Facebook Lügen? Gefahr für Demokratien und Gesellschaft?
Facebook, eines der großen sozialen Netzwerke, ist kürzlich in die Schlagzeilen geraten. Wieder einmal, ist man fast versucht zu schreiben. Zwei Journalistinnen der New York Times, Sheera Frenkel und Cecilia Kang, decken in ihrem aktuellen Buch Inside Facebook auf, wie sehr Facebook zur Datenkrake wurde. Auch im Oktober 2021 gab es eine weitere Offenlegung durch die ehemalige Facebook-Angestellte Frances Haugen. Sie ist die Whistleblowerin schlechthin.
Lesen Sie hier aus aktuellem Anlass im ergänzten Beitrag vom Juli ’21 Zahlen, Daten, Fakten
Dem nicht genug: Es gibt eine Reihe an bemerkenswerten Machenschaften, die im Hintergrund ablaufen. Denn: es ist wichtig, zu wissen, was vor sich geht. Facebook Inc. umfasst neben Facebook auch den Fotodienst Instagram und den Nachrichtendienst WhatsApp, der kürzlich auch aufgrund neuer Nutzerbedingungen in das Schlaglicht der geneigten Öffentlichkeit geriet. Weltweit nutzen diese Dienste ca. 3,5 Milliarden Menschen. Wenn man berücksichtigt, dass in Kürze Bundestagswahlen stattfinden, dann ist potenziell die gesamte deutsche Wählerschaft Teil dieser 3,5 Milliarden. Was bedeutet dies? Inwieweit sind soziale Medien Teil des Wahlkampfes, auch in Deutschland? Wie behandelt Facebook Inc. seine NutzerInnen? Was treibt der Big Player mit den NutzerInnen-Daten? Hier finden Sie ein paar Fakten dazu. Einfach zum Nachdenken, denn es geht höchstwahrscheinlich auch um Sie und um Ihr Privatleben – und um Ihre persönliche Rolle in der Gesellschaft. Nicht nur wenn es mal einen mehrstündigen Systemausfall gibt.
Facebook Lügen – Ein asozial soziales Medium
Facebook steht nicht das erste Mal in der Kritik. Ich erinnere daran, dass CEO Mark Zuckerberg mehrfach Rede und Antwort im US-Senat und dem US-Kongress stehen musste, als es beispielsweise um Cambridge Analytica und die Wahl von Donald Trump ging (2018, 2019, 2020 fanden die Hearings statt). Hearings dieser Art sind üblicherweise eine der gefürchteten Situationen, denn man steht unter Wahrheitspflicht. Sollte Zuckerberg dabei nicht die Wahrheit gesagt haben, stehen ihm unruhige Zeiten bevor.
Frenkel und Kang hatten sich gut 15 Jahre mit Facebook beschäftigt. Sie führten ca. 400 Interviews, die sich sowohl auf Interna als auch auf Externa bezogen. Das Ergebnis ist beeindruckend und erschütternd zugleich,
weil ein schier ungeheuerliches Beeinflussungspotenzial vorliegt, das auch zum Teil gnadenlos genutzt wird. Folgen davon sind bereits konkret absehbar. Der Profit steht über allem.
Auch Frances Haugen bestätigt in ihren Interviews mit umfangreichem Datenmaterial diese Einschätzung.
NutzerInnen, Privatsphäre, Missbrauch von Privilegien und Daten
Facebook nutzen im Jahr 2021 bislang pro Monat ca. 2,1 Milliarden Menschen. Bei WhatsApp sind es 2 Milliarden. Bei Messenger noch 1,3 Milliarden und bei Instagram 1,2 Milliarden. Dabei werden bei jeder Aktion Daten im großen Stil abgegriffen, ohne dass es die NutzerInnen bemerken. Still, heimlich, leise. Was passiert damit? Teilweise werden die Daten intern schlicht aus Neugierde angesehen. Manch Softwareentwickler, immerhin gibt es gut 16.000 davon, verguckt sich in Frauen, weil er ihre Profile ausspioniert. Wenn diese freizügig und ohne viel nachzudenken, persönliche Details preisgeben, dann ist das gefundenes Fressen. Nun mögen Sie sagen – selbst Schuld. Es geht nicht um offenherzige Fotos. Oft geht es um Hintergrundinformationen, die auf einem Bild oder in einem Statement gar nicht offensichtlich sind. Doch clevere Analytiker finden das, wonach sie suchen. Privilegien werden damit knallhart missbraucht. Privatsphären werden verletzt. Auch wenn es noch so harmlos erscheinen mag.
Privat ist Privat. Soziale Medien sind kein sich an Unbekannten ergötzen unter Ausnutzung von Privilegien.
Datenverkauf – noch immer ein richtig gutes Geschäft
Sie nutzen Facebook und die anderen Dienste, um gerade in Pandemiezeiten verbunden zu sein? Beobachten Sie Ihr Nutzungsverhalten in den vergangenen 18 Monaten. Denn: Facebook liebt es, aus dem einfachen Nutzer, der ab und zu mal etwas postet, einen Dauernutzer zu machen. Wir wissen im die Sucht des Digitalen.
Jeder Zutritt auf Facebook und Co wird mit digitalen Bewegungsprofilen aufgezeichnet. Gleich wie lange, gleich wie kurz – Sie hinterlassen Ihren digitalen Fußabdruck.
Facebook freut sich tierisch, denn Ihre Präferenzen und Ihre Bewegungsprofil verhökert Facebook für ca. 85 Milliarden US-Dollar an die Werbeindustrie. Wundern Sie sich nicht, wenn Sie unaufgefordert Werbung digital bei sich finden, z.B. auf Ihren diversen Social Media Accounts oder per Email. Da können keine EU-Regeln richtig helfen, denn Facebook und Co. sind schon wieder einen Schritt voraus. Sie können Facebook auch gerne durch die Suchmaschine Google ersetzen. Daten, insbesondere personenbezogene Daten sind das neue Gold. Aus dem User wird ein Käufer. Das ist das eigentliche Ziel, nicht die Ermöglichung einer Familienkommunikation in Pandemiezeiten.
Soziale Medien sind nicht sozial, sondern sie nutzen die Möglichkeiten, die sich ihnen bieten, beinhart aus. Sie haben ihre anfänglich durchaus vorhandene Unschuld verloren.
Politische Manipulation – bekannt und sehr gut dokumentiert
Dass Facebook massiv in Wahlkämpfe eingreift, ist seit Trump und seinem Wahlkampf 2016 bestens bekannt. Es ist kostengünstige Wahlwerbung mit einer hohen Durchdringung innert kürzester Zeit. Das bietet Facebook an. Auch Wahlkämpfe in Europa laufen über soziale Medien. Will man in die Fläche, dann nutzt man Facebook. Das machte übrigens auch Sebastian Kurz in Österreich sowohl 2017 als auch bei seiner Wiederwahl 2019. Doch zeigt sich auch, dass viele Likes nicht unbedingt mehr an Wählerstimmen bedeutet. Dazu braucht es dann doch etwas, das Menschen soweit mobilisiert, um zur Wahlurne zu schreiten bzw. sich der Briefwahl zu bedienen.
Was jedoch gelingt, ist eine einfache Botschaft flächendeckend zu verbreiten. Dies wird in zahlreichen Wahlkämpfen mittlerweile perfekt angewendet. Wer will denn schon groß in Wahlprogramme gucken, die lang und oft langweilig sind?!
Um zu manipulieren, muss man nicht einmal mehr auf Facebook präsent sein. The Big Lie – das Schlagwort, das Donald Trump schon vor der verlorenen Wahl 2020 trommelte, machte Facebook noch rascher und breiter bekannt. Auch wenn Trump mittlerweile auf Facebook gesperrt ist – er hat derart viele Anhänger, die dieser These Glauben schenken und sie weiter verbreiten, dass er gar nicht mehr selbst aktiv werden muss.
Die Kuh ist aus dem Stall. Sie einzufangen, ist ein trostloses Unterfangen.
Soziale Medien und Meinungsmanipulation
Wenn man oft genug eine Partei und/oder eine Person anpatzt und sie vielleicht auch ein wenig ungeschickt reagiert, weil sie mit dem Meinungsspiel nicht ausreichend vertraut gemacht wurde, dann sitzt das. Dass ist die neue Big Lie. Sie steht symbolisch für eine kollektive Meinung. Der Weg zur Gefühlsdemokratie ist offener denn je.
Wie soll man Wahrheit von Lüge unterscheiden können, vor allem wenn die Dinge sich so derart schnell verändern, wie dies mittlerweile der Fall ist?!
Viel Energie geht in das Herausfinden von Lüge und Wahrheit. Wo bleibt Energie, um sich mit Ideen von politischen VertreterInnen eingehend und ernsthaft zu beschäftigen? Wo bleibt die Ehrlichkeit? Die Wahrheit wird zum Waisenkind. Die Demokratie, die zwar laufend im Wandel ist, sie scheint mittlerweile mit einem großen Fragezeichen versehen zu sein. Was für ein Ausblick auf die Bundestagswahlen im September 2021 … es geht dabei ja nicht um irgendwen, sondern es geht um Deutschland als Land in der Mitte Europas in einer der unruhigsten Zeiten, die wir bislang erlebten.
Wie kann es weitergehen, mit Facebook und Co?
Andere Beiträge von Andrea Riemer
Wenn noch weitere Manipulationen auftauchen und Mark Zuckerberg in den Hearings vor dem Kongress und dem Senat auch nur einen Hauch von Unwahrheit gesagt hat und man ihm dies nachweisen kann, könnte ihm das Schicksal von Bill Gates drohen – zwar aus anderen Gründen, doch auch er müsste sich mit samt seiner Führungsmannschaft aus dem Unternehmen zurückziehen. Damit würde er wieder am Beginn stehen, der freundliche Herr Zuckerberg. Harvard und die Studentenbude lassen grüßen. Ein Dank gilt der mutigen Frances Haugen.
Einfach für Sie zum Nachdenken.
14.07.2021/ergänzt am 06.10.2021
Außerordentl. Honorarprofessorin Dr.habil. Dr. Andrea Riemer, Ph.D
Zur Autorin finden Sie alles Wissenswerte unter:
www.andrea-riemer.de
Buchempfehlung:
Sheera Frenkel und Cecilia Kang: Inside Facebook: Die hässliche Wahrheit, erschienen am 13.07.2021.
Über Andrea Riemer:
nach einer einzigartigen, 25 Jahren umfassenden internationalen Karriere als Wissenschaftlerin und Beraterin für Sicherheitspolitik und Strategie (Doktorat in BWL, Ph.D. und Habilitation in Militärwissenschaften; außerordentl. Honorarprofessorin), hat sich Andrea Riemer ab 2012 als eine der erfahrensten Buchautorinnen und Vortragenden zu existentiellen Fragen des Lebens in der poetischen Philosophie etabliert.
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