Atma Vichara Meditation erklärt – Die Suche nach dem wahren Ich
Atma Vichara ist eine Methode, immer wieder neu zu sich selbst zu finden, indem man Gedanken, Gefühle, Emotionen, Anhaftungen und Ablehnungen einfach im Licht der Wahrheit auflöst. Eine Methode der mentalen Selbstbefreiung, die im Alltag jederzeit anwendbar ist. Sobald man sie erlernt hat und auf den Geschmack eines leeren und freien Bewusstseins gekommen ist.
„Dies ist die Frucht und der Kern von allem, was derjenige, der nach Wahrheit strebt, wissen sollte. Die damit verbundene kategorische Forderung besteht darin, leidenschaftlich und zielstrebig die Suche nach dem Aham-Vritti (Ich-Gefühl) zu betreiben.“ (Sri Ramana Maharshi, „Praxis der Selbsterforschung“)
Die Meditation gemäß Atma Vichara besteht im Aufrechterhalten einer ununterbrochenen Aufmerksamkeit auf das innere Ich-Gefühl (Aham-Vritti).
Atma Vichara Meditation über das Ich
Die Sitzposition kann eine natürliche Position sein, sie soll aber ohne Bewegungen gehalten werden. Man sitzt mit geradem Rücken, Hände auf den Knien. Die Zunge berührt den Gaumen.
- Der Atem soll frei fließen.
- Blick: Die Augen sind halb geschlossen.
- Das Bewusstsein ist entspannt, aber achtsam, und folgt nicht den Gedanken.
- Methode: Die Aufmerksamkeit ist nach innen gerichtet und vollkommen auf das Ich-Empfinden konzentriert.
- „Richte das Citta (Bewusstsein) nach innen, ins Herz des Ichs, verbinde es damit (mit diesem Gefühl). Nachdem du es so verbunden hast, löse es restlos auf. Werde zu dem, was du bist und was du immer warst – einer ohne einen zweiten, höchster Herrscher, Param Shiva, der nicht unter der Herrschaft der Zeit steht.“ („Yoga Sadhana Hridaya Sutra“, 101)
Wenn andere Gedanken hochkommen, sollten wir uns von ihnen nicht beherrschen lassen und uns fragen: „Wer denkt das?“. Wenn Bilder erscheinen, dann fragt man: „Wer beobachtet diese Objekte?“ Auf diese Fragen bekommt man immer eine Antwort: „Ich“. Nach dieser Antwort soll man weiter fragen: „Aber wer bin ich?“ – und wieder zu der Ursprungschwingung Aham-Vritti zurückkommen.
Eine lange Praxis des Beibehaltens von Aham-Vritti – des inneren Ich-Gefühls – führt zu einer Verbindung mit dem Überbewusstsein.
Man sollte versuchen, „Wer bin ich?“ nicht auf Ebene der Gedanken zu denken, sondern das Ich ohne Gedanken zu erkennen. Das ist der wichtigste Moment in der Meditation.
Höhenflug des Bewusstseins
Bei richtiger Ausführung von Atma-Vichara erlebt man eine Veränderung des Bewusstseins, Druck am Scheitelpunkt (Brahmarandhra) oder Licht. Eine Vritti ist eine Modifikation des Verstandes, das heißt eine Bewegung unseres Bewusstseins. Sie entsteht aus unseren falschen Identifizierungen mit äußeren Objekten. Davon ist die „Aham-Vritti“ (der Ich-Gedanke) die wichtigste: Er ist mit dem wahren Ich verbunden. Man hält sich daran, solange keine anderen Gedanken hochkommen.
Danach beginnt man diesen Prozess wieder von vorne, und der Zustand vertieft sich.
Nachdem wir eine fixe Körperposition angenommen haben, untersuchen wir das Ich, indem wir die Augen schließen und uns auf das Ich-Gefühl konzentrieren. Plötzlich entdecken wir zweierlei: die leere Natur des Ichs, und dass alle unsere Leidenschaften und Gedanken in sich keine eigenständige Grundlage haben.
Indem wir immer und immer wieder den Verstand in der Meditation untersuchen, entdecken wir die leere Natur des Ichs. In einem einzigen Moment verlieren wir alle Illusionen auf einmal.
Wenn wir etwas hören oder sehen, untersuchen wir: „Wer hört? Wer sieht? Wer erlebt Freude und Leid?“ Als Antwort kommt: „Ich.“ Wenn wir jedoch in dieses Ich hineinschauen und ein getrenntes, selbständig existierendes Ich zu finden versuchen, verstehen wir, dass dieses Ich keine eigenständige Existenz besitzt.
Der Verstand existiert nur in Verbindung mit den Objekten. Ein Objekt existiert im Bewusstsein nur dann, wenn ein Verstand da ist, der es wahrnimmt. Alles existiert in Abhängigkeit vom Verstand. Nichts existiert unabhängig vom Verstand. Götter und böse Geister, Menschen und Berge – das sind nur sichtbare Erscheinungen des Verstandes, sie scheinen nur etwas wirklich Existierendes zu sein. Aber es gibt hier nur Projektionen, nie dieses Ich.
Wenn wir in der Meditation das Ich so untersucht haben, finden wir dort gar nichts, als würden wir in den leeren Raum schauen. Es entsteht ein unbeschreiblich leeres, ruhiges Bewusstsein ohne Subjekt und Objekt. Es ist selbstleuchtend, strahlend und von Ruhe erfüllt. Dieser natürliche Zustand ist ursprünglich, rein und frei, er ist der Schöpfer von allem. Sterne, Erde und Himmel, Bäume und Berge, alles Sichtbare sind seine Ausdrucksformen. Alles hängt von ihm ab.
Das Ich – Wirklichkeit oder Gedanke?
„Sie müssen zwischen dem reinen Ich in Ihnen und dem Ich-Gedanken unterscheiden. Letzter, der nur ein Gedanke (Vritti) ist, sieht Subjekt und Objekt. Schläft, wacht auf, isst und trinkt. Stirbt und wird wiedergeboren. Aber das reine Ich ist das reine Sein, die ewige Existenz, frei von Unwissenheit und Gedankenillusionen. Wenn Sie in diesem Ich bleiben, in Ihrem einzigen Sein, ohne Gedanken, dann verschwinden der Ich-Gedanke und die Illusion für immer.“ (Sri Ramana Maharishi, „Theorie der Selbstanalyse“)
„Möge der Verstand dem Himmel ohne Wolken gleichen. Suche nichts, halte dich nur an die feine Vibration des Ichs. Halte dich an sie, ungeachtet von allem. Sie bringt Ekstase, große Freude, Ruhe und Ausdehnung. Das ist eine große Methode, oh König: Ob du gehst, isst, redest oder sitzt, erinnere dich nur an dich selbst. Fühle (nicht: denke): „Ich bin“. Nichts anderes soll deinen Verstand beschäftigen. Nach drei Monaten wirst du dich sicherlich im Traumschlaf bewusst erleben und nach weiteren drei Monaten auch im traumlosen Schlaf.“ („Yoga Sadhana Hridaya Sutra“, 197, 199, 200)
Man praktiziert die Selbsterforschung, analysiert den Verstand und konzentriert sich auf das Ich-Gefühl während man geht, steht, sitzt, arbeitet, isst und spricht. Im Prozess der Selbsterforschung gibt man sich die Antwort auf die Fragen: „Woher kommen die Gedanken?“, „Wohin gehen sie?“, „Hat das Ich eine Farbe und eine Form?“, „Existiert es oder existiert es nicht?“. Wir versuchen, die Quelle der Gedanken zu finden. Das Zentrum, aus dem sie herauskommen, damit wir unser Ich mitsamt seiner Grundlage finden. Indem wir uns die Frage „Woher kommen die Gedanken?“ stellen, bekommen wir die Antwort „vom Ich“. Wenn wir uns fragen: „Wer ist dieses Ich?“ und uns auf dieses Ich konzentrieren, können wir weder das Ich finden noch denjenigen, der diesen Ich sucht. Wenn wir die Untersuchung fortsetzen, kommen wir zum Bewusstsein der Leere unseres Verstandes. Der Verstand ist leer und ist dem Raum gleich.
„Wahrlich, der Verstand ist dem Raum gleich, er scheint sich in alle Richtungen zu erstrecken, er scheint alles zu übersteigen, er scheint alles zu sein, aber in Wirklichkeit existiert der Verstand nicht.“
(Avadhuta Dattatreya, „Avadhuta Gita“, Kapitel 1,9)
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Und in den Büchern von Swami Vishnudevananda Giri:
„Spirituelle Alchemie – der Weg der inneren Askese“
„Laya Yoga – das Leuchten der kostbaren Geheimnisse“
„Leben in Gott. Autobiographie eines Jnanis“
15.04.2023
Ramanatha Giri
www.de.advayta.org
Ramanatha Giri ist Yogi, Philosoph, Lektor, seit 20 Jahren Mönch in der Advaita-Tradition der Siddhas in der Linie des Meisters Swami Vishnudevananda Giri und ist in der Ukraine geboren.
Seit 2010 führt er Seminare und Retreats im Jnana-, Raja- und Kundaliniyoga sowie Pranavidya in Westeuropa, den USA und der Ukraine durch und bietet persönliche spirituelle Beratungen an.
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