Luxus des Einfachen – Aus dem Einfachen das Besondere machen

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Luxus des Einfachen

Ich mag den Luxus des Einfachen. Gerade habe ich einen Artikel gelesen, in dem der Verfasser sich über die rückständigen Deutschen beschwert. Was die Digitalisierung anginge, lägen wir weit hinten. Als leuchtendes Beispiel führte er die Skandinavier an, wo man ja wirklich hinter jeder Tanne mobiles Internet hätte und Bargeld am Aussterben sei. In Deutschland hingegen, sei man schon im nächsten Dorf wegen der Funklöcher nicht permanent erreichbar. Wir hätten nicht einmal die digitale Patientenakte auf dem Krankenkassenkarten-Chip. Unzumutbare Zustände …

Ich schaue mir das Bild des Schreibers an. Er ist in den mittleren Jahren. Dürfte also noch nicht zu der Generation gehören, die Handschriftliches für „old fashioned“ hält. Das im Facebook-Zeitalter niemand mehr seine Privatsphäre für schützenswert erachtet, ist nun mal der Lauf der Zeit. Unsere Kinder sind so aufgewachsen, können die Zurückhaltung der Älteren bei der Preisgabe privater Daten nicht nachvollziehen.

Ich frage mich, wie wir bisher ohne Internet überlebt haben. Vor allem im Wald.
Und wie Ärzte uns behandeln konnten, wenn sie keine Diagnose vom Vorgänger hatten. Und ob es wirklich ein Leben vor Google gab.

Das vom Verfasser Gewünschte sind Dinge, über die ich selbst entscheiden möchte.

Ich will nicht permanent erreichbar sein. Ich will auch nicht, dass mein Arzt meinen Krankheitsverlauf seit meiner Einschulung auf dem Screen hat. Was auch definitiv nicht nötig ist. Und ich möchte mich in Gegenden aufhalten können, wo nicht jede Funkwelle anschwappt und mein Handy gefühlt 55 WLAN-Router anzeigt.
Und ja, mein Handy: Ich will es ausschalten können, ohne mir den Zorn irgendeiner Community oder meines Chefs zuzuziehen. Sogar Bargeld liebe ich. Da sehe ich, was ich habe. Und außer mir sieht niemand, wofür ich es ausgebe.

Bin ich ein bisschen retro? Mit Sicherheit! Ich mag es einfach.

Ich mag den Luxus des Einfachen.

Denn das ist „einfaches Leben“ heutzutage in unserer abgehetzten und vernetzen Gesellschaft: Luxus. Mit Bargeld kommst du in Skandinavien wirklich nicht weit und funkwellenarme Gegenden dürfte es kaum noch geben. Stille ist ein kostbares Gut. Doch genau Stille ist es, was unsere Seele braucht, nur in Stille kann sie sich entfalten.
Aber selbst in unseren bundesdeutschen Wäldern, oder in der heimischen Gartenoase ist es meist nicht still. Rasenmäher, Autos, Hunde und seit einigen Jahren auch die beliebten Laubbläser machen Zeitinseln der Stille nahezu unmöglich.

Ich bin also sehr froh, wenn ich einen abgeschiedenen Platz finde.

Meist tief in der Natur. Eben hinter jener Tanne, die in Deutschland noch keinen Internetempfang bietet. Genau das bemängelt aber obiger Autor. Er will Empfang überall. Und ich weiß, dass auch in Deutschland die Zeit kommen wird, wo ich mich diesem Wunsch der Mehrheit beugen muss. Der Mehrheit, die mit ihren Sinnen meist irgendwo „da draußen“ ist, ob nun freiwillig, oder aus der Notwendigkeit heraus und die nicht die Muße und das Plätzchen findet, still nach Innen zu gehen.

Nicht erreichbar sein tut der Seele gut.

Das ist genau das, was unsere Eltern „Urlaub“ nannten. Kein Telefon, keine Post, kein Klingeln an der Haustür. Kein Zwang, irgendwelche Emails oder Posts zu beantworten. Einfach mal nicht „da“ sein. So tankt man auf. Entschleunigt, bringt den Blutdruck runter.

Mit den Jahren lernst du, das „Einfache“ zu schätzen. Einfach mit geschlossenen Augen in der Sonne sitzen und den Vögeln lauschen. Eine sonnenwarme Birne direkt frisch vom Baum pflücken und schmecken lassen. Auf einem Stein am Meer sitzen und die salzig-feuchte Luft auf den Lippen kosten. Ja, solche Momente sind kostbar in unserem digitalen Zeitalter.

Jemand sagte mal

„Schiffe und Menschen halten sich nur durch Verdrängung über Wasser“.

Das kann ich unterstreichen. Aber irgendwann wird es auch den digitalen Junkie in die Stille ziehen, ins digitale Fasten. Ich hoffe für ihn, dass er das rechtzeitig erkennt.

Wer offenen Sinnes und mit ein wenig Kenntnis der Natur durch Wald und Feld streift,

findet die Schätze des einfachen, aber guten Lebens direkt vor seinen Füßen: Beeren, Pilze, Kräuter, lauschige Plätze zum Entschleunigen und Auftanken.
Bei vielen taucht jetzt vielleicht das Bild der Eltern vor dem geistigen Auge auf, mit Sammelkörben bewaffnet, auf der sonntäglichen Pilzsuche. Frühmorgens natürlich, weil auch andere Sammler unterwegs sind. Danach das mühselige Verarbeiten der mehrere Pfund schweren Beute.

Soviel Mühe ist absolut nicht nötig. Wir müssen keine Vorräte anlegen, oder Großfamilien versorgen. Wir können es uns einfach machen. Ernten im Vorbeigehen sozusagen. Was man so in die Jackentasche oder in ein Beutelchen bekommt.

Und so mache ich mich auch heute wieder auf, um „sinnlich“ spazieren zu gehen.

Alle meine Sinne zu verwöhnen. Nichts müssen, aber alles können. Lauschen, riechen, Wind und Sonne auf der Haut spüren. Die Erhabenheit eines Sonnenaufgangs die Seele erquicken lassen. Ich lade dich ein, mich dabei zu begleiten. Dein Handy lass aber bitte daheim, oder schalte es zumindest aus.

Im Herbst musst du nicht mehr ganz so früh aufstehen, um einen Sonnenaufgang zu sehen. Aber ich rate dir wirklich, dich einmal zu dieser Stunde, der goldenen Stunde, auf Kräuterpirsch zu begeben. Nicht nur die besonderen Farben, auch die einzigartige Stille, die der Zeit vor der Geschäftigkeit zu eigen ist, streicheln Seele und Gemüt. Du fühlst dich eins mit der Schöpfung.

Ich gehe, der Sonne zugewandt, am Strand entlang und schaue auf die spiegelglatte Meeresoberfläche.

Tautropfen glitzern in den Spinnenweben. Kein Laut ist zu hören. Selbst die Seevögel scheinen die Morgenstimmung zu genießen. Gänse lassen sich im Flachwasser treiben, oder liegen, den Kopf unter die Flügel gesteckt, am Ufer. Nur die kleinen, leicht zu übersehenden Strandläufer kümmern sich schon um ihr Frühstück. Lautlos natürlich.

Mein Weg führt auf der Steilküste entlang. Die Aussicht ist atemberaubend. Auch ich verspüre kurz den Reiz, sie auf Foto zu bannen. Aber nein. Das würde mich aus der Stimmung reißen. Schon wäre der Kopf im Spiel. Nein, ich will einfach nur „da“ sein. Ein Teil dieses morgendlichen Schauspiels.

Schließlich erreiche ich „meinen“ Platz.

Eine kleinen, natürlichen Steinring am Strand, umgeben von Strandhafer und Hundsrosen. Hier setze ich mich, schließe die Augen, und atme tief durch. Bin einfach nur da. Denke an nichts. Spüre eine leichte, aufkommende Brise, nehme wahr, wie die ersten kleinen Wellen ans Ufer plätschern.

Die Luft ist würzig, salzig. Der Herbst ist da, da gibt es keinen Zweifel.
Du musst nichts tun. Dich nicht auf deinen Atem konzentrieren, oder dir vorstellen, wie alles Belastende mit den Wellen von dir fortgespült wird. Natürlich kannst du das, aber das musst du nicht. Es reicht völlig „da“ zu sein. Ganz einfach. Und eben doch ganz besonders. Weil wir uns das selten leisten, das „da“ sein. Meist sind wir woanders. Wenn nicht körperlich, dann im Kopf. Aber jetzt kannst du „da“ sein. Im Hier und Jetzt.

Ich sitze eine Weile, spüre wie mich der Morgen vitalisiert, mein „Dasein“ stärkt und bin voller Dankbarkeit.

Dann höre ich den Fischer ausfahren. Und als wäre das der Startschuss in den neuen Tag, folgen die laut schreienden Möwen, die Brandung wird stärker, und die ersten Kondensstreifen sind am Himmel zu sehen.

Ich stehe auf und klopfe mir den Sand von der Hose. Ein paar Hagebutten nehme ich mit. Die geben mir einen guten Tee. Besonders gesund, weil ich die Kerne nicht entferne. Die leicht nach Vanille schmeckenden Kernchen haben ihr eigenes Vitamin-Potential.

Für das Abendessen wandern auch noch ein paar jüngere Fichtenzweige und einige Brennnesselsamen in meine Jackentasche. Für Letztere habe ich immer eine Butterbrottüte dabei. Ein postkartengroßes Stück Alufolie komplettiert meine Gelegenheits – Sammelausrüstung, was sich heute als glücklicher Umstand erweist: Ich finde Baumharz. Das bekomme ich von der Folie gut wieder herunter. Egal ob ich das Harz in Öl für eine Salbe nutze, oder verräuchere.

Dieser kleine Kraftspaziergang bringt mich entspannt in den Arbeitstag.

Ob ich Google nutze, oder überhaupt das Internet? Natürlich. Aber ich entscheide wann und wie lange. Das Internet ist ein Werkzeug für mich und kein Lebensbegleiter. Ich liebe das Einfache, das durch unser
stressgeprägtes und -geplagtes Umfeld zum Besonderen geworden ist.

Auch das Abendessen ist heute einfach.

Ein typisches Kinder – Lieblingsessen: Fischstäbchen!

Von der Kräuterhexe ein wenig mit Waldaroma veredelt. Einfach und besonders:
Brennnesselfischstäbchen mit Fichtenreis
Purer gehts nicht

Sammele beim Spaziergang:
Brennnesselsamen (oder Triebspitzen) gern auch aus dem Vorrat. Für Brennnesselpulver müssen die Triebe zuvor getrocknet werden, um sie danach im Mörser zu Pulver zu reiben.
5 kleine Fichtenäste, möglichst von jungen Bäumen oder im Frühjahr die jungen Triebe.

Dann brauchst du:
250 g Reis
500 g Fischfilet (z. B. Seelachs, Dorsch etc.)
3 EL Rapsöl
3 EL Brennnesselsamen, oder 2 EL Brennnesselpulver
Aioli
1 Ei
200 ml Olivenöl (mild), oder ein anderes mildes Öl wie Sonnenblume oder Raps
3 Knoblauchzehen
Meersalz,
Pfeffer, frisch gemahlen
Nach Belieben: 1 TL Mittelscharfer Senf, ein Spritzer Zitronensaft, 1 TL Kräuter wie Basilikum oder Dill

Den gewaschenen Reis zusammen mit den Fichtenzweigen in 800 ml Wasser aufkochen lassen und bei kleiner Hitze 25 – 30 Minuten abgedeckt, mit gelegentlichem Umrühren, garen. Keinen Schnellkochreis verwenden, das Fichtenaroma bildet sich erst nach einiger Zeit. Je jünger die Triebe, desto besser.

Inzwischen das Aioli zubereiten. Dafür das Ei, etwas Salz, evtl. Senf und/oder Zitronensaft verquirlen. Dann unter ständigem Rühren (der Rührstab geht hier am Besten) das Öl langsam eintropfen lassen. Erst nur ganz vorsichtig, dann immer etwas mehr. Wichtig ist, das es eine Bindung eingeht.
Wenn die Mayonnaise steht, den gepressten Knoblauch einrühren und mit den Gewürzen abschmecken.

Aus dem Filet „Stäbchen“ schneiden. Salzen und Pfeffern. Im heißen Fett bei mittlerer Temperatur von beiden Seiten braten.

Zusammen mit dem Reis anrichten. Die Fichtentriebe zuvor entfernen und eventuell überschüssiges Wasser abgießen. Brennnesselsamen, oder -Pulver auf die Fischstäbchen streuen. Aioli dazu reichen.

Mit lieben Menschen in der Abendsonne genossen, entschleunigt dieses einfache „Kindergericht“ ungemein.

Der für uns ungewohnte Fichtengeschmack kitzelt den Gaumen. Brennnessselsamen sind ab Juli/August zu finden und wahre Nährstoffbomben, die jedes Gericht aufwerten. Bevorratung lohnt sich.
Guten Appetit!

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Luxus des Einfachen – Aus dem Einfachen das Besondere machen

30.08.2019
Gabriele Meier


Über die Autorin

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Gabriele Meier
©Ute Boeters

Gabriele Meiers Leidenschaft ist das alte Wissen unserer Mütter und Großmütter. Von Kindesbeinen an beschäftigt sie sich mit heilenden Pflanzen. Nach dem mehrjährigen Besuch einer Heilpraktikerschule studierte sie in Großbritannien Herbalismus.
Ihrer Mutter und Großmutter lauschte sie volksmagische Praktiken ab, die sie mit Gleichgesinnten vertiefte. Sie lernte von Hexen in England und Druidinnen in Frankreich.

Gabriele Meier gibt ihr Wissen in Seminaren, Workshops und Vorträgen weiter. Seit über 20 Jahren lebt und arbeitet sie in einem kleinen Dorf in Schleswig-Holstein. Im Sommer findet sie an der Ostsee die Ruhe, ihr Wissen auch aufzuschreiben.

Luxus des Einfachen – Aus dem Einfachen das Besondere machen

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