Fiktive Realitäten – Warum wir sie so gern besuchen

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Eskapismus: Warum die Flucht vor der Realität uns allen innewohnt

Unter Eskapismus versteht die Psychologie den innigen Wunsch, der Realität und ihren Anstrengungen und Herausforderungen vorübergehend zu entfliehen und sich Zerstreuung und Entspannung in einer illusorischen Parallelwelt zu gönnen. Das Sehnen nach einer Auszeit für die Seele, nach einer Art Urlaub von der Wirklichkeit, wohnt in jedem Menschen, wenn auch unterschiedlich stark ausgeprägt und nicht immer im Bewusstsein präsent.

Umgangssprachlich wird das Phänomen häufig als Realitätsflucht bezeichnet. Dieser Begriff ist negativer behaftet als nötig, denn kurze, bewusste Pausen von Stress, Zeitdruck und Verpflichtungen können Geist und Seele dabei unterstützen, die kognitiven und emotionalen Ressourcen effizient zu nutzen. Wer hin und wieder die Pausentaste drückt und sich etwas Zeit in einer anderen Wirklichkeit gönnt, schöpft neue Kraft. Um diese Form des Eskapismus von der Realitätsflucht abzugrenzen, hat der norwegische Psychologe Frode Stenseng zwei Begriffe definiert: Die „Selbstunterdrückung“, bei der der Wunsch nach einer anderen Realität aus Überforderung mit negativen Gefühlen geboren wird, und die „Selbstexpansion“, bei der der Besuch einer alternativen Realität als Quell der Energie und Kreativität genutzt wird und eine bereichernde Wirkung hat. Die Selbstexpansion bietet nicht nur die Möglichkeit, die Seele zu regenerieren, sondern gibt auch Raum, um Wünsche und Träume auszuleben und Selbsterkenntnis zu erlangen.

Auch wenn der Begriff Eskapismus eine Erfindung neuerer Zeit ist, kennt die Menschheit das Phänomen seit jeher. Schon immer fanden die Menschen Möglichkeiten, um ihr Bewusstsein zu erweitern und damit ihrer Realität den Rücken zu kehren. In unserer modernen Welt wird der Raum für Selbstexpansion vor allem durch Unterhaltungsmedien geschaffen. Wir nutzen sie in Form von Büchern, Hörspielen, Filmen und Serien, begleiteten Meditationen und Gedankenreisen und nicht zuletzt von Videospielen, die vielfältige Türen in andere Realitäten öffnen. Was wir dort finden, hängt von der Wahl der alternativen Realität ab, von den Erwartungen, mit denen wir die Tür durchschreiten und mit unserer Fähigkeit, uns auf eine andere Wirklichkeit einzulassen.

Die Faszination, alles sein zu können

Der wohl stärkste Reiz, den fiktive Welten auf uns ausüben, ist die Möglichkeit, etwas sein zu können, das in der Realität nicht möglich ist. In einer illusionären Wirklichkeit können wir andere Persönlichkeiten ausleben, in die Rolle eines mutigen Helden schlüpfen, uns magischer Fähigkeiten bedienen oder den Gesetzen der Physik trotzen. In Büchern, Hörspielen, Filmen und Serien dürfen wir uns in die Figuren hineinversetzen und die Geschehnisse durch sie erleben. So lassen sich alternative Realitäten und Lebensmodelle erfahren, ohne aus dem eigenen Alltag ausbrechen zu müssen.

Ein gern gewählter Weg in eine alternative Realität sind Videospiele. Wer im Videospiel in einen Avatar schlüpft, kann sich selbst neu erfinden und gestalten. Dadurch ist es nicht nur möglich, sein Äußeres neu zu gestalten, sondern auch, andere Fähigkeiten auszuleben. Videospiele, in denen wir mutig als strahlende Helden voranschreiten, können den Wunsch kompensieren, in der Wirklichkeit selbstbestimmter zu leben. Videospiele bieten auch einen Blick in andere Zeiten, zum Beispiel in eine Welt, die dem Mittelalter oder der Antike nachempfunden ist, oder ein Zukunftsszenario. Einige Simulationsspiele sind bewusst realitätsnah gestaltet, um Menschen die Möglichkeit zu geben, in geschütztem Rahmen auszuprobieren, wie sich ihr Leben gestalten könnte, wenn sie andere Weichen gestellt hätten.  

Wie wichtig die Möglichkeit geworden ist, hin und wieder in andere Realitäten eintauchen zu können, zeigt auch die Entwicklung moderner Videoslots als Alternative zum klassischen Computerspiel. Neue Varianten laden zu einer Reise in fantastische Welten ein und kombinieren die Spielmechanismen mit einer detailverliebten Hintergrundwelt. Die Auswahl an fantastischen Welten ist groß. Bei deutschen Slotfans stehen vor allem Themen wie die Geheimnisse des alten Ägypten oder der Wilde Westen hoch im Kurs. Unsere polnischen Nachbarn tauchen dagegen besonders gerne in die fantastische Welt der Superhelden ein. In polnischen Online Casinos sind deshalb Slotgames beliebt, die Iron Man, den Fantastischen Vier, Electra, den X-Men oder Blade entführen. In Amerika wirft man gerne einen Blick in andere Kulturen und spielt am liebsten Slots, die sich mit der irischen und keltischen Mythologie befassen oder die kulturellen Schönheiten Asiens als Kulisse wählen.

Einen reizvollen Fluchtpunkt stellen auch Dystopien dar. Sie kreieren eine Szenerie, in der die Dinge, die uns auch in der Realität stören mögen, auf die Spitze getrieben sind. Da gibt es ein übermächtiges Regime oder einen Gegner, die mit Willkür und Ungerechtigkeit regieren. Als Spieler schlüpfen wir meist in die Rolle unbedeutender, aber willensstarker Widerstandskämpfer, die gegen die Unterdrückung aufbegehren. So lässt sich in kompensierter Form das ausleben, was im Alltag eher subtil entsteht und dennoch emotionalen Druck aufbaut.

Die Möglichkeit, durch fiktionale Welten Fantasien auszuleben und Wege jenseits der eigenen Realität zu beschreiten, kann bereichernde Wirkungen entfalten: Sie kann Selbsterkenntnis bringen und Wünsche oder Missstände bewusst machen, die Motivation auslösen, im eigenen Leben etwas zu verändern oder auch mehr Selbstzufriedenheit kreieren, wenn sich durch das alternative Erleben zeigt, dass die eigene Realität eine gute Option ist.

Empfinden und erleben ohne Gefahr

Was wir bei einer Reise in fiktive Welten ebenfalls als reizvoll empfinden, ist die Option, extreme Situationen und die damit verknüpften Emotionen zu erleben, ohne uns wirklich in Gefahr zu bringen. Das Erleben ist nicht ganz so intensiv, wie eine reale Begebenheit, doch auch die abgeschwächte Empfindung kann das Gehirn stimulieren und wertvolle Reize senden.

Wenn wir im Videospiel einen Avatar in eine Gefahrensituation begleiten, im Fernsehen mitverfolgen, wie eine Figur starke Emotionen durchlebt oder im Glücksspiel den Nervenkitzel empfinden, trainiert das nicht nur unsere emotionale Intelligenz, sondern kann auch dabei helfen, mehr Resilienz zu entwickeln und im Alltag leichter mit Extremsituationen umzugehen.

Aus der Sicherheit des Fernsehsessels, des Computerbildschirms oder der Buchseiten heraus lassen sich Glück und Schmerz, Angst und Erleichterung, Adrenalin, Gänsehaut und Euphorie zwar nicht in vollem Umfang emotional ausschöpfen, dafür wirken sich auch Stress und negative Begleiterscheinungen starker Gefühle in der Regel weniger intensiv aus. Empfinden aus der zweiten Reihe kann zu einer emotionalen Bereicherung werden.

Nichts müssen? Anderes müssen!

Eskapismus, Realitätsflucht, Selbstexpansion – Allen Begriffen ist ein Aspekt gemeinsam: Die Pause von der Wirklichkeit. Der Wunsch nach einem vorübergehenden Ausstieg lebt in uns allen, denn jeder Mensch kennt das Sehnen, einmal nichts zu müssen. Nicht aufräumen, keine Arbeit, kein Hausputz, keine Hausaufgaben, keine Rechnungen, keine Termine. Der Besuch in einer anderen Wirklichkeit bedeutet aber viel mehr als das: Aus Nichts müssen wird Anderes müssen. Würden wir in einer fiktiven Welt nur untätig auf dem Sofa liegen, wäre dies weniger reizvoll. Es sind die gänzlich anderen Verpflichtungen, die uns dort erwarten, die den Besuch so bereichernd gestalten. Die fiktive Welt erlaubt es uns, einmal völlig andere Prioritäten zu setzen und stattdessen Dinge unserer Realität, die negative Gefühle auslösen, außen vor zu lassen.

29.09.2022
Spirit Online

Bildquelle: Abbildung 1: darksouls1 @ (CCO-Lizenz) / pixabay.com

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