Kogi Indianer: Die Botschaft der älteren Brüder
Die kolumbianischen Kogi-Indianer warnen uns, ihre „jüngeren Brüder“, davor, wie sehr die Welt aus dem Gleichgewicht geraten ist.
Das Indianervolk der Kogi verzweifelt an dem, was mit Mutter Erde geschieht. Seit jeher ist es die Aufgabe der „Älteren Brüder“, wie sie sich nennen, das ökologische Gleichgewicht zu bewahren. Als die Spanier seinerzeit ihre Heimat eroberten, zogen sie sich in die Nevada de Santa Marta zurück, wo sie noch heute in Abgeschiedenheit von der Zivilisation leben und auf Strom, Telefon und sogar Schrift verzichten.
Ohne Schulbildung und oft auch ohne Kenntnisse der spanischen Amtssprache werden sie vom „Kleinen Bruder“ nicht ernstgenommen. Welche Möglichkeit hat eine indigene Gruppe von Indianern, ihre überlebenswichtige Botschaft an uns Zivilisationsgläubige zu richten, die wir gerade dabei sind, Aluna, der großen Mutter Erde, den Garaus zu machen?
Als die Spanier Anfang des 16. Jahrhundert kamen,
waren die dort lebenden Tairona-Indianer eine entwickelte Kultur, die Gebäude aus Stein bauten und Gegenstände aus Gold herstellten, mit denen sie sich ebenso wie Bäume schmückten. Die Überlebenden der Greuel der Eroberer flohen in die Höhenlagen des Gebirges. Von ihnen, so sagen die Kogis, stammen sie ab. Sie sind nicht Teil unserer Kultur: Für sie ist die Erde ein lebender Organismus, den es mit Ritualen zu pflegen und mit Achtsamkeit zu behandeln gilt.
Mit ihren Traditionen, philosophischen Konzepten und der Fähigkeit, in der Natur wie in einem Buch zu lesen, erhalten sie unersetzliches Wissen am Leben. Was sie tun, reicht aber weit über das Gebiet der Sierra Nevada hinaus, das sie so gut kennen wie die Innenfläche ihrer Hand – ein Gebiet, das für sie ein Mikrokosmos unseres Planten ist, auf dem sich im Kleinen abzeichnet, was sich im Großen tut: Verlust des Urwaldes, Auslaugung der Böden, Austrocknung der Flüsse, Rückgang des Schnees, unberechenbare Veränderung des Klimas, Sterben von Pflanzen und Tieren …
Keine Frage: Die Sierra Navada ist aus dem Gleichgewicht.
Und hier sind die Kogi Indianer gefordert:
„Wir haben die Verantwortung, über das Gleichgewicht der Welt zu wachen. Wir müssen die Sierra, das Herz der Welt, bewahren. Falls das Herz aufhört zu schlagen, wird die Erde aufhören zu leben …“,
erzählen sie Éric Julien, der 1985 als ahnungsloser Entwicklungshelfer mit ihnen in Berührung kommt, als er auf einer Expedition ins Küstengebirge an einem Lungenödem erkrankt und von Angehörigen des Stammes gerettet wird.
Er erfährt noch mehr von den letzten Erben der großen präkolumbianischen Völker: von der Vertreibung, fast Vernichtung durch die ersten Kleinen Brüder, denen sie begegneten, von ihrer Intelligenz und spirituellen Macht, die sie benützen, „um die Natur zu schützen, das Leben zu schützen, die Seele der Bäume, die Seele der Flüsse, der Erde, der Steine und des Windes zu schützen.“
Diese Begegnung berührt Julien so sehr, dass er sie zehn Jahre später erneut aufsucht: „Die Kogi Indianer sind nicht einfache, in ihren Bergen vergessene Wilde, nein, sie sind viel mehr. Sie sind das Dunkle unserer Seele, sie sind unsere Weltanschauung, sie sind der Spiegel unserer Ruhelosigkeit, der Spiegel eines Weges, den wir verloren haben.“
Die Kogis nehmen nicht nur die sichtbare, sondern auch die unsichtbare Welt wahr,
die wir nicht kennen; sie wissen, dass jede Tat, ja jede Absicht eine Entsprechung auf der physischen Ebene hat und dass der Verlust unseres Weges uns viel kosten wird, da sich das Bewusstsein der Kleinen Brüder aktuell in ökologischen Katastrophen abbildet.
Während die Kogi Indianer in der Erde die Große Mutter Aluna sehen und ihren Gesetzen folgen, befolgen wir Kleinen Brüder nur die menschlichen von Rohstoff und Ware, Grundbesitz und Profit. „Wie kann man seine Mutter verkaufen?“, wollen die Kogi von dem Geographen Julien wissen, der ihnen hilft, ihr angestammtes Land zurückzubekommen, dass sie durch Drogenhändler und Guerilleros an Bauern verloren haben.
Doch sie brauchen noch mehr Hilfe – nicht in Form von Nahrung und Decken, sondern als Unterstützung und Verständnis: „Die Sierra muss gerettet werden, die Sierra hat Verzweigungen in die ganze Welt, es handelt sich um ein kleines Stück Erde, aber sie ist riesig. Nimm diese Botschaft mit in die Regierungen des Kleinen Bruders, damit sie diese genau studieren.“
Die Mamus (auch: Mamos, Mamas) bilden als „Priester, Ärzte und Philosophen“ das Herz der Welt der Kogi.
Nachdem sie von klein auf über Jahre hinweg in der Dunkelheit ausgebildet werden, wo sie das Wesen der Dinge erfahren und kein Gedanke abgelenkt wird, vermitteln sie zwischen den Welten und wachen über deren Gleichgewicht.
Als der Dokumentarfilmer Alan Ereira 1988 in die Sierra Nevada kam, wandten sie sich mit derselben Bitte an ihn: Ihnen zu helfen, den Kleinen Bruder zu warnen. Als ihre Botschaft in Form eines Dokumentarfilms ohne Erfolg blieb, baten sie ihn zwanzig Jahre später erneut um Hilfe, und der Film „Aluna“ entstand – als letzte Warnung. Der Kleine Bruder müsse zuhören und endlich aufhören, die Welt zu zerstören, wiederholt der Mamu immer wieder.
Ereira solle der modernen Welt erklären, wie Orte und Elemente der Natur unsichtbar miteinander verbunden sind – „Esuamas“, Schnittpunkte zwischen materieller Welt und Dunkelheit. Sie legen einen 400 Kilometer langen Goldfaden entlang ihrer alten Wege aus, um diese Verbindungen zu veranschaulichen, die Mutter Aluna angelegt und der Kleine Bruder jetzt zerstört hat.
An den Esuamas werden Opfer dargebracht;
diese Orte dürfen nicht zerstört, der Zugang zu ihnen den Kogis nicht verwehrt werden. Und doch geschieht genau dies. Die Mamus kommunizieren mit dem Wasser, lesen in dessen Blasen wie in einem Buch. Ein Hafenbau konnte nicht verhindert werden und hat wie von ihnen vorhergesagt Erdrutsche und Stürme verursacht. Sie zeigen sich ratlos und verzweifelt angesichts der unbedachten Zerstörung rings um sie, zeigen auf Wunden, die Erdrutsche in die Seiten des ihnen heiligen Berges Hukulwa gerissen haben. Sie sehen eine Wechselwirkung zwischen dem Wasser der Flussmündungen an der Küste und dem Regen, der in den Bergen fällt.
Die moderne Wissenschaft nimmt diese Verbindung nur in Richtung von oben nach unten wahr, nicht andersherum. Ereira, BBC-Reporter im Ruhestand, fragt anerkannte Experten, ob das Weltbild der Kogi Indianer wissenschaftlich belegbar sei. Die verblüffende Antwort: Nicht die konventionellen, jedoch die neuesten Erkenntnisse sprechen dafür. Ein Arzt, mit den Kogis seit 35 Jahren vertraut, erzählt davon, wie sie ein durch Kokainanbau und Rinderzucht ausgelaugtes Tal innerhalb von 20 Jahren wieder zum Wald machten.
Ein weltführender Meeresbiologe kann das System der Verknüpfung der Wassersysteme nachvollziehen;
ein Experte der zoologischen Gesellschaft Londons bestätigt das Konzept der Pflege von Spezies an einem jeweils speziellen Ort mit den Worten: “Wir haben viel von ihnen zu lernen.” Möglicherweise ist sogar die Dunkelheit des Universums, das einen so großen Stellenwert bei den Kogis einnimmt und für sie Vater und Mutter von allem ist, mit der unlängst entdeckten „Dunklen Energie“ gleichzusetzen, die das ganze All füllt.
Andere Beiträge von Martina Pahr
Inspiration & Information
Alan Ereira: „Aluna“, Neue Weltsicht Verlag, DVD
Éric Julien: „Der Weg der neun Welten“, Verlag Neue Erde
03.10.2020
Martina Pahr
Autorin, Bloggerin und PR – Expertin
Martina Pahr
ist Autorin, Bloggerin und PR – Expertin, hat vor einigen Jahren den Sprung ins kalte Wasser gewagt und sich selbständig gemacht. Seither tut sie, wovon sie immer geträumt hat, und lebt vom Schreiben.
Beruflich wie auch privat setzt sie sich mit den spirituellen Aspekten des Lebens und den vielen Erscheinungsformen der New-Age-Bewegung auseinander – und nicht immer ist ihr gesunder Menschenverstand überzeugt von dem, was er vorgesetzt bekommt. Sie glaubt ungebrochen an das (viel zu oft ignorierte) Göttliche im Menschen: Eigenverantwortlichkeit und Eigenmächtigkeit, Selbstwert und Selbstheilungskräfte.
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Buchtipp:
Martina Pahr: „Sorg für dich selbst, sonst sorgt sich keiner! Wie du dir selbst höchste Priorität im Leben einräumst.“
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Dankeschön für den schönen Artikel,
ich habe zum ersten Mal von den Kogi-Indianern gehört bzw. gelesen im (wirklich empfehlenswerten) Buch von Lucas Buchholz “Kogi: Wie ein Naturvolk unsere moderne Welt inspiriert”