Wunderglaube auf dem Vormarsch – was steckt dahinter?

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Wunderglaube auf dem Vormarsch – was steckt dahinter?

Seit einigen Jahren gerät der esoterische Glaube wieder verstärkt in den Mittelpunkt. Immer mehr Menschen aus allen Schichten befassen sich mit der Esoterik und natürlich auch Wundern. Der Glaube an Wunder ist groß, wobei hier auch davon auszugehen ist, dass das eigene Leben entscheidend für den Glauben und die Hoffnung an das Wunder ist. Aber was steckt hinter dem neuen Wunderglauben und welche Arten gibt es?

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Abbildung 1: Gibt es Wunder tatsächlich? Die Deutschen glauben zumindest daran. Bildquelle: @ Kunal Goswami / Unsplash.com

Wunderglaube: Wie sieht es in Deutschland aus?

Der Glaube an Wunder ist nicht neu. Vermutlich ist er so alt, wie die Menschheit an sich, doch in den letzten acht Jahren erhöht sich die ›Gläubigenzahl‹ beständig. So gaben schon 2013 rund fünfzig Prozent der Westdeutschen an, an Wunder zu glauben. Aber was hat sich in den Jahren eigentlich geändert?

Kein Zufall – ein Wunder ist kein zufälliges Ereignis mehr. Es gilt nicht das Motto ›Wunder geschehen immer wieder‹, sondern das Ereignis ist einem triftigen Grund zuzuordnen.

Wundergründe – einige Sinnsprüche haben wohl die meisten Menschen selbst schon verwendet: Das ist gut für’s Karma (um etwas zu erreichen), Karma is a B*** (wenn sich das Karma rächt, gerne bei Schicksalsschlägen anderer und ungeliebter Personen). Fakt ist, beim modernen Wunderglauben geschieht nichts zufällig, sondern das Wunder geschieht durch den Willen von X.

Rituale – da ein Wunder heute nicht mehr als zufälliges Ereignis betrachtet wird, kommen Rituale ins Spiel. Das Sprichwort ›dem Glück auf die Sprünge helfen‹ trifft es perfekt. Um das Glücks-Karma gütlich zu stimmen, haben Wundergläubige oft strikte Regeln und Rituale.

Wer nun direkt an ungewöhnliche Rituale denkt, der irrt sich. Häufig basiert das Vorgehen auf völlig normale Rituale, wie sie fast jeder Mensch hat.

Das könnten sein:

Jobsuche – egal ob digitale Bewerbung oder postalischer Bewerbung: Der Bewerber hat einen Tick, bevor er die Bewerbung abschickt. Das kann sein, dass der Brief vor dem Einwurf geküsst wird, das kann sein, dass die vor dem Absenden in die Hände geklatscht wird.

Glücksspieler – so mancher Lottospieler klopft drei Mal aufs Holz, bevor der Schein abgegeben wird. Oder aber, er nutzt nur seinen eigenen Kugelschreiber.

Sportfans – beim Spiel der bevorzugten Mannschaft wird stets ein bestimmtes Getränk getrunken. Oder aber, das Spiel wird in einer bestimmten Spielminute ausgeschaltet. Hier ist das Ritual die Askese.

Während dies Rituale sind, ist der Glaube an Wunder im Zusammenhang mit dem eigenen Karma natürlich ein ganz anderes Thema. Auch hier zeigen sich oft ritualähnliche Vorgänge, die aber wieder die Karmapunkte in die Höhe treiben:

Hilfestellungen – um das Karma zu besänftigen, helfen die Gläubigen häufig und gerne. Darunter ist schon zu verstehen, jemandem beim Einsteigen in den Bus zu helfen oder die Tür aufzuhalten.

Verzicht – auch er kann dazu genutzt werden, das Karma so zu kräftigen, dass Wunder eintreten. Das typische Fasten lässt sich mit darunter verstehen.

Wundersame Dinge geschehen laut dem Wunderglauben also nicht zufällig, sondern wurden indirekt oder direkt durch Aktionen gesteuert, die die Wunderchancen erhöhen.

Welche Arten von Wunder könnte es geben?

Das Wort ›Wort‹ ist nicht wirklich definiert. Mütter nennen ihr Neugeborenes ein Wunder, obwohl ein schlichter biologischer Prozess dahintersteht. Angestellte nennen ihre Beförderung ein Wunder, obwohl diese überwiegend aus der eigenen Leistung resultiert. Eigentlich ist ein Wunder eher ein Ereignis, das im besten Falle glücklich ist, aber keine genaue Erklärung und Garantie besitzt:

Lottogewinn – wer freitags den Eurojackpot knackt und bis zu 90 Millionen auf dem Konto vorfinden wird, der wird von einem Wunder sprechen. Hat der Gewinner vorab Rituale durchgeführt oder ist seinem Spielmotto treu geblieben, so kommt der Gewinn für ihn einem erklärbaren Wunder gleich. Dennoch: Glück und Zufall waren mit im Spiel. Auch das große Abräumen an einem Spielautomaten im Online-Casino kann wie ein Wunder wirken. Die möglichen Gewinne sind dabei durchaus ansehnlich.

Heilungen – schwer kranke oder gesundheitlich deutlich beeinträchtigte Menschen sprechen oft für ein Wunder, wenn sie doch noch eine Heilung erfahren. In dieser Beziehung ist jedoch Vorsicht geboten, denn häufig tritt die Heilung ein, wenn ein ganz anderer Weg eingeschlagen wird.
Das Problem: Es lässt sich nie klären, ob der neue Weg allein zum Erfolg führte oder ob der Körper nur die Zeit brauchte, um nun zu heilen.

Tragödien – jeder hat wohl noch die Bilder der Kinder-Fußballmannschaft im Kopf, die während eines Ausflugs in einem Tunnelsystem von Sturzbächen eingeschlossen wurde. Oder die eingeschlossenen Minenarbeiter, die Überlebenden nach Flugzeugabstürzen oder die Kinder, die nach Erdbeben oder Explosionen aus den Trümmern von Häusern gerettet wurden: All dies zählt zu den Wundern.

Warum ist der Wunderglaube mitunter gefährlich?

Der Glaube an Wunder ist menschennormal und absolut ungefährlich. Wer hofft, dass sein Fußballverein trotz miserabler Chancen nicht absteigt, der darf immer auf ein Wunder hoffen. Gefährlich wird es nur dann, wenn die Realität in den Hintergrund gerückt wird und sich Personen an fragwürdige Thesen halten:

Leugnung – wird die Wissenschaft vollständig geleugnet und nur der eigene Glaube als existenzberechtigt angesehen, ist es gefährlich.

Medizin – letztendlich darf jeder Erwachsene über seinen Körper und seine Gesundheit frei entscheiden. Wer Krebs mit Teebeuteln behandelt, der darf das tun. Wer allerdings die Medizin so weit leugnet, dass auch betreuungsnötige Kinder und Personen in den Kreislauf hineingezogen werden, so ist das falsch. Dem Kind die normale Krebstherapie aufgrund des eigenen Wunderglaubens an Teebeutel zu verbieten, der handelt entgegen dem Kindeswohl.

Wahn – nimmt der Glaube an Wunder wahnhafte Züge an, so ist dies auch gefährlich und behandlungswürdig. Beispiel: Der Gläubige glaubt so stark an das Wunder des Lottogewinns, dass er direkt den Job kündigt und alle Verpflichtungen vernachlässigt.

Leider ist der Wunderglaube auch eine enorme Geldquelle, von der etliche schwarze Schafe gut und reichlich profitieren.

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Abbildung 2: Passiert etwas einschneidend Positives in unserem Leben, bezeichnen wir das häufig als eine Art WUnder. Bildquelle: @ Dustin Humes / Unsplash.com

Fazit – ein wenig Wunderglauben geht immer

Der Glaube an Wunder ist für die menschliche Psyche gar nicht nachteilig, denn gerade in stressigen und unsicheren Zeiten hilft dieser Glaube, den Tag durchzustehen. Wer zugleich dem eigenen Karma auf die Sprünge hilft und sich sozial helfend engagiert, der macht ohnehin keinen Fehler. Auch Rituale sind nicht schlecht – es darf nur nie ausarten und darin enden bestehendes und fixes Wissen quasi aus dem eigenen Leben zu löschen.

08.06.2021
Spirit-online