellen, wie sich dies auf die Insektenwelt auswirkt. Es ist ein Schock, wenn urplötzlich alle Nahrungsquellen versiegen. Honigbienen fliegen ja oft 5-6km weit um neue Quellen zu erschließen. Aber viele Wildbienenarten oder Hummeln sind stark ortsgebunden. Wenn es den Bienen schon schlecht geht, wie mag dann erst die Situation bei Wildbienen, Hummeln oder Schmetterlingen aussehen?
Die Silagebereitung war aber nur ein erster Schritt der Intensivierung. Die Entwicklung der Landwirtschaft in den letzten 5-6 Jahren aber droht der Imkerei endgültig das Genick zu brechen. Das Stichwort hierzu ist Gewinnung von Energie aus nachwachsenden Rohstoffen: Biogas. Ursprünglich war das eine gute Idee, die Gewinnung aus am Bauernhof anfallenden Reststoffen. Aber gefördert durch die Idee des Bauern als Energiewirt und großzügig gefördert durch das Energieeinspeisungsgesetz hat sich diese Entwicklung verselbstständigt und die deutsche Landschaft massiv verändert.
Mehr als 90% aller Biogasanlagen weltweit finden sich in Deutschland. Die Energiegewinnung durch Silage und Mais hat dazu geführt dass auf 30% der deutschen Ackerfläche der für die Ernährung der Insekten weitgehend wertlose Mais angebaut wird. Im Frühjahr gibt es dank der Obstbäume und der Hecken , sowie den Raps für die Honigbienen genügend Nahrung. Ab der Weißdornblüte jedoch wird es in quantitativer und qualitativer Hinsicht eng. Im Jahr 2009 musste ich zum ersten Mal in meiner mittlerweile 30 Jährigen Zeit als Imker meine Bienen mit Zucker notfüttern, um sie vor dem Verhungern mitten im Sommer zu bewahren. 2012 war das wieder der Fall. Früher ist mir das nie passiert. Ganz im Gegenteil konnte ich immer wieder schöne Ernten an Sommerblütenhonig eintragen lassen. Im Spätsommer und Frühherbst hingegen verbessert sich die Nahrungsversorgung der Insekten dank der indischen Balsamine (Springkraut) wieder. Allerdings können die Bienen diese Tracht nur bei einem schönen Spätsommerwetter nutzen. Mir scheint, als hätte sich die Tracht zeitlich gesehen nach hinten verschoben. Den Bienen wird somit die Möglichkeit eröffnet, sich vom Hungerstress des Sommers wieder zu erholen. Allerdings wären die Völker ohne Zuckerfütterung oft schon im Juli oder August verhungert, bzw sind die mangelernährten Völker in der entscheidenden Phase der Entstehung der langlebigen Winterbienen geschwächt und werden anfällig für die jetzt gefährliche Varroamilbe. Dies gefährdet die Überwinterung der Bienenvölker.
Viele Imker sehen im Einsatz von Insektiziden, hier insbesonders den Neonicotinioden, die hauptsächliche Ursache für die Völkerverluste. Natürlich ist der Einsatz von Insektiziden aus imkerlicher Sicht zu verurteilen, weil dadurch die Bienenvölker geschädigt werden können. Aufgrund meiner imkerlichen Erfahrungen und Beobachtungen bin ich jedoch der Meinung , dass die Auswirkungen des Einsatzes der Agrarchemie auf die Bienen auf die Bienen überbewertet wird. Im Moment sehe ich in der Mangelernährung die entscheidende Ursache für die Schwächung der Bienenvölker seitens der Landwirtschaft. Meine Bienen stehen in unterschiedlichen Regionen: In intensiv bewirtschafteten Agrarregionen, relativ extensiven Gebieten wie dem schwäbischen Wald, aber auch in den Alpen und in der Stadt München. In den Grünlandgebieten der Alpen, aber auch in München werden keine Insektizide oder Herbizide in großem Ausmaß ausgebracht. Ich sehe bei der Beurteilung des Zustandes meiner Bienenvölker zwischen den verschiedenen Standorten keinen Unterschied.
5. Welchen Einfluss hat der Imker auf die prekäre Lage der Honigbienen?
Ich hatte ja bereits erwähnt, dass das Überleben der Bienen dort gefährdet ist, wo die Auswirkung der modernen Landwirtschaft mit denen der modernen Intensivimkerei zusammentreffen. Ersteres habe ich gerade beschrieben. Nun möchte ich einen Blick auf die Verantwortung des Imkes werfen. Im Grunde genommen verhält sich die moderne Imkerei nicht anders als die moderne Landwirtschaft: Es geht heute immer darum den maximalen Nutzen aus dem Tier herauszuholen. In diesem Zusammenhang werden die Bienenvölker in hohem Maße manipuliert. Wie es mich erstaunt, dass in der Landwirtschaft immer noch ein Intensivierungsschub möglich wird, so erstaunt es mich, dass den Imkern immer wieder eine Maßnahme einfällt, um noch ein paar Pfund Honig mehr aus den Völkern herauszuholen.
So wird zum Beispiel gerade jetzt unter den Imkern intensiv diskutiert,wie die Brutaufzucht des Bienenvolkes eingeschränkt, bzw manipuliert werden kann, um den Honigertrag zu erhöhen. Da dieses Beispiel ein gutes Licht auf die Denkweise innerhalb der Imkerschaft wirft , möchte ich kurz darauf eingehen. Ein Bienenvolk wintert im Frühjahr mit einer Anzahl von etwa 10000 Bienen aus, und geht im Herbst etwa mit der gleichen Anzahl Winterbienen in die kalte Jahreszeit. Im dazwischenliegenden Sommer zieht ein Bienenvolk etwa 250000 Brutzellen und Bienen auf. Diese verrichten die Sammeltätigkeiten, organisieren das soziale Leben regulieren den Wärmehaushalt und stehen als Reserven zur Verfügung. Nun sagt sich der Imker: Ich brauche doch nicht 250000 Bienen aufziehen zu lassen, nur um 10000 Winterbienen zu erzeugen. Das kostet zu viel Honig und ist doch eine Verschwendung. Viele von diesen Bienen sind doch kurzlebig, und arbeiten nichts, die brauche ich doch gar nicht. Daher zwingt der Imker durch die Gabe von Waben und den Einsatz des Absperrgitters das Bienenvolk dazu, weniger Brut aufzuziehen, dafür aber mehr Honig einzutragen. Die Kraft des Volkes wird im Interesse des Imkers umgeleitet von der Restitution und Regeneration zu einer Steigerung der Honigleistung.
Doch, in der Natur gibt es keine Verschwendung . Alles hat seinen Sinn. Und tatsächlich sind die Bienen in einer 45 millionen jährigen Evolution gerade deswegen so erfolgreich gewesen, weil sie ausgeklügelte Strategien zur Abwehr von Krankheiten oder Bedrohungen entwickelt haben. Eine dieser Strategien ist z.B. die Aufzucht von Brut und Bienen in einem großen Umfang. Wenn viele Bienen vorhanden sind, die zum Teil nur sehr kurzlebig sind, so wechseln sich die Generationen im Bienenvolk schnell ab, die Bienen werden ausgetauscht und Krankheitserreger werden einfach abgehängt, weil die befallenen Bienen abgehen und Keime sich im Volk nicht massenhaft vermehren können. Wenn die Brut eingeschränkt wird, werden die einzelnen Bienen langlebiger und Krankheitserreger können sich vermehren und verstärkt ausbreiten. Oder gesetzt den Fall, das Volk wird geschwächt, so stehen in großer Zahl Reservebienen bereit, diese Schwächung sofort auszugleichen. Allein die Vermehrung über den Schwarmprozess setzt eine große Volksstärke voraus, damit sich genügend neue große Einheiten bilden können, die überlebensfähig sind. Die moderne Imkerei zwingt die Bienen, im Interesse einer kurzfristigen Erhöhung des Honigertrages, langfristig erfolgreiche Überlebensstrategien aufzugeben. So schwächt der Imker die Substanz und die Stabilität der Bienenvölker geschwächt.
Die anderen Maßnahmen der modernen Imkerei, wie künstliche Königinnenzucht, Schwarmverhinderung, mechanische Jungvolkbildung, Einsatz von vorgeprägten Mittelwänden wirken in der gleichen Weise. Ihnen liegt folgender Grundgedanke zugrunde: Im Interesse der Erzielung eines maximalen Honigertrages werden die Bienen daran gehindert, ihre natürlichen Lebensprozesse auszuleben. Die heute betriebene Imkerei muss daher als wenig bienengemäß bezeichnet werden. Auch wenn die Imker das nicht hören wollen, und lieber mit dem Finger auf die „bösen“ Landwirte und den Einsatz der modernen Insektizide zeigen, so ist es doch notwendig, auch die Verantwortung der Imker an der Schwächung der Bienen aufzuzeigen und darauf hinzuweisen, dass auch die Imker sich bewegen und wieder eine bienenfreundliche, bzw bienengemäße Imkerei entwickeln müssen, wie sie z.B. in den Demeter-Richtlinien zur Bienenhaltung vorgezeichnet ist. Eigentlich ist ein Wunder, nein, es zeigt nur die enorme Vitalität der Bienen selbst, dass die Bienen so lange mit den Manipulationen der Imker einigermaßen klar kamen. Erst nachdem ein Großteil der Nahrungsquellen verloren ging, und sich die Ernährung der Bienen verschlechterte, wurden diese Schädigungen offensichtlich, weil die Bienen nun nicht mehr die Kraft haben, hier ausgleichend zu wirken. In all den Ländern, in denen die Bienen, aus welchen Gründen auch immer, bienengemäß gehalten werden, mit extensiver Imkerei und Vermehrung über den Schwarmprozess, etc und wo auch die Ernährung der Bienenvölker noch in Ordnung ist, geht es den Bienen gut.
6. Wie geht es weiter?
Ich habe bereits erwähnt, dass ich noch nicht sicher bin, in welcher Richtung die weitere Entwicklung verlaufen wird. Ob es wirklich zu einem Bienensterben kommen wird, oder ob es wieder aufwärts geht, mit der Imkerei und der Gesundheit der Bienen.
Auf alle Fälle ist auf der einen Seite eine politische Arbeit notwendig, die sich mit der etablierten Agrarpolitik auseinander setzt und Alternativen aufzeigt. So ist z. B. die „Energiewende“ in bezug auf die Honigbienen und anderen Insekten eine fatale Entwicklung. Die Erzeugung von Biogas wird weiterhin von der Politik stark gefördert Auch wenn 2012 nach Angaben des Biogas-Verbandes nicht mehr wie im Jahr 2011 1310 neue Anlagen in Betrieb genommen wurden, sondern nur noch 269 neue Biogasanlagen, so muss man doch in Betracht ziehen, dass all diese Anlagen die nächsten 20 Jahre in Betrieb bleiben und vom Energiekunden und Steuerzahler immens gefördert werden. Daher muss eine Forderung an die Agrarpolitik lauten, die Gewinnung von Energie mit Mais nicht mehr so stark oder gar nicht mehr zu fördern, sondern stattdessen neue blühende Pflanzmischungen als Grundlage d er Energiegewinnung zu bevorzugen. Jedoch sind die Imker alleine mit einem solchen Vorhaben überfordert.
Auch im Ökolandbau in seiner jetzigen , doch immer mehr industrialisierten Form sehe ich in diesem Zusammenhang keine Lösung. Auf den Feldern und Wiesen der Biobauern blüht ja auch nicht mehr viel.
Ein zweiter Schritt betrifft die Imker selbst, ihre Arbeit und den Umgang mit den Bienen. Hier ist ein Umdenken und ein sofortiges Handeln notwendig. Der Imker muss im Bienenvolk ein eigenständiges Wesen sehen, das darauf angewiesen ist, seine natürlichen Bedürfnisse und Lebensäußerungen auszuleben. Verantwortungsvolle Bienenpflege schafft genau diesen Raum.
Noch ist die Kraft und Vitalität in den Bienen vorhanden. Man muss diesen nur wieder den nötigen Raum geben. Rudolf Steiner beschreibt in seinen Vorträgen zum Wesen der Bienen sehr anschaulich, dass alles Fremde und Künstliche, was an die Bienen herangebracht wird, diese schwächt, insbesonders die Verbindung der Arbeitsbienen zu ihrer Bienenkönigin. Diese Verbindung konstituiert den eigentlichen Zusammenhalt und das Funktionieren des Bienenvolkes.
Während der Arbeit in meinem SEKEM -Bienenprojekt in Ägypten konnte ich dies unmittelbar selbst erleben. Das hat mich tief berührt und beeindruckt, sodass ich zum Abschluss meiner Ausführungen davon berichten will. Als wir vor 6 Jahren in Ägypten unser Bienenprojekt begannen, fanden wir desaströse Zustände vor: kranke und schwache Bienenvölker, unfähig elementare Lebensäußerungen wie Wabenbau, Drohnenaufzucht, etc zu auszuführen. Schritt um Schritt ließen wir Fremdes und Künstliches (z.B. Antiobiotikas, Zucker, etc) weg und versuchten, die Bienen immer weniger zu manipulieren. Erste Erfolge zeigten sich schnell: Viele Brutkrankheiten verschwanden, die Volksstärke nahm deutlich zu, etc. Doch im November 2012 durften wir dann etwas ganz Besonderes erleben. Wir arbeiten in Ägypten sowohl mit der nur im Niltal heimischen , jedoch stark vom Aussterben bedrohten Biene Apis Mellifera Lamarkj, als auch mit der aus Europa eingeführten Apis Mellifera Carnica, die von der Mehrzahl der ägyptischen Imker gehalten wird. Wie wir mittlerweile in Ägypten beobachten konnten, ist Apis Mell. Lamarkjj eine von weltweit 3 Bienenrassen, die weitgehend varroatolerant ist. (Apis Mellif. Cerana, die afrikanisierten Bienen und eben Apis Mell. Lamarkjj. Diese Toleranz ist u.a. auch auf einen ausgeprägten Putztrieb bei den Lamarkjj-Bienen zurückzuführen.
Dieser zeigt sich immer wieder auf beeindruckende Weise: Wir untersuchen bei all unseren Besuchen auch immer den jeweiligen Varroabefall, indem wir bei jedem Volk 10-15 Brutzellen öffnen um, die Maden herauszuziehen und auf Befall mit Varromilben zu kontrollieren.Kaum haben wir bei den LamarkijVölkern eine Made mit der Pinzette herausgezogen, so stürzen sich schon einige Bienen darauf und saugen diese aus (Eiweißreserve). Bereits nach wenigen Minuten ist die Made komplett verschwunden. Bei den Carnica-Völkern konnten wir ein solches Verhalten bisher nicht beobachtenl. Hier wurden die herausgezogenen Maden überhaupt nicht beachtet und blieben auf den Waben liegen. Im November 2012 jedoch zeigten jedoch plötzlich alle Carnica Völker das gleiche Putzverhalten wie die Lamarkjj – Bienen: Innerhalb weniger Minuten waren alle Maden ausgesaugt und weg geputz. Das hat uns begeistert.
Welche Schlussfolgerungen können wir daraus ziehen? Es steckt noch immer alles in den Bienen drinnen. Je mehr Künstliches wir an sie heranbringen, desto mehr sind sie allerdings gezwungen, die vom Imker verursachten Ungleichgewichte zu reparieren und vernachlässigen andere Lebensprozesse. Je bienengemäßer die Bienen gehalten werden, je weniger Eingriffe und Ungleichgewichte der Imker verursacht, desto mehr können sich die Bienen ihren eigentlichen Lebensaufgaben widmen. Sie müssen ihre begrenzten Kräfte nicht mehr auf anderen Schauplätzen verausgaben, sondern können sich wieder ihren ureigenen Lebensprozessen widmen. So kann ihre Vitalität wieder ganz zum Vorschein kommen.
Dies erscheint mir der einzig erfolgversprechende und sinnvolle Weg zu einer Koexistenz Bienen und Varroamilbe im Besonderen, und zu einer gesunden Biene im Allgemeinen. Vorausgesetzt natürlich, die äußeren Bedingungen in der Landschaft ermöglichen den Insekten auch wieder ein gutes und gesundes Leben.
01. Mai 2013
(c) Günter Friedmann
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