Basisemotion Überraschung und ihre Wechselwirkungen mit Erwartung, Enttäuschung und Verunsicherung

Die Basisemotion Überraschung und ihre Wechselwirkungen mit Erwartung, Enttäuschung und Verunsicherung

Die Basisemotion Überraschung und ihre Wechselwirkungen mit Erwartung, Enttäuschung und Verunsicherung

Überraschung

Überraschung ist eine der sieben Basisemotionen und tritt häufig als Reaktion auf Normverletzungen, wie beispielsweise gesellschaftliche Regeln, auf. Sie ist die kürzeste Emotion und dauert normalerweise nur wenige Sekunden. Längere Überraschungen sind meist gespielt oder weisen auf Angst oder Sorge hin.

Überraschung führt zunächst zu einer Erkenntnis und kann sich dann in eine Folgeemotion wie Angst, Vergnügen, Erleichterung, Zorn oder Abscheu verwandeln. Diese Folgeemotionen hängen davon ab, was die Überraschung ausgelöst hat. Wenn die Erkenntnisphase zeigt, dass das überraschende Ereignis keine Konsequenzen hat, kann die emotionale Verarbeitung nach dieser Phase enden.

Die Entstehung von Überraschung hängt stark von plötzlichen und unerwarteten Ereignissen ab, während allmählich ablaufende Ereignisse keine signifikante Überraschung auslösen, da sie eine innere Vorbereitung ermöglichen. Erwartungshaltungen und der Kontext bestimmen ebenfalls, ob und wie überrascht wir reagieren. Überraschung lenkt die Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Objekt, und je weniger ein Ereignis in den Kontext passt, desto überraschter sind wir.

Die Mimik der Überraschung

Die Mimik der Überraschung ist durch bestimmte Merkmale gekennzeichnet: aufgerissene Augen, gehobene Augenbrauen und einen herabfallenden Kiefer. Allerdings werden Überraschung und Angst häufig verwechselt, da beide Zustände den Körper in eine Art Alarmbereitschaft versetzen. Dabei ist die Erkenntnisdauer ein wichtiges Unterscheidungskriterium: Überraschung ist kurz, während Angst länger anhält. Dies gilt sowohl für zivilisierte Gesellschaften als auch für Urvölker.

Angst und Überraschung haben Unterschiede in der Mimik, die bei genauer Betrachtung erkennbar sind. Bei der Angst sind die Unterlider der Augen angespannt, die Augenbrauen zusammengezogen und die Lippen horizontal verzerrt. Bei der Überraschung hingegen sind die Unterlider entspannt, die Augenbrauen nicht zusammengezogen, und der Unterkiefer fällt herunter. Ein gemeinsames Signal zwischen gespannter Aufmerksamkeit, Angst und Überraschung sind die hochgezogenen Oberlider.

Befürchtung, Sorge und kontrollierte Angst zeigen ebenfalls eine charakteristische Stellung der Augenbrauen, die nicht mit Überraschung verwechselt werden sollte. Zudem weisen Interesse und Überraschung beide nach oben gezogene Oberlider auf, was ihre Unterscheidung erschweren kann. Leicht geöffnete Lippen und Augen können auf eine Mischung aus Trauer und Überraschung hinweisen.

Nach Navarro weiten sich die Pupillen bei einer positiven Überraschung, um mehr Licht ins Gehirn zu lassen, während sie sich bei einer unangenehmen Überraschung verengen, um weniger Licht ins Gehirn zu lassen. Dieses Phänomen tritt sowohl bei internen Impulsen (z.B. Gedanken) als auch bei externen Reizen (z.B. Sprache) auf.

Schreck

Überraschung und Schreck werden in der Alltagssprache häufig gleichgesetzt, was wissenschaftlich jedoch nicht korrekt ist. Überraschung ist eine emotionale Reaktion, während Schreck ein rein körperlicher Reflex ist.

Schreck zeichnet sich durch spezifische, unwillkürliche körperliche Reaktionen aus, wie das Zusammenkneifen der Augen, das Senken der Augenbrauen und das Anspannen der Lippen.

Ein Schreckgesicht dauert maximal 1,5 Sekunden, und die Intensität des Schrecks kann willentlich kaum gemindert werden, was den Reflexcharakter des Schrecks unterstreicht.

Erwartungen

Die Basisemotion Überraschung und ihre Wechselwirkungen mit Erwartung, Enttäuschung und Verunsicherung
KI unterstützt generiert

Plötzliche und unerwartete Ereignisse lösen Überraschung aus, die als emotionale Zwischenstation betrachtet werden kann und schnell in eine andere Emotion übergeht. Überraschung ist eng mit den Erwartungen verbunden, die Menschen an sich selbst und ihre Umwelt richten.

Diese Erwartungen basieren auf direkten Erfahrungen sowie indirekten Einflüssen wie Erziehung, gesellschaftlichen Werten, Gewohnheiten und Konventionen. Die gesellschaftliche Entwicklung zeigt, dass moderne Kommunikationsmittel die Erwartungshaltungen grundlegend verändert haben. Während früher eine Verzögerung in der Kommunikation üblich war, erwarten viele Menschen heute unmittelbare Antworten auf Nachrichten, was bei Verzögerungen negative Emotionen auslösen kann.

Erwartungen spielen auch in der Medizin eine zentrale Rolle. Bereits im 19. Jahrhundert stellte der Apotheker Émile Coué fest, dass positive Suggestionen und Erwartungen die Wirkung von Medikamenten verstärken können. Der sogenannte Placebo-Effekt zeigt, dass Scheinbehandlungen messbare biophysiologische Wirkungen erzielen, die denen echter Behandlungen ähneln.

Bis zu einem Drittel aller medizinischen Behandlungserfolge wird diesem Effekt zugeschrieben. Auch der Bekanntheitsgrad einer Medikamentenmarke und ihres Logos kann die Erwartungen der Patienten positiv beeinflussen und somit den Placebo-Effekt verstärken. Darüber hinaus konnten Studien zeigen, dass ähnliche Bedeutungswirkungen auch bei Alltagsprodukten auftreten und kognitive Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit, Kreativität und Ausdauer steigern können.

Ein weiteres Phänomen im Zusammenhang mit Erwartungen ist der Barnum- oder Forer-Effekt. Er beschreibt die Neigung von Menschen, vage und allgemeingültige Aussagen über sich selbst als zutreffend anzusehen, wie etwa in Horoskopen oder beim Wahrsagen.

In einem Experiment des Psychologen Bertram R. Forer erhielten Studierende zufällige Horoskoptexte, die sie in 90 Prozent der Fälle als zutreffend einstuften, obwohl diese wahllos aus Zeitungshoroskopen stammten. Michel Gauquelin bestätigte, dass nicht die Inhalte von Horoskopen, sondern die Erwartungen der Leser deren Wahrnehmung prägen.

In einem Experiment von Gauquelin erhielten 150 Personen ein identisches Horoskop, das auf den Daten eines berüchtigten Kriminellen basierte. Trotzdem gaben 141 Personen an, das Horoskop entspreche ihrer Persönlichkeit. Ähnliche Ergebnisse zeigten spätere Wiederholungen dieses Experiments.

Enttäuschung

Enttäuschung ist eng mit Erwartungen verbunden und entsteht, wenn eine spezifische Erwartungshaltung nicht erfüllt wird. Sie gehört thematisch zur Trauer und führt häufig zu unglücklichen Gefühlen, da dabei die den Emotionen zugrunde liegenden Erwartungen verletzt werden. Besonders hohe oder überhöhte Erwartungen sind ein häufiger Grund für Unzufriedenheit und steigern das Risiko, enttäuscht zu werden.

Um diesem Kreislauf entgegenzuwirken, ist es wesentlich, die eigenen Erwartungen und Hemmungen kritisch zu hinterfragen und deren Vor- sowie Nachteile zu analysieren. Ein realistisches und ausgeglichenes Erwartungsmanagement kann dabei helfen, Enttäuschungen zu minimieren und das eigene Wohlbefinden langfristig zu fördern.

Verunsicherung

Verunsicherung entsteht häufig in Verbindung mit einem Realitätsschock, der etablierte Erwartungen, Gewissheiten, Stabilitäten und Sicherheiten infrage stellt. Dieser Schock ist oft so komplex, dass er zunächst zu einer Überforderung führt. Die Zukunft bleibt – trotz des Wunsches nach Planbarkeit und Vorhersagbarkeit – per se ungewiss und wird in vielerlei Hinsicht vom Zufall bestimmt.

Überforderung tritt insbesondere dann auf, wenn der „Ballast“ der Vergangenheit noch nicht abgelegt wurde, gleichzeitig aber die bisherigen Lösungsansätze der Vergangenheit nicht mehr tragfähig sind und neue Lösungen noch nicht entwickelt wurden. Dies führt zu einem ungeklärten Übergangszustand zwischen „nicht mehr“ und „noch nicht“.

Die geeignete Reaktion auf Ungewissheit besteht in Flexibilität und Offenheit. Dies beinhaltet die Bereitschaft, Umwege zu gehen, Risiken einzugehen sowie die Regeln und Sehnsüchte der Vergangenheit kritisch zu hinterfragen und neu auszubalancieren. Die Soziologin Helga Nowotny beschreibt Ungewissheit als einen „Riss in der Wand“, durch den Neues eindringen kann. Jonathan M. Metzl hebt hervor, dass Verunsicherung häufig in Wechselwirkung mit Angst, Vorurteilen, Schuldzuweisungen und Misstrauen steht.

23.03.2025
Claus Eckermann
Sprachwissenschaftler und HypnosystemCoach®

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KurzvitaClaus Eckermann
HSC Claus Eckermann FRSA
Claus Eckermann ist ein deutscher Sprachwissenschaftler und HypnosystemCoach®, der u.a. am Departements Sprach- und Literaturwissenschaften der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel und der Theodor-Heuss-Akademie der Friedrich-Naumann-Stiftung unterrichtet hat.
Er ist spezialisiert auf die Analyse von Sprache, Körpersprache, nonverbaler Kommunikation und Emotionen. Indexierte Publikationen in den Katalogen der Universitäten Princeton, Stanford, Harvard und Berkeley.

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