Credo historische Klärung des Glaubensbekenntnisses der Christen
Wer katholisch ist, bewegt sich im Wirkungsraum des Holons, des Ganzen, des Ungeteilten – griechisch: kata holon. Das gilt uneingeschränkt für jeden Menschen auf dem Planeten Erde.
Die „Römisch“–Katholische Kirche ist streng genommen eine Großsekte und hat mit dem ursprünglichen „kata holon“ nichts zu tun.
Wer sich vom Ganzen abtrennt, abschneidet (lat.: secare), lebt in einer Sektengemeinschaft mit oftmals sehr irreführenden Gesetzen und Lehrmeinungen (Doktrinen). Seit dem 2. Jahrhundert wird das griechische Wort katholikós auf die christliche Kirche bezogen; dadurch entwickelte sich die Bedeutung „universal, allgemeine Geltung besitzend“.
Unter dem Heiden Konstantin d. Gr. (280 – 337), Schwerstverbrecher und Mehrfachmörder, wurden die Lehren Jesu Christi in ein römisches Gesetz gekleidet, und das Christentum wurde Staatskirche. Seit dem von Konstantin einberufenen Konzil von Nizäa (325 n. Chr.) sprechen wir von der römisch-katholischen Kirche.
Fraglos ist die Hinwendung zum Christentum bei Konstantin – anders als bei seiner Mutter Helena – weniger aufgrund einer Bekehrung und durch Glaubenstiefe begründet, als vielmehr aufgrund der Überlegung, mit der Anerkennung des im ganzen Reich schon weit verbreiteten und sich gegen alle Vernichtungsversuche resistent zeigenden Christentums wieder einen einheitlichen ideologischen Überbau zu schaffen.
Seine Handlungen waren durchweg geleitet vom Ziel, die Macht auszubauen;
seinen Schwiegervater, Kaiser Maximianus, ließ er 310 erhängen, seinen Schwager Licinius erwürgen, dessen Sohn degradierte er zum Sklaven und ließ ihn tot schlagen; Crispus, seinen Sohn aus erster Ehe, und Fausta, seine Frau, ließ er ermorden, weil er die beiden verdächtigte, eine Beziehung miteinander ein-gegangen zu sein. Bestattet wurde Konstantin auf seinen Wunsch hin in der Apostelkirche in Konstantinopel; er verstand sich selbst als „13. Apostel“, und er wird bis heute in der orthodoxen Kirche als „Apostelgleicher“ verehrt.
Bei der Eroberung durch die Türken 1453 verschwanden seine Reliquien. Ein kirchlich anerkannter Kult existiert nur in der Ostkirche; Eusebius von Nikomedia, ein Anhänger des Arianismus, machte ihn zum „Ketzer“ und verhinderte die förmliche Anerkennung als Heiliger durch die katholische Kirche; dennoch wird ihm im Namenstagkalender (21. Mai) gedacht.
Auf Konstantin gehen die Gründung der früheren Peterskirche in Rom im Jahr 325, der Grabeskirche in Jerusalem, der Geburtskirche in Bethlehem und der nicht erhaltenen Sophienkirche in Trier sowie der Urbau der Apostelkirche in Konstantinopel zurück. Konstantin selbst verstand sich selbst wie ein Bischof und bezeichnete sich als „episkus ton ektos“, „Bischof für alle Menschen“; er berief Synoden, förderte den Einfluss der Christen. Konstantin gab den christlichen Bischöfen richterliche Befugnisse und setzte 321 den Sonntag als den wöchentlichen Feiertag fest – der judenfeindliche Kaiser wollte damit auch die Sabbatruhe bekämpfen.
Die bis heute lebendige Glaubensmachtzentrale in der „Ewigen Stadt Rom“ ist nicht befugt,die „Frohe Botschaft“ Jesu Christi alleingültig und authentisch zu verkünden.
Leider hat das Geschichtsbewusstsein vieler Menschen sehr große Lücken und wird durch den grandiosen Prunk und Pomp der Kirche immer wieder benebelt.
Wenn ich heute ein amtliches Formular ausfüllen muss, wo auch nach meiner Religionszugehörigkeit gefragt wird, schreibe ich:
Ur-christlich, trans-konfessionell
Auf dem Hintergrund meiner tiefen Begegnung mit der Weisheit christlicher Mystik, von Buddhismus, Hinduismus und Sufismus wird mir täglich deutlicher, wie sich viele unserer so genannten christlichen Glaubensgemeinschaften zu sektiererischen Geschäftsbetrieben entwickelt haben, die mit dem ursprünglichen Leben und Wirken Jesu Christi, der kein Religionsgründer war, oft nur noch wenig verbindet. Das gilt auch für die etablierten großen Konfessionen wie evangelisch-lutherisch und römisch-katholisch. Der heils-versprechende Geschäftsbesorgungsauftrag, ein Paradies in der Zukunft, in einem imaginären Jenseits zu verkünden und anzupreisen, ist ein willkürliches Macht- und Manipulations-Instrument, welches die ständig vorhandene Gegenwart Gottes letztlich in Frage stellt.
Die derzeit rund 2.500 Sekten und ähnliche Organisationen leben von apokalyptischen Prophezeiungen und betreiben damit ein blühendes Geschäft.
Es vollzieht sich aber heute ein Transformations-Prozess, der Verwandlung und Neuwerdung bedeutet und das Himmelreich Gottes deutlicher als je zuvor spürbar werden lässt. Und damit einher geht ein Bewusstseinssprung im Menschen, der ihm den Sinn seines Lebens immer tiefer zu erkennen ermöglicht: die Befreiung des Geistes ist das Ziel jeder Tätigkeit, die Erlangung von Moksha (Sanskrit: Befreiung zum Sein). Alles wird um des Atman, um des Geistes willen getan, und dieser bedeutet grenzenlose Freiheit. Er wird eben erst freigesetzt, wenn er sich von allen denkbaren Begrenzungen befreit.
Sich an die eigene Freiheit zu klammern, ist eine andere Art der Bindung, die wir zerbrechen müssen.
Die beatitudo, die Glückseligkeit in der christlichen Scholastik, ist das letzte Ziel der menschlichen Existenz und des ganzen Universums.
Der Apostel Paulus ermahnt uns im Galaterbrief 5,1:
„Zur Freiheit hat uns Christus befreit!“
Befreiung setzt einen Erkenntnisweg voraus, der nicht nur ein Akt des Verstandes ist.
Es geht nicht darum, einen Gegenstand, ein Objekt einem Subjekt nahe zu bringen, sondern der Erkenntnisvorgang ist ein ontologischer Prozess, durch den das Sein zu dem wird, was es ist, indem es erkannt wird. Und so bedeutet Denken nicht, sich Erklärungen über die Wirklichkeit auszudenken oder Hypothesen darüber aufzustellen. Denken heißt vielmehr, die Wirklichkeit aufbauen, sein lassen, verwirklichen.
Das echte Denken sagt uns nicht, wie die Dinge sind, indem es sie sozusagen in unserem Geist nachahmt. Das wahre Denken lässt die Dinge sein oder werden, indem es sie denkt. Sein heißt Sprechen, schöpferische Rede, das Wort sich selbst ausdrücken, offenbaren lassen.
Die eigentliche Aufgabe der Kontemplation besteht darin, uns dorthin zu führen, wo das Wort spricht und nicht gesprochen wird.
Es ist ein Aufsteigen zu dem Shabda-Brahman (Sanskrit: die Welt des Klanges), dem Absoluten Wort. Der innerste Sinn des Klanges ist der eigentliche Shabda, der sich mit erleuchtender Kraft (Sanskrit: Shakti) aus dem Unbewegten, Ewigen erhebt. Wenn sein Gefährt, das gesprochene Wort, in innerlich und äußerlich vollkommener Weise erklingt, versetzt es die innere Kraft in Schwingung, die dann in der Lage ist, Einsicht bis hin zur Erleuchtung zu vermitteln.
Wir sollten nie vergessen, dass unser deutsches Wort „Wort“ von Sanskrit: Vac stammt, woraus im Lateinischen zunächst „vox“ (Stimme) wurde. Ein Wort muss stimmen, klingen, tönen
Der Befreiungsweg in der Gegenwart verleiht uns die Perspektive einer fast vergessenen kosmologischen Weltsicht, die uns Dimensionen der Wirklichkeit offenbart, die unter den erdrückenden Schichten der Geschichte, der Politik, der Wirtschaft, der Technologie und den unheilvollen pseudo-religiösen Angeboten fast vergraben wurden.
Credo – ich glaube
(an was?)
Sehr unbewusst wird das berühmte christliche Glaubensbekenntnis allsonntäglich heruntergebetet ohne tiefere Reflexion der sprachlich verborgenen Rätsel. Namhafte jüdische Dirigenten und Orchestermusiker haben offenbar kein Problem mit dem CREDO in dem es u.a. heißt: „Ich glaube an die eine, heilige, katholische, apostolische Kirche.“ (siehe Aufführung von Ludwig van Beethovens „Missa Solemnis“ im Großen Festspielhaus bei den Salzburger Festspielen im August 1991; James Levine dirigiert die Wiener Philharmoniker).
Wir müssen einen Blick in die Geschichte werfen, um zu verstehen, unter welchen Irrtümern und Irrwegen die Menschen heute zu leiden haben.
Der mir sehr sympathische Priester und Theologe Arius lehrte seit 318 n. Chr. in Alexandria/Ägypten und behauptete, Jesus Christus, der Sohn Gottes, sei nicht gleichen Wesens wie der Vater, sondern ein Geschöpf. Arius wurde von den ägyptischen Bischöfen aus der Kirche ausgeschlossen, aber andere, darunter der Bischof von Nikomedien, griffen seine Gedanken auf und traten für ihn ein. Daraufhin lud Kaiser Konstantin im Jahre 325 ca. 300 Bischöfe des Ostens und des Westens nach Nizäa zum ersten Konzil der Gesamtkirche ein.
Durch ein neu formuliertes Glaubensbekenntnis, das sog. „Symbolum Nicaenum“,
wurden die Ansichten des Arius verworfen, und die bis heute problematische Diktion ist seit jeher erhalten geblieben: Jesus Christus sei gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater. Arius und zwei seiner bischöflichen Freunde, die als einzige die Unterschrift ver-weigerten, gingen in die Verbannung. Und das Bild der Einheit, der Gemein-samkeit zwischen Kaiser und Kirche gehörte zu den beglückendsten Erleb-nissen der Konzilsväter.
Schauen wir in den Begleittext zur Aufnahme der „Missa Solemnis“ (Deutsche Grammophon), wo Cheryl Studer, Jessye Norman, Plácido Domingo und Kurt Moll mit sängerischer Höchstleistung die eine katholische Kirche lobpreisen.
„Ich glaube an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn. Er ist aus dem Vater geboren vor aller Zeit.“
„Credo in unum Dominum Jesum Christum. Filium unigenitum. Et ex Patre natum ante omnia saecula.“ (Latein).
“I believe in one Lord Jesus Christ, the only-begotten Son of God, born of the Father before all ages.” (Englisch).
Zunächst ist das Wort eingeboren sehr differenziert zu betrachten.
Unter Ein-geborenen versteht man landläufig sehr ursprünglich lebende Menschen, z.B. die Aborigines in Australien; lat.: ab originibus bedeutet wörtlich: von den Ursprüngen kommend.
Jesus Christus kommt aus dem tiefsten Urgrund, Ursprung, den wir mit Gott bezeichnen.
Das im Credo gebrauchte lateinische Verbum unigenitum ist irreführend, ebenso das englische only-begotten – der einzig erzeugte. Der Franzose unterscheidet hier wesentlich besser durch das Wort unique – einzigartig, nicht einzig.
Jesus Christus war einzigartig (lat.: unicus; engl.: unique), aber nicht der einzige (lat.: unus; engl.: the only one). Jeder, der aus dem Urgrund, der kosmischen Quelle kommt, ist einzigartig, aber doch keinesfalls der einzige.
Wer das Credo der katholischen Kirche wörtlich nimmt, was zum Absolutheitsanspruch der vatikanischen Glaubenskongregation geführt hat, kann mit anderen Religionen (besser: Konfessionen) und Kulturen nicht am Urgrund das Gemeinsame des Göttlichen teilen. Es muss unweigerlich zum Streit führen, wer der Bessere, oder Auserwähltere ist.
Das große Mysterium bleibt die Quelle, der Urgrund, aus der jedes göttliche Geschöpf kommt, das in seiner Vielfalt und Verschiedenheit den Reichtum des Paradieses manifestiert.
Kirche (gr./lat.: ecclesia) wurde ursprünglich als Volksversammlung, Gemeinde verstanden und entartete unter den Kirchenfürsten und Kaisern zu einer ecclesia militans, einer militärisch geordneten und geführten Hierarchie.
Ich würde folgende Formulierung vorschlagen:
Credo in originem unam vitae eternae –
ich glaube an die einzige Quelle des ewigen Lebens.
Diese Ur-Quelle hat viele Namen,
von der Gott eine Möglichkeit der Definition ist.
Das Göttliche Mysterium
In allen Konfessionen gibt es das Grundgespür für das Unfassbare des göttlichen Geheimnisses. Obwohl ständig versucht wird, das Göttliche in viel-fältigen Namen und Formen darzustellen, bleibt es letztlich namen und formlos. Eine Grundüberzeugung des israelischen Volkes war und ist, sich kein Gottesbild von Jahwe zu machen (Levitikus 19, 4).
Jesus wollte, dass seine Jünger Gott als den Vater in den Himmeln anreden (pater noster qui est in coelis…) – das berühmte „Vater unser Gebet“ in Matthäus 6, 9. Die Himmel (im Plural) sind das archetypische Symbol für das Unfassbare. Gemäß der Schrift müssten wir präziserweise beten: „Vater unser, der Du bist in den Himmeln,…“.
Darum sagte Paulus: „Gott wohnt in unzugänglichem Licht“ (1 Timotheus 6, 16).
Der islamische Ausruf „Allahu Akbar“ bedeutet: Gott ist das Größte, das Unfassbare. Im Hinduismus wird der göttliche Urgrund als Brahman bezeichnet, das ewig Transzendierende, das Unfassbare. Buddha war von dem Geheimnischarakter der letzten Wirklichkeit so betroffen, dass er ihr keinen Namen geben konnte; darum wird das Absolute im Buddhismus als Leere (Sanskrit: Sunyata), als Nichts aufgefasst.
Es geht hier nicht um das Verneinen Gottes, sondern um das Ergriffensein durch das Absolute. Die Mystiker all dieser Religionen versuchten, die Dimension der Unfassbarkeit des göttlichen Mysteriums im religiösen Bewusstsein wachzuhalten, damit der Suchende auf das Geheimnis Gottes hin immer offen bleibt. Deus semper major! Gott ist immer größer.
Das personale Du
Der Mensch kann sich nicht einfach mit dem geheimnisvollen Wesen abfinden. Als personales Wesen ist er auf das personale Du angewiesen. Darum braucht er zunächst die Erfahrung der Begegnung mit dem personalen Gott. In allen Konfessionen wird aber der transpersonale und geheimnisvolle Seinsgrund als liebender und heilender Gott dargestellt. Aus dem ewigen Schweigen geht das göttliche Wort (Logos) hervor.
Die Juden erfahren es in der Offenbarung von Jahwe als dem Gott, der mit uns und unter uns ist (Exodus 3, 14). Christlicher Glaube besagt, dass Gott die Welt so sehr geliebt hat, dass er seinen eingeborenen Sohn in die Welt sandte (Johannes 3, 16). Allah, der Allerhöchste, hat durch Mohammed sein Wort geoffenbart, damit die Menschen den rechten Weg erkennen können. In den hinduistischen Traditionen erscheint das eigentlich formlose Göttliche (Nirguna Brahman) in vielfältigen Formen, um den Menschen die Erfahrung der heilenden und rettenden Nähe Gottes erfahrbar zu machen.
Obwohl im Buddhismus von einem personenhaften Gott nicht die Rede ist, erstrahlt aus dem Abgrund der Leere das Licht, das in Buddha zum Durchbruch kam und alle Menschen zum letzten Heilszustand (Nirvana) führt. Es geht in allen Konfessionen um den personalen Ausdruck des transpersonalen Seinsgrundes. So wird Gott zum Du im religiösen Bewusstsein der Gläubigen, und daraus entfalten sich viele Formen der Gottesverehrung.
Der Geist des Universums
Der kosmische Wesensgrund ist alles durchdringender Geist in der Welt – dies ist eine universale Erfahrung der Konfessionen. In den heiligen Schriften aller Kulturen finden wir eine gemeinsame Aussage: Gott in allem sehen und alles in Gott sehen. Für die Juden ist Jahwe der Gott in ihrer Mitte, der Gott, der mit dem Volk geht. Nach der christlichen Offenbarung inkarnierte sich das in allem als Leben und Licht vorhandene Wort Gottes in Jesus Christus.
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Der ganze Kosmos ist daher der Leib Gottes (Bhagavad Gita 11). Der Buddhismus bezeugt, dass die heilende Wirkung des inneren Lichts, das in Buddha erschien, weiterhin in allen Herzen heilend erstrahlt. Bei den Urvölkern wird der alles durchwaltende Geist angesprochen. Insofern Gott so in allen Konfessionen als der gestaltende Geist erlebt wird, bekommt das menschliche Leben einen neuen Sinnhorizont und eine tiefere Verantwortung. Die daraus folgende ethische Grundhaltung wird ausgedrückt in:
Vertrauen (Judentum), Liebe (Christentum), Gehorsam (Islam), Selbst-Hingabe (Hinduismus), Mitgefühl (Buddhismus)
18.03.2021
Roland R. Ropers
kardiosophie.network
Über Roland R. Ropers
Roland R. Ropers geb. 1945, Religionsphilosoph, spiritueller Sprachforscher,
Begründer der Etymosophie, Buchautor und Publizist,
autorisierter Kontemplationslehrer,
weltweite Seminar- und Vortragstätigkeit
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