Lichtfest ewiger spiritueller Neugeburt
„Wird Christus tausendmal zu Bethlehem geboren und nicht in Dir, so bleibst Du ewiglich verloren.“
(Angelus Silesius, „Der Cherubinische Wandersmann“)
Wenn die Deutschen sich „Fröhliche Weihnachten“ wünschen, sagen die Engländer: „Merry Christmas“, die Franzosen: „Joyeux Noël“, die Italiener: „Buon Natale“, die Spanier: „Feliz Navidad“. Im Englischen nimmt man Bezug auf ein fröhliches Christus-Fest, in den romanischen Sprachen auf eine fröhliche, gute und glückliche Geburt. Das deutsche Wort „Weihnachten“ fällt völlig aus dem Rahmen.
Aus dem Germanischen wīha (heilig) wurde die „Heilige Nacht“, die bei uns am 24. Dezember, dem „Heiligen Abend“ gefeiert wird, während in vielen Ländern erst der 25. Dezember als christlicher Feiertag gilt. Aber es sind letztlich sehr willkürliche Datenfestlegungen, denn das Geburtsdatum Jesu wird im Neuen Testament überhaupt nicht genannt und war den Urchristen völlig unbekannt, die sich für die Todestage, nicht aber für die Geburtstage ihrer Märtyrer interessierten.
Lichtfest – Reinkarnation oder Wiedergeburt bzw. Ewige Neugeburt?
„Der Geist ist unsterblich – Körper und Seele hingegen sind sterblich!“, so hat es der Mönch & Mystiker Bede Griffiths immer wieder betont.
Die Unsterblichkeit der Seele ist ein Denkmodell Platons und nicht ein Glaubenssatz der Ur-Christen.
Reinkarnation ist eine Wieder-Verfleischlichung.
Wiedergeburt (engl.: rebirth) ist ein geistiger Prozess, zu dem Jesus Christus uns täglich aufs Neue herausfordert.
Jesus sprach zu Nikodemus: „Wenn jemand nicht von neuem geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen“.
Und Nikodemus entgegnete ihm: „Wie kann ein Mensch, der schon alt ist, geboren werden? Er kann doch nicht in den Schoß seiner Mutter zurückehren und ein zweites Mal geboren werden.“
Jesus antwortete:
„Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was aus dem Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; was aber aus dem Geist geboren ist, das ist Geist. Wundere dich nicht, dass ich dir sagte: Ihr müsst von neuem geboren werden.“ (Johannes 3, 3-7).
Die meisten Bibelkommentare verstehen diesen berühmten Dialog zwischen Jesus und Nikodemus als einen Hinweis auf das Taufsakrament.
Aber das Wort von der „Neugeburt aus Wasser und Geist“ lässt eine weitergehende Deutung zu.
Wasser ist in allen Kulturen von elementarer Bedeutung und Symbolkraft. Ohne Wasser kein Wachstum, kein Leben für Mensch und Tier und Pflanze. Es hat reinigende, heilende Wirkung. Wasser löst und verbindet, ist formlos und weich, aber stärker als Stein. Es gestaltet Landschaften und zerstört sie wieder, es schenkt Fruchtbarkeit und Leben, bringt Tod und Untergang.
Fast alle Schöpfungsmythen gehen davon aus, dass Wasser der Urstoff gewesen sei, aus dem die Welt entstand. Auch der biblische Schöpfungsbericht beginnt: „Finsternis lag über der Urflut, und Gottes Geist schwebte über dem Wasser“ (Schöpfungsgeschichte, Genesis 1,2).
Was in der Einheitsübersetzung der Bibel farblos „Urflut“ genannt wird, ist nämlich kein still ruhender See, sondern ein gewaltiger, brausender Ozean, chaotisch und ungeordnet, ohne Gegensätze von oben und unten, hell und dunkel, Vergangenheit und Zukunft. Geist und Wasser bilden ein dynamisches Ganzes, aus dem „Welt“ entsteht.
Auch die griechischen Philosophen sahen im Wasser den „Ursprung des Lebens“ (Thales von Milet).
Alexander der Große, so berichtet die Sage, sei bis an die lichtlosen, nebelerfüllten Randzonen der Welt vorgedrungen, um das „Wasser des Lebens“ zu suchen — eine Quelle, in der unterzutauchen unsterblich machen sollte. Auch Jesus spricht vom „Wasser des Lebens“ zu der Frau am Jakobsbrunnen, wenn er sagt: „Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt.“ (Johannes 4, 13-14).
Johannes Scheffler (Angelus Silesius) wurde am 1. Weihnachtstag 25. Dezember 1624 in Breslau geboren. Studium der Medizin in Leyden und Studium der Schriften Jakob Böhmes, Jan van Ruysbroecks und anderer Mystiker. In Padua Promotion zum „Dr.phil. et med.“. Am 12. Juni 1653 trat der Lutheraner Scheffler in der Breslauer St.-Matthias-Kirche zur römisch-katholischen Kirche über und erhielt den Namen Johannes Angelus. Um Verwechslungen mit dem 1608 in Darmstadt gestorbenen gleichnamigen lutherischen Theologen Johannes Angelus zu entgehen, fügte Scheffler fortan in seinen Schriften die Bezeichnung „Silesius“ (der Schlesier) an. Die Konversion Schefflers erregte großes Aufsehen.
Als Hauptgrund für diesen Schritt dürfte man die Enttäuschung über die starre Haltung der lutherischen orthodoxen Geistlichkeit ansehen, wie sie in dem ausgesprochenen Publikationsverbot zum Ausdruck kam.
In zahlreichen Rechtfertigungsschriften versuchte Angelus Silesius seinen Konfessionswechsel zu begründen.
Wichtiger für das Verständnis des mystischen Denkers sind jedoch die Textformen, die auch seinen literarischen Ruhm („Der Cherubinische Wandersmann“ u.v.a.) begründen: prägnante Sinnsprüche, Epigramme, auf wenige Zeilen komprimierte, pointierte Paradoxa, geschliffene Aussagen in These und Antithese.
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das Bedürfnis, anderen die eigenen inneren Erfahrungen mitzuteilen, stößt an die Grenzen der Ausdrucksfähigkeit und Mitteilbarkeit. Widersinn wird so zum Sinn. Widersprüche werden nicht nur aufgezeigt, sondern sie haben einen Hinter-Sinn, der den Weg zur Einheit weist, die hinter den Dingen steht. Durch Krankheit gezeichnet, vereinsamt und verbittert lebte Angelus Silesius bis zu seinem Tode am 9. Juli 1677 im Kreuzherrenstift von St. Matthias in Breslau.
24.12.2020
Roland R. Ropers
kardiosophie.network
Über Roland R. Ropers
Roland R. Ropers geb. 1945, Religionsphilosoph, spiritueller Sprachforscher,
Begründer der Etymosophie, Buchautor und Publizist, autorisierter Kontemplationslehrer, weltweite Seminar- und Vortragstätigkeit.
Es ist ein uraltes Geheimnis, dass die stille Einkehr in der Natur zum tiefgreifenden Heil-Sein führt.
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