Kritische Betrachtung zum Neuen Aberglauben: Der Ausschlag des Pendels
Aberglaube – Die Menschheit zieht eine neue Lebensweise in Betracht. Das ist erfreulich, denn wir alle sehen deutlich, wohin uns unsere eingefahrenen Pfade gebracht haben. Wobei es nicht unbedingt am Verständnis gelegen hat, sondern zu einem großen Teil an der Dosierung. Das erfolgsorientierte, ausschließlich nach Quantität fiebrige Streben nach „mehr“ und „neu“ hat so viele Bereiche außer Acht gelassen, dass wertvolle Dinge fast verloren gegangen wären.
Die Medizin, die eigentlich nur betroffene Teile reparieren wollte, wendet sich mittlerweile wieder verstärkt dem Wissen zu, dass der Mensch als Ganzes behandelt werden muss. Natürlich muss man hier auch differenzieren, denn das ist nur eine Seite der Medaille.
Wir alle könnten einmal von den neuesten Operationstechniken profitieren, denn wo noch vor hundert Jahren Menschen starben, kann ihnen heute geholfen werden. Es ist also nicht sehr weitsichtig, die sogenannte Gerätemedizin in Bausch und Bogen zu verteufeln. Ebenso wäre es dumm, alle natürlichen Heilmethoden als Aberglauben abzutun. Aber das richtige Mittel muss zur richtigen Zeit eingesetzt werden.
Das gilt natürlich für alle Bereiche unseres Lebens, und auch für unsere Spiritualität. Nach der Industrialisierung schwang das Pendel immer mehr zur Seite des Verstandes, der Logik und der Aufklärung aus. Letztere war bitter notwendig, denn wo tatsächliches Wissen durch Aberglauben und traditionelle Verhaltensweisen ersetzt wird, kann das zu großen Problemen führen.
Heilkräfte der Natur contra Aberglauben
Viele der alten Hausmittel bei Verbrennungen oder ähnlichen täglichen Verletzungen lassen uns heute die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Es handelte sich da nicht um überliefertes Wissen, sondern meist um schlichte Ahnungslosigkeit, die oft mehr schadete als nützte. Nicht alle unsere Urgroßeltern wussten wirklich viel über die Heilkräfte der Natur und hatten von Meditationen ebenso wenig Ahnung. Dafür waren sie in vielen Dingen dem Aberglauben verhaftet und verhielten sich danach.
Da wurden Kinder schwer misshandelt, um ihnen „den Teufel auszutreiben“, wo heute wohl eine gut zu therapierende Störung festgestellt würde. Frauen, die abwichen vom allgemeinen Verständnis ihres Geschlechts, durften gezüchtigt werden und hatten noch vor gar nicht so langer Zeit gute Chancen in der Psychiatrie zu landen.
Heute rekonstruieren wir das „Alte Wissen“ so gut wir können und schöpfen aus alten Quellen. Zudem hat die viel geschmähte Wissenschaft mehr als eine traditionelle Heilbehandlung bestätigt, was auch für die Psychologie und die Psychoanalyse zutrifft.
Der Fluch der Ausschließlichkeit
Aber nun ziehen die Strömungen, sobald sie spürbar werden, genauso stark an uns wie vorher der Erfolgszwang, die Abwertung von Menschen ihres Geschlechts oder ihrer Herkunft wegen, oder der blinde Glaube an die Allmacht der Wissenschaft. Da verweigern kranke Menschen medizinische Behandlung oder verlieren sich in einer Art spirituellen Blase, die sie eher vom Leben trennt als damit verbindet.
Was wir brauchen, sind neue begehbare Wege – und davon gibt es sehr viele. Wir haben so viel entdeckt und auch wiederentdeckt, dass jeder für sich ein spirituelles Zuhause finden kann. Aber leider scheint der Fluch der Ausschließlichkeit seine Kraft noch nicht verloren zu haben, denn schon wieder formieren sich Gruppen und festigen sich Trends, die zunehmend elitäre Ansprüche haben.
Da wenden sich Vegetarier gegen Veganer und umgekehrt. Menschen, die spirituell den Engeln folgen, grenzen sich gegen diejenigen ab, die der Schule der Elemente und der Kommunikation mit den Elementaren verbunden sind. Die neue Spiritualität hat das elitäre Denken noch nicht verschwinden lassen können und läuft so Gefahr, dass sich alles das wiederholt, das wir überwunden zu haben glaubten.
Die Hexenjagd der Inquisitoren hatte ihren Höhepunkt vor gar nicht so langer Zeit
Diese gnadenlose Verfolgung jeder Abweichung vom Geduldeten. Wobei jedes Zeitalter die Verfolgung vermeintlicher „böser Zauberer“ kennt. Wenngleich nicht so wie in der unheimlichen Maschinerie der Kirche, die ganze Landstriche entvölkerte. Hier kann nur gewarnt werden vor Wiederholungen.
Gruppen bilden sich, die ihre Auffassung von Glauben und spirituellem Leben zum Dogma erheben und genau das tun, wogegen sie sich ursprünglich gewendet hatten: Zwang und Manipulation. Menschen gehen keinen Schritt vor die Tür ohne ihr Orakel, welches immer sie auch nutzen, zu befragen. Dabei sollte die Wiederentdeckung der alten Praktiken zur Selbsterkenntnis ein Gegenpol zur Unfreiheit sein.
Jedes Wissen ist nutzbar, solange es nicht zur Besessenheit wird
Manche von uns sprechen öfter mit Geistwesen als mit Menschen und entfernen sich immer mehr vom Leben – ob es sich nun um Engel, Geistführer oder Naturgeister handelt, ist dabei gleichgültig. Es gibt immer ein „zu viel“, so wie es auch immer ein „zu wenig“ geben wird. Bei dem Versuch, das spirituelle Leben zu erneuern dürfen die alten Muster nicht genutzt werden, sonst schaffen wir neue Zwänge und Verhaltensweisen, die nur einen anderen Namen haben.
In einer möglichen Konsequenz finden wir uns dann womöglich vor einem Opferaltar und sind gerade dabei, einen schwarzen Hahn zu opfern. Das klingt überzogen, aber leider ist eine Art „Neuer Aberglaube“ zu beobachten, der das Potenzial hat, sich zu verfestigen.
Wir wissen heute genug, um das anzuwenden, das förderlich ist, um uns zu nützen
Ob das nun eine Geistrückführung ist oder eine Psychoanalyse, Johannisöl oder Antibiotikum. Die „Neue Zeit“ darf nicht einfach das Gegenteil der vergangenen Zeiten sein, denn das wäre ein Rückschritt. Ausgewogenheit ist wichtig.
Wir wissen um die Beschaffenheit der Atome, wir kennen den Aufbau unserer Gehirne. Wir wissen aber auch um die Heilkraft der Kräutermedizin und die Wirkung schamanischer Rituale. Wir können jedes Wissen nutzen, solange es nicht zur Besessenheit wird.
Wir müssen uns nicht für unser ganzes Leben entweder für Hildegard von Bingen oder Carlos Castaneda (1) entscheiden. Es lohnt sich auf jeden Fall, sich mit beiden zu beschäftigen. Oder Lois Bourne (2) möglicherweise und Professor Robert Jungk.
Wir dürfen Kräuter anwenden und auch Penicillin, wenn es nötig ist. Was wir aber auf keinen Fall dürfen, ist es, unseren einzigen Lebensraum zu zerstören und uns der Intoleranz zu verschreiben.
Das haben wir lange genug getan.
Hinweise:
(1) Carlos Castaneda: in den 1970er und 1980er Jahren angesagter Autor, der unter anderem mit Peyote, also Meskalin, und LSD experimentierte.
(2) Lois Bourne: eine zeitgenössische britannische Hexe, die mehrere Bücher geschrieben hat, in Deutsch u. a. „Autobiographie einer Hexe“, Knaur München 1987.
09.05.2019
Eleonore Radtberger
Autorin
Eleonore Radtberger und ihre Bücher
Die Autorin und Lebensberaterin Eleonore Radtberger wurde 1957 im Rheinland geboren und befasst sich seit vielen Jahren sehr intensiv mit spiritueller Arbeit, wobei der Tarot einen großen Raum einnimmt. Radtberger arbeitet auch mit anderen Medien, wie zum Beispiel Krafttier-Karten, die sie in ihrem neuesten Buch beschreibt:
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Über die alternative Arbeit mit Krafttierkarten“ (200 Seiten, ISBN 978-3749408795).
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Das könnte auch interessant für Sie sein:
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Sehr guter Artikel, danke. Was mir unangenehm aufstößt ist die Verlinkung Ihres Buches auf Amazon.
Wenn diese Krake die Weltherrschaft gewinnt, können wir uns nicht mehr aussuchen, was wir lesen, denken, essen und praktizieren dürfen
Hallo Herr Schreiber,
danke für Ihre ‘Kritik’. Da hat Frau Radtberger gar nichts damit zu tun. Das liegt an uns… Es war kein anderer Link zu finden! Und: es ist fast immer unglaublich schwer, Links zu den Büchern einzubringen, die von den LeserInnen auch tatsächlich genutzt werden. Sie gehen dann doch wieder zu Amazon. Da sind der Wunsch und die Tat doch sehr oft unterschiedlich…
Danke und HERZliche Grüße,
Heike Schonert