Hanami Schönheit der Vergänglichkeit

Hanami-Kirschbluete-pink

Hanami-Kirschbluete-pinkHanami
Die Schönheit der Vergänglichkeit

Japan sieht Schönheit in dem, das keinen Bestand hat – wie etwa die herrlichen Kirschblüten, die beim Blütenfest „Hanami“ gefeiert werden.

Übersetzt bedeutet „Hanami Matsuri“ soviel wie: Feier des Betrachtens von Blüten. Es wird in Japan – einem Land, das die einzelnen Jahreszeiten sehr würdigt – schon seit Jahrhunderten gefeiert. Ganze lyrische Gattungen widmen sich der Schönheit und Besonderheit von Sommer, Herbst, Winter – und natürlich vom Frühling, der durch Sakura, die Kirschblüte, eingeläutet wird.

Sie webt einen Zauber von magischer Unwirklichkeit und ätherischer Poesie über das Land, dem sich niemand entziehen kann. Die Kirschblüten zeigen den gesamten Farbverlauf von blendendem Weiß über zartes Rosa bis hin zu leuchtendem Pink. Wenn dann ein Wind weht, meint man, in einer Schneekugel zu stehen, die von Götterhand geschüttelt wird, so dass einem in dem Meer aus weiss und rosa fast schwindelig wird.

Sicher kennt jeder das Bild des Fuji-san, des verehrten Berges Fuji, in der Kirschblüte, das von der Nordseite des Kawaguchi-Sees in den frühen Morgenstunden aufgenommen wird. Sakura ist wie der Berg ein Symbol des Landes und gilt vielen, Einheimischen wie auch Besuchern, als die schönste Zeit des Jahres.

Um Hanami zu feiern, reicht es schon, einen Spaziergang unter der blühenden Pracht zu genießen.

Traditionell wird es allerdings mit einem Picknick begangen. Die Menschen setzen sich unter die Bäume, trinken Sake (Reiswein) oder Bier und essen gemeinsam. Die beliebtesten Plätze in den Gärten und Parks sind schnell weg, weshalb Decken oder blaue Plastikplanen ausgelegt werden, um den Platz zu reservieren. Meist sitzt einer stellvertretend für die anderen; in weniger begehrten Gegenden reicht es auch, einen Zettel mit Namen und Ankunftszeit an der Plane zu befestigen.

Firmen und Vereinen schicken oft zur Mittagszeit einen “Platzhalter”, meist einen Neuzugang im Unternehmen, der die Stellung halten muss, bis am Abend die Kollegen zu ihm stoßen und gemeinsam o-hanami gefeiert wird.

Ein seltsam heiteres Bild, wenn man die Herren und Damen in korrekten Anzügen und auf Strumpfsocken unter den zarten Blüten sitzen sieht. Gegessen wird meist das Mitgebrachte – selbstgemacht oder in Form von Take-away-Bento, Pappschachteln mit Fisch, Reis und Gemüse.

Manche Lokale bieten auch Catering an und beliefern die Picknick-Gesellschaften im Park. Am Abend werden in vielen Parks die Bäume mit Scheinwerfern beleuchtet, was sehr romantisch wirkt und die Frischverliebten zum Rendezvous einlädt.

Als besonders schön gilt das Nacht-Hanami im Ueno-Park in Tokio, wenn die hellen Blüten einen herrlichen Kontrast zum Nachthimmel bilden.

Sakura, die japanische Kirschblüte, ist die offizielle Pflanze Tokios – und inoffiziell das zweite nationale Symbol nach der Chrysantheme, die für das Kaiserhaus steht. Je nach Blütenart, Standort und Jahresklima kann sich die Blütezeit zwischen Mitte März und Mitte Mai erstrecken. Sie beginnt auf Kyushu, der südlichsten der vier japanischen Hauptinseln, und wandert rund zweieinhalbtausend Kilometer hoch in den Norden bis nach Hokkaido.

Die rund 300 verschiedenen Arten von Kirschbäumen im Land der aufgehenden Sonne sind so gepflanzt, dass sie zeitversetzt blühen. So erstreckt sich die Blütezeit, die bei einem einzelnen Baum maximal zehn Tage dauert, über mehrere Wochen. Diese “Kirschblütenfront” wird aufmerksam im Fernsehen dokumentiert und verfolgt.

Die Ursprünge von Hanami liegen im Dunkeln.

Vor den Kirschen galten die fruchttragenden Pflaumen, wie auch im benachbarten China, als die wichtigsten Bäume und waren Gegenstand der Verehrung. Vermutungen zufolge stammt die Tradition aus dem kaiserlichen Hof der Nara-Zeit im 8. Jahrhundert, an deren Ende die Hauptstadt ins heutige Kyoto verlegt wurde. Dort wurden dann Hanami und Sakura, die Kirschblüte, untrennbar miteinander verwoben.

Ursprünglich wurde die Kirschblüte genutzt, um anhand von ihr Prognosen über die zu erwartende Ernte vorzunehmen und die Zeit des Reispflanzens einzuläuten. Die Menschen glaubten an Naturgeister in den Bäumen und opferten ihnen. Zum Abschluss der Opferungen wurde Sake getrunken.

Die ersten Aufzeichnungen über Hanami stammen aus der sich anschließenden Heian-Zeit, die bis zum Ende des 12. Jahrhunderts ging. Es heißt, dass der Eroberer Saga die Sitte der Einheimischen aufgriff und als Fest weiterführte.

Der Roman “Eine Geschichte von Genji”, geschrieben von einer Edeldame des Hofes, widmet sein achtes Kapitel dieser Feierlichkeit.

Damals war Hanami noch allein der Oberschicht vorbehalten.

Bei Sake und festlichem Essen fand man sich zusammen, um Gedichten zu lauschen, die die fragile Schönheit von Sakura priesen.

Zu Beginn der Edo-Periode vor rund 400 Jahre hatte das Fest bereits alle Bevölkerungsschichten erreicht. Dass Ästhetik nur für den ist, der sie sich leisten kann, meint leicht ironisch das Sprichwort “Hana jori dango”, das übersetzt in etwa bedeutet: “Reisbällchen statt Blumen.” Und besagt: Wer nicht weiß, wie er morgen sich und seine Familie sattbekommt, hat keinen Sinn für die müßige Kontemplation von Schönheit.

Und tatsächlich hat Sakura nicht einmal im Entferntesten etwas mit Essen zu tun. Die japanische Kirsche trägt keine essbaren Früchte. Das Steinobst für den kulinarischen Genuss wird aus Neuseeland importiert. Dafür treiben die Zierkirschen weit mehr Blüten als ein herkömmlicher Kirschbaum.

Die Somei-Yoshino-Kirsche ist die beliebteste Variante.

Diese Art wächst sehr schnell, hat hauchzarte helle Blüten und gilt als “Königin der Blüten.” Daneben gibt es noch die Chrysanthemen-Kirschen, deren pludrige Blütenbündel so schwer werden können, dass die Zweige abgestützt werden müssen.

Oder auch die Trauerkirschen, deren Zweige elegant und elegisch zum Boden neigen. Japanische Zierkirschen sind winterhart und gedeihen problemlos auch in unseren Breiten. So können auch in verschiedenen deutschen Städten im Rahmen von Hanami Blüten betrachtet werden.
Als Veranstalter treten meist die jeweiligen Deutsch-Japanischen Gesellschaften auf.

Das größte Fest dieser Art findet in Hamburg statt, das seit 1968 jährlich gefeiert wird.

Zehntausende von Menschen strömen dann an die Ufer der Außenalster, um die Kirschblüte und das große abschließende Feuerwerk zu erleben. Jedes zweite Jahr darf hier auch eine “Kirschblütenprinzessin” ernannt werden, die als Sonderbotschafterin Hamburgs für Japan auftritt.

Nach Melbourne in Australien und Washington ist Hamburg die dritte Stadt weltweit, die dieses Recht besitzt, verliehen von der “Japan Cherry Blossom Association” in Tokio. Weitere o-hanami-Feste werden unter anderem in Schwaben, Berlin, Kaiserslautern, Ludwigshafen, Augsburg, Passau und Hannover gefeiert.

Wenn die Kirschbäume in den verschiedenen Regionen Japans jeweils nur für wenige Tage blühen, ist diese Zeit gerade deshalb umso kostbarer. Ohne Frucht, die auf die Blüte folgt, erschöpft sich der Daseinszweck der Bäume in dieser kurzen Phase, findet hier seinen Höhepunkt und zugleich seine Vollendung. Sehr oft wird die Blütezeit sogar noch von Schnee oder Regen jäh verkürzt, denen die zarten Blüten nicht standhalten können. Sie vergehen im selben Moment, in dem sie ihre Perfektion erreicht haben.

So ist das Fest Hanami ein Inbegriff der Ästhetik Japans, die Schönheit um ihrer Selbst willen verehrt und auch deren Vergänglichkeit wahrnimmt und anerkennt.

Nutzen oder Dauer spielen hier keine Rolle. Hanami erinnert an das jähe Ende mitten in der Blüte des Lebens. Alle Schönheit muss vergehen. Und darum wird sie genossen, bestaunt und verehrt, solange sie besteht.

ZUSÄTZLICH:
“Kirschblüten – Hanami”, 2008, Film von Doris Dörrie
Elmar Wepper spielt einen Witwer, der nach dem Tod seiner Frau nach Japan reist, um ihren verpassten Traum nachzuholen. Dort lernt er eine junge Japanerin kennen, die wie er einen Verlust erlitten hat. Ein wunderschöner, berührender Film.

04.04.2021
Martina Pahr
Autorin, Bloggerin und PR – Expertin

cover-martina-pahr-sorge-fuer-dichBuchtipp:

Martina Pahr: „Sorg für dich selbst, sonst sorgt sich keiner! Wie du dir selbst höchste Priorität im Leben einräumst.“
mvg Verlag
Softcover, 208 Seiten
ISBN: 978-3-7474-0069-2

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Martina Pahr

ist Autorin, Bloggerin und PR – Expertin, hat vor einigen Jahren den Sprung ins kalte Wasser gewagt und sich selbständig gemacht. Seither tut sie, wovon sie immer geträumt hat, und lebt vom Schreiben.
Beruflich wie auch privat setzt sie sich mit den spirituellen Aspekten des Lebens und den vielen Erscheinungsformen der New-Age-Bewegung auseinander – und nicht immer ist ihr gesunder Menschenverstand überzeugt von dem, was er vorgesetzt bekommt. Sie glaubt ungebrochen an das (viel zu oft ignorierte) Göttliche im Menschen: Eigenverantwortlichkeit und Eigenmächtigkeit, Selbstwert und Selbstheilungskräfte.
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