Weisheitsliteratur – Swami Prabhavananda
(1893 – 1976)
„Die Bergpredigt im Lichte des Vedanta“
Ein Juwel der großen Weisheitsliteratur
„Jesus war freier und ungebundener Geist.
Er hatte mit seiner wundervollen Vision herausgefunden,
dass jeder Mann und jede Frau, ob Jude oder Nicht-Jude,
reich oder arm, Heiliger oder Sünder,
eine Verkörperung desselben unsterblichen Geistes war
wie er selbst.
Deshalb bestand sein ganzes Leben nur
aus der einen Aufgabe, die Menschen aufzurufen,
ihr eigenes spirituelles Wesen zu verwirklichen.
Ihr seid alle Kinder Gottes, unsterblicher Geist.“
Abanindra Nath Gosh wurde am 26. Dezember 1893 in dem bengalischen Dorf Surmanagar, nordwestlich von Kalkutta geboren. Als junger Mann las er mit Begeisterung die Schriften der indischen Weisen Ramakrishna und Vivekananda. Er wurde Schüler von Brahmananda, einem Vedanta-Gelehrten und nahm den Namen Swami Prabhavananda an. Später gründete er in den USA diverse Zentren, wo das spirituelle Vermächtnis indischer Weisheit bewahrt wurde. Er starb am 4. Juli 1976 in Hollywood, auf den Tag genau 74 Jahre nach Vivekananda, der im Alter von 39 Jahren mit den Worten die sichtbare Welt verlassen hatte: „Ich wollte, Gott hätte alle Menschen so geschaffen, dass in ihnen Philosophie, Mystik, Gefühl und Aktivität in gleicher Weise vorhanden wären!“
Swami Prabhavananda hatte mit dem Herzen eines Inders das Neue Testament eingehend studiert,
nicht als Theologe, sondern als ein durch Meditation geschulter Mensch, der in das Mysterium der Worte einzudringen verstand. Auch im Vedanta geht es um die Erkenntnis und Verwirklichung Gottes.
In der Weihnachtszeit des Jahres 1914 (seit dem 28. Juli 1914 tobte der 1. Weltkrieg) war Abanindra Nath Gosh in den Ramakrishna-Orden ein-getreten; er erinnerte sich an den Heiligen Abend:
„Während wir in Stille verharrten, sagte mein Meister: ‚Meditiert über Christus in Euch und fühlt seine lebendige Gegenwart!’ Der Raum wurde erfüllt von einer intensiven spirituellen Atmosphäre. Unser Geist wurde emporgehoben, und wir fühlten uns auf eine andere Bewusstseinsebene getragen. Zum ersten Mal erkannte ich, dass Christus ebenso zu uns gehört wie Krishna, Buddha und andere Erleuchtete…“
Prabhavananda erzählte seinen Mönchsbrüdern die Geschichte vom Leben Christi und forderte sie auf, selbst Christus zu werden und an der Erlösung der Welt mitzuwirken.
In 7 großen Kapiteln hat er die Kapitel 5 – 7 des Matthäus-Evangeliums geradezu einzigartig interpretiert – in seinem leider seit langem vergriffenen Buch „Die Bergpredigt im Lichte des Vedanta“.
In Matthäus 7, 13 lesen wir:
„Geht durch das enge Tor! Denn das Tor ist weit, das ins Verderben führt, und der Weg dahin ist breit, und viele gehen auf ihm.“
Prabhavananda kommentiert:
„Jesus warnt vor der falschen Vorstellung, dass die Verwirklichung Gottes leicht sei. Reinheit des Herzens können wir nur durch langes Bemühen erreichen. Die Weise in der Katha-Upanishad sagen: Wie die scharfe Kante einer Klinge ist der Pfad. Es liegt in der menschlichen Natur, nach außen über die breiten Straßen der Sinne zu stürmen und sich in der Welt zu verlieren. Der Prozess des religiösen Wachstums besteht darin, den ganzen Lebensstrom umzukehren und nach innen fließen zu lassen, durch das enge Tor. Die indischen Yogis unterscheiden drei Nervenkanäle in der Wirbelsäule: Ida, Pingala und Shushumna. Ida und Pingala entsprechen den beiden äußeren Kanälen der Wirbelsäulennerven, aber die moderne wissenschaftliche Anatomie ist nicht in der Lage, Sinn und Zweck von Shushumna, dem zentralen Kanal herauszufinden. Nach der Yoga-Theorie gibt es sieben Zentren spirituellen Bewusstseins. Am unteren Ende der Wirbelsäule befindet sich ein Reservoir spiritueller Energie, die durch den engen Kanal der Shushumna nach oben fließt, wo am Ende die Erkenntnis reift: „Ich und mein Vater sind eins“. Die Shushumna ist wörtlich genommen das enge Tor auf dem Weg zum ewigen Leben…
Jeder religiöse Führer sollte eine erleuchtete Seele sein. Lehrt er das Wissen von Gott, ohne selbst jenes Wissen in sich zu tragen, so wird er zum Blinden unter Blinden…
Jesus war, wie Vivekananda sagte, entkörperter, freier und ungebundener Geist. Und deshalb bestand sein ganzes Leben nur aus der einen Aufgabe, die Menschen aufzurufen, ihr eigenes spirituelles Wesen zu verwirklichen.“
Im September 1992 begleitete ich Dom Bede Griffiths (1906 – 1993) auf einer USA-Reise (Big Sur, San Francisco, Chicago, Kalamazoo, Three Rivers und Ganges). Es war seine letzte Amerika-Reise, angefüllt mit großartigen Begegnungen.
Am Freitag, 11. September 1992, kamen wir gegen Mittag in Ganges, ca. 4 Autostunden nördlich von Chicago im Vivekananda Monastery an. Mehr als 400 Personen aus allen Teilen Nordamerikas und Kanadas waren zu einer 3-tägigen Konferenz angereist, bei der Bede Griffiths als Hauptredner täglich einen großartigen Vortrag hielt.
Der Ramakrishna-Schüler Swami Vivekananda (1863 – 1902)
ist der Begründer des Parlaments der Weltreligionen, das am 11. September 1893 im Museum of Arts in Chicago seine Geburtsstunde erfuhr. An der 100-Jahrfeier vom 28. August bis 5. September 1993 in Chicago waren Christiane und ich aktive Teilnehmer, wobei in einer besonderen Feierstunde des am 13. Mai 1993 in Shantivanam / Süd-Indien verstorbenen Bede Griffths gedacht wurde. Bede Griffiths war neben dem XIV. Dalai Lama als wichtigste Persönlichkeit zu diesem beeindruckenden Ereignis eingeladen.
Ramakrishna (1836 – 1886), der die verschiedensten Religionssysteme und -Richtungen erprobte, erlangte auf jedem dieser Wege Erleuchtung und erklärte daher aus eigener Erfahrung, dass die Anhänger aller Religionen die Letzte Wirklichkeit berühren und verinnerlichen können, wenn ihre Hingabe an Gott intensiv genug ist. In einer Vision erkannte er Christus als eine göttliche Inkarnation.
In der Nacht zum 25. Dezember 1887, versammelten sich unter Leitung von Vivekananda mehrere Schüler Ramakrishnas und gründeten ein Kloster. Dass es die Weihnachtsnacht der Christen war, stellten die jungen Mönche erst später fest und sahen darin eine Bestätigung ihrer engen Beziehung zum Christentum, die auf Ramakrishnas spirituellen Erlebnissen basiert. Der Hauptsitz des Ordens ist Belur Math am Ganges bei Kalkutta. Außerdem gibt es in Indien mehr als 200 weitere Klöster des Ordens, darüber hinaus einige außerhalb Indiens.
Der Vedanta, eine philosophische und spirituelle Richtung des Hinduismus, dessen Grundlage die 4 Veden sind, lehrt, dass der Mensch von Natur aus göttlich ist und dass das oberste und wahre Ziel allen menschlichen Seins die Entfaltung und Verwirklichung eben dieser Göttlichkeit ist.
Im Vivekananda Monastery in Ganges gab es einen imposanten Buchladen, der mich wie gewohnt fasziniert hat. Obwohl ich täglich einige Male an der Fülle der angebotenen und höchstinteressanten Bücher vorbeikam, hatte ich nur ein einziges kleines Taschenbüchlein gekauft, welches noch nicht einmal gut sichtbar platziert war:
The SERMON on the MOUNT according to VEDANTA
by Swami PRABHAVANADA.
Dieses erstmalig 1946 erschienene Büchlein hatte ich sogleich mehrere Male gelesen und studiert. Ich war überwältigt von diesem Juwel spiritueller Literatur.
Bede Griffiths, dem ich von meiner Entdeckung berichtete, kannte selbstverständlich dieses Büchlein und bestätigte meinen Eindruck. Bede Griffiths’ unvergesslichen Vorträge in Ganges sowie die „Bergpredigt im Lichte des Vedanta“ hatten mich für einige Zeit in einen wunderbaren Zustand versetzt.
Zu meiner großen Freude erschien eine deutsche Fassung erstmalig 1994 bei Knaur (Pocket-Reihe Band 8, Nr. 86067, DM 12.–) unter dem Titel: „Die Bergpredigt im Lichte des Vedanta“. Es gehört seit 1992 zu meinen Lieblingsbüchern, die mich ständig begleiten. Leider ist dieses großartige Buch nicht mehr erhältlich.
Wer dieses herrliche Buch jemals liest, berührt gedanklich den Wirkungsbereich der kosmischen Wirklichkeit.
Bedauerlicherweise finden diese wirklichkeitsnahen Weisheitsbücher weniger Käufer als die wachsende spekulative esoterische Literatur.
Am Schluss seines Buches schreibt Swami Prabhavananda:
„Der Fels, auf dem Weise sein Haus baut, ist der Fels der spirituellen Erfahrung. Wenn wir einmal von Angesicht zu Angesicht der Wirklichkeit gegenübergestanden haben und in dieser Erfahrung ruhen, dann kann uns nichts mehr erschüttern. Solange wir nicht auf jenem Felsen gebaut haben, werden Stürme von Zweifeln und Bedenken um uns toben und an uns zerren – ganz gleich, wie stark unser Glauben rein emotional sein mag. Denn das Haus wird einstürzen und muss immer wieder aufs Neue erbaut werden.
Es ist nicht der wahre Glaube, wenn ein Mensch behauptet: „Ich glaube an Jesus“ oder „Ich verehre Buddha“. Der wahre Glaube lässt uns nicht ruhen, bis auch wir im Geiste wiedergeboren sind und in das Reich des Himmels eingehen. Mit eigenen Ohren die Bergpredigt gehört zu haben, muss wohl eine der überwältigsten Erfahrungen gewesen sein – doch auch das war nur eine Erfahrung aus zweiter Hand. Und so wurden denn auch einige der engsten Jünger Christi später von Zweifeln geplagt. Religion ist etwas, das wir selbst tun, sein und leben müssen – ansonsten bedeutet sie gar nichts“.
19.01.2023
Roland R. Ropers
Religionsphilosoph, spiritueller Sprachforscher, Buchautor und Publizist
www.KARDIOSOPHIE-NETWORK.de
Über Roland R. Ropers
Roland R. Ropers geb. 1945, Religionsphilosoph, spiritueller Sprachforscher,
Begründer der Etymosophie, Buchautor und Publizist, autorisierter Kontemplationslehrer, weltweite Seminar- und Vortragstätigkeit.
Es ist ein uraltes Geheimnis, dass die stille Einkehr in der Natur zum tiefgreifenden Heil-Sein führt.
>>> zum Autorenprofil
Buch Tipp:
Kardiosophie
Weg-Weiser zur kosmischen Ur-Quelle
von Roland R. Ropers und
Andrea Fessmann, Dorothea J. May, Dr. med. Christiane May-Ropers, Helga Simon-Wagenbach, Prof. Dr. phil. Irmela Neu
Die intellektuelle Kopflastigkeit, die über Jahrhunderte mit dem Begriff des französischen Philosophen René Descartes (1596 – 1650) „Cogito ergo sum“ („Ich denke, also bin ich“) verbunden war, erfordert für den Menschen der Zukunft eine neue Ausrichtung auf die Kraft und Weisheit des Herzens, die mit dem von Roland R. Ropers in die Welt gebrachten Wortes „KARDIOSOPHIE“ verbunden ist. Bereits Antoine de Saint-Exupéry beglückte uns mit seiner Erkenntnis: „Man sieht nur mit dem Herzen gut“. Der Autor und die sechs Co-Autorinnen beleuchten aus ihrem individuellen Erfahrungsreichtum die Vielfalt von Wissen und Weisheit aus dem Großraum des Herzens.
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