Der Weg zu unserem innersten Wesen führt über die Natur

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tulpen-natur-frau-springDer Weg zu unserem innersten Wesen führt über die Natur

Naturphilosoph, Kulturanthropologe und Ethnobotaniker: Wolf-Dieter Storl kann uns viel über die Kraft der Pflanzen und unseren Zugang zur Natur erzählen.

Dr.Wolf-Dieter Storl
© Dr.Wolf-Dieter Storl Quelle: https://www.storl.de/

Wolf-Dieter Storl ist viel und weit gereist und hat sich angeschaut, wie Naturvölker und Spiritualistengemeinschaften, Mystiker und Schamanen in aller Welt die Natur wahrnehmen und einen speziellen Zugang zu ihr finden. „Mit den Pflanzen in Dialog treten“, nennt er das. Ihn selbst nennen die Medien den „Schamanen aus dem Allgäu“, obwohl er weder Allgäuer noch Schamane ist. Doch er lebt seit Ende der 80er Jahre auf einem Bauernhof im Allgäu und hat einen Zugang zum Reich der Pflanzen, der eines Schamanen würdig ist. Die Familie des gebürtigen Sachsens wanderte in die USA aus, als er elf Jahre alt war.

Die Natur selbst war Wolf-Dieter Storl’s Lehrmeisterin, und „das bewusste Wahrnehmen – mit inneren und äußeren Sinnen“ hat ihn zu einer Lebensphilosophie inspiriert, die er in Büchern und auf Seminaren vermittelt: Unsere Natur ist von Geist und Seele durchdrungen, richtet uns zwischen Himmel und Erde aus und gibt uns immer das, was wir brauchen. Da er sein Wissen „ unmittelbar, lebendig, unterhaltsam“ weitergibt, ganz so, wie er die Lehren eines Schamanen definiert, und wie ein solcher auch hinter den äußeren Schein blicken kann, ist es kein Wunder, dass der Ehrentitel haften blieb.

Was ist für Sie ein Garten?

Im Allgäu haben wir einen Gemüsegarten mit einer großen Vielfalt von Gemüsen und Blumen. Ich habe das Bedürfnis, dass ein Garten auch ästhetisch schön sein soll, dass er auch etwas für die Tiere gibt, dass es Bienen und Insekten geben soll, die einander in Balance halten, so dass kein einziges zum Problem wird. Ein Garten ist auch ein Ort, wo man wunderbar meditieren kann bei der Arbeit. Die Arbeit selbst ist eine Meditation und verbindet die Seele wieder mit der Erde, mit etwas ganz Fundamentalem. Sie bringt einen zurück in die irdische Wirklichkeit.

Wenn Ihr Leben ein Garten wäre – wie sähe er dann aus?

Das ist sehr interessant! Da gibt es ein Sprichwort: Zeig mir deinen Garten, und ich sage dir, wer du bist. (lacht). Unser Leben ist so ein bisschen ein Garten, wo wir pflanzen, jäten und sähen. Meiner sähe so aus wie mein aktueller Garten. Ich mache den Gemüsegarten sehr strukturiert, achte die Pflanzenabstände und Pflanzengemeinschaften, die richtigen Fruchtfolgen und dergleichen.

Ein Besucher hat im Frühling mal gesagt: „Das sieht ja ganz und gar mathematisch aus, ich hätte einen wilden Garten bei Ihnen erwartet.“
Seine Grundlage ist eine Ordnung, die auf richtigen Gärtnerwissen basiert. Und wenn das Jahr weitergeht, wachsen die Sachen so lustig und fröhlich, dass es im Sommer wie ein wunderbarer Dschungel aussieht. Mein Garten hat auch immer einen großen Streifen mit Wildnis drumherum, wo Wildpflanzen so wachsen dürfen, wie sie wollen. Das wirkt zurück auf den kultivierten Garten und gibt ihm Kraft.
Dann habe ich auch einen kleinen Teich, und auch da wachsen essbare Pflanzen, die auch einen medizinischen Aspekt haben. Der Garten ist wie eine Miniaturwelt und prägt sowohl sich selbst als auch den Gärtner mit seiner Persönlichkeit.

Sie nehmen ja die Energien der Pflanzen wahr. Sind das die „Devas“?

Die Menschen haben immer mit der geistigen Dimension in der Natur zusammengearbeitet. Das mussten sie ja. Devas kommt aus dem Sanskrit und ist eine sehr treffende Bezeichnung für die geistigen Wesen, die sich in Pflanzen äußern. Ich sehe es so, dass die Pflanzen einen physischen und seelischen Leib haben, den Leib von geistigen, sehr mächtigen Wesenheiten. Keine so kleinen Elfchen, die herumflitzen, es hat mit den Archetypen der Pflanzen zu tun, und diese haben eine Intelligenz.

Wir Menschen haben nicht das Monopol auf Geist, die ganze Welt ist „vergeistet“. Bei uns ist der Geist sehr stark inkarniert, bei den Pflanzen ist er außerhalb und wirkt auf die Pflanze ein. Deva bedeutet „göttlich“: ein göttliches Wesen, das mit dem Licht verbunden ist. Die Pflanzen sind die irdische Verkörperung von hochentwickelten Geistwesen, die ihre Kraft von der Sonne bekommen. Sie nehmen nicht nur das Licht, sondern auch das feine Tönen der Sonne auf. Goethe hat ja gesagt: „Die Sonne tönt nach alter Weise.“

Sie nehmen dieses göttliche Licht auf, verwandeln es und beleben damit die Elemente, so dass sie alles auf der Erde nähren können. Sie geben uns die Luft zum Atmen und unsere Nahrung. In jeder Kultur spielen Pflanzen als Heiler eine zentrale Rolle – nicht nur wegen der Wirkstoffe, nein, sie wirken auch energetisch und dadurch, dass sie auf unsere Seele wirken und positive, heilsame Bilder in uns erzeugen. Pflanzen sind Mütter – so werden sie in den Veden bezeichnet.

Sie schreiben oft davon, dass wir uns mit Fernsehen und Trivialem von der Wirklichkeit ablenken lassen.

Wir Menschen verlieren uns oft in den Gedankengebilden, wir spinnen uns in alle möglichen Vorstellungen und Ideologien ein. Als Ethnologe sehe ich, wie naturnahe Völker immer wieder mit ihrer Umwelt in Austausch gehen, mit Pflanzen und Tieren – diese Wirklichkeit bringt sie immer wieder zu sich selbst zurück. Wir in der westlichen Welt sondern uns dagegen zunehmend ab. Leute in den Städten kennen eher die Fernsehstars als ihre Nachbarn oder verbringen die meiste Zeit in viereckigen Räumen. Sie wissen nicht mehr, wie es ist, barfuß zu gehen. Sie fühlen auch nicht mehr die Sonne auf der Haut.

Wir leben in einem Zeitalter der zunehmenden Naturentfremdung, und dies ist zugleich eine Entfremdung von unserem wahren Selbst. Wir Menschen haben sehr lange Zeit als Jäger und Sammlerinnen in der Natur gelebt, ohne all die Institutionen, die wir heute haben, die Schulen und Versicherungen und Regierungen. Wir waren viel direkter in Kontakt mit der Natur, und das hat uns physisch und seelisch geprägt. In der heutigen Zeit verlieren wir diesen Zugang und damit auch den Zugang zu unserem innersten Wesen. Wir sind fremdgesteuert worden.

Was wäre eine wünschenswerte Vision für die Zukunft?

Es ist immer wichtig, dass wir uns auf unser wahres, unser göttliches Wesen besinnen. Mit der heutigen wissenschaftlichen Methode kann man auf kein göttliches Wesen, das in jedem Herzen sitzt, schließen. Aber ich war lange genug in Indien, um dem zuzustimmen, was die dortigen Mystiker sagen: In jedem schlagenden Herz, ob Mensch oder Tier, ist das Göttliche.
Auch die Pflanzen geben sich wie Meditierende dem Himmel hin und nehmen mit jedem Blatt die Lebenskraft der Sonne auf, während sie zugleich im Boden vernetzt sind. Sie bringen die beiden Pole zusammen. Die Natur war immer unser Begleiter, Ernährer und Freund. Doch in den Medien heute wird die Natur als gefährlich dargestellt und als ein Gegenstand, der kontrolliert und manipuliert werden muss – „Genetic Engeneering“ als Schlagwort.

Glauben Sie, dass wir gerade wieder etwas wacher und bewusster werden?

Ich denke, diese Revolution findet auf der Ebene des Individuums statt. Es könnte sein, dass wieder irgendeine Katastrophe geschieht, die eine Ernüchterung mit sich bringt, wie die Nachkriegszeit. Das war eine Zeit der vollkommenen Ernüchterung, der Ent-Ideologisierung. Es ging einfach ums Überleben, man half einander und teilte miteinander. Eine Katastrophe ist natürlich nicht das, was ich wünsche.

Wir fangen bei uns selbst an, wir fangen nicht bei den anderen an und zwingen sie, das Richtige zu tun. Das machen verbohrte Ideologen, die die Menschen zu ihrem Glück zwingen wollen. Ich bin der Ansicht, dass es jedem einzelnen Individuum möglich ist, diese Kehrwende zu machen. Und immer wieder gibt es Menschen, bei denen diese seelische Kehrtwende stattgefunden hat, die in Einklang mit ihrem Inneren sind. Dann kann so etwas wie ein neues goldenes Zeitalter zustande kommen.

Quellen
Webseite: www.storl.de
Bücher von Wolf-Dieter Storl:
„Ich bin ein Teil des Waldes”, Kosmos Verlag
„Die Seele der Pflanzen,“ Kosmos Verlag
„Mein Gartenwissen“, GU Verlag

30.05.2021
Martina Pahr
Autorin, Bloggerin und PR – Expertin

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Martina Pahr

ist Autorin, Bloggerin und PR – Expertin, hat vor einigen Jahren den Sprung ins kalte Wasser gewagt und sich selbständig gemacht. Seither tut sie, wovon sie immer geträumt hat, und lebt vom Schreiben.
Beruflich wie auch privat setzt sie sich mit den spirituellen Aspekten des Lebens und den vielen Erscheinungsformen der New-Age-Bewegung auseinander – und nicht immer ist ihr gesunder Menschenverstand überzeugt von dem, was er vorgesetzt bekommt. Sie glaubt ungebrochen an das (viel zu oft ignorierte) Göttliche im Menschen: Eigenverantwortlichkeit und Eigenmächtigkeit, Selbstwert und Selbstheilungskräfte.
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