Rastlos verzweifelt auf der Suche nach GOTT
Henri Jozef Machiel Nouwen 24. Januar 1932 – 21. September 1996 gehörte zu den Bestseller-Autoren psychologischer Literatur christlicher Prägung. Zahllose Menschen haben sich in seinen Büchern erkannt. Er schrieb 35 Bücher, die in viele Sprachen übersetzt wurden. Er starb nach langer Odyssee in seiner Heimat im Alter von nur 64 Jahren.
Für die amerikanische Ausgabe des Buches von David Steindl-Rast „Gratefulness – the Heart of Prayer“ schrieb er 1983 das Vorwort und begann den ersten Satz: „This book is a true delight!“ Der weltbekannte Benediktinermönch und Mystiker Brother David ist 6 Jahre älter als Henri Nouwen und lebt jetzt in geistiger Frische im Alter von 96 Jahren im Europakloster in St. Gilgen am Wolfgangsee.
Der holländische Theologe und Priester Henri Nouwen war 10 Jahre lang Professor für Psychologie an der Yale University und später auch Professor an der Divinity School der berühmten Harvard University. Dazwischen zahllose Sozialengagements in Amerika, Kanada und Lateinamerika, stets an der Grenze der Überforderung.
Sein sicherlich faszinierendstes Buch „Ich hörte auf die Stille – Sieben Monate im Trappistenkloster“ erschien erstmals im Jahr 1976 in New York unter dem Originaltitel The Genesee Diary – Report from a Trappist Monastery“. 7 Monate verbringt Henri Nouwen von Juni – Dezember 1974 im Alter von 43 Jahren in dem Trappistenkloster „Genesee“ in Piffard, 50km von Rochester/New York entfernt.
Dieses Buch wurde in viele Sprachen übersetzt und ist bis heute in hohen Auflagen erschienen. Ein Klassiker der spirituellen Weltliteratur.
Henri Nouwen, den ich persönlich gekannt habe und dessen Ruhelosigkeit mir große Sorgen bereitet hatte, wurde in dem Trappistenkloster Genesee von dem damaligen Abt Psychiater und Psychotherapeuten, Dr. John Eudes Bamberger (1926 – 2020) täglich unterwiesen.
Ich habe John, den ich viel später traf, für seine enorme Geduld und Liebe bewundert. Und in diesem Buch stehen auf Seite 65 die wichtigsten Passagen, die für den spirituellen Weg so entscheidend sind:
„Wie können wir die Leidenschaften bannen, die uns dazu verführen, mit Gott zu manipulieren, statt ihn zu verehren? Was wir zunächst einmal begreifen müssen, ist, dass wir die Herrlichkeit Gottes sind. Wir leben, weil wir Anteil an Gottes Odem, an Gottes Leben, an Gottes Herrlichkeit haben. Die Frage heißt im Grunde nicht: Wie können wir so leben, dass wir Gott verherrlichen?, sondern: Wie können wir leben als die, die wir sind; wie können wir unser tiefstes Wesen verwirklichen?
Mit einem Lächeln sagte John Eudes: „Nehmen Sie dies als Ihr Koan. Ich bin die Herrlichkeit Gottes. Machen Sie diesen Gedanken zum Mittelpunkt Ihres Meditierens, so dass er nach und nach nicht nur ein Gedanke, sondern lebendige Wirklichkeit wird. Sie sind der Ort, den Gott sich zur Wohnung auserwählt hat, Sie sind der topos tou theou (Ort Gottes), und das geistliche Leben besteht in nicht mehr oder weniger als in dem Versuch, diesen Ort, an dem Gott wohnen kann, zur Existenz zu verhelfen und den Raum zu schaffen, in dem, sich seine Herrlichkeit offenbaren kann. Wo ist die Herrlichkeit Gottes? Wo könnte die Herrlichkeit Gottes sonst sein, wenn Sie nicht dort ist, wo ich bin?“
Die Biographie über das Leben von Henri Nouwen, die 1998 erschienen ist,
macht eher traurig und nachdenklich. Henri hat aus meiner Sicht die tiefgreifenden Unterweisungen von John Eudes Bamberger nicht in sein Leben integrieren können. Seine vielen Bücher sind zwar Bestseller geworden und auch interessant zu lesen, zeugen aber von der eher hilflosen Emotionalität und überholten Glaubenshaltung, die unser Leben in Subjekt und Objekt aufspaltet. Sein schwerer Herzinfarkt im September 1996 als Folge totaler Erschöpfung von unzähligen Reisen und Vorträgen macht deutlich, wo er geradezu vernichtend berührt wurde. Das Leben Henri Nouwens war nicht in Balance, und es ist auch in keiner Weise nachahmenswert. Rast- und Ruhelosigkeit sind nicht die Wesensmerkmale der spirituellen Meister.
Henri Nouwen hatte auf seinem letzten Deutschlandbesuch das Recollectio Haus der Benediktinerabtei Münsterschwarzach eingeweiht.
Dort werden Priester und Ordensleute psychotherapeutisch betreut und mit einem speziellen Programm zur Lebensbewältigung liebevoll geschult.
Henri Nouwen selbst brauchte eine recollectio, und ich hatte ihm zusammen mit Freunden dringend geraten, eine größere Pause einzulegen, weil ich spürte, wie er sich verzehrte. Und so machte er von September 1995 bis September 1996 ein Sabbatical Year und führte ein rastlos wirkendes Tagebuch („Das letzte Tagebuch“, 350 Seiten, Herder, 2000). Nur 3 Wochen nach dem Ende seiner „Ruhepause“ stirbt Henri am 21. September 1996 im jungen Alter von 64 Jahren an den Folgen eines schweren Herzanfalls. Sein Vater, von Beruf Rechtsanwalt, war bei der Beerdigung seines Sohnes dabei.
Bewegt haben mich folgende Passagen aus Henri’s Tagebuch:
- „Der Gedanke, dass man nach meinem Tod nach Details aus meinem Privatleben forschen könnte, beunruhigt mich. Aber es beruhigt mich, dass es Freunde gibt, die mich genau kennen und mich nicht nur im Leben, sondern auch im Gedenken schützen werden.“ (S. 37).
- „Das Gefühl, verlassen zu sein, verfolgt mich auf Schritt und Tritt. Ich bin immer wieder überrascht, wie schnell es sich einstellt. Gestern regte sich dieses abscheuliche Gefühl in meinem tiefsten Innern. Blanke Unruhe und Angst, eigentlich ohne ersichtlichen Grund. Ich habe mich gefragt: Warum bist Du eigentlich so rastlos, warum bist Du so ängstlich, warum bist Du so unruhig, warum fühlst Du dich so allein und verlassen?“ (S. 48/49).
- „Ich glaube nicht, dass wir unsere erotischen Energien unterdrücken müssen, um ein geordnetes Leben zu führen… Ich weiß nicht, was passieren würde, wenn eine Carmen in mein Leben einbrechen und mir den Boden unter den Füßen entziehen würde.“ (S. 70/71).
- „Gestern Abend bin ich beim Schreiben steckengeblieben. Ich versuchte, ein paar Gedanken über die Auferstehung Jesu und unsere eigene Auferstehung zu Papier zu bringen und geriet dabei in die Klemme…“ (S. 97).
- „Die buddhistische Sichtweise der hungrigen Geister und die christliche Sicht der Auferstehung ergänzen sich. Indem wir zu unserem Dasein hier und heute stehen und unsere unerfüllten Bedürfnisse anerkennen, ohne ihnen Nahrung aus der Vergangenheit zukommen zu lassen… Der unzugängliche Zugang des Zen und die heilenden Wunden Christi ermutigen uns, uns von der Vergangenheit zu lösen und auf die Herrlichkeit zu vertrauen, zu der wir berufen sind.“ (S. 163).
- „Ich weiß, dass ich nur in Gottes Gegenwart verweilen und ihm meine ganze Dankbarkeit offenbaren muss. Aber alles in mir lehnt sich dagegen auf. Trotzdem weiß ich, dass dies der einzige Weg ist.“ (S. 164).
- „Auf dem Flug von Newark und der Fahrt nach Peapack erschütterte uns die Nachricht vom Bombenattentat heute Vormittag bei den olympischen Spielen in Atlanta.“ (27. Juli 1996, S. 321).
(Anm.: am Samstag, 27. Juli 1996 flog ich von München über Philadelphia nach Chicago zur Konferenz der „Society for Christian and Buddhist Studies“, wo ich in Anwesenheit des XIV. Dalai Lama einen größeren Vortrag zu halten hatte: „The Experience of GOD`s Presence – the Buddhist and Christian View.“ Aufgrund des Bombenattentats hatten wir einen 4-stündigen Zwischenstopp in Boston und mussten durch sehr verschärfte Kontrollen).
08.09.2022
Roland R. Ropers
Religionsphilosoph, spiritueller Sprachforscher, Buchautor und Publizist
www.KARDIOSOPHIE-NETWORK.de
Über Roland R. Ropers
Roland R. Ropers geb. 1945, Religionsphilosoph, spiritueller Sprachforscher,
Begründer der Etymosophie, Buchautor und Publizist, autorisierter Kontemplationslehrer, weltweite Seminar- und Vortragstätigkeit.
Es ist ein uraltes Geheimnis, dass die stille Einkehr in der Natur zum tiefgreifenden Heil-Sein führt.
>>> zum Autorenprofil
Buch Tipp:
Kardiosophie
Weg-Weiser zur kosmischen Ur-Quelle
von Roland R. Ropers und
Andrea Fessmann, Dorothea J. May, Dr. med. Christiane May-Ropers, Helga Simon-Wagenbach, Prof. Dr. phil. Irmela Neu
Die intellektuelle Kopflastigkeit, die über Jahrhunderte mit dem Begriff des französischen Philosophen René Descartes (1596 – 1650) „Cogito ergo sum“ („Ich denke, also bin ich“) verbunden war, erfordert für den Menschen der Zukunft eine neue Ausrichtung auf die Kraft und Weisheit des Herzens, die mit dem von Roland R. Ropers in die Welt gebrachten Wortes „KARDIOSOPHIE“ verbunden ist. Bereits Antoine de Saint-Exupéry beglückte uns mit seiner Erkenntnis: „Man sieht nur mit dem Herzen gut“. Der Autor und die sechs Co-Autorinnen beleuchten aus ihrem individuellen Erfahrungsreichtum die Vielfalt von Wissen und Weisheit aus dem Großraum des Herzens.
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