Gebetsheilung Wirkung von Gebeten – Gottes Selbstgespräch
Gebetsheilung ist eine traditionelle Therapieform aus einer Zeit, als ärztliche Hilfe schwer zugänglich oder unwirksam war. Die Wirkung von Gebeten ist nicht immer erklärbar – aber oft nicht zu leugnen.
Auch moderne Menschen können diese Kunst erlernen, und ihre Beliebtheit steigt wieder. Als Voraussetzung sollte man sich aber klar machen, von welchem Gottesbild man ausgeht und was Beten eigentlich bedeutet. Die Vorstellungen reichen vom „Bittgesuch an einen Vorgesetzten“ bis zur Zwiesprache mit dem Gott in uns.
Roland Rottenfußer
Monika Herz hatte mit Spannung auf diesen Tag gewartet. Heute sollte die hübsche 25-jährige mit den langen braunen Haaren und den träumerischen Augen einen wahren Schatz geschenkt bekommen. Es ging nicht um Geld oder Schmuck, sondern um einen unschätzbaren geistigen Besitz: Heilgebete – übertragen von Generation zu Generation, gesammelt im berühmten „Schwarzen Buch“ des alten Lory. „Als Kind hatte ich immer gehörig Respekt vor ihm, da ihm der Ruf eines ‚Wunderheilers’ mit einer mysteriösen Aura vorauseilte“, erinnert sich Monika Herz.
An jenem besonderen Tag Anfang der 80er-Jahre feierte der alte Weise mit ihr ein kleines Ritual. „Der Lory und ich haben uns zusammengesetzt, er hat das Gebet vorgebetet, und ich habe es in mein Buch hineingeschrieben. Langsam. Meditativ. Besinnlich. Es war eine unvergessliche Stimmung von Sammlung, Ruhe und Vertrauen im Raum.“ Viele dieser Gebete kann Monika noch heute auswendig. Sie haben einen festen Platz in ihrem Herzen. Das wichtigste ist aber: Sie wirken.
In den bayerischen Alpen gibt es seit vielen Generationen so genannte Abbeter, denen man nachsagt, „die Gabe“ zu besitzen. Heilkräftige Gebete werden meist im Familienkreis an eine jüngere Person übertragen, die der Abbeter wegen ihrer Begabung berufen hat. Ist man der oder die Erwählte, kommt das teilweise eher einem Fluch als einem Segen gleich: „Abbeter wurden früher schon mal in der Früh um vier aus dem Bett geholt, weil etwa eine Kuh sich bei der Geburt des Kälbchens schwer tat“, erinnert sich Monika Herz. „Der Abbeter wurde – im Gegensatz zum Tierarzt – zwar nicht immer für seine Dienste bezahlt, wohl aber für jedes Unglück voll verantwortlich gemacht.“
Das Große Geheimnis heilt
Diese (un)dankbare Aufgabe übt Monika Herz bis heute aus. Erfolgsberichte gibt es genug. Vom Depressiven, der sich nach mehreren Gebetsbehandlungen nach und nach stabiler fühlte und Ängste verlor, bis zum dramatischen Fall einer Komapatientin, die von den Ärzten aufgegeben worden war und plötzlich erwachte. Der Beweis für kausale Zusammenhänge ist da naturgemäß nicht zu erbringen. Monika Herz legt Wert darauf, nicht durch „Wunder-Geschichten“ überhöhte Erwartungen zu wecken. In der Regel bewirkt Gebetsheilung eher eine milde Umstimmung, eine allmähliche Gemütsaufhellung, verbunden mit einem wachsenden spirituellen Vertrauen. Monika sagt, „dass nicht wir es sind, die Heilung bewirken, sondern dass es das ‚Große Geheimnis’ ist, das Göttliche selbst, das durch uns hindurchwirkt.“ Diese Einstellung („Nicht ich heile, sondern Gott/die Kraft“) finden wir im übrigen bei allen Heilern, vom berühmten Bruno Gröning bis zur Reiki-Meisterin von nebenan.
Dass dabei auch Autosuggestion im Spiel ist, wird von Monika Herz nicht geleugnet, spricht aber nicht gegen die Gebetsheilung. „Allein dadurch, dass wir dieser Wendung zum Besseren unsere volle Aufmerksamkeit schenken, können wir schon entscheidend dazu beitragen, dass die Wendung auch tatsächlich eintritt. Wir ‚schauen’ sozusagen das Gesunde in die betreffende Person hinein.“ Ein einziges Gebet – mag es „erfolgreich“ gewesen sein oder nicht – gibt kaum Aufschluss darüber, welches Potenzial das Beten besitzt. Vielmehr wirkt es durch Wiederholung und vor allem, wenn es zu einer Grundhaltung wird, mit dem wir dem Leben begegnen. Homöopathen bestätigen, dass zuerst die Seele und dann, als Folge, der Körper heilt. So ähnlich wirkt auch das Gebetsheilen zunächst durch Vermittlung von Seelenqualitäten: vor allem Vertrauen. „Gebete tragen sogar das Potenzial in sich, dass wir in unserem eigenen Geist immer freier, gelassener und zuversichtlicher werden in dem Glauben, dass alles, was geschieht, gut ist.“
Gebetsheilung „beweisen“?
Als Affront gegen „richtige“ Ärzte ist das Abbeten im Übrigen nicht gemeint. Als Monika Herz einmal Zahnschmerzen hatte, wandte sie ein Anti-Schmerz-Gebet an. Die Schmerzen verschwanden, kehrten dann aber nach drei Tagen zurück. Der Lory schimpfte über so viel Unverstand: „Du musst natürlich zum Zahnarzt gehen! Das Schmerzgebet ist nur für den akuten Zustand. Wenn man aber einen Zahnarzt gleich ums Eck hat, dann geht man natürlich dorthin!“ Eine ähnliche Antwort würde ich übrigens geben, wenn jemand dem Gebet vorwirft, „politisch unkorrekt“ zu sein. „Du musst natürlich demonstrieren gehen, wenn dich was wütend macht. Du kannst auch für dein Anliegen beten, aber versäum deshalb nicht, das nahe Liegende zu tun.“
Jeder, der sich nur oberflächlich mit der Materie beschäftigt, weiß, dass es genügend Fälle gibt, in denen Menschen aus subjektiver Überzeugung von Heilerfolgen berichten. Es gibt auch einige wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema. Sie verfahren in der Regel rein ergebnisorientiert: Für eine Patientengruppe wird gebetet, für die andere nicht. Bei welcher Gruppe stellen sich bessere Heilerfolge ein?
Ich nenne hier z.B. das Experiment von Dr. Mitchell W. Krucoff von der Universität Durnhan (North Carolina). Er überprüfte an einer Gruppe von 150 an Angina Pectoris erkrankten Patienten verschiedene alternative Zusatztherapien, darunter Gebetsheilung.
Für die Kranken beteten Christen, Juden und Buddhisten aus aller Welt. Es bestand also weder räumliche Nähe noch ein einheitlicher Glaube. Die Betenden kannten von den Patienten nur ihre Namen. Die Kranken wussten vorher, dass gebetet würde, aber nicht, ob die Gebete speziell ihnen galten. Das Ergebnis: Bei der Gruppe, für die Fürbitten gebetet wurden, traten nur halb so viele gefährliche Ischämien (Minderdurchblutung von Gewebe) auf wie bei der Vergleichsgruppe. Es kam zu keinen gefährlichen Nebenwirkungen von Operationen, und die Gebetsgruppe fühlte sich subjektiv wohler. Dr. Krucoff wollte sich nicht auf eine bestimmte Deutung des erstaunlichen Geschehens festlegen. „Nennen Sie es spirituelle Energie, nennen Sie es göttlich, ich weiß es nicht“.
Zu wem beten?
Die meisten nähern sich dem Thema ohnehin „experimentell“. Neben der Gebetspraxis beschäftigte ich mich ausführlich mit Begriffen aus verschiedenen Religionen, etwa „Gott“, „Allah“, „Tao“ oder „Leere“. Jeder dieser Begriffe enthält andere Bedeutungsschattierungen. Jeder erfordert genau genommen ein Studium für sich und füllt Bibliotheken. Insofern sagen Viele für mein Gefühl zu leichtfertig: „Ich glaube an Gott“ oder „Ich glaube nicht an ihn“. Dazu müssten sie erst einmal wissen, von welchem Gott sie sprechen. Kann man seriös behaupten: „Ich glaube an Ganesha“, ohne zu wissen, dass es sich um eine indische Sagengestalt mit Elefantenkopf handelt? Ähnlich unpräzise ist oft der Glaube an „Gott“. Natürlich sollte man kein Hochschulstudium absolvieren müssen, um beten zu können. Man kann „es“ auch fühlen, wortlos – gerade dies ist mystisches Erleben. Wenn man bewusst einen Gebetsweg beschreiten will, ist es aber gut, eine Vorstellung vom „Adressaten“ des Gebets zu entwickeln. Daher hier in der Kürze einige Gebetsauffassungen:
1. Das Gebet als Selbstgespräch. Skeptiker argumentieren: „Du redest doch eigentlich nur mit dir selbst.“ Das ist wahrer als mancher Gläubige denkt. Unmittelbar gegenwärtig bist im Gebet nur du mit deinen Gefühlen und Gedanken. Aber selbst wenn die Skeptiker Recht hätten und es kein Gegenüber gäbe – könnte das Gebet nicht trotzdem sinnvoll sein? Natürlich, es wäre dann quasi eine Autosuggestionstechnik. Wer dankt, richtet seinen Geist darauf aus, was positiv war, schärft seinen Blick für das Schöne. Wer andere Menschen segnet, fühlt sich in sie ein und begegnet ihnen mit einer freundlichen Grundeinstellung. Dadurch wird es wahrscheinlicher, dass auch die anderen ihm freundlich begegnet. Wer bittet, lenkt seine Aufmerksamkeit auf die Möglichkeit der Erfüllung. Er schärft seine Sinne für Anzeichen einer Besserung und versucht das Gute in einen Menschen „hineinzuschauen“ (Monika Herz).
2. Gebete zum „Höheren Selbst“: Diese Auffassung findet man häufig bei Vertretern einer neuen Spiritualität oder Esoterik, die nicht im Kirchenchristentum verankert sind. Das Höhere Selbst wird als eine Instanz unserer selbst verstanden, die aber vom Alltagsbewusstsein verschieden ist. Es wird gern auch „Regisseur unseres Lebens“ genannt. An das Höhere Selbst glauben Menschen auch in Verbindung mit einem Gottesbild. Es ist dann ein „Bindeglied“ zwischen der Gottheit und dem Individuum. Es ist an den „großen Geist“ angeschlossen, zu dem wir keine bewusste Verbindung mehr haben. Beten dient demnach der Koordination zwischen dem Alltags-Ich und einer un- oder überbewussten Lenkungsinstanz. Obwohl hier das Wort „Selbst“ im Spiel ist, ist das Gebet nach dieser Auffassung mehr als ein Selbstgespräch.
3. Gebet zu kosmischen „Prominenten“: Gebete zu Jesus, Maria, dem heiligen Antonius, Genesha, Shiva und anderen göttlichen Personen fordern Skeptiker besonders zum Spott heraus. Ich will dazu eine Sufi-Geschichte erzählen: Ein angesehener Sufi-Meister (islamischer Mystiker) lebte mit vielen Schülern in Indien. Eines Tages äußerte er die Absicht, den hinduistischen Tempel zu besuchen und sich vor der Göttin Kali zu verneigen. Entrüstet verließen ihn alle seine Schüler, denn nur der Eine Gott, Allah, galt als verehrungswürdig. Nur ein Schüler blieb. Als ihn der Meister fragte, warum er nicht wie die anderen gegangen sein, antwortete er: „Du hast nichts gegen meine Überzeugung getan. Denn die erste Lehre, die du mir gegeben hast, war: ‚Nichts existiert als Gott allein!’ Wenn außer Gott nichts existiert, dann ist alles, wovor man sich verbeugt, Gott.“ Dies gilt auch für Gebete zu Maria und anderen kosmischen „Prominenten“. Man komprimiert in seiner Vorstellung göttliche Eigenschaften in einem Bild, das menschenähnlich ist und deshalb zugänglich wirkt. Maria gilt als die Große Mutter, die Verkörperung der Gnade. Wenn viele Menschen über Jahrhunderte denselben „Archetypus“ anrufen, kann dieser ein Eigenleben entwickeln. Er wird zu einer geistigen Kraft, die Menschen „abrufen“ können – vergleichbar der Kraft eines Mantras.
4. Gebete zu „Gott“: Es gibt bei Gottesbildern Bedeutungsschattierungen, die ich kurz skizzieren will. Das einfachste Bild ist „Gottvater“ als menschenähnliche, jedoch allmächtige „Person“. Man denkt hier an Michelangelos Bilder eines weißbärtigen alten Herrn. Geht man darüber hinaus, gelangt man zu „Awuun“, dem ersten Wort des aramäischen Vaterunsers. Der Begriff ist geschlechtsneutral, meint also ungefähr: „Geliebtes Schöpferwesen“. Awuun lebt nicht „im Himmel“, sondern überall in der Schöpfung, auch in uns selbst. Eine ähnliche Bandbreite hat „Allah“ bei den Sufis. Er durchdringt alles. Mehr noch: Er ist alles. „La ana illa ana“ (Es gibt nichts außer mir) lautet das mystische Glaubensbekenntnis im Islam. Gott im Sufismus ist sowohl persönlich als auch unpersönlich – eine Paradoxie.
Wenn wir den Grad der Abstraktion noch etwas erhöhen, sind wir beim altchinesischen Konzept des „Tao“. Lao Tse hat diese geheimnisvolle Kraft hinter den Dingen in vielen Varianten beschrieben. Gemeint ist ein alles durchdringender, namenloser und unpersönlicher schöpferischer Geist. „Das Tao bezeichnet man als die große Mutter: Leer doch unerschöpflich, bringt es unzählige Welten hervor.“ (Lao Tse) Hier sind wir schon sehr nah am buddhistischen Begriff der „Leere“, der oft missverstanden wird, da er nicht dasselbe bedeutet wie „Nichts“. Leere ist das Fehlen von konstanter „Eigennatur“, positiv ausgedrückt: das „So-Sein“ von allem, was ist. Der Physiker Hans-Peter Dürr meint vielleicht etwas Ähnliches, wenn er von „Unauftrennbarer Potenzialität“ spricht. „Es“ ist unteilbar und zugleich Quelle von unbegrenztem Potenzial.
Aus den verschiedenen „Adressaten“ des Gebets ergeben sich auch verschiedene Arten des Betens.
Wie beten?
„Bittgesuch an einen Vorgesetzten“: Dies ist die einfachste, immer noch gebräuchliche Form: Gott ist der König der Welt, als sein Vasall darf ich ein Gesuch an ihn richten: Ob es gewährt wird, hängt von der Gnade des „Königs“ ab. Auf der gleichen Erkenntnisstufe kann man das Gebet auch als „Angebot eines Tauschgeschäfts“ bezeichnen. Gott gibt Gebetserhörung, ich gebe dafür das Versprechen, „brav“ zu sein. Oder das Gebet selbst ist als geistige Form des Opferrauchs die Gegengabe für Gottes Gnade. All diese Konzepte implizieren die Vorstellung eines (mächtigeren) Gegenübers, das von uns getrennt ist. Zu schlichte, egozentrische Gebete nenne ich auch gern „Janis Joplin-Gebete“: Die Sängerin forderte in einem Lied: „Oh Lord, won’t you buy me a Mercedes Benz!“ Begriffe wie „Bestellungen beim Universum“ variieren das Konzept, indem sie aus dem „Vorgesetzten“ ein dienstbeflissenes Versandhaus machen. James Ray spricht dem Menschen im Esoterik-Bestseller „The Secret“ sogar nahezu Allmacht zu: „Sie sind der Herr des Universums, und der dienstbare Geist ist da, um Ihnen zu dienen.“ Ob Herr oder Diener, diese Auffassung von Gebet trennt klar zwischen „Ich“ und „Ihm“.
„Innere Plausibilitätsprüfung“: Bei der elektronischen Steuererklärung gibt es eine automatische „Plausibilitätsprüfung“. Man sollte sie durchführen lassen, bevor man die Erklärung abschickt. Wenn man im Gebet nach Worten sucht, überprüft man diese oft daraufhin, ob sie „angemessen“ sind. Wünsche werden dahingehend untersucht, ob man sie Gott überhaupt guten Gewissens vortragen kann. Man mag heimlich danach gieren, dem besten Freund die Frau wegzunehmen; aber möchte man Gott ernsthaft darum bitten? Man wünscht einem Feind im Zorn die Pest an den Hals, aber würde man dies Gott nach sorgfältiger Prüfung im Gebet vortragen? Der Betende spürt oft sehr wohl, was „unter Gottes Niveau“ oder – anders ausgedrückt – nicht mit dem Gewissen vereinbar ist. Wir verbinden uns im Gebet mit einer „Lenkungsinstanz“, die mit allem verbunden ist und deshalb auch den Ausgleich der Interessen sucht. Während das „Ego“ die separate Identität betont, kann ein Gebet an „Gott“ helfen, eine Lösung zu finden, die für den Betenden, seine Familie und sogar den „Feind“ akzeptabel ist.
Gebet mit einem Wort: In der christlichen Kontemplation wird traditionell das Gebet mit einem Wort gelehrt. Der Benediktiner-Pater und Zen-Meister Willigis Jäger definiert Kontemplation so: „Ziel ist das Schauen ins eigene Selbst, Schauen des Göttlichen in uns und in der Schöpfung in der Form des Innewerdens oder Erfahrens jenseits unserer intellektuellen Fähigkeiten. Kontemplation ist auf ihrem Höhepunkt mehr ein Zustand des Empfangens als des aktiven Tuns.“ Der Betende begibt sich in Meditationshaltung und wiederholt innerlich ein Leitwort, das er selbst auswählt. Es kann „Gott“, „Awuun“, „Allah“, „Jesus“ oder etwas anderes sein. Sufis wiederholen Gebetsformeln wie „Astarchfirullah“ (Gott, verzeih mir) und bewegen dabei rhythmisch ihren Körper. Die Rezitation der Namen Allahs, z.B. „Salam“ (Frieden), dient dem Zweck, die Eigenschaften Gottes, die mit diesem Namen verbunden sind, in sich zu erwecken. Der Sufi-Meister André Ahmed al Habib schreibt dazu: „Indem der wahre Gläubige innerlich wie äußerlich permanent eine bestimmte Gebetsformel aufsagt, lösen sich diese Gedankenmühlen auf.“ Er sagt über das muslimische Gebet: „Es versetzt die Menschen in einen höheren Bewusstseinszustand und hat positive Auswirkungen auf den Körper.“
Gebet ohne Worte zu Gott: Der Heilige Bruder Konrad, der an der Klosterpforte von Altötting seinen bescheidenen Dienst versah, wird mit dem Ausspruch zitiert: „Ich bete nicht! Ich halte einfach mein Herz in die Liebe Gottes hinein.“ Wer das erreicht hat, kann sich wahrscheinlich tatsächlich die vielen Worte sparen.
Meditation: Lässt man jegliche, auch unbewusste Vorstellung von einem Gott weg und kontempliert die formlose, wortlose Leere, so ist dies Meditation, und gehört genau genommen nicht mehr zum Kapitel „Gebet“. Oder doch? Vielleicht müssen wir auch den Gegensatz zwischen der „Leere“ und dem „Persönlichen Gott“ transzendieren.
Gebetstechniken:
Monika Herz’ Lehrmeister, „der Lory“, sagte in seiner unprätentiösen Art: „Beten kann ich auch beim Mistauflegen oder beim Melken!“ Trotzdem gibt es bestimmte „Techniken“ und Gewohnheiten, die das Beten erleichtern. Sie sind im Prinzip für die Anwendung wortreicher persönlicher Gebete, für traditionelle Gebetsformeln, für Kontemplation und Ein-Wort-Gebet wie auch für die Meditation gültig.
Geeigneter Ort: Hilfreich ist ein ruhiger Platz in einem Zimmer, der immer wieder aufgesucht werden kann. Wer dazu eine Affinität hat, kann einen Altar mit Symbolbildern bestimmter Glaubensvorstellungen errichten und davor sitzen.
Sammlung, Konzentration auf einen Punkt: Bevor man die eigentliche Gebetsübung beginnt, sollte man seinen Geist sammeln und „sanft in die Gegenwart des Herrn versetzen“ (Franz von Sales) – egal, wie eng oder weit man diesen „Herrn“ auffasst. Dabei hilft auch der nächste Punkt.
Rituelle Umrahmung: Man kann Beginn und Ende des Gebets rituell markieren, indem man etwa am Anfang eine Kerze anzündet und sie zum Schluss ausbläst. Dies schließt natürlich nicht aus, auch „beim Mistauflegen“ zu beten.
Wiederholung: Gerade zur Einübung einer Gebetspraxis hilft ein regelmäßiger Termin, etwa jeden Abend vor dem Schlafengehen oder jede Woche an einem ruhigen Abend. Dies sollte nicht zwanghaft werden und spontane „Gelegenheitsgebete“ nicht ausschließen. Es hilft aber auch, „vorher“ mit „nachher“ zu vergleichen und eventuellen Wirkungen nachzuspüren.
Eigene Erfahrungen:
Meine eigenen Erfahrungen mit dem Beten waren durchweg positiv, auch wenn mir der eine oder andere Wunsch (bis jetzt) nicht erfüllt wurde. Ein Effizienzdenken ist hier aber ohnehin fehl am Platz. „Input“ und „Output“ zu vergleichen, käme allenfalls beim Bittgebet in Frage, das nicht mit dem Gebet schlechthin verwechselt werden sollte. Gebete nach dem Muster „Bitte, lieber Gott, mach, dass ich diese Frau, in die ich verliebt bin, behalten darf“, stießen in meinem Fall „drüben“ auf taube Ohren. Wenn die entsprechende Frau einfach nicht passt, helfen weder Verliebtheit noch Beten. Dafür wurde mir so manches erfüllt, worum ich nicht gebeten hatte. Ich hätte vielleicht nicht die Fantasie gehabt, mir das zu wünschen, aber es war mir „zugedacht“. Recht gut wirkten fast immer Gebete für andere. Nicht so egozentrische Bitten besitzen wohl grundsätzlich einen gewissen „Segen“. So fühlte sich eine enge Verwandte während einer schweren und gefährlichen Operation und eines Krankenhausaufenthalts von Gebeten „getragen“ und erinnert sich, angstfrei gewesen zu sein. Konflikte, die in mir viel aufgestaute Wut erzeugten, endeten in einem Kompromiss, sobald ich um Führung bat und versuchte, in dem oder der „Unwürdigen“ ein Kind Gottes zu sehen. Generell finde ich es hilfreich, um Segen und Führung zu bitten, um eine Lösung, wenn man gerade im Nebel stochert.
Auch „Dein Wille geschehe“ ist oft tröstlich und hilfreich. Dieser Spruch ist kein Zeugnis von Resignation und „Untertanengeist“. Er versucht, eine Annährung von Alltags-Ich und „Innerer Führung“ zu bewirken. Nach mystischer Auffassung ist der Empfänger des Gebets kein „Vorgesetzter“, dem du dich unterwirfst; er ist das, was du selbst im Inneren bist. Das Gebet selbst ist nicht die Herstellung einer Funkverbindung, die zuvor nicht bestand; es ist die Bekräftigung einer Verbindung, die ohnehin vorhanden ist – immer. Manchmal hast du das Bewusstsein dieser Verbindung verloren; du musst dann nur daran erinnert werden. Der Rest ist „Ruf“, „Gnade“, „Entgegenkommen Gottes“. Jesus sagt im Evangelium: „Niemand kommt zu mir, es sei ihm denn von meinem Vater gegeben“. Ich möchte das folgendermaßen erweitern: Allein der Gedanke, beten zu wollen, kann ein Impuls „Gottes“ sein, der dich anruft, damit du deinerseits ihn anrufst. Demnach ist kein authentisches Gebet möglich, ohne dass Gott in gewisse Weise auch zu dir betet.
„Es gibt nichts außer mir“
„La ana illa ana“ (Es gibt nichts außer mir) ist die Umschreibung des Islam für das Mysterium der tiefen Identität von Schöpfer und Geschöpf. Die Hindus sagen auch „Brahman ist identisch mit Atman“ – Der allumfassende Geist und der Geistfunke in dir sind eins. „Gottesbewusstsein“ wäre ein Zustand, in dem man sich dieser Tatsache stets voll bewusst ist. Der Begriff ist dem der „Erleuchtung“ sehr verwandt. Nur dass „Gottesbewusstsein“ die Vorstellung von einem persönlichen Gott als dem „Geliebten“ (wie die Sufis sagen) beinhaltet. Eine der tiefsinnigsten Thesen zum Thema Gebet fand ich in Deepak Chopras Buch „Der dritte Jesus“: Nur wer nicht aus dem Ego, sondern aus dem Gottesbewusstsein heraus bittet, sagt Chopra, dem wird gegeben. Denn es spricht dann ja „Gott zu Gott“, und wie könnte Gott sich selbst einen Wunsch abschlagen? Dies ist auch eine Antwort auf die Frage, warum Gebete manchmal helfen und bei anderer Gelegenheit „versagen“. Damit schließt sich auch ein Kreis. Der Skeptiker sagt: „Wenn du betest, spricht du ja nur mit dir selbst“. Der Esoteriker behauptet: „Du betest zu deinem (Höheren) Selbst.“ Und der Mystiker weiß: „Der, an den das Gebet gerichtet ist, das bist du selbst. “
Beispiel für ein traditionelles Gebet nach Monika Herz:
O heilige Martha, du Wunderbare,
ich nehme Zuflucht zu deiner Hilfe.
Mich ganz auf dich verlassend, dass du mir in meinen Nöten helfen und in meinen Prüfungen beistehen wirst.
Zum Dank dafür verspreche ich dir, dieses Gebet überall zu verbreiten.
Bei der großen Freude, welche dein Herz erfüllte, als du in deinem Heim in Bethanien den Heiland der Welt beherbergtest, flehe ich um Fürbitte für mich und meine Familie, dass wir unseren lieben Vater in unserem Herzen bewahren und also das Heilmittel unserer Bedürftigkeit zu erlangen verdienen.
Vor allem bei dieser Sorge, die mich gegenwärtig bedrückt:
(hier persönliche Sorge einfügen)
Ich flehe dich an, du Helferin in aller Not. Besiege die Schwierigkeiten, so wie du den Drachen besiegtest, bis er zu deinen Füßen lag.
Amen
Ein Vaterunser
Ein Ave Maria
Ein Ehre sei dem Vater
Drei mal: Heilige Martha, bitte für uns
Monika Herz
10. März 2017
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Monika Herz: Alte Heilgebete – Gesundheit für Körper und Geist. Nymphenburger Verlag Taschenbuch – 13. August 2012 – 7,99 €
Andrew Newberg, Mark Robert Waldman: Der Fingerabdruck Gottes: Wie religiöse und spirituelle Erfahrungen unser Gehirn verändern. Kailash Verlag 2010, 448 Seiten, 19,95 €
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